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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Kanarienvogel.
und Oberbrust, die Halsseiten dagegen aschgrau. Die Brustfärbung wird nach hinten hin heller, gilb-
licher; der Bauch und die Untersteißfedern sind weißlich, die Schultern schön zeisiggrün, mattschwarz
und blaßgrünlich gebändert, die schwärzlichen Schwungfedern sind schmal grünlich, die schwarzgrauen
Schwanzfedern weißlich gesäumt. Der Augenring ist dunkelbraun; Schnabel und Füße sind bräun-
lich fleischfarben. Bolle nimmt an, daß dieses Kleid erst nach Abschluß des zweiten Lebensjahres
angelegt werde. Bei den Weibchen ist der Rücken braungrau, mit breiten schwarzen Schaftstrichen;
die Federn des Nackens und Oberkopfes sind ebenso gefärbt, am Grunde aber hellgrün; die Stirn ist
grün, der Zügel grau, die Wangen sind theils grüngelb, theils aschblaugrau; die Halsseiten werden von
einem gelbgrünen, nach rückwärts aschblaugrauen Halsring umgeben, welcher jedoch wenig deutlich ist.
Die Schulter- und kleinen Oberflügelfedern sind licht gelbgrün, die großen Flügeldecken wie die Schwin-
gen dunkelfarbig, grünlich gesäumt. Brust und Kehle sind grünlich goldgelb, ihrer weißgrauen Feder-
ränder halber aber weniger schön, als bei dem alten Männchen; Unterbrust und Bauch sind weiß, die
Körperseiten bräunlich mit dunkleren Schaftstrichen. Das Nestkleid ist bräunlich, an der Brust ins
Ockergelbe spielend, mit sehr wenig und schwachem Citronengelb an Wangen und Kehle. Alle diese
Kleider sind der vielfachen Uebergänge und Schattirungen wegen schwer mit Worten zu beschreiben,
und ich will deshalb noch bemerken, daß die Gesammtfärbung im großen Ganzen mit dem Kleid des-
jenigen zahmen Kanarienvogels übereinstimmt, welchen wir den grünen oder grauen nennen.

Die Nahrung des wilden Kanarienvogels besteht größtentheils, wenn nicht ausschließlich, aus
Pflanzenstoffen, aus kleinem Gesäme, zartem Grün und saftigen Früchten, namentlich aus Feigen.
"Eine durchgebrochene reife Feige bietet ihnen in der innigen Durchdringung von Fleisch, süßem Saft
und sehr kleinen Kernen einen süßlichen Leckerbissen dar, welchen sie gleichsam ausschlürfen, zu wel-
chem sie im Freien jedoch nur gelangen können, sobald die Frucht vor Ueberreife ihren violettblauen
oder gelbgrünen Mantel sprengt. Vorher ist es ihnen unmöglich, mit ihrem zarten Schnabel durch
die feste, von etwas scharfem Milchsaft strotzende Hülle zu dringen. Solch ein Feigenbaum mit geplatz-
ten Früchten bietet einen wahrhaft fesselnden Anblick dar; denn er bildet den Sammelplatz einer Menge
von Singvögeln. Amseln, Plattmönche, Weidenlaubvögel, Stieglitze, Steinsperlinge, Blaumeisen
u. A. m. finden auf seinen Zweigen einen gedeckten Tisch, an denen Kerf- und Körnerfresser bunte
Reihe machen." Die Hauptnahrung aber besteht in Gesäme, Kohl und Salat, Mohn und dergl.,
sowie in Grünzeug mancherlei Art. "Wasser ist für den Kanarienvogel ein gebieterisches Bedürfniß.
Er fliegt oft, meist gesellig, zur Tränke und liebt das Baden, bei welchem er sich sehr naß macht, im
wilden Zustande ebenso sehr als im zahmen."

Ueber die Fortpflanzung berichtet Bolle sehr ausführlich. "Paarung und Nestbau erfolgen im
März, meist erst in der zweiten Hälfte desselben. Nie baute der Vogel in den uns zu Gesicht gekom-
menen Fällen niedriger, als acht Fuß über dem Boden, oft in sehr viel bedeutender Höhe. Für junge,
noch schlanke Bäumchen scheint er besondere Vorliebe zu hegen und unter diesen wieder die immer-
grünen oder sehr früh sich belaubenden vorzüglich gern zu wählen. Der Birn- und der Granatbaum
werden ihrer vielfachen und doch lichten Verästelung halber sehr häufig, der Orangenbaum seiner
immer allzu dunklen Krone wegen schon seltener, der Feigenbaum, wie man versichert, niemals zur
Brutstätte ausersehen. Das Nest wird sehr versteckt angebracht, doch ist es, namentlich in Gärten,
vermöge des vielen Hin- und Herfliegens der Alten und ihres nicht großen Nistgebietes unschwer zu
entdecken. Wir fanden das erste uns zu Gesicht gekommene in den letzten Tagen des März 1856 in-
mitten eines verwilderten Gartens der Villa Orotava, auf einem etwa zwölf Fuß hohen Buchsbaume,
der sich über einer Mirtenhecke erhob. Es stand, nur mit dem Boden auf den Aesten ruhend, in der
Gabel einiger Zweige, unten breit, oben sehr eng mit äußerst zierlicher Rundung, nett und regelmäßig
gebaut. Es war durchweg aus schneeweißer Pflanzenwolle zusammengesetzt und nur mit wenigen
dürren Hälmchen durchwebt. Das erste Ei wurde am 30. März, dann täglich eins hinzu gelegt, bis
die Anzahl von fünfen beisammen war, welches die regelmäßige Zahl des Geleges zu sein scheint, ob-
wohl wir in andern Fällen nur drei bis vier Eier, nie aber mehr als fünf in einem Neste gefunden

Kanarienvogel.
und Oberbruſt, die Halsſeiten dagegen aſchgrau. Die Bruſtfärbung wird nach hinten hin heller, gilb-
licher; der Bauch und die Unterſteißfedern ſind weißlich, die Schultern ſchön zeiſiggrün, mattſchwarz
und blaßgrünlich gebändert, die ſchwärzlichen Schwungfedern ſind ſchmal grünlich, die ſchwarzgrauen
Schwanzfedern weißlich geſäumt. Der Augenring iſt dunkelbraun; Schnabel und Füße ſind bräun-
lich fleiſchfarben. Bolle nimmt an, daß dieſes Kleid erſt nach Abſchluß des zweiten Lebensjahres
angelegt werde. Bei den Weibchen iſt der Rücken braungrau, mit breiten ſchwarzen Schaftſtrichen;
die Federn des Nackens und Oberkopfes ſind ebenſo gefärbt, am Grunde aber hellgrün; die Stirn iſt
grün, der Zügel grau, die Wangen ſind theils grüngelb, theils aſchblaugrau; die Halsſeiten werden von
einem gelbgrünen, nach rückwärts aſchblaugrauen Halsring umgeben, welcher jedoch wenig deutlich iſt.
Die Schulter- und kleinen Oberflügelfedern ſind licht gelbgrün, die großen Flügeldecken wie die Schwin-
gen dunkelfarbig, grünlich geſäumt. Bruſt und Kehle ſind grünlich goldgelb, ihrer weißgrauen Feder-
ränder halber aber weniger ſchön, als bei dem alten Männchen; Unterbruſt und Bauch ſind weiß, die
Körperſeiten bräunlich mit dunkleren Schaftſtrichen. Das Neſtkleid iſt bräunlich, an der Bruſt ins
Ockergelbe ſpielend, mit ſehr wenig und ſchwachem Citronengelb an Wangen und Kehle. Alle dieſe
Kleider ſind der vielfachen Uebergänge und Schattirungen wegen ſchwer mit Worten zu beſchreiben,
und ich will deshalb noch bemerken, daß die Geſammtfärbung im großen Ganzen mit dem Kleid des-
jenigen zahmen Kanarienvogels übereinſtimmt, welchen wir den grünen oder grauen nennen.

Die Nahrung des wilden Kanarienvogels beſteht größtentheils, wenn nicht ausſchließlich, aus
Pflanzenſtoffen, aus kleinem Geſäme, zartem Grün und ſaftigen Früchten, namentlich aus Feigen.
„Eine durchgebrochene reife Feige bietet ihnen in der innigen Durchdringung von Fleiſch, ſüßem Saft
und ſehr kleinen Kernen einen ſüßlichen Leckerbiſſen dar, welchen ſie gleichſam ausſchlürfen, zu wel-
chem ſie im Freien jedoch nur gelangen können, ſobald die Frucht vor Ueberreife ihren violettblauen
oder gelbgrünen Mantel ſprengt. Vorher iſt es ihnen unmöglich, mit ihrem zarten Schnabel durch
die feſte, von etwas ſcharfem Milchſaft ſtrotzende Hülle zu dringen. Solch ein Feigenbaum mit geplatz-
ten Früchten bietet einen wahrhaft feſſelnden Anblick dar; denn er bildet den Sammelplatz einer Menge
von Singvögeln. Amſeln, Plattmönche, Weidenlaubvögel, Stieglitze, Steinſperlinge, Blaumeiſen
u. A. m. finden auf ſeinen Zweigen einen gedeckten Tiſch, an denen Kerf- und Körnerfreſſer bunte
Reihe machen.‟ Die Hauptnahrung aber beſteht in Geſäme, Kohl und Salat, Mohn und dergl.,
ſowie in Grünzeug mancherlei Art. „Waſſer iſt für den Kanarienvogel ein gebieteriſches Bedürfniß.
Er fliegt oft, meiſt geſellig, zur Tränke und liebt das Baden, bei welchem er ſich ſehr naß macht, im
wilden Zuſtande ebenſo ſehr als im zahmen.‟

Ueber die Fortpflanzung berichtet Bolle ſehr ausführlich. „Paarung und Neſtbau erfolgen im
März, meiſt erſt in der zweiten Hälfte deſſelben. Nie baute der Vogel in den uns zu Geſicht gekom-
menen Fällen niedriger, als acht Fuß über dem Boden, oft in ſehr viel bedeutender Höhe. Für junge,
noch ſchlanke Bäumchen ſcheint er beſondere Vorliebe zu hegen und unter dieſen wieder die immer-
grünen oder ſehr früh ſich belaubenden vorzüglich gern zu wählen. Der Birn- und der Granatbaum
werden ihrer vielfachen und doch lichten Veräſtelung halber ſehr häufig, der Orangenbaum ſeiner
immer allzu dunklen Krone wegen ſchon ſeltener, der Feigenbaum, wie man verſichert, niemals zur
Brutſtätte auserſehen. Das Neſt wird ſehr verſteckt angebracht, doch iſt es, namentlich in Gärten,
vermöge des vielen Hin- und Herfliegens der Alten und ihres nicht großen Niſtgebietes unſchwer zu
entdecken. Wir fanden das erſte uns zu Geſicht gekommene in den letzten Tagen des März 1856 in-
mitten eines verwilderten Gartens der Villa Orotava, auf einem etwa zwölf Fuß hohen Buchsbaume,
der ſich über einer Mirtenhecke erhob. Es ſtand, nur mit dem Boden auf den Aeſten ruhend, in der
Gabel einiger Zweige, unten breit, oben ſehr eng mit äußerſt zierlicher Rundung, nett und regelmäßig
gebaut. Es war durchweg aus ſchneeweißer Pflanzenwolle zuſammengeſetzt und nur mit wenigen
dürren Hälmchen durchwebt. Das erſte Ei wurde am 30. März, dann täglich eins hinzu gelegt, bis
die Anzahl von fünfen beiſammen war, welches die regelmäßige Zahl des Geleges zu ſein ſcheint, ob-
wohl wir in andern Fällen nur drei bis vier Eier, nie aber mehr als fünf in einem Neſte gefunden

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[121/0139] Kanarienvogel. und Oberbruſt, die Halsſeiten dagegen aſchgrau. Die Bruſtfärbung wird nach hinten hin heller, gilb- licher; der Bauch und die Unterſteißfedern ſind weißlich, die Schultern ſchön zeiſiggrün, mattſchwarz und blaßgrünlich gebändert, die ſchwärzlichen Schwungfedern ſind ſchmal grünlich, die ſchwarzgrauen Schwanzfedern weißlich geſäumt. Der Augenring iſt dunkelbraun; Schnabel und Füße ſind bräun- lich fleiſchfarben. Bolle nimmt an, daß dieſes Kleid erſt nach Abſchluß des zweiten Lebensjahres angelegt werde. Bei den Weibchen iſt der Rücken braungrau, mit breiten ſchwarzen Schaftſtrichen; die Federn des Nackens und Oberkopfes ſind ebenſo gefärbt, am Grunde aber hellgrün; die Stirn iſt grün, der Zügel grau, die Wangen ſind theils grüngelb, theils aſchblaugrau; die Halsſeiten werden von einem gelbgrünen, nach rückwärts aſchblaugrauen Halsring umgeben, welcher jedoch wenig deutlich iſt. Die Schulter- und kleinen Oberflügelfedern ſind licht gelbgrün, die großen Flügeldecken wie die Schwin- gen dunkelfarbig, grünlich geſäumt. Bruſt und Kehle ſind grünlich goldgelb, ihrer weißgrauen Feder- ränder halber aber weniger ſchön, als bei dem alten Männchen; Unterbruſt und Bauch ſind weiß, die Körperſeiten bräunlich mit dunkleren Schaftſtrichen. Das Neſtkleid iſt bräunlich, an der Bruſt ins Ockergelbe ſpielend, mit ſehr wenig und ſchwachem Citronengelb an Wangen und Kehle. Alle dieſe Kleider ſind der vielfachen Uebergänge und Schattirungen wegen ſchwer mit Worten zu beſchreiben, und ich will deshalb noch bemerken, daß die Geſammtfärbung im großen Ganzen mit dem Kleid des- jenigen zahmen Kanarienvogels übereinſtimmt, welchen wir den grünen oder grauen nennen. Die Nahrung des wilden Kanarienvogels beſteht größtentheils, wenn nicht ausſchließlich, aus Pflanzenſtoffen, aus kleinem Geſäme, zartem Grün und ſaftigen Früchten, namentlich aus Feigen. „Eine durchgebrochene reife Feige bietet ihnen in der innigen Durchdringung von Fleiſch, ſüßem Saft und ſehr kleinen Kernen einen ſüßlichen Leckerbiſſen dar, welchen ſie gleichſam ausſchlürfen, zu wel- chem ſie im Freien jedoch nur gelangen können, ſobald die Frucht vor Ueberreife ihren violettblauen oder gelbgrünen Mantel ſprengt. Vorher iſt es ihnen unmöglich, mit ihrem zarten Schnabel durch die feſte, von etwas ſcharfem Milchſaft ſtrotzende Hülle zu dringen. Solch ein Feigenbaum mit geplatz- ten Früchten bietet einen wahrhaft feſſelnden Anblick dar; denn er bildet den Sammelplatz einer Menge von Singvögeln. Amſeln, Plattmönche, Weidenlaubvögel, Stieglitze, Steinſperlinge, Blaumeiſen u. A. m. finden auf ſeinen Zweigen einen gedeckten Tiſch, an denen Kerf- und Körnerfreſſer bunte Reihe machen.‟ Die Hauptnahrung aber beſteht in Geſäme, Kohl und Salat, Mohn und dergl., ſowie in Grünzeug mancherlei Art. „Waſſer iſt für den Kanarienvogel ein gebieteriſches Bedürfniß. Er fliegt oft, meiſt geſellig, zur Tränke und liebt das Baden, bei welchem er ſich ſehr naß macht, im wilden Zuſtande ebenſo ſehr als im zahmen.‟ Ueber die Fortpflanzung berichtet Bolle ſehr ausführlich. „Paarung und Neſtbau erfolgen im März, meiſt erſt in der zweiten Hälfte deſſelben. Nie baute der Vogel in den uns zu Geſicht gekom- menen Fällen niedriger, als acht Fuß über dem Boden, oft in ſehr viel bedeutender Höhe. Für junge, noch ſchlanke Bäumchen ſcheint er beſondere Vorliebe zu hegen und unter dieſen wieder die immer- grünen oder ſehr früh ſich belaubenden vorzüglich gern zu wählen. Der Birn- und der Granatbaum werden ihrer vielfachen und doch lichten Veräſtelung halber ſehr häufig, der Orangenbaum ſeiner immer allzu dunklen Krone wegen ſchon ſeltener, der Feigenbaum, wie man verſichert, niemals zur Brutſtätte auserſehen. Das Neſt wird ſehr verſteckt angebracht, doch iſt es, namentlich in Gärten, vermöge des vielen Hin- und Herfliegens der Alten und ihres nicht großen Niſtgebietes unſchwer zu entdecken. Wir fanden das erſte uns zu Geſicht gekommene in den letzten Tagen des März 1856 in- mitten eines verwilderten Gartens der Villa Orotava, auf einem etwa zwölf Fuß hohen Buchsbaume, der ſich über einer Mirtenhecke erhob. Es ſtand, nur mit dem Boden auf den Aeſten ruhend, in der Gabel einiger Zweige, unten breit, oben ſehr eng mit äußerſt zierlicher Rundung, nett und regelmäßig gebaut. Es war durchweg aus ſchneeweißer Pflanzenwolle zuſammengeſetzt und nur mit wenigen dürren Hälmchen durchwebt. Das erſte Ei wurde am 30. März, dann täglich eins hinzu gelegt, bis die Anzahl von fünfen beiſammen war, welches die regelmäßige Zahl des Geleges zu ſein ſcheint, ob- wohl wir in andern Fällen nur drei bis vier Eier, nie aber mehr als fünf in einem Neſte gefunden

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/139>, abgerufen am 25.11.2024.