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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Unser Eichhörnchen.
Grunde eignet sich das Eichhorn besonders zum Halten im Zimmer, und wir finden es ja auch häufig
genug als gerngesehenen Genossen des Menschen. Man nimmt zu diesem Zweck die Jungen aus,
wenn sie halb erwachsen sind, und füttert sie mit Milch und Semmel groß, bis man zu ihrer Kern-
nahrung übergehen kann. Hat man jedoch eine säugende Katze von gutmüthigem Charakter, so läßt
man durch diese das junge Hörnchen groß sängen, und dann erhält es eine Pflege, wie man sie
selbst ihm niemals gewähren kann. Jch habe bereits auf Seite 288 des ersten Bandes mitgetheilt, wie
gern sich die gutgeartete Katze solcher Pflege unterzieht, und wiederhole, daß man nichts Schöneres
sehen kann, als die zwei so verschiedenen Thiere in solch innigem Zusammenleben.

Jn der Jugend sind alle Hörnchen muntere, lustige und durchaus harmlose Thierchen, welche
sich recht gern von den Menschen hätscheln und schmeicheln lassen. Sie erkennen und lieben ihren
Pfleger und zeigen sogar eine gewisse Gelehrigkeit, indem sie dem Rufe folgen. Leider werden
fast alle, auch die zahmsten, mit zunehmendem Alter tückisch oder wenigstens bissig, und ihre Nage-
zähne sind hinlänglich scharf, um sehr schmerzhafte und sogar gefährliche Bisse beizubringen. Zumal
im Frühjahre, während der Zeit der Paarung, ist solchen eingesperrten nie recht zu trauen.

Man darf dem Thiere leider das freie Umherlaufen im Hause und Hofe nicht gestatten, weil
es alles Mögliche beschnuppert, untersucht, benagt und verschleppt. Deshalb hält man es in einem
Käfig, welcher innen mit Blech ausgeschlagen ist, damit er nicht allzuschnell ein Opfer der Nage-
zähne wird. Dagegen muß man dann auch sorgen, daß die Hörnchen ihre Nagezähne an anderen
Stossen abstumpfen können, weil ihnen sonst die Zähne nicht selten einen Zoll weit über einander
wegwachsen und es ihnen ganz unmöglich machen, ihre Nahrung zu zerkleinern oder überhaupt zu
fressen. Man gibt ihnen deshalb unter ihr Futter viele harte Dinge, namentlich Nüsse und Tannen-
zapfen oder auch Holzkugeln und Holzstückchen; denn gerade die Art und Weise, wie sie fressen,
gewährt mit das Hauptvergnügen, welches die gefangenen überhaupt bereiten. Zierlich ergreifen sie
die ihnen vorgehaltene Nahrung mit den beiden Vorderhänden, suchen sich schnell den sichersten Platz
aus, setzen sich dort hübsch nieder, schlagen den Schwanz über sich, sehen sich, während sie nagen,
schlau und munter immer um, putzen Schnauze und Schwanz nach gehaltener Mahlzeit und hüpfen
lustig und hübsch in affenartigen Sätzen hin und her. Dieses muntere Treiben und die außerordent-
liche Reinlichkeit lassen sie mit Recht zu den angenehmsten Nagern in der Gefangenschaft rechnen.

Außer dem Menschen hat das Eichhorn in dem Edelmarder seinen furchtbarsten Feind. Dem
Fuchse gelingt es nur selten, ein Hörnchen zu erschleichen, wenn es sich eben am Boden befindet,
und den Milanen, Habichten und großen Eulen entgeht das Thier dadurch leicht, daß es, wenn
ihm die Vögel zu Leibe wollen, rasch in Schraubenlinien um den Stamm herumsteigt, während die
Vögel im Fluge natürlich weit größere Bogen machen müssen; endlich erreicht es doch eine Höhlung,
einen dichten Wipfel, wo es geschützt ist. Anders ist es, wenn es vor dem Edelmarder flüchten
muß. Dieser fürchterliche Feind klettert genau ebensogut, als sein Opfer, und verfolgt dieses auf
Schritt und Tritt, in den Kronen der Bäume ebensowohl, wie auf der Erde; er folgt ihm sogar in die
Höhlungen, in welche es flüchtet, oder in das dickwandige Nest. Unter ängstlichem Klatschen und Pfeifen
flieht das Eichhorn vor ihm her, von Ast zu Ast: der gewandte Räuber jagt hinter ihm drein, und beide
überbieten sich förmlich in prachtvollen Sprüngen. Die einzige Möglichkeit der Rettung für das Eich-
hörnchen liegt in seiner Fähigkeit, ohne Schaden vom höchsten Wipfel der Bäume herab auf die Erde
zu springen und dann schnell ein Stück unten fortzueilen, einen neuen Baum zu gewinnen und unter
Umständen das alte Spiel nochmals zu wiederholen. Man sieht es daher, wenn es der Edelmarder
verfolgt, so eifrig als möglich nach der Höhe streben und zwar regelmäßig in den gewandten Schrau-
benlinien, bei denen ihm der Stamm doch mehr oder weniger zur Deckung dient. Der Edelmarder
klimmt natürlich eifrig hinter ihm drein, und beide steigen wirklich unglaublich schnell zur höchsten
Krone empor. Jetzt scheint es der Marder bereits am Kragen zu haben -- da springt es in gewal-
tigem Bogensatz von hohem Wipfel weg in die Luft, streckt alle Gliedmaßen wagrecht von sich ab und
saust so zum Boden nieder, kommt dort wohlbehalten an und eilt nun ängstlich, so rasch als es kann,

Unſer Eichhörnchen.
Grunde eignet ſich das Eichhorn beſonders zum Halten im Zimmer, und wir finden es ja auch häufig
genug als gerngeſehenen Genoſſen des Menſchen. Man nimmt zu dieſem Zweck die Jungen aus,
wenn ſie halb erwachſen ſind, und füttert ſie mit Milch und Semmel groß, bis man zu ihrer Kern-
nahrung übergehen kann. Hat man jedoch eine ſäugende Katze von gutmüthigem Charakter, ſo läßt
man durch dieſe das junge Hörnchen groß ſängen, und dann erhält es eine Pflege, wie man ſie
ſelbſt ihm niemals gewähren kann. Jch habe bereits auf Seite 288 des erſten Bandes mitgetheilt, wie
gern ſich die gutgeartete Katze ſolcher Pflege unterzieht, und wiederhole, daß man nichts Schöneres
ſehen kann, als die zwei ſo verſchiedenen Thiere in ſolch innigem Zuſammenleben.

Jn der Jugend ſind alle Hörnchen muntere, luſtige und durchaus harmloſe Thierchen, welche
ſich recht gern von den Menſchen hätſcheln und ſchmeicheln laſſen. Sie erkennen und lieben ihren
Pfleger und zeigen ſogar eine gewiſſe Gelehrigkeit, indem ſie dem Rufe folgen. Leider werden
faſt alle, auch die zahmſten, mit zunehmendem Alter tückiſch oder wenigſtens biſſig, und ihre Nage-
zähne ſind hinlänglich ſcharf, um ſehr ſchmerzhafte und ſogar gefährliche Biſſe beizubringen. Zumal
im Frühjahre, während der Zeit der Paarung, iſt ſolchen eingeſperrten nie recht zu trauen.

Man darf dem Thiere leider das freie Umherlaufen im Hauſe und Hofe nicht geſtatten, weil
es alles Mögliche beſchnuppert, unterſucht, benagt und verſchleppt. Deshalb hält man es in einem
Käfig, welcher innen mit Blech ausgeſchlagen iſt, damit er nicht allzuſchnell ein Opfer der Nage-
zähne wird. Dagegen muß man dann auch ſorgen, daß die Hörnchen ihre Nagezähne an anderen
Stoſſen abſtumpfen können, weil ihnen ſonſt die Zähne nicht ſelten einen Zoll weit über einander
wegwachſen und es ihnen ganz unmöglich machen, ihre Nahrung zu zerkleinern oder überhaupt zu
freſſen. Man gibt ihnen deshalb unter ihr Futter viele harte Dinge, namentlich Nüſſe und Tannen-
zapfen oder auch Holzkugeln und Holzſtückchen; denn gerade die Art und Weiſe, wie ſie freſſen,
gewährt mit das Hauptvergnügen, welches die gefangenen überhaupt bereiten. Zierlich ergreifen ſie
die ihnen vorgehaltene Nahrung mit den beiden Vorderhänden, ſuchen ſich ſchnell den ſicherſten Platz
aus, ſetzen ſich dort hübſch nieder, ſchlagen den Schwanz über ſich, ſehen ſich, während ſie nagen,
ſchlau und munter immer um, putzen Schnauze und Schwanz nach gehaltener Mahlzeit und hüpfen
luſtig und hübſch in affenartigen Sätzen hin und her. Dieſes muntere Treiben und die außerordent-
liche Reinlichkeit laſſen ſie mit Recht zu den angenehmſten Nagern in der Gefangenſchaft rechnen.

Außer dem Menſchen hat das Eichhorn in dem Edelmarder ſeinen furchtbarſten Feind. Dem
Fuchſe gelingt es nur ſelten, ein Hörnchen zu erſchleichen, wenn es ſich eben am Boden befindet,
und den Milanen, Habichten und großen Eulen entgeht das Thier dadurch leicht, daß es, wenn
ihm die Vögel zu Leibe wollen, raſch in Schraubenlinien um den Stamm herumſteigt, während die
Vögel im Fluge natürlich weit größere Bogen machen müſſen; endlich erreicht es doch eine Höhlung,
einen dichten Wipfel, wo es geſchützt iſt. Anders iſt es, wenn es vor dem Edelmarder flüchten
muß. Dieſer fürchterliche Feind klettert genau ebenſogut, als ſein Opfer, und verfolgt dieſes auf
Schritt und Tritt, in den Kronen der Bäume ebenſowohl, wie auf der Erde; er folgt ihm ſogar in die
Höhlungen, in welche es flüchtet, oder in das dickwandige Neſt. Unter ängſtlichem Klatſchen und Pfeifen
flieht das Eichhorn vor ihm her, von Aſt zu Aſt: der gewandte Räuber jagt hinter ihm drein, und beide
überbieten ſich förmlich in prachtvollen Sprüngen. Die einzige Möglichkeit der Rettung für das Eich-
hörnchen liegt in ſeiner Fähigkeit, ohne Schaden vom höchſten Wipfel der Bäume herab auf die Erde
zu ſpringen und dann ſchnell ein Stück unten fortzueilen, einen neuen Baum zu gewinnen und unter
Umſtänden das alte Spiel nochmals zu wiederholen. Man ſieht es daher, wenn es der Edelmarder
verfolgt, ſo eifrig als möglich nach der Höhe ſtreben und zwar regelmäßig in den gewandten Schrau-
benlinien, bei denen ihm der Stamm doch mehr oder weniger zur Deckung dient. Der Edelmarder
klimmt natürlich eifrig hinter ihm drein, und beide ſteigen wirklich unglaublich ſchnell zur höchſten
Krone empor. Jetzt ſcheint es der Marder bereits am Kragen zu haben — da ſpringt es in gewal-
tigem Bogenſatz von hohem Wipfel weg in die Luft, ſtreckt alle Gliedmaßen wagrecht von ſich ab und
ſauſt ſo zum Boden nieder, kommt dort wohlbehalten an und eilt nun ängſtlich, ſo raſch als es kann,

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[73/0087] Unſer Eichhörnchen. Grunde eignet ſich das Eichhorn beſonders zum Halten im Zimmer, und wir finden es ja auch häufig genug als gerngeſehenen Genoſſen des Menſchen. Man nimmt zu dieſem Zweck die Jungen aus, wenn ſie halb erwachſen ſind, und füttert ſie mit Milch und Semmel groß, bis man zu ihrer Kern- nahrung übergehen kann. Hat man jedoch eine ſäugende Katze von gutmüthigem Charakter, ſo läßt man durch dieſe das junge Hörnchen groß ſängen, und dann erhält es eine Pflege, wie man ſie ſelbſt ihm niemals gewähren kann. Jch habe bereits auf Seite 288 des erſten Bandes mitgetheilt, wie gern ſich die gutgeartete Katze ſolcher Pflege unterzieht, und wiederhole, daß man nichts Schöneres ſehen kann, als die zwei ſo verſchiedenen Thiere in ſolch innigem Zuſammenleben. Jn der Jugend ſind alle Hörnchen muntere, luſtige und durchaus harmloſe Thierchen, welche ſich recht gern von den Menſchen hätſcheln und ſchmeicheln laſſen. Sie erkennen und lieben ihren Pfleger und zeigen ſogar eine gewiſſe Gelehrigkeit, indem ſie dem Rufe folgen. Leider werden faſt alle, auch die zahmſten, mit zunehmendem Alter tückiſch oder wenigſtens biſſig, und ihre Nage- zähne ſind hinlänglich ſcharf, um ſehr ſchmerzhafte und ſogar gefährliche Biſſe beizubringen. Zumal im Frühjahre, während der Zeit der Paarung, iſt ſolchen eingeſperrten nie recht zu trauen. Man darf dem Thiere leider das freie Umherlaufen im Hauſe und Hofe nicht geſtatten, weil es alles Mögliche beſchnuppert, unterſucht, benagt und verſchleppt. Deshalb hält man es in einem Käfig, welcher innen mit Blech ausgeſchlagen iſt, damit er nicht allzuſchnell ein Opfer der Nage- zähne wird. Dagegen muß man dann auch ſorgen, daß die Hörnchen ihre Nagezähne an anderen Stoſſen abſtumpfen können, weil ihnen ſonſt die Zähne nicht ſelten einen Zoll weit über einander wegwachſen und es ihnen ganz unmöglich machen, ihre Nahrung zu zerkleinern oder überhaupt zu freſſen. Man gibt ihnen deshalb unter ihr Futter viele harte Dinge, namentlich Nüſſe und Tannen- zapfen oder auch Holzkugeln und Holzſtückchen; denn gerade die Art und Weiſe, wie ſie freſſen, gewährt mit das Hauptvergnügen, welches die gefangenen überhaupt bereiten. Zierlich ergreifen ſie die ihnen vorgehaltene Nahrung mit den beiden Vorderhänden, ſuchen ſich ſchnell den ſicherſten Platz aus, ſetzen ſich dort hübſch nieder, ſchlagen den Schwanz über ſich, ſehen ſich, während ſie nagen, ſchlau und munter immer um, putzen Schnauze und Schwanz nach gehaltener Mahlzeit und hüpfen luſtig und hübſch in affenartigen Sätzen hin und her. Dieſes muntere Treiben und die außerordent- liche Reinlichkeit laſſen ſie mit Recht zu den angenehmſten Nagern in der Gefangenſchaft rechnen. Außer dem Menſchen hat das Eichhorn in dem Edelmarder ſeinen furchtbarſten Feind. Dem Fuchſe gelingt es nur ſelten, ein Hörnchen zu erſchleichen, wenn es ſich eben am Boden befindet, und den Milanen, Habichten und großen Eulen entgeht das Thier dadurch leicht, daß es, wenn ihm die Vögel zu Leibe wollen, raſch in Schraubenlinien um den Stamm herumſteigt, während die Vögel im Fluge natürlich weit größere Bogen machen müſſen; endlich erreicht es doch eine Höhlung, einen dichten Wipfel, wo es geſchützt iſt. Anders iſt es, wenn es vor dem Edelmarder flüchten muß. Dieſer fürchterliche Feind klettert genau ebenſogut, als ſein Opfer, und verfolgt dieſes auf Schritt und Tritt, in den Kronen der Bäume ebenſowohl, wie auf der Erde; er folgt ihm ſogar in die Höhlungen, in welche es flüchtet, oder in das dickwandige Neſt. Unter ängſtlichem Klatſchen und Pfeifen flieht das Eichhorn vor ihm her, von Aſt zu Aſt: der gewandte Räuber jagt hinter ihm drein, und beide überbieten ſich förmlich in prachtvollen Sprüngen. Die einzige Möglichkeit der Rettung für das Eich- hörnchen liegt in ſeiner Fähigkeit, ohne Schaden vom höchſten Wipfel der Bäume herab auf die Erde zu ſpringen und dann ſchnell ein Stück unten fortzueilen, einen neuen Baum zu gewinnen und unter Umſtänden das alte Spiel nochmals zu wiederholen. Man ſieht es daher, wenn es der Edelmarder verfolgt, ſo eifrig als möglich nach der Höhe ſtreben und zwar regelmäßig in den gewandten Schrau- benlinien, bei denen ihm der Stamm doch mehr oder weniger zur Deckung dient. Der Edelmarder klimmt natürlich eifrig hinter ihm drein, und beide ſteigen wirklich unglaublich ſchnell zur höchſten Krone empor. Jetzt ſcheint es der Marder bereits am Kragen zu haben — da ſpringt es in gewal- tigem Bogenſatz von hohem Wipfel weg in die Luft, ſtreckt alle Gliedmaßen wagrecht von ſich ab und ſauſt ſo zum Boden nieder, kommt dort wohlbehalten an und eilt nun ängſtlich, ſo raſch als es kann,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/87>, abgerufen am 23.11.2024.