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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die eigentlichen Hörnchen.
davon, um sich wo möglich ein besseres Versteck auszusuchen. Das vermag ihm der Edelmarder
doch nicht nachzuthun; demungeachtet bleibt dieser sein furchtbarster Feind und das Hörnchen die
Hauptnahrung des in allen Leibeskünsten so wohlerfahrenen Raubgesellen: -- er jagt dem Wehrlosen
nach, bis dieser sich ihm aus Erschöpfung geradezu preisgibt. Junge Eichhörnchen sind natürlich weit
mehr Gefahren ausgesetzt, als die alten. Eben ausgeschlüpfte kann sogar ein behender Mensch klet-
ternd einholen, wie ich aus eigener Erfahrung versichern darf. Wir suchten als Knaben solche
Junge auf und stiegen ihnen auf die Bäume nach, und mehr als einmal wurde die Gleichgiltigkeit,
mit welcher sie uns nahekommen ließen, ihr Verderben. Sobald wir nämlich den Ast erreichen
konnten, auf welchem sie saßen, waren sie verloren. Wir schüttelten den Ast mit Macht hin und
her, und das erschreckte Hörnchen dachte gewöhnlich blos daran, sich recht fest zu halten, um nicht
herabzustürzen. Nun ging es weiter und weiter nach außen, immer schüttelnd, bis wir mit raschem
Griffe das Thierchen fassen konnten. Auf einen Biß mehr oder weniger kam es uns damals nicht an,
weil uns unsere gezähmten ohnehin genugsam damit begabten. Diese fing ich immer auf dieselbe
Weise wieder ein, wenn sie sich freigemacht hatten und entflohen waren.

Am Lenaflusse leben die Bauern vom Anfang März bis Mitte April ganz für den Eichhorns-
fang, und mancher stellt dort über tausend Fallen. Diese bestehen aus zwei Bretern, zwischen
denen ein Stellholz sich befindet, an dem ein Stückchen gedörrter Fisch befestigt ist. Berührt das
Eichhorn diese Lockspeise, so wird es von dem oberen Bret erschlagen. Die Tungusen schießen es
mit stumpfen Pfeilen, um das Fell nicht zu verderben. Wir erlegen es meist mit dem Gewehr, wenn
wir überhaupt Jagd auf diese Zierde unserer Wälder machen, angelockt von dem Wunsche, den treff-
lichen Pelz zu verwerthen. Jm hohen Norden, wo die Hörnchen weit regelmäßigere und auch aus-
gedehntere Wanderungen unternehmen, als bei uns, zumal in strengen Wintern, massenhaft aus
den höher gelegenen Gegenden in die milderen Ebenen herabwandern, um dort den Winter zu ver-
bringen, ist die Jagd ergiebiger und auch gerechtfertigter, da das Pelzwerk dort von höherem
Werth ist.

Die schönsten Felle kommen aus Sibirien und Lappland und sind im Handel unter dem Namen
"Grauwerk" bekannt. Der Bauchtheil heißt gewöhnlich "Veh-" oder "Feh-Wamme" und gilt für
eine kostbare Pelzwaare, mit deren Handel sich eine große Zahl von Menschen beschäftigt. Aus
Rußland allein werden jährlich über zwei Millionen Grauwerkfelle ausgeführt; die meisten gehen
nach China. Außer dem Felle verwendet man auch noch die Schwanzhaare zu guten Malerpinseln,
und das weiße, zarte, wohlschmeckende Fleisch wird von den Sachkennern überall gern gegessen.

Die Alten glaubten, im Gehirn und Fleisch kräftige Heilmittel zu besitzen, und unter dem
Landvolke besteht noch heutzutage hier und da der Glaube, daß ein zu Pulver gebranntes männliches
Eichhorn das beste Heilmittel für kranke Hengste, ein weibliches für kranke Stuten gäbe. Manche
Gankler und Seiltänzer sollen in dem Wahne leben, durch den Genuß des gepulverten Gehirns vor
Schwindel sicher zu sein, und deshalb dem Hörnchen oft nachstellen, um sich bei ihren gefährlichen
Sprüngen zu sichern. Doch ist die Verfolgung, welche das Thier bei uns seitens des Menschen
erleidet, kaum in Anschlag zu bringen. Die Liebe zu unserm muntern, nordischen Affen ist sein bester
Schutz. Schädlich wird das gemeine Eichhorn blos an Orten, wo es in großer Menge vorkommt,
durch das Plündern der Obstbäume und das Abfressen junger Triebe und Knospen. Jn Deutschland
dürfte sich dieser Schaden aber nirgends besonders bemerklich machen.

Von den übrigen zahlreichen Arten der Hörnchen, welche in Amerika, Asien und Afrika leben,
verdienen noch einige besondere Erwähnung. Jn Nordamerika vertreten das graue (Sciurus cine-
reus
) und das schwarze Eichhorn (Sciurus niger) das unsrige. Beide treten aber nicht in der
geringen Zahl auf, wie dieses, sondern vermehren sich zuweilen in so unglaublicher Menge, daß förmliche
Kriegszüge gegen sie unternommen werden können und unternommen werden müssen. Jm Jahre
1749 hatte die Anpflanzung von Mais eine so außerordentliche Vermehrung des grauen und schwar-

Die eigentlichen Hörnchen.
davon, um ſich wo möglich ein beſſeres Verſteck auszuſuchen. Das vermag ihm der Edelmarder
doch nicht nachzuthun; demungeachtet bleibt dieſer ſein furchtbarſter Feind und das Hörnchen die
Hauptnahrung des in allen Leibeskünſten ſo wohlerfahrenen Raubgeſellen: — er jagt dem Wehrloſen
nach, bis dieſer ſich ihm aus Erſchöpfung geradezu preisgibt. Junge Eichhörnchen ſind natürlich weit
mehr Gefahren ausgeſetzt, als die alten. Eben ausgeſchlüpfte kann ſogar ein behender Menſch klet-
ternd einholen, wie ich aus eigener Erfahrung verſichern darf. Wir ſuchten als Knaben ſolche
Junge auf und ſtiegen ihnen auf die Bäume nach, und mehr als einmal wurde die Gleichgiltigkeit,
mit welcher ſie uns nahekommen ließen, ihr Verderben. Sobald wir nämlich den Aſt erreichen
konnten, auf welchem ſie ſaßen, waren ſie verloren. Wir ſchüttelten den Aſt mit Macht hin und
her, und das erſchreckte Hörnchen dachte gewöhnlich blos daran, ſich recht feſt zu halten, um nicht
herabzuſtürzen. Nun ging es weiter und weiter nach außen, immer ſchüttelnd, bis wir mit raſchem
Griffe das Thierchen faſſen konnten. Auf einen Biß mehr oder weniger kam es uns damals nicht an,
weil uns unſere gezähmten ohnehin genugſam damit begabten. Dieſe fing ich immer auf dieſelbe
Weiſe wieder ein, wenn ſie ſich freigemacht hatten und entflohen waren.

Am Lenafluſſe leben die Bauern vom Anfang März bis Mitte April ganz für den Eichhorns-
fang, und mancher ſtellt dort über tauſend Fallen. Dieſe beſtehen aus zwei Bretern, zwiſchen
denen ein Stellholz ſich befindet, an dem ein Stückchen gedörrter Fiſch befeſtigt iſt. Berührt das
Eichhorn dieſe Lockſpeiſe, ſo wird es von dem oberen Bret erſchlagen. Die Tunguſen ſchießen es
mit ſtumpfen Pfeilen, um das Fell nicht zu verderben. Wir erlegen es meiſt mit dem Gewehr, wenn
wir überhaupt Jagd auf dieſe Zierde unſerer Wälder machen, angelockt von dem Wunſche, den treff-
lichen Pelz zu verwerthen. Jm hohen Norden, wo die Hörnchen weit regelmäßigere und auch aus-
gedehntere Wanderungen unternehmen, als bei uns, zumal in ſtrengen Wintern, maſſenhaft aus
den höher gelegenen Gegenden in die milderen Ebenen herabwandern, um dort den Winter zu ver-
bringen, iſt die Jagd ergiebiger und auch gerechtfertigter, da das Pelzwerk dort von höherem
Werth iſt.

Die ſchönſten Felle kommen aus Sibirien und Lappland und ſind im Handel unter dem Namen
„Grauwerk‟ bekannt. Der Bauchtheil heißt gewöhnlich „Veh-‟ oder „Feh-Wamme‟ und gilt für
eine koſtbare Pelzwaare, mit deren Handel ſich eine große Zahl von Menſchen beſchäftigt. Aus
Rußland allein werden jährlich über zwei Millionen Grauwerkfelle ausgeführt; die meiſten gehen
nach China. Außer dem Felle verwendet man auch noch die Schwanzhaare zu guten Malerpinſeln,
und das weiße, zarte, wohlſchmeckende Fleiſch wird von den Sachkennern überall gern gegeſſen.

Die Alten glaubten, im Gehirn und Fleiſch kräftige Heilmittel zu beſitzen, und unter dem
Landvolke beſteht noch heutzutage hier und da der Glaube, daß ein zu Pulver gebranntes männliches
Eichhorn das beſte Heilmittel für kranke Hengſte, ein weibliches für kranke Stuten gäbe. Manche
Gankler und Seiltänzer ſollen in dem Wahne leben, durch den Genuß des gepulverten Gehirns vor
Schwindel ſicher zu ſein, und deshalb dem Hörnchen oft nachſtellen, um ſich bei ihren gefährlichen
Sprüngen zu ſichern. Doch iſt die Verfolgung, welche das Thier bei uns ſeitens des Menſchen
erleidet, kaum in Anſchlag zu bringen. Die Liebe zu unſerm muntern, nordiſchen Affen iſt ſein beſter
Schutz. Schädlich wird das gemeine Eichhorn blos an Orten, wo es in großer Menge vorkommt,
durch das Plündern der Obſtbäume und das Abfreſſen junger Triebe und Knospen. Jn Deutſchland
dürfte ſich dieſer Schaden aber nirgends beſonders bemerklich machen.

Von den übrigen zahlreichen Arten der Hörnchen, welche in Amerika, Aſien und Afrika leben,
verdienen noch einige beſondere Erwähnung. Jn Nordamerika vertreten das graue (Sciurus cine-
reus
) und das ſchwarze Eichhorn (Sciurus niger) das unſrige. Beide treten aber nicht in der
geringen Zahl auf, wie dieſes, ſondern vermehren ſich zuweilen in ſo unglaublicher Menge, daß förmliche
Kriegszüge gegen ſie unternommen werden können und unternommen werden müſſen. Jm Jahre
1749 hatte die Anpflanzung von Mais eine ſo außerordentliche Vermehrung des grauen und ſchwar-

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[74/0088] Die eigentlichen Hörnchen. davon, um ſich wo möglich ein beſſeres Verſteck auszuſuchen. Das vermag ihm der Edelmarder doch nicht nachzuthun; demungeachtet bleibt dieſer ſein furchtbarſter Feind und das Hörnchen die Hauptnahrung des in allen Leibeskünſten ſo wohlerfahrenen Raubgeſellen: — er jagt dem Wehrloſen nach, bis dieſer ſich ihm aus Erſchöpfung geradezu preisgibt. Junge Eichhörnchen ſind natürlich weit mehr Gefahren ausgeſetzt, als die alten. Eben ausgeſchlüpfte kann ſogar ein behender Menſch klet- ternd einholen, wie ich aus eigener Erfahrung verſichern darf. Wir ſuchten als Knaben ſolche Junge auf und ſtiegen ihnen auf die Bäume nach, und mehr als einmal wurde die Gleichgiltigkeit, mit welcher ſie uns nahekommen ließen, ihr Verderben. Sobald wir nämlich den Aſt erreichen konnten, auf welchem ſie ſaßen, waren ſie verloren. Wir ſchüttelten den Aſt mit Macht hin und her, und das erſchreckte Hörnchen dachte gewöhnlich blos daran, ſich recht feſt zu halten, um nicht herabzuſtürzen. Nun ging es weiter und weiter nach außen, immer ſchüttelnd, bis wir mit raſchem Griffe das Thierchen faſſen konnten. Auf einen Biß mehr oder weniger kam es uns damals nicht an, weil uns unſere gezähmten ohnehin genugſam damit begabten. Dieſe fing ich immer auf dieſelbe Weiſe wieder ein, wenn ſie ſich freigemacht hatten und entflohen waren. Am Lenafluſſe leben die Bauern vom Anfang März bis Mitte April ganz für den Eichhorns- fang, und mancher ſtellt dort über tauſend Fallen. Dieſe beſtehen aus zwei Bretern, zwiſchen denen ein Stellholz ſich befindet, an dem ein Stückchen gedörrter Fiſch befeſtigt iſt. Berührt das Eichhorn dieſe Lockſpeiſe, ſo wird es von dem oberen Bret erſchlagen. Die Tunguſen ſchießen es mit ſtumpfen Pfeilen, um das Fell nicht zu verderben. Wir erlegen es meiſt mit dem Gewehr, wenn wir überhaupt Jagd auf dieſe Zierde unſerer Wälder machen, angelockt von dem Wunſche, den treff- lichen Pelz zu verwerthen. Jm hohen Norden, wo die Hörnchen weit regelmäßigere und auch aus- gedehntere Wanderungen unternehmen, als bei uns, zumal in ſtrengen Wintern, maſſenhaft aus den höher gelegenen Gegenden in die milderen Ebenen herabwandern, um dort den Winter zu ver- bringen, iſt die Jagd ergiebiger und auch gerechtfertigter, da das Pelzwerk dort von höherem Werth iſt. Die ſchönſten Felle kommen aus Sibirien und Lappland und ſind im Handel unter dem Namen „Grauwerk‟ bekannt. Der Bauchtheil heißt gewöhnlich „Veh-‟ oder „Feh-Wamme‟ und gilt für eine koſtbare Pelzwaare, mit deren Handel ſich eine große Zahl von Menſchen beſchäftigt. Aus Rußland allein werden jährlich über zwei Millionen Grauwerkfelle ausgeführt; die meiſten gehen nach China. Außer dem Felle verwendet man auch noch die Schwanzhaare zu guten Malerpinſeln, und das weiße, zarte, wohlſchmeckende Fleiſch wird von den Sachkennern überall gern gegeſſen. Die Alten glaubten, im Gehirn und Fleiſch kräftige Heilmittel zu beſitzen, und unter dem Landvolke beſteht noch heutzutage hier und da der Glaube, daß ein zu Pulver gebranntes männliches Eichhorn das beſte Heilmittel für kranke Hengſte, ein weibliches für kranke Stuten gäbe. Manche Gankler und Seiltänzer ſollen in dem Wahne leben, durch den Genuß des gepulverten Gehirns vor Schwindel ſicher zu ſein, und deshalb dem Hörnchen oft nachſtellen, um ſich bei ihren gefährlichen Sprüngen zu ſichern. Doch iſt die Verfolgung, welche das Thier bei uns ſeitens des Menſchen erleidet, kaum in Anſchlag zu bringen. Die Liebe zu unſerm muntern, nordiſchen Affen iſt ſein beſter Schutz. Schädlich wird das gemeine Eichhorn blos an Orten, wo es in großer Menge vorkommt, durch das Plündern der Obſtbäume und das Abfreſſen junger Triebe und Knospen. Jn Deutſchland dürfte ſich dieſer Schaden aber nirgends beſonders bemerklich machen. Von den übrigen zahlreichen Arten der Hörnchen, welche in Amerika, Aſien und Afrika leben, verdienen noch einige beſondere Erwähnung. Jn Nordamerika vertreten das graue (Sciurus cine- reus) und das ſchwarze Eichhorn (Sciurus niger) das unſrige. Beide treten aber nicht in der geringen Zahl auf, wie dieſes, ſondern vermehren ſich zuweilen in ſo unglaublicher Menge, daß förmliche Kriegszüge gegen ſie unternommen werden können und unternommen werden müſſen. Jm Jahre 1749 hatte die Anpflanzung von Mais eine ſo außerordentliche Vermehrung des grauen und ſchwar-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/88>, abgerufen am 04.05.2024.