Manati weidet nur das Gras ab, welches im Wasser selbst wächst, und daran hat er vollständig genug; denn alle südlichen Ströme sind an ruhigen Stellen überaus reich an Wasserpflanzen aller Art. Er frißt soviel, daß er Magen und Darmschlauch vollständig mit Nahrung anfüllt. Wenn er sich gesättigt hat, legt er sich an seichten Stellen so nieder, daß er die Schnauze aus dem Wasser reckt und nicht immer auf und nieder zu tauchen braucht. Sonst sieht man ihn nur theil- weise über dem Wasser, wenn er, um Luft zu holen, emporkommt. Dies geschieht sehr oft, trotz der großen Luftbehälter, und deshalb bevorzugt er auch die seichteren Stellen in den Flüssen.
Die Zeit der Paarung scheint noch nicht bekannt zu sein, und selbst über die Fortpflanzung schwanken die Nachrichten. Einige sagen, daß das Weibchen zwei Junge werfe, während Andere übereinstimmend nur von einem einzigen reden. Die Anhänglichkeit der Mutter an ihre Kinder wird einstimmig gerühmt.
[Abbildung]
Der schmalschnauzige Lamantin (Manatus australis).
An allen Orten, wo der Lamantin vorkommt, wird ihm eifrig nachgestellt. Sein Fleisch gilt zwar für ungesund und siebererzeugend, ist aber sehr schmackhaft. Nach Humboldt ähnelt es mehr dem Schweinefleisch, als dem des Rindes. Eingesalzen und an der Sonne gedörrt wird es das ganze Jahr aufbewahrt; denn selbstverständlich erklären die Pfaffen den Lamantin für einen Fisch und erlauben deshalb den Genuß seines Fleisches während der Fastenzeit. Schon Gonzalo Oviedo rühmt dieses Fleisch und erzählt, daß er davon im Jahre 1531 Einiges mit bis nach Spa- nien gebracht und es der Kaiserin vorgesetzt habe. "Es schmeckte Allen so gut," sagt er, "daß sie glaubten, sie äßen Fleisch aus England." Die Guamos und Otomakos kennen kein besseres Ge- richt, als Lamantinefleisch, und deshalb geben sich gerade diese beiden Stämme mit dem Fang der Seethiere vorzugsweise ab. Dagegen verabscheuen die Paraos das Thier so sehr, daß sie sich, als Bonpland eine Seekuh zerlegte, versteckten, um sie nicht anrühren zu müssen. Sie behaupteten, daß die Leute ihres Stammes unsehlbar stürben, wenn sie davon äßen.
Die Sirenen. — Der ſchmalſchnauzige Lamantin.
Manati weidet nur das Gras ab, welches im Waſſer ſelbſt wächſt, und daran hat er vollſtändig genug; denn alle ſüdlichen Ströme ſind an ruhigen Stellen überaus reich an Waſſerpflanzen aller Art. Er frißt ſoviel, daß er Magen und Darmſchlauch vollſtändig mit Nahrung anfüllt. Wenn er ſich geſättigt hat, legt er ſich an ſeichten Stellen ſo nieder, daß er die Schnauze aus dem Waſſer reckt und nicht immer auf und nieder zu tauchen braucht. Sonſt ſieht man ihn nur theil- weiſe über dem Waſſer, wenn er, um Luft zu holen, emporkommt. Dies geſchieht ſehr oft, trotz der großen Luftbehälter, und deshalb bevorzugt er auch die ſeichteren Stellen in den Flüſſen.
Die Zeit der Paarung ſcheint noch nicht bekannt zu ſein, und ſelbſt über die Fortpflanzung ſchwanken die Nachrichten. Einige ſagen, daß das Weibchen zwei Junge werfe, während Andere übereinſtimmend nur von einem einzigen reden. Die Anhänglichkeit der Mutter an ihre Kinder wird einſtimmig gerühmt.
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Der ſchmalſchnauzige Lamantin (Manatus australis).
An allen Orten, wo der Lamantin vorkommt, wird ihm eifrig nachgeſtellt. Sein Fleiſch gilt zwar für ungeſund und ſiebererzeugend, iſt aber ſehr ſchmackhaft. Nach Humboldt ähnelt es mehr dem Schweinefleiſch, als dem des Rindes. Eingeſalzen und an der Sonne gedörrt wird es das ganze Jahr aufbewahrt; denn ſelbſtverſtändlich erklären die Pfaffen den Lamantin für einen Fiſch und erlauben deshalb den Genuß ſeines Fleiſches während der Faſtenzeit. Schon Gonzalo Oviedo rühmt dieſes Fleiſch und erzählt, daß er davon im Jahre 1531 Einiges mit bis nach Spa- nien gebracht und es der Kaiſerin vorgeſetzt habe. „Es ſchmeckte Allen ſo gut,‟ ſagt er, „daß ſie glaubten, ſie äßen Fleiſch aus England.‟ Die Guamos und Otomakos kennen kein beſſeres Ge- richt, als Lamantinefleiſch, und deshalb geben ſich gerade dieſe beiden Stämme mit dem Fang der Seethiere vorzugsweiſe ab. Dagegen verabſcheuen die Paraos das Thier ſo ſehr, daß ſie ſich, als Bonpland eine Seekuh zerlegte, verſteckten, um ſie nicht anrühren zu müſſen. Sie behaupteten, daß die Leute ihres Stammes unſehlbar ſtürben, wenn ſie davon äßen.
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Die Sirenen. — Der ſchmalſchnauzige Lamantin.
Manati weidet nur das Gras ab, welches im Waſſer ſelbſt wächſt, und daran hat er vollſtändig
genug; denn alle ſüdlichen Ströme ſind an ruhigen Stellen überaus reich an Waſſerpflanzen aller
Art. Er frißt ſoviel, daß er Magen und Darmſchlauch vollſtändig mit Nahrung anfüllt.
Wenn er ſich geſättigt hat, legt er ſich an ſeichten Stellen ſo nieder, daß er die Schnauze aus dem
Waſſer reckt und nicht immer auf und nieder zu tauchen braucht. Sonſt ſieht man ihn nur theil-
weiſe über dem Waſſer, wenn er, um Luft zu holen, emporkommt. Dies geſchieht ſehr oft, trotz
der großen Luftbehälter, und deshalb bevorzugt er auch die ſeichteren Stellen in den Flüſſen.
Die Zeit der Paarung ſcheint noch nicht bekannt zu ſein, und ſelbſt über die Fortpflanzung
ſchwanken die Nachrichten. Einige ſagen, daß das Weibchen zwei Junge werfe, während Andere
übereinſtimmend nur von einem einzigen reden. Die Anhänglichkeit der Mutter an ihre Kinder wird
einſtimmig gerühmt.
[Abbildung Der ſchmalſchnauzige Lamantin (Manatus australis).]
An allen Orten, wo der Lamantin vorkommt, wird ihm eifrig nachgeſtellt. Sein Fleiſch gilt
zwar für ungeſund und ſiebererzeugend, iſt aber ſehr ſchmackhaft. Nach Humboldt ähnelt es
mehr dem Schweinefleiſch, als dem des Rindes. Eingeſalzen und an der Sonne gedörrt wird es
das ganze Jahr aufbewahrt; denn ſelbſtverſtändlich erklären die Pfaffen den Lamantin für einen
Fiſch und erlauben deshalb den Genuß ſeines Fleiſches während der Faſtenzeit. Schon Gonzalo
Oviedo rühmt dieſes Fleiſch und erzählt, daß er davon im Jahre 1531 Einiges mit bis nach Spa-
nien gebracht und es der Kaiſerin vorgeſetzt habe. „Es ſchmeckte Allen ſo gut,‟ ſagt er, „daß ſie
glaubten, ſie äßen Fleiſch aus England.‟ Die Guamos und Otomakos kennen kein beſſeres Ge-
richt, als Lamantinefleiſch, und deshalb geben ſich gerade dieſe beiden Stämme mit dem Fang der
Seethiere vorzugsweiſe ab. Dagegen verabſcheuen die Paraos das Thier ſo ſehr, daß ſie ſich, als
Bonpland eine Seekuh zerlegte, verſteckten, um ſie nicht anrühren zu müſſen. Sie behaupteten,
daß die Leute ihres Stammes unſehlbar ſtürben, wenn ſie davon äßen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 820. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/868>, abgerufen am 23.11.2024.
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