Bei den eigentlichen Manaten (Manatus) steht die Schwanzflosse senkrecht und ist, an- statt ausgebaucht, abgerundet; im übrigen ähneln diese Thiere den vorhergehenden. Der eiförmig gestaltete Fischleib ist sehr einzeln mit Haaren, welche nur an der Schnauze als dichtere Borsten sich zeigen, bedeckt. Die abgestutzte Oberlippe ist im Gegensatz zu der des Vorigen sehr beweglich, und an den Zehen der abgerundeten Brustflossen treten bisweilen kleine Plattnägel auf. Nach den bisherigen Untersuchungen scheint es, daß nur 6 Halswirbel vorhanden sind; Rückenwirbel zählt man 15 bis 17, Schwanzwirbel 23. Nur junge Thiere besitzen Schneidezähne; allein diese fallen sehr bald aus, und bei alten bleiben blos Backzähne übrig. Von ihnen sind sieben bis acht in Thätigkeit; denn wie bei den Elefanten nutzen die Backzähne der Manaten sich ab, fallen, wenn sie unbrauchbar geworden sind, aus, und werden von hinten her durch neuere ersetzt, so daß die Reihe unter Umständen 10 bis 12 Zähne enthalten kann.
Als Vaterland der drei bisjetzt sicher bestimmten Arten dieser Gruppe ist das atlantische Meer zwischen dem 19. Grad südlicher und dem 25. Grad nördlicher Breite zu betrachten. Der schmal- schnauzige Lamantin (Manatus australis) ist die am genauesten beobachtete Art. Er wird 9 bis 10 Fuß lang, 2 bis 21/2 Fuß breit, über 11/2 Fuß hoch und 5 bis 800 Pfund schwer; doch be- haupten die Amerikaner, noch weit größere, funfzehn, ja selbst zwanzig Fuß lange und 5 bis 6 Fuß breite gesehen zu haben. Eine fast völlig nackte Haut, welche kurze, etwa 3/4 Zoll weit von ein- ander, stehende Borsten trägt, bedeckt den Leib. Jhre Färbung ist ein ziemlich einförmiges Bläu- lichgrau, welches auf dem Rücken und den Seiten etwas mehr dunkelt, als auf der Unterseite des Leibes. Die Borsten sehen gelblich aus.
Die ersten genaueren Angaben über das Thier hat Alexander von Humboldt gemacht. Bei einem neun Fuß langen Thiere, welches er in Carrichana, einer Mission am Orinoko, zergliederte, sprang die Oberlippe sehr hervor. Sie ist mit einer sehr zarten Haut bekleidet und dient als Rüssel oder Fühler zum Betasten der vorliegenden Dinge. Die Mundhöhle, welche beim frisch getödteten Thier auffallend warm ist, zeigt einen ganz eigenthümlichen Bau. Die Zunge ist fast unbeweglich, aber vor derselben befindet sich an jeder Kinnlade ein fleischiger Knopf und eine mit sehr harter Haut ausgekleidete Höhlung, welche in einander passen. Schneidet man das Thier am Rücken auf, so erschrickt man über die große Gestalt und Länge seiner Lunge. Sie ist drei Fuß lang, hat ungemein große Zellen und gleicht ungeheuren Schwimmblasen. Sie nimmt mehre Tausend Geviertzoll Luft auf. Der Magen ist in Fächer getheilt, der Darm über hundert Fuß lang.
Süd- und Mittelamerika bildet die eigentliche Heimat dieses Thieres. Es ist jetzt viel seltener geworden, als es war: der Mensch, sein ärgster Feind, hat es seit ein paar Jahrhunderten unablässig verfolgt. Sein hauptsächlichster Aufenthalt sind die Küstentheile des atlantischen Meeres, namentlich die Buchten in der Nähe der Antillen und bei Cayenne. Jn Surinam ist es nicht selten. Hum- boldt beobachtete, daß sich die Lamantine gern da im Meer aufhalten, wo es süße Quellen gibt, so z. B. einige Meilen von der Jnsel Cuba im Süden des Meerbusens von Jagua, wo so starke süße Quellen sind, daß auch die Schiffer zuweilen hier Trinkwasser schöpfen. Jn den Flüssen stei- gen sie weit nach oben empor. und bei Ueberschwemmungen wandern sie auch in die Seen und Sümpfe. Gegenwärtig findet sich der Lamantin noch am häufigsten im Amazonenstrome, im Orinoko und in seinen Zuflüssen. "Abends," so erzählt Alexander von Humboldt, "kamen wir an der Mündung des Canno del Manati vorüber, so genannt wegen der ungeheuren Menge Lamantine oder Manatis, welche jährlich hier gefangen werden. Wir sahen das Wasser mit dem sehr stinkenden Koth derselben bedeckt. Am Orinoko unterhalb der Wasserfälle, im Meta und im Apure ist er sehr häufig."
Die Lebensweise des Manati ist so ziemlich dieselbe, welche der Dujong führt. Einige Rei- sende haben angegeben, daß ersterer zuweilen aus dem Wasser herausginge, um auf dem Lande zu weiden; aber schon im vorigen Jahrhundert haben Andere Dies aufs bestimmteste widerlegt. Der
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Der ſchmalſchnauzige Lamantin.
Bei den eigentlichen Manaten (Manatus) ſteht die Schwanzfloſſe ſenkrecht und iſt, an- ſtatt ausgebaucht, abgerundet; im übrigen ähneln dieſe Thiere den vorhergehenden. Der eiförmig geſtaltete Fiſchleib iſt ſehr einzeln mit Haaren, welche nur an der Schnauze als dichtere Borſten ſich zeigen, bedeckt. Die abgeſtutzte Oberlippe iſt im Gegenſatz zu der des Vorigen ſehr beweglich, und an den Zehen der abgerundeten Bruſtfloſſen treten bisweilen kleine Plattnägel auf. Nach den bisherigen Unterſuchungen ſcheint es, daß nur 6 Halswirbel vorhanden ſind; Rückenwirbel zählt man 15 bis 17, Schwanzwirbel 23. Nur junge Thiere beſitzen Schneidezähne; allein dieſe fallen ſehr bald aus, und bei alten bleiben blos Backzähne übrig. Von ihnen ſind ſieben bis acht in Thätigkeit; denn wie bei den Elefanten nutzen die Backzähne der Manaten ſich ab, fallen, wenn ſie unbrauchbar geworden ſind, aus, und werden von hinten her durch neuere erſetzt, ſo daß die Reihe unter Umſtänden 10 bis 12 Zähne enthalten kann.
Als Vaterland der drei bisjetzt ſicher beſtimmten Arten dieſer Gruppe iſt das atlantiſche Meer zwiſchen dem 19. Grad ſüdlicher und dem 25. Grad nördlicher Breite zu betrachten. Der ſchmal- ſchnauzige Lamantin (Manatus australis) iſt die am genaueſten beobachtete Art. Er wird 9 bis 10 Fuß lang, 2 bis 2½ Fuß breit, über 1½ Fuß hoch und 5 bis 800 Pfund ſchwer; doch be- haupten die Amerikaner, noch weit größere, funfzehn, ja ſelbſt zwanzig Fuß lange und 5 bis 6 Fuß breite geſehen zu haben. Eine faſt völlig nackte Haut, welche kurze, etwa ¾ Zoll weit von ein- ander, ſtehende Borſten trägt, bedeckt den Leib. Jhre Färbung iſt ein ziemlich einförmiges Bläu- lichgrau, welches auf dem Rücken und den Seiten etwas mehr dunkelt, als auf der Unterſeite des Leibes. Die Borſten ſehen gelblich aus.
Die erſten genaueren Angaben über das Thier hat Alexander von Humboldt gemacht. Bei einem neun Fuß langen Thiere, welches er in Carrichana, einer Miſſion am Orinoko, zergliederte, ſprang die Oberlippe ſehr hervor. Sie iſt mit einer ſehr zarten Haut bekleidet und dient als Rüſſel oder Fühler zum Betaſten der vorliegenden Dinge. Die Mundhöhle, welche beim friſch getödteten Thier auffallend warm iſt, zeigt einen ganz eigenthümlichen Bau. Die Zunge iſt faſt unbeweglich, aber vor derſelben befindet ſich an jeder Kinnlade ein fleiſchiger Knopf und eine mit ſehr harter Haut ausgekleidete Höhlung, welche in einander paſſen. Schneidet man das Thier am Rücken auf, ſo erſchrickt man über die große Geſtalt und Länge ſeiner Lunge. Sie iſt drei Fuß lang, hat ungemein große Zellen und gleicht ungeheuren Schwimmblaſen. Sie nimmt mehre Tauſend Geviertzoll Luft auf. Der Magen iſt in Fächer getheilt, der Darm über hundert Fuß lang.
Süd- und Mittelamerika bildet die eigentliche Heimat dieſes Thieres. Es iſt jetzt viel ſeltener geworden, als es war: der Menſch, ſein ärgſter Feind, hat es ſeit ein paar Jahrhunderten unabläſſig verfolgt. Sein hauptſächlichſter Aufenthalt ſind die Küſtentheile des atlantiſchen Meeres, namentlich die Buchten in der Nähe der Antillen und bei Cayenne. Jn Surinam iſt es nicht ſelten. Hum- boldt beobachtete, daß ſich die Lamantine gern da im Meer aufhalten, wo es ſüße Quellen gibt, ſo z. B. einige Meilen von der Jnſel Cuba im Süden des Meerbuſens von Jagua, wo ſo ſtarke ſüße Quellen ſind, daß auch die Schiffer zuweilen hier Trinkwaſſer ſchöpfen. Jn den Flüſſen ſtei- gen ſie weit nach oben empor. und bei Ueberſchwemmungen wandern ſie auch in die Seen und Sümpfe. Gegenwärtig findet ſich der Lamantin noch am häufigſten im Amazonenſtrome, im Orinoko und in ſeinen Zuflüſſen. „Abends,‟ ſo erzählt Alexander von Humboldt, „kamen wir an der Mündung des Caño del Manati vorüber, ſo genannt wegen der ungeheuren Menge Lamantine oder Manatis, welche jährlich hier gefangen werden. Wir ſahen das Waſſer mit dem ſehr ſtinkenden Koth derſelben bedeckt. Am Orinoko unterhalb der Waſſerfälle, im Meta und im Apure iſt er ſehr häufig.‟
Die Lebensweiſe des Manati iſt ſo ziemlich dieſelbe, welche der Dujong führt. Einige Rei- ſende haben angegeben, daß erſterer zuweilen aus dem Waſſer herausginge, um auf dem Lande zu weiden; aber ſchon im vorigen Jahrhundert haben Andere Dies aufs beſtimmteſte widerlegt. Der
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Der ſchmalſchnauzige Lamantin.
Bei den eigentlichen Manaten (Manatus) ſteht die Schwanzfloſſe ſenkrecht und iſt, an-
ſtatt ausgebaucht, abgerundet; im übrigen ähneln dieſe Thiere den vorhergehenden. Der eiförmig
geſtaltete Fiſchleib iſt ſehr einzeln mit Haaren, welche nur an der Schnauze als dichtere Borſten
ſich zeigen, bedeckt. Die abgeſtutzte Oberlippe iſt im Gegenſatz zu der des Vorigen ſehr beweglich,
und an den Zehen der abgerundeten Bruſtfloſſen treten bisweilen kleine Plattnägel auf. Nach
den bisherigen Unterſuchungen ſcheint es, daß nur 6 Halswirbel vorhanden ſind; Rückenwirbel
zählt man 15 bis 17, Schwanzwirbel 23. Nur junge Thiere beſitzen Schneidezähne; allein dieſe
fallen ſehr bald aus, und bei alten bleiben blos Backzähne übrig. Von ihnen ſind ſieben bis acht
in Thätigkeit; denn wie bei den Elefanten nutzen die Backzähne der Manaten ſich ab, fallen, wenn
ſie unbrauchbar geworden ſind, aus, und werden von hinten her durch neuere erſetzt, ſo daß die
Reihe unter Umſtänden 10 bis 12 Zähne enthalten kann.
Als Vaterland der drei bisjetzt ſicher beſtimmten Arten dieſer Gruppe iſt das atlantiſche Meer
zwiſchen dem 19. Grad ſüdlicher und dem 25. Grad nördlicher Breite zu betrachten. Der ſchmal-
ſchnauzige Lamantin (Manatus australis) iſt die am genaueſten beobachtete Art. Er wird 9 bis
10 Fuß lang, 2 bis 2½ Fuß breit, über 1½ Fuß hoch und 5 bis 800 Pfund ſchwer; doch be-
haupten die Amerikaner, noch weit größere, funfzehn, ja ſelbſt zwanzig Fuß lange und 5 bis 6
Fuß breite geſehen zu haben. Eine faſt völlig nackte Haut, welche kurze, etwa ¾ Zoll weit von ein-
ander, ſtehende Borſten trägt, bedeckt den Leib. Jhre Färbung iſt ein ziemlich einförmiges Bläu-
lichgrau, welches auf dem Rücken und den Seiten etwas mehr dunkelt, als auf der Unterſeite des
Leibes. Die Borſten ſehen gelblich aus.
Die erſten genaueren Angaben über das Thier hat Alexander von Humboldt gemacht.
Bei einem neun Fuß langen Thiere, welches er in Carrichana, einer Miſſion am Orinoko, zergliederte,
ſprang die Oberlippe ſehr hervor. Sie iſt mit einer ſehr zarten Haut bekleidet und dient als Rüſſel
oder Fühler zum Betaſten der vorliegenden Dinge. Die Mundhöhle, welche beim friſch getödteten
Thier auffallend warm iſt, zeigt einen ganz eigenthümlichen Bau. Die Zunge iſt faſt unbeweglich,
aber vor derſelben befindet ſich an jeder Kinnlade ein fleiſchiger Knopf und eine mit ſehr harter Haut
ausgekleidete Höhlung, welche in einander paſſen. Schneidet man das Thier am Rücken auf, ſo
erſchrickt man über die große Geſtalt und Länge ſeiner Lunge. Sie iſt drei Fuß lang, hat ungemein
große Zellen und gleicht ungeheuren Schwimmblaſen. Sie nimmt mehre Tauſend Geviertzoll Luft
auf. Der Magen iſt in Fächer getheilt, der Darm über hundert Fuß lang.
Süd- und Mittelamerika bildet die eigentliche Heimat dieſes Thieres. Es iſt jetzt viel ſeltener
geworden, als es war: der Menſch, ſein ärgſter Feind, hat es ſeit ein paar Jahrhunderten unabläſſig
verfolgt. Sein hauptſächlichſter Aufenthalt ſind die Küſtentheile des atlantiſchen Meeres, namentlich
die Buchten in der Nähe der Antillen und bei Cayenne. Jn Surinam iſt es nicht ſelten. Hum-
boldt beobachtete, daß ſich die Lamantine gern da im Meer aufhalten, wo es ſüße Quellen gibt,
ſo z. B. einige Meilen von der Jnſel Cuba im Süden des Meerbuſens von Jagua, wo ſo ſtarke
ſüße Quellen ſind, daß auch die Schiffer zuweilen hier Trinkwaſſer ſchöpfen. Jn den Flüſſen ſtei-
gen ſie weit nach oben empor. und bei Ueberſchwemmungen wandern ſie auch in die Seen und
Sümpfe. Gegenwärtig findet ſich der Lamantin noch am häufigſten im Amazonenſtrome, im
Orinoko und in ſeinen Zuflüſſen. „Abends,‟ ſo erzählt Alexander von Humboldt, „kamen
wir an der Mündung des Caño del Manati vorüber, ſo genannt wegen der ungeheuren Menge
Lamantine oder Manatis, welche jährlich hier gefangen werden. Wir ſahen das Waſſer mit dem
ſehr ſtinkenden Koth derſelben bedeckt. Am Orinoko unterhalb der Waſſerfälle, im Meta und im
Apure iſt er ſehr häufig.‟
Die Lebensweiſe des Manati iſt ſo ziemlich dieſelbe, welche der Dujong führt. Einige Rei-
ſende haben angegeben, daß erſterer zuweilen aus dem Waſſer herausginge, um auf dem Lande zu
weiden; aber ſchon im vorigen Jahrhundert haben Andere Dies aufs beſtimmteſte widerlegt. Der
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 819. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/867>, abgerufen am 23.11.2024.
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