mit den Bärenrobben gemein; sie sind aber noch einmal so groß und auch durch den Haarbau unter- schieden. Nächst der die Gestalt sehr zierenden Mähne ist besonders das Auge merkwürdig wegen sei- nes sonderbaren Ausdrucks, welcher durch auffallende Farbenzusammenstellung bedingt wird. Das Auge selbst ist weiß, die Jris aber glänzend grün, wie Smaragd, und die Bindehaut in den inneren Augenwinkeln zinnoberroth.
Ueber Leben und Betragen sagt Steller: "Obschon das löwenartige Thier gräßlich aussieht und bös und hitzig scheint, auch an Kräften den Meerbären weit übertrifft, dabei schwer zu überwin- den ist und wenn es in Noth kommt, aufs grausamste kämpft, endlich durch seine Löwengestalt die Augen und das Gemüth erschreckt, so fürchtet es sich doch dermaßen vor dem Menschen, daß es beim Anblick desselben sich schleunigst auf die Flucht macht und vom Lande ins Wasser eilt. Wenn es mit
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Der südliche Seelöwe (Otaria jubata).
einem Stock oder mit Geschrei aufgeschreckt wird, so entsetzt es sich so sehr, daß es mit tiefem Seufzen entläuft und auf der Flucht beständig fällt, weil es vor Zittern und allzugroßer Angst seiner Glieder nicht mächtig ist. Treibt man es aber so sehr in die Enge, daß es nicht mehr entfliehen kann, so geht es gerade auf den Verfolger los, wirft vor Zorn den Kopf hin und her, brummt, brüllt und jagt auch den herzhaftesten Menschen in die Flucht. Die Probe hätte mich beinahe selbst ins Verder- ben gebracht. Daher wird es von dem Kamtschadalen nie im Meere verfolgt, weil es die Kähne um- stößt und die Schiffer aufs grausamste umbringt. Auch wagt man nicht, es öffentlich auf dem festen Lande anzugreifen, sondern überfällt es hinterlistiger Weise. Wenn es schläft, kriecht Einer, der sich auf seine Kräfte und Füße verlassen kann, stillschweigend unter dem Winde mit einem eisernen und knöchernen Spieß, der von der Stange abgeht, und stößt diesen durch einen Vorderfuß. Seine Kameraden halten den Riemen, welcher aus dem Fell eines solchen Thieres gemacht ist, fest und
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Der ſüdliche Seelöwe.
mit den Bärenrobben gemein; ſie ſind aber noch einmal ſo groß und auch durch den Haarbau unter- ſchieden. Nächſt der die Geſtalt ſehr zierenden Mähne iſt beſonders das Auge merkwürdig wegen ſei- nes ſonderbaren Ausdrucks, welcher durch auffallende Farbenzuſammenſtellung bedingt wird. Das Auge ſelbſt iſt weiß, die Jris aber glänzend grün, wie Smaragd, und die Bindehaut in den inneren Augenwinkeln zinnoberroth.
Ueber Leben und Betragen ſagt Steller: „Obſchon das löwenartige Thier gräßlich ausſieht und bös und hitzig ſcheint, auch an Kräften den Meerbären weit übertrifft, dabei ſchwer zu überwin- den iſt und wenn es in Noth kommt, aufs grauſamſte kämpft, endlich durch ſeine Löwengeſtalt die Augen und das Gemüth erſchreckt, ſo fürchtet es ſich doch dermaßen vor dem Menſchen, daß es beim Anblick deſſelben ſich ſchleunigſt auf die Flucht macht und vom Lande ins Waſſer eilt. Wenn es mit
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Der ſüdliche Seelöwe (Otaria jubata).
einem Stock oder mit Geſchrei aufgeſchreckt wird, ſo entſetzt es ſich ſo ſehr, daß es mit tiefem Seufzen entläuft und auf der Flucht beſtändig fällt, weil es vor Zittern und allzugroßer Angſt ſeiner Glieder nicht mächtig iſt. Treibt man es aber ſo ſehr in die Enge, daß es nicht mehr entfliehen kann, ſo geht es gerade auf den Verfolger los, wirft vor Zorn den Kopf hin und her, brummt, brüllt und jagt auch den herzhafteſten Menſchen in die Flucht. Die Probe hätte mich beinahe ſelbſt ins Verder- ben gebracht. Daher wird es von dem Kamtſchadalen nie im Meere verfolgt, weil es die Kähne um- ſtößt und die Schiffer aufs grauſamſte umbringt. Auch wagt man nicht, es öffentlich auf dem feſten Lande anzugreifen, ſondern überfällt es hinterliſtiger Weiſe. Wenn es ſchläft, kriecht Einer, der ſich auf ſeine Kräfte und Füße verlaſſen kann, ſtillſchweigend unter dem Winde mit einem eiſernen und knöchernen Spieß, der von der Stange abgeht, und ſtößt dieſen durch einen Vorderfuß. Seine Kameraden halten den Riemen, welcher aus dem Fell eines ſolchen Thieres gemacht iſt, feſt und
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Der ſüdliche Seelöwe.
mit den Bärenrobben gemein; ſie ſind aber noch einmal ſo groß und auch durch den Haarbau unter-
ſchieden. Nächſt der die Geſtalt ſehr zierenden Mähne iſt beſonders das Auge merkwürdig wegen ſei-
nes ſonderbaren Ausdrucks, welcher durch auffallende Farbenzuſammenſtellung bedingt wird. Das
Auge ſelbſt iſt weiß, die Jris aber glänzend grün, wie Smaragd, und die Bindehaut in den inneren
Augenwinkeln zinnoberroth.
Ueber Leben und Betragen ſagt Steller: „Obſchon das löwenartige Thier gräßlich ausſieht
und bös und hitzig ſcheint, auch an Kräften den Meerbären weit übertrifft, dabei ſchwer zu überwin-
den iſt und wenn es in Noth kommt, aufs grauſamſte kämpft, endlich durch ſeine Löwengeſtalt die
Augen und das Gemüth erſchreckt, ſo fürchtet es ſich doch dermaßen vor dem Menſchen, daß es beim
Anblick deſſelben ſich ſchleunigſt auf die Flucht macht und vom Lande ins Waſſer eilt. Wenn es mit
[Abbildung Der ſüdliche Seelöwe (Otaria jubata).]
einem Stock oder mit Geſchrei aufgeſchreckt wird, ſo entſetzt es ſich ſo ſehr, daß es mit tiefem Seufzen
entläuft und auf der Flucht beſtändig fällt, weil es vor Zittern und allzugroßer Angſt ſeiner Glieder
nicht mächtig iſt. Treibt man es aber ſo ſehr in die Enge, daß es nicht mehr entfliehen kann, ſo
geht es gerade auf den Verfolger los, wirft vor Zorn den Kopf hin und her, brummt, brüllt und
jagt auch den herzhafteſten Menſchen in die Flucht. Die Probe hätte mich beinahe ſelbſt ins Verder-
ben gebracht. Daher wird es von dem Kamtſchadalen nie im Meere verfolgt, weil es die Kähne um-
ſtößt und die Schiffer aufs grauſamſte umbringt. Auch wagt man nicht, es öffentlich auf dem feſten
Lande anzugreifen, ſondern überfällt es hinterliſtiger Weiſe. Wenn es ſchläft, kriecht Einer, der
ſich auf ſeine Kräfte und Füße verlaſſen kann, ſtillſchweigend unter dem Winde mit einem eiſernen
und knöchernen Spieß, der von der Stange abgeht, und ſtößt dieſen durch einen Vorderfuß. Seine
Kameraden halten den Riemen, welcher aus dem Fell eines ſolchen Thieres gemacht iſt, feſt und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 787. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/835>, abgerufen am 23.11.2024.
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