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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Nil- oder Flußpferd.
Thier ganz lustig mit seinem Liebling. Da tauchen dann Beide scherzend auf und nieder und unter-
halten sich mit Brummen. Jedenfalls saugt das Junge im Wasser. Jch sah mehrmals ein altes Nil-
pferd ruhig an der gleichen Stelle liegen, nur ein wenig den Kopf über der Oberfläche des Wassers
erheben, während das Junge von Zeit zu Zeit neben ihm auf und nieder tauchte, wahrscheinlich um
Athem zu holen.

Es ist nicht rathsam, sich einer Nilpferdmutter, welche ihr Kind bei sich hat, zu nahen; denn sie
greift auch bei Tage Schiffe und Menschen an, wenn sie Gefahr für ihr Junges wittert. Livingstone's
Kahn wurde von einem weiblichen Nilpferde, dessen Junges man Tags vorher mit dem Spere getödtet
hatte, halb aus dem Wasser gehoben, und einer seiner Leute herabgeschleudert, ohne daß die Mannschaft
das Thier fernerhin gereizt hätte. Jn den Nilländern kennt man ähnliche Beispiele von derartig er-
zürnten Nilpferden und weiß auch von vielen Unglücksfällen zu berichten, welche sie verursacht haben.
Jch selbst habe das Necken alter Nilpferde und ihrer Jungen einmal büßen müssen und will die Ge-
schichte, welche ich schon früher in der Gartenlaube mitgetheilt habe, hier wiederholen. Sie trägt zur
Kennzeichnung des Thieres bei.

Wir hatten unweit des linken Ufers des Asrak einen Regenteich oder See aufgefunden, welcher
vom Strome bei seiner Ueberschwemmung gefüllt worden und noch bei unserer Ankunft im Februar
ziemlich wasserreich war. Außer einer Menge von Vögeln lebten in ihm auch Krokodile und mehrere
Nilpferde mit ihren Jungen. Wahrscheinlich hatten letztere die kleinen und verhältnißmäßig niedlichen
Jungen in ihm zur Welt gebracht; wenigstens schien mir der stille, ruhige, rings von Wäldern und
an einer Seite sogar von Feldern eingefaßte See zu einem Wochenbette für Nilpferde wohl geeignet.
Unsere Aufmerksamkeit und Jagdlust fesselten vorzüglich die herrlichen Schlangenhalsvögel, ob-
gleich wir, um auf diese geschickten Taucher feuern zu können, oft bis an die Brust in das Wasser
waten mußten, -- trotz der Krokodile und Nilpferde, um welche wir uns heute gar nicht kümmerten.
Mein Jäger Tomboldo, welcher die Jagd in Vater Adams Kleidung ausführte, hatte eben den vierten
Schlangenhalsvogel glücklich durch den Hals geschossen -- mehr als den Hals bekommt man von ihm
über dem Wasser nicht zu sehen -- und watete auf ihn zu, um ihn aufzufischen. Da schreit plötzlich
vom anderen Ufer her ein Sudahnese laut auf und winkt und geberdet sich wie toll; Tomboldo
schaut sich um und sieht ein wuthschnaubendes Nilpferd mit mächtigen Sätzen auf sich losstürmen. Das
Vieh hat bereits festen Grund unter den Füßen und jagt wie ein angeschossener Eber durch die
Fluthen; der Nubier ergreift in Todesangst die Flucht und erreicht, bis zum Uferrande von seinem
furchtbaren Feinde verfolgt, glücklich den Wald. Jch war mit meiner trefflichen, leider aber blos
leichte Kugeln schießenden Büchse dem treuen, höchst brauchbaren Diener zu Hilfe geeilt und fand ihn
im Gebet und stöhnend auf der Erde liegen:

"La il laha il Allah, Mahammed, rassuhl Allah! -- Es gibt nur einen Gott und Mahammed ist
sein Prophet! -- Nur bei Allah, dem Starken, allein ist die Stärke; nur bei Gott dem Helsenden ist
die Hilfe! -- Behüte, o Herr, deinen Glänbigen vor den aus deinen Himmeln zur Hölle hinabge-
stürzten Teufeln! -- Du Hund, du Hundesohn, Hundeenkel und Hundeurenkel, du von einem Hund
Erzeugter und von einer Hündin Gesäugter -- du willst ein Moslim fressen?! Verdamme dich der
Allmächtige und werfe er dich in das Jnnere der Hölle! -- --" Diese und ähnliche Stoßseufzer und
Flüche entrangen sich seinen bebenden Lippen. Dann aber sprang er wüthend auf, lud eine Kugel in
sein Gewehr und sandte sie dem Nilpferd nach, welches noch immer vor uns tobte und lärmte. Die
Kugel tanzte lustig auf dem Wasser hin und -- an dem Ungethüm vorüber.

"Bei dem Barte des Propheten, bei dem Haupte deines Vaters, Effendi," bat er mich, "sende
du dem nichtswürdigen Gottesleugner aus deiner Büchse eine Kugel zu; -- denn auch mein schöner
Taucher ist ja verloren!"

Jch willfahrte seiner Bitte, schoß und hörte die Kugel auf den Schädel einschlagen. Das Nil-
pferd brüllte laut auf, tauchte einige Male unter und schwamm nach der Mitte des See's zu, wie es
schien, ohne durch den Schuß wesentlich gestört zu sein. Nur seine Wuth nahm von Stunde zu Stunde

Das Nil- oder Flußpferd.
Thier ganz luſtig mit ſeinem Liebling. Da tauchen dann Beide ſcherzend auf und nieder und unter-
halten ſich mit Brummen. Jedenfalls ſaugt das Junge im Waſſer. Jch ſah mehrmals ein altes Nil-
pferd ruhig an der gleichen Stelle liegen, nur ein wenig den Kopf über der Oberfläche des Waſſers
erheben, während das Junge von Zeit zu Zeit neben ihm auf und nieder tauchte, wahrſcheinlich um
Athem zu holen.

Es iſt nicht rathſam, ſich einer Nilpferdmutter, welche ihr Kind bei ſich hat, zu nahen; denn ſie
greift auch bei Tage Schiffe und Menſchen an, wenn ſie Gefahr für ihr Junges wittert. Livingſtone’s
Kahn wurde von einem weiblichen Nilpferde, deſſen Junges man Tags vorher mit dem Spere getödtet
hatte, halb aus dem Waſſer gehoben, und einer ſeiner Leute herabgeſchleudert, ohne daß die Mannſchaft
das Thier fernerhin gereizt hätte. Jn den Nilländern kennt man ähnliche Beiſpiele von derartig er-
zürnten Nilpferden und weiß auch von vielen Unglücksfällen zu berichten, welche ſie verurſacht haben.
Jch ſelbſt habe das Necken alter Nilpferde und ihrer Jungen einmal büßen müſſen und will die Ge-
ſchichte, welche ich ſchon früher in der Gartenlaube mitgetheilt habe, hier wiederholen. Sie trägt zur
Kennzeichnung des Thieres bei.

Wir hatten unweit des linken Ufers des Asrak einen Regenteich oder See aufgefunden, welcher
vom Strome bei ſeiner Ueberſchwemmung gefüllt worden und noch bei unſerer Ankunft im Februar
ziemlich waſſerreich war. Außer einer Menge von Vögeln lebten in ihm auch Krokodile und mehrere
Nilpferde mit ihren Jungen. Wahrſcheinlich hatten letztere die kleinen und verhältnißmäßig niedlichen
Jungen in ihm zur Welt gebracht; wenigſtens ſchien mir der ſtille, ruhige, rings von Wäldern und
an einer Seite ſogar von Feldern eingefaßte See zu einem Wochenbette für Nilpferde wohl geeignet.
Unſere Aufmerkſamkeit und Jagdluſt feſſelten vorzüglich die herrlichen Schlangenhalsvögel, ob-
gleich wir, um auf dieſe geſchickten Taucher feuern zu können, oft bis an die Bruſt in das Waſſer
waten mußten, — trotz der Krokodile und Nilpferde, um welche wir uns heute gar nicht kümmerten.
Mein Jäger Tomboldo, welcher die Jagd in Vater Adams Kleidung ausführte, hatte eben den vierten
Schlangenhalsvogel glücklich durch den Hals geſchoſſen — mehr als den Hals bekommt man von ihm
über dem Waſſer nicht zu ſehen — und watete auf ihn zu, um ihn aufzufiſchen. Da ſchreit plötzlich
vom anderen Ufer her ein Sudahneſe laut auf und winkt und geberdet ſich wie toll; Tomboldo
ſchaut ſich um und ſieht ein wuthſchnaubendes Nilpferd mit mächtigen Sätzen auf ſich losſtürmen. Das
Vieh hat bereits feſten Grund unter den Füßen und jagt wie ein angeſchoſſener Eber durch die
Fluthen; der Nubier ergreift in Todesangſt die Flucht und erreicht, bis zum Uferrande von ſeinem
furchtbaren Feinde verfolgt, glücklich den Wald. Jch war mit meiner trefflichen, leider aber blos
leichte Kugeln ſchießenden Büchſe dem treuen, höchſt brauchbaren Diener zu Hilfe geeilt und fand ihn
im Gebet und ſtöhnend auf der Erde liegen:

„La il laha il Allah, Mahammed, raſſuhl Allah! — Es gibt nur einen Gott und Mahammed iſt
ſein Prophet! — Nur bei Allah, dem Starken, allein iſt die Stärke; nur bei Gott dem Helſenden iſt
die Hilfe! — Behüte, o Herr, deinen Glänbigen vor den aus deinen Himmeln zur Hölle hinabge-
ſtürzten Teufeln! — Du Hund, du Hundeſohn, Hundeenkel und Hundeurenkel, du von einem Hund
Erzeugter und von einer Hündin Geſäugter — du willſt ein Moslim freſſen?! Verdamme dich der
Allmächtige und werfe er dich in das Jnnere der Hölle! — —‟ Dieſe und ähnliche Stoßſeufzer und
Flüche entrangen ſich ſeinen bebenden Lippen. Dann aber ſprang er wüthend auf, lud eine Kugel in
ſein Gewehr und ſandte ſie dem Nilpferd nach, welches noch immer vor uns tobte und lärmte. Die
Kugel tanzte luſtig auf dem Waſſer hin und — an dem Ungethüm vorüber.

„Bei dem Barte des Propheten, bei dem Haupte deines Vaters, Effendi,‟ bat er mich, „ſende
du dem nichtswürdigen Gottesleugner aus deiner Büchſe eine Kugel zu; — denn auch mein ſchöner
Taucher iſt ja verloren!‟

Jch willfahrte ſeiner Bitte, ſchoß und hörte die Kugel auf den Schädel einſchlagen. Das Nil-
pferd brüllte laut auf, tauchte einige Male unter und ſchwamm nach der Mitte des See’s zu, wie es
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[773/0819] Das Nil- oder Flußpferd. Thier ganz luſtig mit ſeinem Liebling. Da tauchen dann Beide ſcherzend auf und nieder und unter- halten ſich mit Brummen. Jedenfalls ſaugt das Junge im Waſſer. Jch ſah mehrmals ein altes Nil- pferd ruhig an der gleichen Stelle liegen, nur ein wenig den Kopf über der Oberfläche des Waſſers erheben, während das Junge von Zeit zu Zeit neben ihm auf und nieder tauchte, wahrſcheinlich um Athem zu holen. Es iſt nicht rathſam, ſich einer Nilpferdmutter, welche ihr Kind bei ſich hat, zu nahen; denn ſie greift auch bei Tage Schiffe und Menſchen an, wenn ſie Gefahr für ihr Junges wittert. Livingſtone’s Kahn wurde von einem weiblichen Nilpferde, deſſen Junges man Tags vorher mit dem Spere getödtet hatte, halb aus dem Waſſer gehoben, und einer ſeiner Leute herabgeſchleudert, ohne daß die Mannſchaft das Thier fernerhin gereizt hätte. Jn den Nilländern kennt man ähnliche Beiſpiele von derartig er- zürnten Nilpferden und weiß auch von vielen Unglücksfällen zu berichten, welche ſie verurſacht haben. Jch ſelbſt habe das Necken alter Nilpferde und ihrer Jungen einmal büßen müſſen und will die Ge- ſchichte, welche ich ſchon früher in der Gartenlaube mitgetheilt habe, hier wiederholen. Sie trägt zur Kennzeichnung des Thieres bei. Wir hatten unweit des linken Ufers des Asrak einen Regenteich oder See aufgefunden, welcher vom Strome bei ſeiner Ueberſchwemmung gefüllt worden und noch bei unſerer Ankunft im Februar ziemlich waſſerreich war. Außer einer Menge von Vögeln lebten in ihm auch Krokodile und mehrere Nilpferde mit ihren Jungen. Wahrſcheinlich hatten letztere die kleinen und verhältnißmäßig niedlichen Jungen in ihm zur Welt gebracht; wenigſtens ſchien mir der ſtille, ruhige, rings von Wäldern und an einer Seite ſogar von Feldern eingefaßte See zu einem Wochenbette für Nilpferde wohl geeignet. Unſere Aufmerkſamkeit und Jagdluſt feſſelten vorzüglich die herrlichen Schlangenhalsvögel, ob- gleich wir, um auf dieſe geſchickten Taucher feuern zu können, oft bis an die Bruſt in das Waſſer waten mußten, — trotz der Krokodile und Nilpferde, um welche wir uns heute gar nicht kümmerten. Mein Jäger Tomboldo, welcher die Jagd in Vater Adams Kleidung ausführte, hatte eben den vierten Schlangenhalsvogel glücklich durch den Hals geſchoſſen — mehr als den Hals bekommt man von ihm über dem Waſſer nicht zu ſehen — und watete auf ihn zu, um ihn aufzufiſchen. Da ſchreit plötzlich vom anderen Ufer her ein Sudahneſe laut auf und winkt und geberdet ſich wie toll; Tomboldo ſchaut ſich um und ſieht ein wuthſchnaubendes Nilpferd mit mächtigen Sätzen auf ſich losſtürmen. Das Vieh hat bereits feſten Grund unter den Füßen und jagt wie ein angeſchoſſener Eber durch die Fluthen; der Nubier ergreift in Todesangſt die Flucht und erreicht, bis zum Uferrande von ſeinem furchtbaren Feinde verfolgt, glücklich den Wald. Jch war mit meiner trefflichen, leider aber blos leichte Kugeln ſchießenden Büchſe dem treuen, höchſt brauchbaren Diener zu Hilfe geeilt und fand ihn im Gebet und ſtöhnend auf der Erde liegen: „La il laha il Allah, Mahammed, raſſuhl Allah! — Es gibt nur einen Gott und Mahammed iſt ſein Prophet! — Nur bei Allah, dem Starken, allein iſt die Stärke; nur bei Gott dem Helſenden iſt die Hilfe! — Behüte, o Herr, deinen Glänbigen vor den aus deinen Himmeln zur Hölle hinabge- ſtürzten Teufeln! — Du Hund, du Hundeſohn, Hundeenkel und Hundeurenkel, du von einem Hund Erzeugter und von einer Hündin Geſäugter — du willſt ein Moslim freſſen?! Verdamme dich der Allmächtige und werfe er dich in das Jnnere der Hölle! — —‟ Dieſe und ähnliche Stoßſeufzer und Flüche entrangen ſich ſeinen bebenden Lippen. Dann aber ſprang er wüthend auf, lud eine Kugel in ſein Gewehr und ſandte ſie dem Nilpferd nach, welches noch immer vor uns tobte und lärmte. Die Kugel tanzte luſtig auf dem Waſſer hin und — an dem Ungethüm vorüber. „Bei dem Barte des Propheten, bei dem Haupte deines Vaters, Effendi,‟ bat er mich, „ſende du dem nichtswürdigen Gottesleugner aus deiner Büchſe eine Kugel zu; — denn auch mein ſchöner Taucher iſt ja verloren!‟ Jch willfahrte ſeiner Bitte, ſchoß und hörte die Kugel auf den Schädel einſchlagen. Das Nil- pferd brüllte laut auf, tauchte einige Male unter und ſchwamm nach der Mitte des See’s zu, wie es ſchien, ohne durch den Schuß weſentlich geſtört zu ſein. Nur ſeine Wuth nahm von Stunde zu Stunde

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 773. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/819>, abgerufen am 23.11.2024.