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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Das Nil- oder Flußpferd.
welche ruhig an einem Schöpfrade standen. Jch selbst habe ähnliche Geschichten genug vernommen.
Die Eingeborenen erzählen, daß es mit dem Maule angreift und erst zu guter Letzt den Gegenstand
seiner Wuth mit den Füßen zerstampft. Nur sehr selten ergreift ein weidendes Nilpferd vor dem
Menschen die Flucht: ein gereiztes thut Dies niemals. Es scheint, wie ich weiter unten erzählen will,
daß es eine ihm zugefügte Beleidigung ziemlich lange behält und nachträgt.

Der arme Mensch des innern Afrika, welcher kein Feuergewehr führt, ist dem Nilpferd gegen-
über so gut als machtlos, obgleich er noch immer sein einziger gefährlicher Gegner bleibt; denn außer
Blutegeln, Mücken und Eingeweidewürmern wird das Flußpferd von keinem Geschöpf angegriffen
und all die so schön ausgedachten Kämpfe zwischen ihm und dem Krokodil, dem Elefanten, dem
Nashorn und dem Löwen müssen unerbittlich in das Reich der Fabel gewiesen werden. Höchstens ein
junges Nilpferd würde eine der größeren Katzen vielleicht angreifen, wäre nicht die Alte beständig in
der Nähe und zur Abwehr aller Gefahren vorbereitet. Der Mensch sucht sich auf verschiedene Weise
des schädlichen Thieres zu erwehren. Während der Zeit der Fruchtreife sieht man in den bevölkerten
Stromgegenden zu beiden Ufern eine Menge von Feuern leuchten. Sie sind einzig und allein als
Schreckmittel gegen die Nilpferde angezündet und werden die ganze Nacht durch sorgfältig angefacht.
An einigen Orten unterhält man mit Trommeln einen beständigen Lärm, um die Flußriesen zu
schrecken. Und gleichwohl sind sie nicht selten so kühn, daß sie nur dann nach dem Flusse zurückkehren,
wenn eine größere Menschenmenge schreiend und trommelnd und mit Feuerbränden auf sie anstürmt.
Leider ist gegen das Nilpferd ein Mittel, welches bei anderen Thieren mit dem besten Erfolge gekrönt
wird, nicht anwendbar und die höllische Natur des Unthieres geht daraus recht deutlich hervor. Das
Wort des Gottgesandten, Mahammed -- Frieden über ihn! -- ist kräftig genug, fast alle übrigen Thiere
von den Feldern abzuhalten, welche es in Gestalt eines dort aufgehangenen Amuletes schirmt. Ein Nil-
pferd aber und andere der Gerechtbarkeit trotzende Thiere mißachten auch den kräftigsten und wirksamsten
Gottesbrief, und sei er von dem Scheich el Jslahm in Mekka selbst geschrieben. So bleibt dem armen
Gläubigen eben nur das Feuer übrig, um Höllisches mit Höllischem zu bannen.

So denken die Mahammedaner, anders die Neger am oberen Abiad und Asrak, welche überhaupt
als muthige, tüchtige Leute angesehen werden müssen. Sie graben Fallgruben und legen dem Thiere
andere Hindernisse in den Weg oder treten ihm während der Nacht in Massen entgegen, um es zu
vertilgen. Allein auch sie sind nicht im Stande, den bösen Feind auszurotten; denn Solches kann nur
durch das Feuergewehr bewirkt werden.

Weit gefährlicher noch, als das Nilpferd gewöhnlich ist, wird es, wenn es noch ein Junges zu
schirmen hat. Ueber die Zeugung, die Geburt der Jungen und die Dauer der Tragzeit hat man erst in
der Neuzeit an Gefangenen Beobachtungen gemacht, da diese sich schon einige Male fortgepflanzt haben.
Von der Fortpflanzung der freilebenden Thiere weiß man nur so viel, daß ein Junges etwa im ersten
Drittel der Regenzeit, welches die meiste und saftigste Nahrung bringt, geboren wird, demnach in den
verschiedenen Ländern Afrikas zu sehr verschiedener Zeit, je nachdem der Frühling der Wendekreis-
länder dort eintritt. Die für ihr Kind zärtlich besorgte Mutter sieht auch in den unschuldigsten Dingen
Gefahr und stürzt sich mit furchtbarer Wuth auf jeden Feind. Es scheint, daß das Junge lange Zeit
von der Mutter geführt und geleitet wird; denn Livingston sah Junge, welche, wie er sagt, nicht viel
größer waren, als Dachshunde, während ich meines Theils niemals so kleine, sondern höchstens solche
beobachtet habe, welche die Größe eines vollständig ausgewachsenen Ebers hatten, der bedeutend
größeren, welche noch immer mit der Alten gingen, gar nicht zu gedenken. Derselbe Reisende berichtet,
daß die Mutter ihre Jungen anfangs auf dem Halse und später auf dem Widerrist trage. Jch habe
Dies nie gesehen; die Angabe scheint mir auch auf einem Beobachtungsfehler zu beruhen. Soviel steht
fest, daß die Mutter ihr Junges zärtlich liebt, ja ich glaube behaupten zu können, daß sich auch der
Vater seines Sprößlings schützend annimmt; wenigstens sah ich fast immer um ein Junges zwei Alte.
Die Mutter ist leicht zu erkennen. Sie läßt ihr Kind keinen Augenblick aus den Augen und bewacht
jede seiner Bewegungen mit mütterlicher Lust und zärtlichen Sorgen. Zuweilen spielt das ungefüge

Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Nil- oder Flußpferd.
welche ruhig an einem Schöpfrade ſtanden. Jch ſelbſt habe ähnliche Geſchichten genug vernommen.
Die Eingeborenen erzählen, daß es mit dem Maule angreift und erſt zu guter Letzt den Gegenſtand
ſeiner Wuth mit den Füßen zerſtampft. Nur ſehr ſelten ergreift ein weidendes Nilpferd vor dem
Menſchen die Flucht: ein gereiztes thut Dies niemals. Es ſcheint, wie ich weiter unten erzählen will,
daß es eine ihm zugefügte Beleidigung ziemlich lange behält und nachträgt.

Der arme Menſch des innern Afrika, welcher kein Feuergewehr führt, iſt dem Nilpferd gegen-
über ſo gut als machtlos, obgleich er noch immer ſein einziger gefährlicher Gegner bleibt; denn außer
Blutegeln, Mücken und Eingeweidewürmern wird das Flußpferd von keinem Geſchöpf angegriffen
und all die ſo ſchön ausgedachten Kämpfe zwiſchen ihm und dem Krokodil, dem Elefanten, dem
Nashorn und dem Löwen müſſen unerbittlich in das Reich der Fabel gewieſen werden. Höchſtens ein
junges Nilpferd würde eine der größeren Katzen vielleicht angreifen, wäre nicht die Alte beſtändig in
der Nähe und zur Abwehr aller Gefahren vorbereitet. Der Menſch ſucht ſich auf verſchiedene Weiſe
des ſchädlichen Thieres zu erwehren. Während der Zeit der Fruchtreife ſieht man in den bevölkerten
Stromgegenden zu beiden Ufern eine Menge von Feuern leuchten. Sie ſind einzig und allein als
Schreckmittel gegen die Nilpferde angezündet und werden die ganze Nacht durch ſorgfältig angefacht.
An einigen Orten unterhält man mit Trommeln einen beſtändigen Lärm, um die Flußrieſen zu
ſchrecken. Und gleichwohl ſind ſie nicht ſelten ſo kühn, daß ſie nur dann nach dem Fluſſe zurückkehren,
wenn eine größere Menſchenmenge ſchreiend und trommelnd und mit Feuerbränden auf ſie anſtürmt.
Leider iſt gegen das Nilpferd ein Mittel, welches bei anderen Thieren mit dem beſten Erfolge gekrönt
wird, nicht anwendbar und die hölliſche Natur des Unthieres geht daraus recht deutlich hervor. Das
Wort des Gottgeſandten, Mahammed — Frieden über ihn! — iſt kräftig genug, faſt alle übrigen Thiere
von den Feldern abzuhalten, welche es in Geſtalt eines dort aufgehangenen Amuletes ſchirmt. Ein Nil-
pferd aber und andere der Gerechtbarkeit trotzende Thiere mißachten auch den kräftigſten und wirkſamſten
Gottesbrief, und ſei er von dem Scheich el Jslahm in Mekka ſelbſt geſchrieben. So bleibt dem armen
Gläubigen eben nur das Feuer übrig, um Hölliſches mit Hölliſchem zu bannen.

So denken die Mahammedaner, anders die Neger am oberen Abiad und Asrak, welche überhaupt
als muthige, tüchtige Leute angeſehen werden müſſen. Sie graben Fallgruben und legen dem Thiere
andere Hinderniſſe in den Weg oder treten ihm während der Nacht in Maſſen entgegen, um es zu
vertilgen. Allein auch ſie ſind nicht im Stande, den böſen Feind auszurotten; denn Solches kann nur
durch das Feuergewehr bewirkt werden.

Weit gefährlicher noch, als das Nilpferd gewöhnlich iſt, wird es, wenn es noch ein Junges zu
ſchirmen hat. Ueber die Zeugung, die Geburt der Jungen und die Dauer der Tragzeit hat man erſt in
der Neuzeit an Gefangenen Beobachtungen gemacht, da dieſe ſich ſchon einige Male fortgepflanzt haben.
Von der Fortpflanzung der freilebenden Thiere weiß man nur ſo viel, daß ein Junges etwa im erſten
Drittel der Regenzeit, welches die meiſte und ſaftigſte Nahrung bringt, geboren wird, demnach in den
verſchiedenen Ländern Afrikas zu ſehr verſchiedener Zeit, je nachdem der Frühling der Wendekreis-
länder dort eintritt. Die für ihr Kind zärtlich beſorgte Mutter ſieht auch in den unſchuldigſten Dingen
Gefahr und ſtürzt ſich mit furchtbarer Wuth auf jeden Feind. Es ſcheint, daß das Junge lange Zeit
von der Mutter geführt und geleitet wird; denn Livingſton ſah Junge, welche, wie er ſagt, nicht viel
größer waren, als Dachshunde, während ich meines Theils niemals ſo kleine, ſondern höchſtens ſolche
beobachtet habe, welche die Größe eines vollſtändig ausgewachſenen Ebers hatten, der bedeutend
größeren, welche noch immer mit der Alten gingen, gar nicht zu gedenken. Derſelbe Reiſende berichtet,
daß die Mutter ihre Jungen anfangs auf dem Halſe und ſpäter auf dem Widerriſt trage. Jch habe
Dies nie geſehen; die Angabe ſcheint mir auch auf einem Beobachtungsfehler zu beruhen. Soviel ſteht
feſt, daß die Mutter ihr Junges zärtlich liebt, ja ich glaube behaupten zu können, daß ſich auch der
Vater ſeines Sprößlings ſchützend annimmt; wenigſtens ſah ich faſt immer um ein Junges zwei Alte.
Die Mutter iſt leicht zu erkennen. Sie läßt ihr Kind keinen Augenblick aus den Augen und bewacht
jede ſeiner Bewegungen mit mütterlicher Luſt und zärtlichen Sorgen. Zuweilen ſpielt das ungefüge

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[772/0818] Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Nil- oder Flußpferd. welche ruhig an einem Schöpfrade ſtanden. Jch ſelbſt habe ähnliche Geſchichten genug vernommen. Die Eingeborenen erzählen, daß es mit dem Maule angreift und erſt zu guter Letzt den Gegenſtand ſeiner Wuth mit den Füßen zerſtampft. Nur ſehr ſelten ergreift ein weidendes Nilpferd vor dem Menſchen die Flucht: ein gereiztes thut Dies niemals. Es ſcheint, wie ich weiter unten erzählen will, daß es eine ihm zugefügte Beleidigung ziemlich lange behält und nachträgt. Der arme Menſch des innern Afrika, welcher kein Feuergewehr führt, iſt dem Nilpferd gegen- über ſo gut als machtlos, obgleich er noch immer ſein einziger gefährlicher Gegner bleibt; denn außer Blutegeln, Mücken und Eingeweidewürmern wird das Flußpferd von keinem Geſchöpf angegriffen und all die ſo ſchön ausgedachten Kämpfe zwiſchen ihm und dem Krokodil, dem Elefanten, dem Nashorn und dem Löwen müſſen unerbittlich in das Reich der Fabel gewieſen werden. Höchſtens ein junges Nilpferd würde eine der größeren Katzen vielleicht angreifen, wäre nicht die Alte beſtändig in der Nähe und zur Abwehr aller Gefahren vorbereitet. Der Menſch ſucht ſich auf verſchiedene Weiſe des ſchädlichen Thieres zu erwehren. Während der Zeit der Fruchtreife ſieht man in den bevölkerten Stromgegenden zu beiden Ufern eine Menge von Feuern leuchten. Sie ſind einzig und allein als Schreckmittel gegen die Nilpferde angezündet und werden die ganze Nacht durch ſorgfältig angefacht. An einigen Orten unterhält man mit Trommeln einen beſtändigen Lärm, um die Flußrieſen zu ſchrecken. Und gleichwohl ſind ſie nicht ſelten ſo kühn, daß ſie nur dann nach dem Fluſſe zurückkehren, wenn eine größere Menſchenmenge ſchreiend und trommelnd und mit Feuerbränden auf ſie anſtürmt. Leider iſt gegen das Nilpferd ein Mittel, welches bei anderen Thieren mit dem beſten Erfolge gekrönt wird, nicht anwendbar und die hölliſche Natur des Unthieres geht daraus recht deutlich hervor. Das Wort des Gottgeſandten, Mahammed — Frieden über ihn! — iſt kräftig genug, faſt alle übrigen Thiere von den Feldern abzuhalten, welche es in Geſtalt eines dort aufgehangenen Amuletes ſchirmt. Ein Nil- pferd aber und andere der Gerechtbarkeit trotzende Thiere mißachten auch den kräftigſten und wirkſamſten Gottesbrief, und ſei er von dem Scheich el Jslahm in Mekka ſelbſt geſchrieben. So bleibt dem armen Gläubigen eben nur das Feuer übrig, um Hölliſches mit Hölliſchem zu bannen. So denken die Mahammedaner, anders die Neger am oberen Abiad und Asrak, welche überhaupt als muthige, tüchtige Leute angeſehen werden müſſen. Sie graben Fallgruben und legen dem Thiere andere Hinderniſſe in den Weg oder treten ihm während der Nacht in Maſſen entgegen, um es zu vertilgen. Allein auch ſie ſind nicht im Stande, den böſen Feind auszurotten; denn Solches kann nur durch das Feuergewehr bewirkt werden. Weit gefährlicher noch, als das Nilpferd gewöhnlich iſt, wird es, wenn es noch ein Junges zu ſchirmen hat. Ueber die Zeugung, die Geburt der Jungen und die Dauer der Tragzeit hat man erſt in der Neuzeit an Gefangenen Beobachtungen gemacht, da dieſe ſich ſchon einige Male fortgepflanzt haben. Von der Fortpflanzung der freilebenden Thiere weiß man nur ſo viel, daß ein Junges etwa im erſten Drittel der Regenzeit, welches die meiſte und ſaftigſte Nahrung bringt, geboren wird, demnach in den verſchiedenen Ländern Afrikas zu ſehr verſchiedener Zeit, je nachdem der Frühling der Wendekreis- länder dort eintritt. Die für ihr Kind zärtlich beſorgte Mutter ſieht auch in den unſchuldigſten Dingen Gefahr und ſtürzt ſich mit furchtbarer Wuth auf jeden Feind. Es ſcheint, daß das Junge lange Zeit von der Mutter geführt und geleitet wird; denn Livingſton ſah Junge, welche, wie er ſagt, nicht viel größer waren, als Dachshunde, während ich meines Theils niemals ſo kleine, ſondern höchſtens ſolche beobachtet habe, welche die Größe eines vollſtändig ausgewachſenen Ebers hatten, der bedeutend größeren, welche noch immer mit der Alten gingen, gar nicht zu gedenken. Derſelbe Reiſende berichtet, daß die Mutter ihre Jungen anfangs auf dem Halſe und ſpäter auf dem Widerriſt trage. Jch habe Dies nie geſehen; die Angabe ſcheint mir auch auf einem Beobachtungsfehler zu beruhen. Soviel ſteht feſt, daß die Mutter ihr Junges zärtlich liebt, ja ich glaube behaupten zu können, daß ſich auch der Vater ſeines Sprößlings ſchützend annimmt; wenigſtens ſah ich faſt immer um ein Junges zwei Alte. Die Mutter iſt leicht zu erkennen. Sie läßt ihr Kind keinen Augenblick aus den Augen und bewacht jede ſeiner Bewegungen mit mütterlicher Luſt und zärtlichen Sorgen. Zuweilen ſpielt das ungefüge

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/818>, abgerufen am 13.05.2024.