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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Gnu. -- Die Ziegen.
die Gegenstände ihrer Furcht zu betrachten. Deshalb fliehen, wie schon aus Cumming's Berichten
hervorgeht, die Wildebeeste selbst dann nicht, wenn das tödtliche Geschoß mehrere aus ihrer Mitte
niedergestreckt hat. Es soll nicht selten geschehen, daß eine Herde Gnus einen ganzen Zug von Jä-
gern dicht an sich herankommen läßt, ohne daran zu denken, die Flucht zu ergreifen. Das Knallen
der Schützen versetzt sie freilich in großen Schrecken und bewegt sie zu den possenhaftesten Sprüngen.

Nur zufällig fängt man ein Gnu in Fallgruben oder in Schlingen. Alteingefangene geberden
sich wie toll und unsinnig, Junge dagegen legen wenigstens einigermaßen ihre Wildheit ab. Unge-
müthliche Geschöpfe bleiben sie immer. An ihnen scheitern die kühnsten Hoffnungen Derer, welche
die Einbürgerung mancher Thierarten in ihnen ursprünglich fremde Gegenden sich zur Aufgabe ge-
macht haben.

Der Nutzen des erlegten Gnu ist derselbe, welchen andere Wildarten Afrikas gewähren. Man
ißt das Fleisch seiner Saftigkeit und Zartheit halber, benutzt die Haut zu allerlei Lederwerk und ver-
fertigt aus den Hörnern Messerhefte und andere Gegenstände.



Ob man die Ziegen und Schafe als besondere Sippen oder als Familien anzusehen hat, kann
uns gleichgiltig sein, da wir der allgemeinen Eintheilung nur in sofern Rechnung tragen, als es die
wissenschaftliche Zusammenstellung der Thiere erfordert. Die meisten Naturforscher sehen, wie be-
merkt, die Antilopen, Ziegen, Schafe und Rinder nur als Sippen einer einzigen Familie an,
während wir diese Sippen als Familien ansehen. Es läßt sich allerdings nicht leugnen, daß die
Aehnlichkeit zwischen den Schafen und Ziegen mindestens ebensogroß ist, als zwischen den verschie-
denen Antilopen: aber ebensowohl kann man die durchgreifenden Unterschiede zwischen beiden Thier-
gruppen als so bedeutsam ansehen, daß die Fitzingersche Eintheilung, welcher wir uns anschließen,
berechtigt erscheint.

Die Ziegen sind mittelgroße Wiederkäuer. Jhr stämmiger und kräftiger Leib ruht auf star-
ken, nicht sehr hohen Beinen; der Hals ist gedrungen, der Kopf verhältnißmäßig kurz und breit
an der Stirn; die Augen sind groß und lebhaft, die Ohren aufgerichtet, schmal zugespitzt und sehr
beweglich. Die Hörner, welche beide Geschlechter tragen, sind abgerundet vierseitig oder zweischnei-
dig, deutlich nach den Jahreszuwüchsen gegliedert, vorn wulstig verdickt. Sie beugen sich entweder
in einfach halbmondförmiger Richtung nach hinten oder biegen sich dann noch leierartig an der Spitze
aus. Bei den Böcken sind sie regelmäßig viel schwerer, als bei den Ziegen. Thränengruben fehlen
immer. Das Weibchen hat zwei Zitzen. Das Haarkleid ist ein doppeltes; die feinere Wolle wird
von groben Grannen überdeckt. Bei manchen Arten liegen die Grannen ziemlich dicht an, bei an-
deren verlängern sie sich mähnenartig an gewissen Stellen, bei den meisten auch am Kinn zu einem
steifen Barte. Jmmer ist die Färbung des Pelzes düster, erd- oder felsenfarbig, vorzugsweise
braun oder grau.

Ursprünglich bewohnten die Ziegen Mittel- und Südasien, Europa, Nordafrika und in einer
einzigen Art auch Nordamerika; heutzutage sind einige Arten von ihnen über die ganze Erde verbrei-
tet worden. Sie sind durchgehends Bewohner der Gebirge, zumal der Hochgebirge, wo sie die ein-
samsten, menschenleersten Stellen aufsuchen. Manche Arten gehen bis über die Grenze des ewigen
Schnees hinauf. Sonnige Stellen mit trockener Weide, dünn bestandene Wälder, Halden und
Geröllabstürze, sowie auch kahle Klippen und Felsen, welche starr aus dem ewigen Schnee und Eis
emporragen, sind ihre Standorte. Jm Winter gehen sie etwas tiefer in die Ebene herab, als im
Sommer. Alle Arten lieben die Geselligkeit. Sie sind bewegliche, lebendige, unruhige, kluge, ja
selbst listige Thiere. Ohne Unterlaß laufen und springen sie umher; nur während des Wiederkäuens
liegen sie ruhig an ein und derselben Stelle. Blos sehr alte, von dem Rudel abgeschiedene Mäun-

Das Gnu. — Die Ziegen.
die Gegenſtände ihrer Furcht zu betrachten. Deshalb fliehen, wie ſchon aus Cumming’s Berichten
hervorgeht, die Wildebeeſte ſelbſt dann nicht, wenn das tödtliche Geſchoß mehrere aus ihrer Mitte
niedergeſtreckt hat. Es ſoll nicht ſelten geſchehen, daß eine Herde Gnus einen ganzen Zug von Jä-
gern dicht an ſich herankommen läßt, ohne daran zu denken, die Flucht zu ergreifen. Das Knallen
der Schützen verſetzt ſie freilich in großen Schrecken und bewegt ſie zu den poſſenhafteſten Sprüngen.

Nur zufällig fängt man ein Gnu in Fallgruben oder in Schlingen. Alteingefangene geberden
ſich wie toll und unſinnig, Junge dagegen legen wenigſtens einigermaßen ihre Wildheit ab. Unge-
müthliche Geſchöpfe bleiben ſie immer. An ihnen ſcheitern die kühnſten Hoffnungen Derer, welche
die Einbürgerung mancher Thierarten in ihnen urſprünglich fremde Gegenden ſich zur Aufgabe ge-
macht haben.

Der Nutzen des erlegten Gnu iſt derſelbe, welchen andere Wildarten Afrikas gewähren. Man
ißt das Fleiſch ſeiner Saftigkeit und Zartheit halber, benutzt die Haut zu allerlei Lederwerk und ver-
fertigt aus den Hörnern Meſſerhefte und andere Gegenſtände.



Ob man die Ziegen und Schafe als beſondere Sippen oder als Familien anzuſehen hat, kann
uns gleichgiltig ſein, da wir der allgemeinen Eintheilung nur in ſofern Rechnung tragen, als es die
wiſſenſchaftliche Zuſammenſtellung der Thiere erfordert. Die meiſten Naturforſcher ſehen, wie be-
merkt, die Antilopen, Ziegen, Schafe und Rinder nur als Sippen einer einzigen Familie an,
während wir dieſe Sippen als Familien anſehen. Es läßt ſich allerdings nicht leugnen, daß die
Aehnlichkeit zwiſchen den Schafen und Ziegen mindeſtens ebenſogroß iſt, als zwiſchen den verſchie-
denen Antilopen: aber ebenſowohl kann man die durchgreifenden Unterſchiede zwiſchen beiden Thier-
gruppen als ſo bedeutſam anſehen, daß die Fitzingerſche Eintheilung, welcher wir uns anſchließen,
berechtigt erſcheint.

Die Ziegen ſind mittelgroße Wiederkäuer. Jhr ſtämmiger und kräftiger Leib ruht auf ſtar-
ken, nicht ſehr hohen Beinen; der Hals iſt gedrungen, der Kopf verhältnißmäßig kurz und breit
an der Stirn; die Augen ſind groß und lebhaft, die Ohren aufgerichtet, ſchmal zugeſpitzt und ſehr
beweglich. Die Hörner, welche beide Geſchlechter tragen, ſind abgerundet vierſeitig oder zweiſchnei-
dig, deutlich nach den Jahreszuwüchſen gegliedert, vorn wulſtig verdickt. Sie beugen ſich entweder
in einfach halbmondförmiger Richtung nach hinten oder biegen ſich dann noch leierartig an der Spitze
aus. Bei den Böcken ſind ſie regelmäßig viel ſchwerer, als bei den Ziegen. Thränengruben fehlen
immer. Das Weibchen hat zwei Zitzen. Das Haarkleid iſt ein doppeltes; die feinere Wolle wird
von groben Grannen überdeckt. Bei manchen Arten liegen die Grannen ziemlich dicht an, bei an-
deren verlängern ſie ſich mähnenartig an gewiſſen Stellen, bei den meiſten auch am Kinn zu einem
ſteifen Barte. Jmmer iſt die Färbung des Pelzes düſter, erd- oder felſenfarbig, vorzugsweiſe
braun oder grau.

Urſprünglich bewohnten die Ziegen Mittel- und Südaſien, Europa, Nordafrika und in einer
einzigen Art auch Nordamerika; heutzutage ſind einige Arten von ihnen über die ganze Erde verbrei-
tet worden. Sie ſind durchgehends Bewohner der Gebirge, zumal der Hochgebirge, wo ſie die ein-
ſamſten, menſchenleerſten Stellen aufſuchen. Manche Arten gehen bis über die Grenze des ewigen
Schnees hinauf. Sonnige Stellen mit trockener Weide, dünn beſtandene Wälder, Halden und
Geröllabſtürze, ſowie auch kahle Klippen und Felſen, welche ſtarr aus dem ewigen Schnee und Eis
emporragen, ſind ihre Standorte. Jm Winter gehen ſie etwas tiefer in die Ebene herab, als im
Sommer. Alle Arten lieben die Geſelligkeit. Sie ſind bewegliche, lebendige, unruhige, kluge, ja
ſelbſt liſtige Thiere. Ohne Unterlaß laufen und ſpringen ſie umher; nur während des Wiederkäuens
liegen ſie ruhig an ein und derſelben Stelle. Blos ſehr alte, von dem Rudel abgeſchiedene Mäun-

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[565/0595] Das Gnu. — Die Ziegen. die Gegenſtände ihrer Furcht zu betrachten. Deshalb fliehen, wie ſchon aus Cumming’s Berichten hervorgeht, die Wildebeeſte ſelbſt dann nicht, wenn das tödtliche Geſchoß mehrere aus ihrer Mitte niedergeſtreckt hat. Es ſoll nicht ſelten geſchehen, daß eine Herde Gnus einen ganzen Zug von Jä- gern dicht an ſich herankommen läßt, ohne daran zu denken, die Flucht zu ergreifen. Das Knallen der Schützen verſetzt ſie freilich in großen Schrecken und bewegt ſie zu den poſſenhafteſten Sprüngen. Nur zufällig fängt man ein Gnu in Fallgruben oder in Schlingen. Alteingefangene geberden ſich wie toll und unſinnig, Junge dagegen legen wenigſtens einigermaßen ihre Wildheit ab. Unge- müthliche Geſchöpfe bleiben ſie immer. An ihnen ſcheitern die kühnſten Hoffnungen Derer, welche die Einbürgerung mancher Thierarten in ihnen urſprünglich fremde Gegenden ſich zur Aufgabe ge- macht haben. Der Nutzen des erlegten Gnu iſt derſelbe, welchen andere Wildarten Afrikas gewähren. Man ißt das Fleiſch ſeiner Saftigkeit und Zartheit halber, benutzt die Haut zu allerlei Lederwerk und ver- fertigt aus den Hörnern Meſſerhefte und andere Gegenſtände. Ob man die Ziegen und Schafe als beſondere Sippen oder als Familien anzuſehen hat, kann uns gleichgiltig ſein, da wir der allgemeinen Eintheilung nur in ſofern Rechnung tragen, als es die wiſſenſchaftliche Zuſammenſtellung der Thiere erfordert. Die meiſten Naturforſcher ſehen, wie be- merkt, die Antilopen, Ziegen, Schafe und Rinder nur als Sippen einer einzigen Familie an, während wir dieſe Sippen als Familien anſehen. Es läßt ſich allerdings nicht leugnen, daß die Aehnlichkeit zwiſchen den Schafen und Ziegen mindeſtens ebenſogroß iſt, als zwiſchen den verſchie- denen Antilopen: aber ebenſowohl kann man die durchgreifenden Unterſchiede zwiſchen beiden Thier- gruppen als ſo bedeutſam anſehen, daß die Fitzingerſche Eintheilung, welcher wir uns anſchließen, berechtigt erſcheint. Die Ziegen ſind mittelgroße Wiederkäuer. Jhr ſtämmiger und kräftiger Leib ruht auf ſtar- ken, nicht ſehr hohen Beinen; der Hals iſt gedrungen, der Kopf verhältnißmäßig kurz und breit an der Stirn; die Augen ſind groß und lebhaft, die Ohren aufgerichtet, ſchmal zugeſpitzt und ſehr beweglich. Die Hörner, welche beide Geſchlechter tragen, ſind abgerundet vierſeitig oder zweiſchnei- dig, deutlich nach den Jahreszuwüchſen gegliedert, vorn wulſtig verdickt. Sie beugen ſich entweder in einfach halbmondförmiger Richtung nach hinten oder biegen ſich dann noch leierartig an der Spitze aus. Bei den Böcken ſind ſie regelmäßig viel ſchwerer, als bei den Ziegen. Thränengruben fehlen immer. Das Weibchen hat zwei Zitzen. Das Haarkleid iſt ein doppeltes; die feinere Wolle wird von groben Grannen überdeckt. Bei manchen Arten liegen die Grannen ziemlich dicht an, bei an- deren verlängern ſie ſich mähnenartig an gewiſſen Stellen, bei den meiſten auch am Kinn zu einem ſteifen Barte. Jmmer iſt die Färbung des Pelzes düſter, erd- oder felſenfarbig, vorzugsweiſe braun oder grau. Urſprünglich bewohnten die Ziegen Mittel- und Südaſien, Europa, Nordafrika und in einer einzigen Art auch Nordamerika; heutzutage ſind einige Arten von ihnen über die ganze Erde verbrei- tet worden. Sie ſind durchgehends Bewohner der Gebirge, zumal der Hochgebirge, wo ſie die ein- ſamſten, menſchenleerſten Stellen aufſuchen. Manche Arten gehen bis über die Grenze des ewigen Schnees hinauf. Sonnige Stellen mit trockener Weide, dünn beſtandene Wälder, Halden und Geröllabſtürze, ſowie auch kahle Klippen und Felſen, welche ſtarr aus dem ewigen Schnee und Eis emporragen, ſind ihre Standorte. Jm Winter gehen ſie etwas tiefer in die Ebene herab, als im Sommer. Alle Arten lieben die Geſelligkeit. Sie ſind bewegliche, lebendige, unruhige, kluge, ja ſelbſt liſtige Thiere. Ohne Unterlaß laufen und ſpringen ſie umher; nur während des Wiederkäuens liegen ſie ruhig an ein und derſelben Stelle. Blos ſehr alte, von dem Rudel abgeſchiedene Mäun-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/595>, abgerufen am 23.11.2024.