den Antilopen die Jäger. Während diese auf sie zureiten, um diese oder jene zu erlegen, umkreisen sie rechts und links die anderen und stellen sich auf dem Platze auf, über welchen die Jäger wenige Minuten vorher hinwegritten. Einzeln und in kleinen Trupps von 4 bis 5 Stück sieht man zuweilen die alten Wildebeestböcke in Zwischenräumen auf der Ebene einen ganzen Vormittag regungslos stehen und mit starren Blicken die Bewegungen des anderen Wildes betrachten, wobei sie fortwährend ein lautes, schnaubendes Geräusch und einen eigenthümlichen kurzen, scharfen Hauch von sich geben. So- bald sich ein Jäger ihnen naht, beginnen sie ihre weißen Schwänze hin und her zu schleudern, springen dann hoch auf, bäumen sich und folgen einander in gewaltigen Sätzen mit der größten Schnelligkeit. Plötzlich machen sie wieder Halt, und zuweilen beginnen zwei dieser Stiere einen furchtbaren Kampf. Mit vieler Kraft gegen einander rennend, stürzen sie auf die Knie nieder, springen plötzlich wieder auf, rennen im Kreise umher, wedeln auf höchst bewunderungswürdige Weise mit dem Schwanze und jagen, in eine Staubwolke gehüllt, über die Ebene.
Andere Reisende nennen das Gnu ein Bild unbegrenzter Freiheit und schreiben ihm Stärke und Muth im hohen Grade zu. Die Hottentotten und Kaffern erzählen eine Unmasse von Fabeln, und selbst die Jäger lassen sich, wahrscheinlich durch die abenteuerliche Gestalt des Thieres bestochen, ver- leiten, die sonderbarsten Dinge von ihm zu erzählen. Soviel ist sicher, daß unser Gnu in seinem Betragen ebensoviel Räthselhaftes hat, wie in seiner Gestalt. Die Bewegungen sind eigenthümlich. Das Gnu ist ein entschiedener Paßgänger und greift selbst im Galopp noch häufig mit beiden Füßen nach ein und derselben Seite aus. Alle seine Bewegungen sind rasch, muthwillig, wild und feurig. Dabei zeigt es eine Neck- und Spiellust, wie kein anderer Wiederkäuer. Wenn es ernste Kämpfe gilt, beweisen die Böcke denselben Muth, wie die der Ziegen. Jhre Stimme ähnelt dem Rinder- gebrüll. Junge Thiere blöcken eigenthümlich durch die Nase: die holländischen Ansiedler übersetzen ihr Geschrei mit den Worten: "Noeja Goedo Avond" oder "Jungfrau, guten Abend!" und behaup- ten, oft vom Gnu getäuscht worden zu sein, so deutlich habe es in ihrer Sprache sie angeredet.
Alle Sinne sind vortrefflich, zumal Gesicht, Geruch und Gehör. Die geistigen Fähigkeiten da- gegen scheinen gering zu sein. Die Spiele haben mehr etwas Verrücktes und Tolles, als etwas Vor- herbedachtes an sich. Jn der Gefangenschaft zeigt sich das Gnu immer unbändig und wild, un- empfänglich gegen Schmeicheleien und gegen die Zähmung, aber auch ziemlich gleichgiltig gegen den Verlust der Freiheit. Es kommt wohl an die Gitter seines Behälters heran, wenn man ihm Etwas vorwirft, beweist sich aber keineswegs dankbar und geht ohne Wahl von einem Zuschauer zum an- deren. Jch sah das Gnu lebend im Thiergarten von Antwerpen und kann eben nur sagen, daß das ganze Geschöpf einen abenteuerlichen Eindruck macht. Seine Haltung im ruhigen Zustande ist ganz die der Rinder; der Paßgang unterscheidet es aber sofort von diesen. Dabei bewegt das Gnu den Hinterfuß immer etwas eher, als den vorderen. Jn Trab ist es nur schwer zu bringen, und wenn man ihm Gewalt anthun will, geräth es wohl in Zorn, ist aber nicht zu vermögen, große Sätze zu machen.
Ueber die Fortpflanzung im wilden Zustande fehlen zur Zeit noch immer Beobachtungen. Man weiß nicht einmal, ob es blos eins oder ob es zwei Junge wirft.
Die Jagd hat ihre großen Schwierigkeiten wegen der unglaublichen Schnelligkeit und Ausdauer des Thieres. Es wird behauptet, daß dieses sich wüthend auf den Jäger losstürze und ihn durch Stoßen und Schlagen mit den Vorderläufen zu tödten versuche, falls es zweifelt, in der Flucht Rettung zu finden. Verwundet, sollen sich manche, um ihren Qualen ein Ende zu machen, in Abgründe oder in das Wasser stürzen. Die Hottentotten gebrauchen vergiftete Pfeile, um es zu erlegen, die Kaffern lauern ihm hinter Büschen auf und schleudern ihm die Lanze oder den sichern Pfeil durch das Herz. Gejagte Gnus zeigen eine auffallende Aehnlichkeit mit verfolgten wilden Rin- dern. Jhr Benehmen, wenn sie aufgestört werden, die Art und Weise, wie sie den Kopf aufwerfen, wie sie sich niederducken, wie sie ausschlagen, bevor sie fliehen, Alles erinnert lebhaft an diese Wiederkäuer. Wie die Rinder, haben auch sie die eigenthümliche Gewohnheit, vor dem Rückzuge
Die Antilopen. — Das Gnu.
den Antilopen die Jäger. Während dieſe auf ſie zureiten, um dieſe oder jene zu erlegen, umkreiſen ſie rechts und links die anderen und ſtellen ſich auf dem Platze auf, über welchen die Jäger wenige Minuten vorher hinwegritten. Einzeln und in kleinen Trupps von 4 bis 5 Stück ſieht man zuweilen die alten Wildebeeſtböcke in Zwiſchenräumen auf der Ebene einen ganzen Vormittag regungslos ſtehen und mit ſtarren Blicken die Bewegungen des anderen Wildes betrachten, wobei ſie fortwährend ein lautes, ſchnaubendes Geräuſch und einen eigenthümlichen kurzen, ſcharfen Hauch von ſich geben. So- bald ſich ein Jäger ihnen naht, beginnen ſie ihre weißen Schwänze hin und her zu ſchleudern, ſpringen dann hoch auf, bäumen ſich und folgen einander in gewaltigen Sätzen mit der größten Schnelligkeit. Plötzlich machen ſie wieder Halt, und zuweilen beginnen zwei dieſer Stiere einen furchtbaren Kampf. Mit vieler Kraft gegen einander rennend, ſtürzen ſie auf die Knie nieder, ſpringen plötzlich wieder auf, rennen im Kreiſe umher, wedeln auf höchſt bewunderungswürdige Weiſe mit dem Schwanze und jagen, in eine Staubwolke gehüllt, über die Ebene.
Andere Reiſende nennen das Gnu ein Bild unbegrenzter Freiheit und ſchreiben ihm Stärke und Muth im hohen Grade zu. Die Hottentotten und Kaffern erzählen eine Unmaſſe von Fabeln, und ſelbſt die Jäger laſſen ſich, wahrſcheinlich durch die abenteuerliche Geſtalt des Thieres beſtochen, ver- leiten, die ſonderbarſten Dinge von ihm zu erzählen. Soviel iſt ſicher, daß unſer Gnu in ſeinem Betragen ebenſoviel Räthſelhaftes hat, wie in ſeiner Geſtalt. Die Bewegungen ſind eigenthümlich. Das Gnu iſt ein entſchiedener Paßgänger und greift ſelbſt im Galopp noch häufig mit beiden Füßen nach ein und derſelben Seite aus. Alle ſeine Bewegungen ſind raſch, muthwillig, wild und feurig. Dabei zeigt es eine Neck- und Spielluſt, wie kein anderer Wiederkäuer. Wenn es ernſte Kämpfe gilt, beweiſen die Böcke denſelben Muth, wie die der Ziegen. Jhre Stimme ähnelt dem Rinder- gebrüll. Junge Thiere blöcken eigenthümlich durch die Naſe: die holländiſchen Anſiedler überſetzen ihr Geſchrei mit den Worten: „Noeja Goedo Avond‟ oder „Jungfrau, guten Abend!‟ und behaup- ten, oft vom Gnu getäuſcht worden zu ſein, ſo deutlich habe es in ihrer Sprache ſie angeredet.
Alle Sinne ſind vortrefflich, zumal Geſicht, Geruch und Gehör. Die geiſtigen Fähigkeiten da- gegen ſcheinen gering zu ſein. Die Spiele haben mehr etwas Verrücktes und Tolles, als etwas Vor- herbedachtes an ſich. Jn der Gefangenſchaft zeigt ſich das Gnu immer unbändig und wild, un- empfänglich gegen Schmeicheleien und gegen die Zähmung, aber auch ziemlich gleichgiltig gegen den Verluſt der Freiheit. Es kommt wohl an die Gitter ſeines Behälters heran, wenn man ihm Etwas vorwirft, beweiſt ſich aber keineswegs dankbar und geht ohne Wahl von einem Zuſchauer zum an- deren. Jch ſah das Gnu lebend im Thiergarten von Antwerpen und kann eben nur ſagen, daß das ganze Geſchöpf einen abenteuerlichen Eindruck macht. Seine Haltung im ruhigen Zuſtande iſt ganz die der Rinder; der Paßgang unterſcheidet es aber ſofort von dieſen. Dabei bewegt das Gnu den Hinterfuß immer etwas eher, als den vorderen. Jn Trab iſt es nur ſchwer zu bringen, und wenn man ihm Gewalt anthun will, geräth es wohl in Zorn, iſt aber nicht zu vermögen, große Sätze zu machen.
Ueber die Fortpflanzung im wilden Zuſtande fehlen zur Zeit noch immer Beobachtungen. Man weiß nicht einmal, ob es blos eins oder ob es zwei Junge wirft.
Die Jagd hat ihre großen Schwierigkeiten wegen der unglaublichen Schnelligkeit und Ausdauer des Thieres. Es wird behauptet, daß dieſes ſich wüthend auf den Jäger losſtürze und ihn durch Stoßen und Schlagen mit den Vorderläufen zu tödten verſuche, falls es zweifelt, in der Flucht Rettung zu finden. Verwundet, ſollen ſich manche, um ihren Qualen ein Ende zu machen, in Abgründe oder in das Waſſer ſtürzen. Die Hottentotten gebrauchen vergiftete Pfeile, um es zu erlegen, die Kaffern lauern ihm hinter Büſchen auf und ſchleudern ihm die Lanze oder den ſichern Pfeil durch das Herz. Gejagte Gnus zeigen eine auffallende Aehnlichkeit mit verfolgten wilden Rin- dern. Jhr Benehmen, wenn ſie aufgeſtört werden, die Art und Weiſe, wie ſie den Kopf aufwerfen, wie ſie ſich niederducken, wie ſie ausſchlagen, bevor ſie fliehen, Alles erinnert lebhaft an dieſe Wiederkäuer. Wie die Rinder, haben auch ſie die eigenthümliche Gewohnheit, vor dem Rückzuge
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[564/0594]
Die Antilopen. — Das Gnu.
den Antilopen die Jäger. Während dieſe auf ſie zureiten, um dieſe oder jene zu erlegen, umkreiſen
ſie rechts und links die anderen und ſtellen ſich auf dem Platze auf, über welchen die Jäger wenige
Minuten vorher hinwegritten. Einzeln und in kleinen Trupps von 4 bis 5 Stück ſieht man zuweilen
die alten Wildebeeſtböcke in Zwiſchenräumen auf der Ebene einen ganzen Vormittag regungslos ſtehen
und mit ſtarren Blicken die Bewegungen des anderen Wildes betrachten, wobei ſie fortwährend ein
lautes, ſchnaubendes Geräuſch und einen eigenthümlichen kurzen, ſcharfen Hauch von ſich geben. So-
bald ſich ein Jäger ihnen naht, beginnen ſie ihre weißen Schwänze hin und her zu ſchleudern, ſpringen
dann hoch auf, bäumen ſich und folgen einander in gewaltigen Sätzen mit der größten Schnelligkeit.
Plötzlich machen ſie wieder Halt, und zuweilen beginnen zwei dieſer Stiere einen furchtbaren Kampf.
Mit vieler Kraft gegen einander rennend, ſtürzen ſie auf die Knie nieder, ſpringen plötzlich wieder
auf, rennen im Kreiſe umher, wedeln auf höchſt bewunderungswürdige Weiſe mit dem Schwanze
und jagen, in eine Staubwolke gehüllt, über die Ebene.
Andere Reiſende nennen das Gnu ein Bild unbegrenzter Freiheit und ſchreiben ihm Stärke und
Muth im hohen Grade zu. Die Hottentotten und Kaffern erzählen eine Unmaſſe von Fabeln, und
ſelbſt die Jäger laſſen ſich, wahrſcheinlich durch die abenteuerliche Geſtalt des Thieres beſtochen, ver-
leiten, die ſonderbarſten Dinge von ihm zu erzählen. Soviel iſt ſicher, daß unſer Gnu in ſeinem
Betragen ebenſoviel Räthſelhaftes hat, wie in ſeiner Geſtalt. Die Bewegungen ſind eigenthümlich.
Das Gnu iſt ein entſchiedener Paßgänger und greift ſelbſt im Galopp noch häufig mit beiden Füßen
nach ein und derſelben Seite aus. Alle ſeine Bewegungen ſind raſch, muthwillig, wild und feurig.
Dabei zeigt es eine Neck- und Spielluſt, wie kein anderer Wiederkäuer. Wenn es ernſte Kämpfe
gilt, beweiſen die Böcke denſelben Muth, wie die der Ziegen. Jhre Stimme ähnelt dem Rinder-
gebrüll. Junge Thiere blöcken eigenthümlich durch die Naſe: die holländiſchen Anſiedler überſetzen
ihr Geſchrei mit den Worten: „Noeja Goedo Avond‟ oder „Jungfrau, guten Abend!‟ und behaup-
ten, oft vom Gnu getäuſcht worden zu ſein, ſo deutlich habe es in ihrer Sprache ſie angeredet.
Alle Sinne ſind vortrefflich, zumal Geſicht, Geruch und Gehör. Die geiſtigen Fähigkeiten da-
gegen ſcheinen gering zu ſein. Die Spiele haben mehr etwas Verrücktes und Tolles, als etwas Vor-
herbedachtes an ſich. Jn der Gefangenſchaft zeigt ſich das Gnu immer unbändig und wild, un-
empfänglich gegen Schmeicheleien und gegen die Zähmung, aber auch ziemlich gleichgiltig gegen den
Verluſt der Freiheit. Es kommt wohl an die Gitter ſeines Behälters heran, wenn man ihm Etwas
vorwirft, beweiſt ſich aber keineswegs dankbar und geht ohne Wahl von einem Zuſchauer zum an-
deren. Jch ſah das Gnu lebend im Thiergarten von Antwerpen und kann eben nur ſagen, daß das
ganze Geſchöpf einen abenteuerlichen Eindruck macht. Seine Haltung im ruhigen Zuſtande iſt ganz
die der Rinder; der Paßgang unterſcheidet es aber ſofort von dieſen. Dabei bewegt das Gnu den
Hinterfuß immer etwas eher, als den vorderen. Jn Trab iſt es nur ſchwer zu bringen, und wenn
man ihm Gewalt anthun will, geräth es wohl in Zorn, iſt aber nicht zu vermögen, große Sätze
zu machen.
Ueber die Fortpflanzung im wilden Zuſtande fehlen zur Zeit noch immer Beobachtungen. Man
weiß nicht einmal, ob es blos eins oder ob es zwei Junge wirft.
Die Jagd hat ihre großen Schwierigkeiten wegen der unglaublichen Schnelligkeit und Ausdauer
des Thieres. Es wird behauptet, daß dieſes ſich wüthend auf den Jäger losſtürze und ihn durch
Stoßen und Schlagen mit den Vorderläufen zu tödten verſuche, falls es zweifelt, in der Flucht
Rettung zu finden. Verwundet, ſollen ſich manche, um ihren Qualen ein Ende zu machen, in
Abgründe oder in das Waſſer ſtürzen. Die Hottentotten gebrauchen vergiftete Pfeile, um es zu
erlegen, die Kaffern lauern ihm hinter Büſchen auf und ſchleudern ihm die Lanze oder den ſichern
Pfeil durch das Herz. Gejagte Gnus zeigen eine auffallende Aehnlichkeit mit verfolgten wilden Rin-
dern. Jhr Benehmen, wenn ſie aufgeſtört werden, die Art und Weiſe, wie ſie den Kopf aufwerfen,
wie ſie ſich niederducken, wie ſie ausſchlagen, bevor ſie fliehen, Alles erinnert lebhaft an dieſe
Wiederkäuer. Wie die Rinder, haben auch ſie die eigenthümliche Gewohnheit, vor dem Rückzuge
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/594>, abgerufen am 23.11.2024.
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