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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhasen.
schließen und der angeschwollene Theil der Saugwarzen wiederum den Mund. So viel man bis jetzt
weiß, saugt das junge Känguru gar nicht, sondern wird ohne eigene Anstrengung mit Milch ver-
sorgt, indem ihm diese aus den Zitzen geradezu in den Hals spritzt. Fast acht Monate lang ernährt
sich das junge Thier von der Muttermilch im Beutel; doch schon etwas eher streckt es ab und zu ein-
mal den Kopf hervor, ist aber auch dann noch immer nicht im Stande, selbständig sich zu bewegen.
Owen beobachtete am sehr jungen Riesenkänguru, daß es eifrig, aber langsam athmete und die
Vorderfüße nur bewegte, wenn sie berührt wurden. Vier Tage nach der Geburt ließ der gedachte
Naturforscher das Junge von der Zitze entfernen, um zu bestimmen, wieweit es mit der Mutter
zusammenhänge, um die Milch kennen zu lernen und um zu sehen, ob ein so unvollkommenes
Thier eigene Kraft entwickelt, wenn es sich darum handelt, die verlorene Zitze wieder zu erlangen,
oder ob es von der Alten wiederum an die Zitze angeheftet werden müsse. Das Ergebniß war Fol-
gendes. Als die Frucht abgenommen worden war, erschien ein Tropfen weißlicher Flüssigkeit vorn
an der Zitze. Das Junge bewegte die Glieder heftig, nachdem es entfernt war, machte aber keine
ersichtliche Anstrengung, um seine Füße an die Haut der Mutter zu heften oder um fortzukriechen,
sondern zeigte sich vollkommen hilflos. Es wurde nun auf den Grund der Tasche gelegt und die
Mutter freigegeben. Sie zeigte großes Mißbehagen, bückte sich, kratzte an den Außenwänden des
Beutels, öffnete denselben mit den Pfoten, steckte den Kopf hinein und bewegte ihn darin nach
verschiedenen Richtungen mit Leichtigkeit. Hieraus folgerte Owen, daß die Mutter ihr Junges
nach der Geburt mit dem Munde wegnimmt und solange an der Zitze am Beutel hält, bis es fühlt,
daß das Junge angesogen ist. Doch muß bemerkt werden, daß das künstlich entfernte Junge starb,
weil weder die Mutter es wieder ansetzte, noch ein Wärter Dies zu thun vermochte.

Jnzwischen ist aber bekannt geworden, daß sich ein junges Känguru, welches gewaltsam von
der Zitze abgerissen wurde oder zufällig abfiel, nach längerer Zwischenzeit wieder ansaugte. Leisler
erzählt, daß er ein etwas mehr entwickeltes Känguru, welches beinahe kalt schon auf der Streu ge-
funden wurde, an die Zitze ansetzte, und daß es weiter wuchs. Das Gleiche geschah bei späteren
Versuchen Owen's. Geoffroy St. Hilaire hat auch einen Muskel nachgewiesen, welcher über
dem Euter liegt und dem noch kraftlosen Jungen die Milch in den Mund preßt oder wenigstens pressen
kann; denn eigentlich fehlt die Bestätigung dieser Angabe. Aus den übrigen und neuesten Beobach-
tungen geht hervor, daß das Känguru, wenn es einmal eine gewisse Größe erreicht hat, sehr schnell
wächst, namentlich von der Zeit an, wo es Haare bekommt. Es ist dann im Stande, seine langen
Ohren, welche bis dahin schlaff am Köpfchen herabhingen, aufzurichten. Von nun an zeigt es sich
sehr häufig, wenn die Mutter ruhig dasitzt. Der ganze Kopf wird vorgestreckt und die hellen Augen
blicken lebhaft um sich, ja, die Aermchen stöbern auch schon im Heu herum und das Thierchen
beginnt bereits zu fressen. Die Alte zeigt sich noch äußerst vorsorglich gegen das Junge, jedoch nicht
mehr so ängstlich, als früher. Anfangs gestattet sie nur mit dem größten Widerstreben irgendwelche
Versuche, das Junge im Beutel zu sehen oder zu berühren. Selbst gegen das Männchen, welches
eine lebhafte Neugierde an den Tag legt und sich beständig herbeidrängt, um seinen Sprößling zu
sehen, benimmt sie sich nicht anders, als gegen den Menschen. Sie beantwortet Zudringlichkeiten
dadurch, daß sie sich abwendet, weist fortgesetzte Versuche durch ein ärgerliches, heiseres Knurren zu-
rück und versucht wohl auch, sich durch Schlagen derselben zu entwehren. Von dem Augenblicke an,
wo das Junge den Kopf zum Beutel herausstreckt, sucht sie es weniger zu verbergen. Das Kleine
ist auch selbst äußerst furchtsam und zieht sich bei der geringsten Störung in den Beutel zurück. Hier
sitzt es übrigens keineswegs immer aufrecht, sondern nimmt alle möglichen Lagen an. Man sieht es
mit dem Kopfe herausschauen und gar nicht selten neben diesem die beiden Hinterbeine und den
Schwanz hervorstrecken, bemerkt aber auch diese Glieder allein, ohne vom Kopf Etwas zu sehen.
Sehr hübsch sieht es aus, wenn die Mutter, welche weiter zu hüpfen wünscht, das aus dem Beutel
herausschauende Junge zurücktreibt. Sie gibt dem kleinen Dinge, wenn es nicht ohne weiteres ge-
horcht, einen gelinden Schlag mit den Händen. Geraume Zeit nach dem ersten Ausschauen verläßt

Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhaſen.
ſchließen und der angeſchwollene Theil der Saugwarzen wiederum den Mund. So viel man bis jetzt
weiß, ſaugt das junge Känguru gar nicht, ſondern wird ohne eigene Anſtrengung mit Milch ver-
ſorgt, indem ihm dieſe aus den Zitzen geradezu in den Hals ſpritzt. Faſt acht Monate lang ernährt
ſich das junge Thier von der Muttermilch im Beutel; doch ſchon etwas eher ſtreckt es ab und zu ein-
mal den Kopf hervor, iſt aber auch dann noch immer nicht im Stande, ſelbſtändig ſich zu bewegen.
Owen beobachtete am ſehr jungen Rieſenkänguru, daß es eifrig, aber langſam athmete und die
Vorderfüße nur bewegte, wenn ſie berührt wurden. Vier Tage nach der Geburt ließ der gedachte
Naturforſcher das Junge von der Zitze entfernen, um zu beſtimmen, wieweit es mit der Mutter
zuſammenhänge, um die Milch kennen zu lernen und um zu ſehen, ob ein ſo unvollkommenes
Thier eigene Kraft entwickelt, wenn es ſich darum handelt, die verlorene Zitze wieder zu erlangen,
oder ob es von der Alten wiederum an die Zitze angeheftet werden müſſe. Das Ergebniß war Fol-
gendes. Als die Frucht abgenommen worden war, erſchien ein Tropfen weißlicher Flüſſigkeit vorn
an der Zitze. Das Junge bewegte die Glieder heftig, nachdem es entfernt war, machte aber keine
erſichtliche Anſtrengung, um ſeine Füße an die Haut der Mutter zu heften oder um fortzukriechen,
ſondern zeigte ſich vollkommen hilflos. Es wurde nun auf den Grund der Taſche gelegt und die
Mutter freigegeben. Sie zeigte großes Mißbehagen, bückte ſich, kratzte an den Außenwänden des
Beutels, öffnete denſelben mit den Pfoten, ſteckte den Kopf hinein und bewegte ihn darin nach
verſchiedenen Richtungen mit Leichtigkeit. Hieraus folgerte Owen, daß die Mutter ihr Junges
nach der Geburt mit dem Munde wegnimmt und ſolange an der Zitze am Beutel hält, bis es fühlt,
daß das Junge angeſogen iſt. Doch muß bemerkt werden, daß das künſtlich entfernte Junge ſtarb,
weil weder die Mutter es wieder anſetzte, noch ein Wärter Dies zu thun vermochte.

Jnzwiſchen iſt aber bekannt geworden, daß ſich ein junges Känguru, welches gewaltſam von
der Zitze abgeriſſen wurde oder zufällig abfiel, nach längerer Zwiſchenzeit wieder anſaugte. Leisler
erzählt, daß er ein etwas mehr entwickeltes Känguru, welches beinahe kalt ſchon auf der Streu ge-
funden wurde, an die Zitze anſetzte, und daß es weiter wuchs. Das Gleiche geſchah bei ſpäteren
Verſuchen Owen’s. Geoffroy St. Hilaire hat auch einen Muskel nachgewieſen, welcher über
dem Euter liegt und dem noch kraftloſen Jungen die Milch in den Mund preßt oder wenigſtens preſſen
kann; denn eigentlich fehlt die Beſtätigung dieſer Angabe. Aus den übrigen und neueſten Beobach-
tungen geht hervor, daß das Känguru, wenn es einmal eine gewiſſe Größe erreicht hat, ſehr ſchnell
wächſt, namentlich von der Zeit an, wo es Haare bekommt. Es iſt dann im Stande, ſeine langen
Ohren, welche bis dahin ſchlaff am Köpfchen herabhingen, aufzurichten. Von nun an zeigt es ſich
ſehr häufig, wenn die Mutter ruhig daſitzt. Der ganze Kopf wird vorgeſtreckt und die hellen Augen
blicken lebhaft um ſich, ja, die Aermchen ſtöbern auch ſchon im Heu herum und das Thierchen
beginnt bereits zu freſſen. Die Alte zeigt ſich noch äußerſt vorſorglich gegen das Junge, jedoch nicht
mehr ſo ängſtlich, als früher. Anfangs geſtattet ſie nur mit dem größten Widerſtreben irgendwelche
Verſuche, das Junge im Beutel zu ſehen oder zu berühren. Selbſt gegen das Männchen, welches
eine lebhafte Neugierde an den Tag legt und ſich beſtändig herbeidrängt, um ſeinen Sprößling zu
ſehen, benimmt ſie ſich nicht anders, als gegen den Menſchen. Sie beantwortet Zudringlichkeiten
dadurch, daß ſie ſich abwendet, weiſt fortgeſetzte Verſuche durch ein ärgerliches, heiſeres Knurren zu-
rück und verſucht wohl auch, ſich durch Schlagen derſelben zu entwehren. Von dem Augenblicke an,
wo das Junge den Kopf zum Beutel herausſtreckt, ſucht ſie es weniger zu verbergen. Das Kleine
iſt auch ſelbſt äußerſt furchtſam und zieht ſich bei der geringſten Störung in den Beutel zurück. Hier
ſitzt es übrigens keineswegs immer aufrecht, ſondern nimmt alle möglichen Lagen an. Man ſieht es
mit dem Kopfe herausſchauen und gar nicht ſelten neben dieſem die beiden Hinterbeine und den
Schwanz hervorſtrecken, bemerkt aber auch dieſe Glieder allein, ohne vom Kopf Etwas zu ſehen.
Sehr hübſch ſieht es aus, wenn die Mutter, welche weiter zu hüpfen wünſcht, das aus dem Beutel
herausſchauende Junge zurücktreibt. Sie gibt dem kleinen Dinge, wenn es nicht ohne weiteres ge-
horcht, einen gelinden Schlag mit den Händen. Geraume Zeit nach dem erſten Ausſchauen verläßt

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[46/0058] Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhaſen. ſchließen und der angeſchwollene Theil der Saugwarzen wiederum den Mund. So viel man bis jetzt weiß, ſaugt das junge Känguru gar nicht, ſondern wird ohne eigene Anſtrengung mit Milch ver- ſorgt, indem ihm dieſe aus den Zitzen geradezu in den Hals ſpritzt. Faſt acht Monate lang ernährt ſich das junge Thier von der Muttermilch im Beutel; doch ſchon etwas eher ſtreckt es ab und zu ein- mal den Kopf hervor, iſt aber auch dann noch immer nicht im Stande, ſelbſtändig ſich zu bewegen. Owen beobachtete am ſehr jungen Rieſenkänguru, daß es eifrig, aber langſam athmete und die Vorderfüße nur bewegte, wenn ſie berührt wurden. Vier Tage nach der Geburt ließ der gedachte Naturforſcher das Junge von der Zitze entfernen, um zu beſtimmen, wieweit es mit der Mutter zuſammenhänge, um die Milch kennen zu lernen und um zu ſehen, ob ein ſo unvollkommenes Thier eigene Kraft entwickelt, wenn es ſich darum handelt, die verlorene Zitze wieder zu erlangen, oder ob es von der Alten wiederum an die Zitze angeheftet werden müſſe. Das Ergebniß war Fol- gendes. Als die Frucht abgenommen worden war, erſchien ein Tropfen weißlicher Flüſſigkeit vorn an der Zitze. Das Junge bewegte die Glieder heftig, nachdem es entfernt war, machte aber keine erſichtliche Anſtrengung, um ſeine Füße an die Haut der Mutter zu heften oder um fortzukriechen, ſondern zeigte ſich vollkommen hilflos. Es wurde nun auf den Grund der Taſche gelegt und die Mutter freigegeben. Sie zeigte großes Mißbehagen, bückte ſich, kratzte an den Außenwänden des Beutels, öffnete denſelben mit den Pfoten, ſteckte den Kopf hinein und bewegte ihn darin nach verſchiedenen Richtungen mit Leichtigkeit. Hieraus folgerte Owen, daß die Mutter ihr Junges nach der Geburt mit dem Munde wegnimmt und ſolange an der Zitze am Beutel hält, bis es fühlt, daß das Junge angeſogen iſt. Doch muß bemerkt werden, daß das künſtlich entfernte Junge ſtarb, weil weder die Mutter es wieder anſetzte, noch ein Wärter Dies zu thun vermochte. Jnzwiſchen iſt aber bekannt geworden, daß ſich ein junges Känguru, welches gewaltſam von der Zitze abgeriſſen wurde oder zufällig abfiel, nach längerer Zwiſchenzeit wieder anſaugte. Leisler erzählt, daß er ein etwas mehr entwickeltes Känguru, welches beinahe kalt ſchon auf der Streu ge- funden wurde, an die Zitze anſetzte, und daß es weiter wuchs. Das Gleiche geſchah bei ſpäteren Verſuchen Owen’s. Geoffroy St. Hilaire hat auch einen Muskel nachgewieſen, welcher über dem Euter liegt und dem noch kraftloſen Jungen die Milch in den Mund preßt oder wenigſtens preſſen kann; denn eigentlich fehlt die Beſtätigung dieſer Angabe. Aus den übrigen und neueſten Beobach- tungen geht hervor, daß das Känguru, wenn es einmal eine gewiſſe Größe erreicht hat, ſehr ſchnell wächſt, namentlich von der Zeit an, wo es Haare bekommt. Es iſt dann im Stande, ſeine langen Ohren, welche bis dahin ſchlaff am Köpfchen herabhingen, aufzurichten. Von nun an zeigt es ſich ſehr häufig, wenn die Mutter ruhig daſitzt. Der ganze Kopf wird vorgeſtreckt und die hellen Augen blicken lebhaft um ſich, ja, die Aermchen ſtöbern auch ſchon im Heu herum und das Thierchen beginnt bereits zu freſſen. Die Alte zeigt ſich noch äußerſt vorſorglich gegen das Junge, jedoch nicht mehr ſo ängſtlich, als früher. Anfangs geſtattet ſie nur mit dem größten Widerſtreben irgendwelche Verſuche, das Junge im Beutel zu ſehen oder zu berühren. Selbſt gegen das Männchen, welches eine lebhafte Neugierde an den Tag legt und ſich beſtändig herbeidrängt, um ſeinen Sprößling zu ſehen, benimmt ſie ſich nicht anders, als gegen den Menſchen. Sie beantwortet Zudringlichkeiten dadurch, daß ſie ſich abwendet, weiſt fortgeſetzte Verſuche durch ein ärgerliches, heiſeres Knurren zu- rück und verſucht wohl auch, ſich durch Schlagen derſelben zu entwehren. Von dem Augenblicke an, wo das Junge den Kopf zum Beutel herausſtreckt, ſucht ſie es weniger zu verbergen. Das Kleine iſt auch ſelbſt äußerſt furchtſam und zieht ſich bei der geringſten Störung in den Beutel zurück. Hier ſitzt es übrigens keineswegs immer aufrecht, ſondern nimmt alle möglichen Lagen an. Man ſieht es mit dem Kopfe herausſchauen und gar nicht ſelten neben dieſem die beiden Hinterbeine und den Schwanz hervorſtrecken, bemerkt aber auch dieſe Glieder allein, ohne vom Kopf Etwas zu ſehen. Sehr hübſch ſieht es aus, wenn die Mutter, welche weiter zu hüpfen wünſcht, das aus dem Beutel herausſchauende Junge zurücktreibt. Sie gibt dem kleinen Dinge, wenn es nicht ohne weiteres ge- horcht, einen gelinden Schlag mit den Händen. Geraume Zeit nach dem erſten Ausſchauen verläßt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/58>, abgerufen am 23.11.2024.