beobachtet während des Schwebens genau die Gegend, aus welcher sein Verfolger herbeikommt, schlägt plötzlich einen Haken und kommt dem bösen Feinde oft genug aus dem Gesicht. Beim Herab- springen fällt das Thier immer zuerst mit den Hinterläufen auf den Boden."
"Der überraschte und zur Flucht aufgeschreckte Bleichbock eilt in den ersten Minuten seines Laufes in ähnlicher Weise auf dem Boden dahin, in welcher eine aufstehende Schnepfe durch die Luft fliegt. Jm Zickzack wendet er sich von einer Seite zur anderen, durchkriecht oder überspringt er mit Blitzesschnelle die Gräser, und gewöhnlich ist er bereits hundert Ellen weit hinweg, ehe der Jäger nur sein Gewehr zurecht legen kann."
"Gute Schützen erlegen diese Antilopen mit Rehposten oder feuern, noch ehe sie sich von ihrem La- ger erhoben. Jn den ersten Tagen verfuhr ich ebenso, zuletzt aber fand ich, daß es besser und jagd- gerechter ist, die Kugel anstatt der Schrote zu verwenden. Dort, wo das Gras über sechs Fuß hoch
[Abbildung]
Der Bleichbock (Scopophorus Urebi oder Antilope scoparia).
war, mußte ich jedoch, um das Thierchen nur zu sehen, zu Pferde jagen; allein dieser Jagd gerade verdanke ich, daß ich mein Wild genau beobachten konnte."
"Hat man den Bleichbock mit der Kugel verwundet, so darf man seiner Beute sicher sein; denn das zarte Geschöpf verträgt bei weitem keinen so starken Schuß, wie der Ducker oder Riedbock. Freilich setze ich bei dieser Angabe voraus, daß der Jäger dem nach dem Schuß eiligst dahinstürzenden Wild mit Aufmerksamkeit folgt. Der Bleichbock versucht es gewöhnlich, wenn er sich schwer verwun- det fühlt, in dem langen Gras so gut als möglich sich zu verstecken. Er kriecht hier leise weiter bis zu einem Busche, einem großen Stein, einem Ameisenhügel, duckt sich dort und sieht dem Verenden entgegen. Beim Nachgehen findet man ihn meistens an solchen Stellen liegen. Uebersieht man aber den noch nicht Verendeten, so springt er auf und flieht mit möglichster Schnelle weiter. Jm Anfang entkamen mir viele; als ich aber mit meinem Wilde vertrauter geworden war, faßte ich es scharf ins Auge und ritt nun um das Lager herum, mehr und mehr mich nähernd, bis ich noch einen sicheren Schuß anbringen konnte."
Der Bleichbock.
beobachtet während des Schwebens genau die Gegend, aus welcher ſein Verfolger herbeikommt, ſchlägt plötzlich einen Haken und kommt dem böſen Feinde oft genug aus dem Geſicht. Beim Herab- ſpringen fällt das Thier immer zuerſt mit den Hinterläufen auf den Boden.‟
„Der überraſchte und zur Flucht aufgeſchreckte Bleichbock eilt in den erſten Minuten ſeines Laufes in ähnlicher Weiſe auf dem Boden dahin, in welcher eine aufſtehende Schnepfe durch die Luft fliegt. Jm Zickzack wendet er ſich von einer Seite zur anderen, durchkriecht oder überſpringt er mit Blitzesſchnelle die Gräſer, und gewöhnlich iſt er bereits hundert Ellen weit hinweg, ehe der Jäger nur ſein Gewehr zurecht legen kann.‟
„Gute Schützen erlegen dieſe Antilopen mit Rehpoſten oder feuern, noch ehe ſie ſich von ihrem La- ger erhoben. Jn den erſten Tagen verfuhr ich ebenſo, zuletzt aber fand ich, daß es beſſer und jagd- gerechter iſt, die Kugel anſtatt der Schrote zu verwenden. Dort, wo das Gras über ſechs Fuß hoch
[Abbildung]
Der Bleichbock (Scopophorus Urebi oder Antilope scoparia).
war, mußte ich jedoch, um das Thierchen nur zu ſehen, zu Pferde jagen; allein dieſer Jagd gerade verdanke ich, daß ich mein Wild genau beobachten konnte.‟
„Hat man den Bleichbock mit der Kugel verwundet, ſo darf man ſeiner Beute ſicher ſein; denn das zarte Geſchöpf verträgt bei weitem keinen ſo ſtarken Schuß, wie der Ducker oder Riedbock. Freilich ſetze ich bei dieſer Angabe voraus, daß der Jäger dem nach dem Schuß eiligſt dahinſtürzenden Wild mit Aufmerkſamkeit folgt. Der Bleichbock verſucht es gewöhnlich, wenn er ſich ſchwer verwun- det fühlt, in dem langen Gras ſo gut als möglich ſich zu verſtecken. Er kriecht hier leiſe weiter bis zu einem Buſche, einem großen Stein, einem Ameiſenhügel, duckt ſich dort und ſieht dem Verenden entgegen. Beim Nachgehen findet man ihn meiſtens an ſolchen Stellen liegen. Ueberſieht man aber den noch nicht Verendeten, ſo ſpringt er auf und flieht mit möglichſter Schnelle weiter. Jm Anfang entkamen mir viele; als ich aber mit meinem Wilde vertrauter geworden war, faßte ich es ſcharf ins Auge und ritt nun um das Lager herum, mehr und mehr mich nähernd, bis ich noch einen ſicheren Schuß anbringen konnte.‟
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0551"n="521"/><fwplace="top"type="header">Der Bleichbock.</fw><lb/>
beobachtet während des Schwebens genau die Gegend, aus welcher ſein Verfolger herbeikommt,<lb/>ſchlägt plötzlich einen Haken und kommt dem böſen Feinde oft genug aus dem Geſicht. Beim Herab-<lb/>ſpringen fällt das Thier immer zuerſt mit den Hinterläufen auf den Boden.‟</p><lb/><p>„Der überraſchte und zur Flucht aufgeſchreckte Bleichbock eilt in den erſten Minuten ſeines<lb/>
Laufes in ähnlicher Weiſe auf dem Boden dahin, in welcher eine aufſtehende <hirendition="#g">Schnepfe</hi> durch die Luft<lb/>
fliegt. Jm Zickzack wendet er ſich von einer Seite zur anderen, durchkriecht oder überſpringt er mit<lb/>
Blitzesſchnelle die Gräſer, und gewöhnlich iſt er bereits hundert Ellen weit hinweg, ehe der Jäger<lb/>
nur ſein Gewehr zurecht legen kann.‟</p><lb/><p>„Gute Schützen erlegen dieſe Antilopen mit Rehpoſten oder feuern, noch ehe ſie ſich von ihrem La-<lb/>
ger erhoben. Jn den erſten Tagen verfuhr ich ebenſo, zuletzt aber fand ich, daß es beſſer und jagd-<lb/>
gerechter iſt, die Kugel anſtatt der Schrote zu verwenden. Dort, wo das Gras über ſechs Fuß hoch<lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Der Bleichbock</hi> (<hirendition="#aq">Scopophorus Urebi</hi> oder <hirendition="#aq">Antilope scoparia</hi>).</hi></head></figure><lb/>
war, mußte ich jedoch, um das Thierchen nur zu ſehen, zu Pferde jagen; allein dieſer Jagd gerade<lb/>
verdanke ich, daß ich mein Wild genau beobachten konnte.‟</p><lb/><p>„Hat man den Bleichbock mit der Kugel verwundet, ſo darf man ſeiner Beute ſicher ſein; denn<lb/>
das zarte Geſchöpf verträgt bei weitem keinen ſo ſtarken Schuß, wie der <hirendition="#g">Ducker</hi> oder <hirendition="#g">Riedbock.</hi><lb/>
Freilich ſetze ich bei dieſer Angabe voraus, daß der Jäger dem nach dem Schuß eiligſt dahinſtürzenden<lb/>
Wild mit Aufmerkſamkeit folgt. Der Bleichbock verſucht es gewöhnlich, wenn er ſich ſchwer verwun-<lb/>
det fühlt, in dem langen Gras ſo gut als möglich ſich zu verſtecken. Er kriecht hier leiſe weiter bis<lb/>
zu einem Buſche, einem großen Stein, einem Ameiſenhügel, duckt ſich dort und ſieht dem Verenden<lb/>
entgegen. Beim Nachgehen findet man ihn meiſtens an ſolchen Stellen liegen. Ueberſieht man aber<lb/>
den noch nicht Verendeten, ſo ſpringt er auf und flieht mit möglichſter Schnelle weiter. Jm Anfang<lb/>
entkamen mir viele; als ich aber mit meinem Wilde vertrauter geworden war, faßte ich es ſcharf ins<lb/>
Auge und ritt nun um das Lager herum, mehr und mehr mich nähernd, bis ich noch einen ſicheren<lb/>
Schuß anbringen konnte.‟</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[521/0551]
Der Bleichbock.
beobachtet während des Schwebens genau die Gegend, aus welcher ſein Verfolger herbeikommt,
ſchlägt plötzlich einen Haken und kommt dem böſen Feinde oft genug aus dem Geſicht. Beim Herab-
ſpringen fällt das Thier immer zuerſt mit den Hinterläufen auf den Boden.‟
„Der überraſchte und zur Flucht aufgeſchreckte Bleichbock eilt in den erſten Minuten ſeines
Laufes in ähnlicher Weiſe auf dem Boden dahin, in welcher eine aufſtehende Schnepfe durch die Luft
fliegt. Jm Zickzack wendet er ſich von einer Seite zur anderen, durchkriecht oder überſpringt er mit
Blitzesſchnelle die Gräſer, und gewöhnlich iſt er bereits hundert Ellen weit hinweg, ehe der Jäger
nur ſein Gewehr zurecht legen kann.‟
„Gute Schützen erlegen dieſe Antilopen mit Rehpoſten oder feuern, noch ehe ſie ſich von ihrem La-
ger erhoben. Jn den erſten Tagen verfuhr ich ebenſo, zuletzt aber fand ich, daß es beſſer und jagd-
gerechter iſt, die Kugel anſtatt der Schrote zu verwenden. Dort, wo das Gras über ſechs Fuß hoch
[Abbildung Der Bleichbock (Scopophorus Urebi oder Antilope scoparia).]
war, mußte ich jedoch, um das Thierchen nur zu ſehen, zu Pferde jagen; allein dieſer Jagd gerade
verdanke ich, daß ich mein Wild genau beobachten konnte.‟
„Hat man den Bleichbock mit der Kugel verwundet, ſo darf man ſeiner Beute ſicher ſein; denn
das zarte Geſchöpf verträgt bei weitem keinen ſo ſtarken Schuß, wie der Ducker oder Riedbock.
Freilich ſetze ich bei dieſer Angabe voraus, daß der Jäger dem nach dem Schuß eiligſt dahinſtürzenden
Wild mit Aufmerkſamkeit folgt. Der Bleichbock verſucht es gewöhnlich, wenn er ſich ſchwer verwun-
det fühlt, in dem langen Gras ſo gut als möglich ſich zu verſtecken. Er kriecht hier leiſe weiter bis
zu einem Buſche, einem großen Stein, einem Ameiſenhügel, duckt ſich dort und ſieht dem Verenden
entgegen. Beim Nachgehen findet man ihn meiſtens an ſolchen Stellen liegen. Ueberſieht man aber
den noch nicht Verendeten, ſo ſpringt er auf und flieht mit möglichſter Schnelle weiter. Jm Anfang
entkamen mir viele; als ich aber mit meinem Wilde vertrauter geworden war, faßte ich es ſcharf ins
Auge und ritt nun um das Lager herum, mehr und mehr mich nähernd, bis ich noch einen ſicheren
Schuß anbringen konnte.‟
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/551>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.