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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Antilopen. -- Die eigentliche Hirschziegenantilope.
fast gerade, jedoch drei Mal schwach ausgebeugt und schraubenförmig gedreht. An der Wurzel stehen
beide Stangen nahe zusammen, an der Spitze ungefähr elf Zoll von einander entfernt. Je nach dem
verschiedenen Alter sind die Hörner stärker oder schwächer und nahe der Wurzel mit mehr oder we-
niger ringförmigen Erhabenheiten versehen. Bei alten Thieren zählt man mehr als dreißig solcher
Wachsthumsringe, bei dreijährigen ungefähr zehn, bei fünfjährigen bereits gegen fünfundzwanzig.
Jhre Zahl steht aber nicht in einem geraden Verhältniß zu dem Wachsthum. Nach Alter und Ge-
schlecht ist die Färbung verschieden. Alte Männchen sind fast schwarz, die Weibchen mehr grau;
junge Thiere sind braun und rostroth. Jm allgemeinen ist die Oberseite schwärzlichbraun, die un-
tere und die Nase weiß. Ein breiter weißer Ring umgibt jedes Auge. Die Behaarung ist kurz,
dicht und glatt, das einzelne Haar ziemlich steif und, wie bei den meisten hirschähnlichen Thieren,
etwas gedreht. Auf der Brust, an der Schulter und zwischen den Schenkeln bildet es deutliche
Nähte, in der Horn- und Nabelgegend Wirbel, auf der Jnnenseite der Ohren vertheilt es sich in
drei Längsreihen. Am Handgelenk verlängert es sich zu kleinen Haarbüscheln; auf der Unterseite
des Schwanzes fehlt es gänzlich. Die zierlichen, mittelgroßen, zusammengedrückten und spitzen Hufe
und die abgeplatteten und abgestumpften, mittelgroßen Afterklauen sind schwarz; die Jris ist bräunlich-
gelb, der quergestellte Stern dunkelschwarz.

Der Sassi bewohnt Vorderindien, namentlich Vengalen, und lebt in Herden von fünfzig bis
sechzig Stück, welche von einem alten dunkelfarbigen Bocke angeführt werden. Unter allen Umstän-
den ziehen die Thiere offene Gegenden den bedeckten vor; denn sie sind stets im hohen Grade für ihre
Sicherheit besorgt. Kapitän Williamson erzählt, daß immer einige junge Männchen und auch
alte Weibchen zum Vorpostendienst beordert werden, wenn sich die Herde an einem Lieblingsplatze
zum Weiden anschickt. Namentlich Büsche, hinter denen sich Jäger heranschleichen und verstecken
können, werden von diesen Wachen aufs sorgfältigste beobachtet. Es würde Narrheit sein, versichert
dieser Beobachter, Windhunde nach ihnen zu hetzen, denn nur, wenn man sie überrascht, ist einiger
Erfolg zu erwarten; sonst ergreifen sie augenblicklich die Flucht und jagen in wahrhaft wundervollem
Laufe dahin. "Die Höhe und Weite ihrer Sprünge versetzt Jedermann in Erstaunen; denn sie
erheben sich mehr als 12(?) Fuß über den Boden und springen 20 bis 30(?) Fuß weit, gleichsam als
ob sie den nachsetzenden Hund verspotten wollten." Deshalb denken die indischen Fürsten auch nicht
daran, sie mit Hunden zu jagen; sie beizen sie mit Falken oder lassen sie vom schlauen Tschitta oder
Jagdleoparden fangen, wie Dies in Persien gewöhnlich ist.

Die Nahrung der zierlichen Thiere besteht nur in Pflanzen, namentlich in Gräsern und saftigen
Kräutern. Wasser können sie auf lange Zeit entbehren.

Ueber die Fortpflanzung fehlen noch sichere Nachrichten. Es scheint, daß die Paarung nicht an
eine bestimmte Zeit gebunden ist, sondern je nach den Gegenden während des ganzes Jahres statt-
findet. Neun Monate nach der Begattung wirft das Weibchen ein einziges, vollkommen ausgebil-
detes Junge, verbirgt es einige Tage lang im Gebüsch, säugt es mit Sorgfalt und bringt es dann
zur Herde, bei welcher es verweilt, bis es die Eifersucht des Leitbockes vertreibt. Dann muß es in
der Ferne sein Heil suchen und sehen, ob es sich anderen Rudeln anschließen kann. Die Weibchen
sind bereits im zweiten Jahre, die Männchen wenigstens im dritten fortpflanzungsfähig. Es scheint,
daß mit der Begattung ein eigenthümliches Erregtsein des Thränensackes in Verbindung steht. An
Gefangenen hat man beobachtet, daß der ganze Hautbeutel unter dem Auge, die Thränengrube,
welche sonst nur als ein schmaler Schlitz erscheint, wenn das Thier gereizt wird, weit hervortritt und
sich förmlich nach außen umstülpt. Die glatten Jnnenwände des Sackes sondern einen starkriechenden
Stoff ab, welcher dann durch Reiben an Bäumen oder Steinen entleert wird und wahrscheinlich dazu
dient, das andere Geschlecht auf die Spur zu leiten. Während der Brunstzeit vernimmt man auch
die Stimme des Männchens, welches sonst schweigt, eine Art von Meckern; das Weibchen gibt, so
oft es erzürnt wird, tönende Laute von sich.

Die Antilopen. — Die eigentliche Hirſchziegenantilope.
faſt gerade, jedoch drei Mal ſchwach ausgebeugt und ſchraubenförmig gedreht. An der Wurzel ſtehen
beide Stangen nahe zuſammen, an der Spitze ungefähr elf Zoll von einander entfernt. Je nach dem
verſchiedenen Alter ſind die Hörner ſtärker oder ſchwächer und nahe der Wurzel mit mehr oder we-
niger ringförmigen Erhabenheiten verſehen. Bei alten Thieren zählt man mehr als dreißig ſolcher
Wachsthumsringe, bei dreijährigen ungefähr zehn, bei fünfjährigen bereits gegen fünfundzwanzig.
Jhre Zahl ſteht aber nicht in einem geraden Verhältniß zu dem Wachsthum. Nach Alter und Ge-
ſchlecht iſt die Färbung verſchieden. Alte Männchen ſind faſt ſchwarz, die Weibchen mehr grau;
junge Thiere ſind braun und roſtroth. Jm allgemeinen iſt die Oberſeite ſchwärzlichbraun, die un-
tere und die Naſe weiß. Ein breiter weißer Ring umgibt jedes Auge. Die Behaarung iſt kurz,
dicht und glatt, das einzelne Haar ziemlich ſteif und, wie bei den meiſten hirſchähnlichen Thieren,
etwas gedreht. Auf der Bruſt, an der Schulter und zwiſchen den Schenkeln bildet es deutliche
Nähte, in der Horn- und Nabelgegend Wirbel, auf der Jnnenſeite der Ohren vertheilt es ſich in
drei Längsreihen. Am Handgelenk verlängert es ſich zu kleinen Haarbüſcheln; auf der Unterſeite
des Schwanzes fehlt es gänzlich. Die zierlichen, mittelgroßen, zuſammengedrückten und ſpitzen Hufe
und die abgeplatteten und abgeſtumpften, mittelgroßen Afterklauen ſind ſchwarz; die Jris iſt bräunlich-
gelb, der quergeſtellte Stern dunkelſchwarz.

Der Saſſi bewohnt Vorderindien, namentlich Vengalen, und lebt in Herden von fünfzig bis
ſechzig Stück, welche von einem alten dunkelfarbigen Bocke angeführt werden. Unter allen Umſtän-
den ziehen die Thiere offene Gegenden den bedeckten vor; denn ſie ſind ſtets im hohen Grade für ihre
Sicherheit beſorgt. Kapitän Williamſon erzählt, daß immer einige junge Männchen und auch
alte Weibchen zum Vorpoſtendienſt beordert werden, wenn ſich die Herde an einem Lieblingsplatze
zum Weiden anſchickt. Namentlich Büſche, hinter denen ſich Jäger heranſchleichen und verſtecken
können, werden von dieſen Wachen aufs ſorgfältigſte beobachtet. Es würde Narrheit ſein, verſichert
dieſer Beobachter, Windhunde nach ihnen zu hetzen, denn nur, wenn man ſie überraſcht, iſt einiger
Erfolg zu erwarten; ſonſt ergreifen ſie augenblicklich die Flucht und jagen in wahrhaft wundervollem
Laufe dahin. „Die Höhe und Weite ihrer Sprünge verſetzt Jedermann in Erſtaunen; denn ſie
erheben ſich mehr als 12(?) Fuß über den Boden und ſpringen 20 bis 30(?) Fuß weit, gleichſam als
ob ſie den nachſetzenden Hund verſpotten wollten.‟ Deshalb denken die indiſchen Fürſten auch nicht
daran, ſie mit Hunden zu jagen; ſie beizen ſie mit Falken oder laſſen ſie vom ſchlauen Tſchitta oder
Jagdleoparden fangen, wie Dies in Perſien gewöhnlich iſt.

Die Nahrung der zierlichen Thiere beſteht nur in Pflanzen, namentlich in Gräſern und ſaftigen
Kräutern. Waſſer können ſie auf lange Zeit entbehren.

Ueber die Fortpflanzung fehlen noch ſichere Nachrichten. Es ſcheint, daß die Paarung nicht an
eine beſtimmte Zeit gebunden iſt, ſondern je nach den Gegenden während des ganzes Jahres ſtatt-
findet. Neun Monate nach der Begattung wirft das Weibchen ein einziges, vollkommen ausgebil-
detes Junge, verbirgt es einige Tage lang im Gebüſch, ſäugt es mit Sorgfalt und bringt es dann
zur Herde, bei welcher es verweilt, bis es die Eiferſucht des Leitbockes vertreibt. Dann muß es in
der Ferne ſein Heil ſuchen und ſehen, ob es ſich anderen Rudeln anſchließen kann. Die Weibchen
ſind bereits im zweiten Jahre, die Männchen wenigſtens im dritten fortpflanzungsfähig. Es ſcheint,
daß mit der Begattung ein eigenthümliches Erregtſein des Thränenſackes in Verbindung ſteht. An
Gefangenen hat man beobachtet, daß der ganze Hautbeutel unter dem Auge, die Thränengrube,
welche ſonſt nur als ein ſchmaler Schlitz erſcheint, wenn das Thier gereizt wird, weit hervortritt und
ſich förmlich nach außen umſtülpt. Die glatten Jnnenwände des Sackes ſondern einen ſtarkriechenden
Stoff ab, welcher dann durch Reiben an Bäumen oder Steinen entleert wird und wahrſcheinlich dazu
dient, das andere Geſchlecht auf die Spur zu leiten. Während der Brunſtzeit vernimmt man auch
die Stimme des Männchens, welches ſonſt ſchweigt, eine Art von Meckern; das Weibchen gibt, ſo
oft es erzürnt wird, tönende Laute von ſich.

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[498/0526] Die Antilopen. — Die eigentliche Hirſchziegenantilope. faſt gerade, jedoch drei Mal ſchwach ausgebeugt und ſchraubenförmig gedreht. An der Wurzel ſtehen beide Stangen nahe zuſammen, an der Spitze ungefähr elf Zoll von einander entfernt. Je nach dem verſchiedenen Alter ſind die Hörner ſtärker oder ſchwächer und nahe der Wurzel mit mehr oder we- niger ringförmigen Erhabenheiten verſehen. Bei alten Thieren zählt man mehr als dreißig ſolcher Wachsthumsringe, bei dreijährigen ungefähr zehn, bei fünfjährigen bereits gegen fünfundzwanzig. Jhre Zahl ſteht aber nicht in einem geraden Verhältniß zu dem Wachsthum. Nach Alter und Ge- ſchlecht iſt die Färbung verſchieden. Alte Männchen ſind faſt ſchwarz, die Weibchen mehr grau; junge Thiere ſind braun und roſtroth. Jm allgemeinen iſt die Oberſeite ſchwärzlichbraun, die un- tere und die Naſe weiß. Ein breiter weißer Ring umgibt jedes Auge. Die Behaarung iſt kurz, dicht und glatt, das einzelne Haar ziemlich ſteif und, wie bei den meiſten hirſchähnlichen Thieren, etwas gedreht. Auf der Bruſt, an der Schulter und zwiſchen den Schenkeln bildet es deutliche Nähte, in der Horn- und Nabelgegend Wirbel, auf der Jnnenſeite der Ohren vertheilt es ſich in drei Längsreihen. Am Handgelenk verlängert es ſich zu kleinen Haarbüſcheln; auf der Unterſeite des Schwanzes fehlt es gänzlich. Die zierlichen, mittelgroßen, zuſammengedrückten und ſpitzen Hufe und die abgeplatteten und abgeſtumpften, mittelgroßen Afterklauen ſind ſchwarz; die Jris iſt bräunlich- gelb, der quergeſtellte Stern dunkelſchwarz. Der Saſſi bewohnt Vorderindien, namentlich Vengalen, und lebt in Herden von fünfzig bis ſechzig Stück, welche von einem alten dunkelfarbigen Bocke angeführt werden. Unter allen Umſtän- den ziehen die Thiere offene Gegenden den bedeckten vor; denn ſie ſind ſtets im hohen Grade für ihre Sicherheit beſorgt. Kapitän Williamſon erzählt, daß immer einige junge Männchen und auch alte Weibchen zum Vorpoſtendienſt beordert werden, wenn ſich die Herde an einem Lieblingsplatze zum Weiden anſchickt. Namentlich Büſche, hinter denen ſich Jäger heranſchleichen und verſtecken können, werden von dieſen Wachen aufs ſorgfältigſte beobachtet. Es würde Narrheit ſein, verſichert dieſer Beobachter, Windhunde nach ihnen zu hetzen, denn nur, wenn man ſie überraſcht, iſt einiger Erfolg zu erwarten; ſonſt ergreifen ſie augenblicklich die Flucht und jagen in wahrhaft wundervollem Laufe dahin. „Die Höhe und Weite ihrer Sprünge verſetzt Jedermann in Erſtaunen; denn ſie erheben ſich mehr als 12(?) Fuß über den Boden und ſpringen 20 bis 30(?) Fuß weit, gleichſam als ob ſie den nachſetzenden Hund verſpotten wollten.‟ Deshalb denken die indiſchen Fürſten auch nicht daran, ſie mit Hunden zu jagen; ſie beizen ſie mit Falken oder laſſen ſie vom ſchlauen Tſchitta oder Jagdleoparden fangen, wie Dies in Perſien gewöhnlich iſt. Die Nahrung der zierlichen Thiere beſteht nur in Pflanzen, namentlich in Gräſern und ſaftigen Kräutern. Waſſer können ſie auf lange Zeit entbehren. Ueber die Fortpflanzung fehlen noch ſichere Nachrichten. Es ſcheint, daß die Paarung nicht an eine beſtimmte Zeit gebunden iſt, ſondern je nach den Gegenden während des ganzes Jahres ſtatt- findet. Neun Monate nach der Begattung wirft das Weibchen ein einziges, vollkommen ausgebil- detes Junge, verbirgt es einige Tage lang im Gebüſch, ſäugt es mit Sorgfalt und bringt es dann zur Herde, bei welcher es verweilt, bis es die Eiferſucht des Leitbockes vertreibt. Dann muß es in der Ferne ſein Heil ſuchen und ſehen, ob es ſich anderen Rudeln anſchließen kann. Die Weibchen ſind bereits im zweiten Jahre, die Männchen wenigſtens im dritten fortpflanzungsfähig. Es ſcheint, daß mit der Begattung ein eigenthümliches Erregtſein des Thränenſackes in Verbindung ſteht. An Gefangenen hat man beobachtet, daß der ganze Hautbeutel unter dem Auge, die Thränengrube, welche ſonſt nur als ein ſchmaler Schlitz erſcheint, wenn das Thier gereizt wird, weit hervortritt und ſich förmlich nach außen umſtülpt. Die glatten Jnnenwände des Sackes ſondern einen ſtarkriechenden Stoff ab, welcher dann durch Reiben an Bäumen oder Steinen entleert wird und wahrſcheinlich dazu dient, das andere Geſchlecht auf die Spur zu leiten. Während der Brunſtzeit vernimmt man auch die Stimme des Männchens, welches ſonſt ſchweigt, eine Art von Meckern; das Weibchen gibt, ſo oft es erzürnt wird, tönende Laute von ſich.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/526>, abgerufen am 23.11.2024.