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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Antilopen.
Thiere in andere Gegenden treibt. Die meisten lieben die Ebene, einige aber ziehen das Hochgebirge
entschieden der Tiefe vor und steigen bis zur Grenze des ewigen Schnees empor; diese geben offenen,
spärlich mit Pflanzen bewachsenen Wäldern entschieden den Vorzug vor dichteren, jene finden sich
aber auch hier oder in dünn bewachsenen Buschwäldern; einige bewohnen sogar die Sumpfgegenden und
halten sich ganz in Nähe der Gewässer auf. Die größeren Arten schlagen sich in Rudel, oft in solche
von außerordentlicher Stärke zusammen; die kleineren leben mehr paarweise oder wenigstens in min-
der zahlreicheren Gesellschaften. Sie sind Tag- und Nachtthiere, unterscheiden sich also auch hierdurch
von den Hirschen, welche sich, wie bekannt, zur Nachtzeit äßen und herumtummeln, bei Tage aber
sich lagern und schlafen. Jhre Bewegungen sind lebhaft und behend, aber umgemein zierlich. Ein
Rudel Antilopen erfreut immer das Auge. Die Schnelligkeit der Bewegungen mancher Arten wird
von keinem anderen Säugethiere erreicht, und in der Anmuth derselben übertreffen sie unsere Hirsche
bei weitem. Luft und Licht und ungemessene Freiheit lieben sie über Alles; deshalb bevölkern gerade
sie die arme Wüste; deshalb beleben sie die todte Einöde. Nur wenige Arten bewegen sich plump
und schwerfällig und ermüden schon nach kurzer Verfolgung; die übrigen vergeistigen sich gleichsam
während ihrer Bewegungen. Sie besitzen sehr scharfe Sinne; namentlich äugen, vernehmen und wit-
tern sie vortrefflich. Jhr Verstand ist nicht besonders groß, aber doch weit größer, als bei anderen
Familien der Ordnung. Sie sind neugierig, wie die Ziegen, aber doch wachsamer, als diese, und
überlassen sich niemals einer sorglosen Ruhe. Erfahrungen benutzen sie stets; wenn sie Verfolgungen
erlitten haben, stellen sie Wachen auf und werden dann im hohen Grade schen. Doch sind sie
munter, heiter und neckisch, aber nicht launenhaft. Viele zeichnen sich durch große Friedfertigkeit
aus, andere können recht bösartig sein. Jhre Stimme ist blöckend, stöhnend oder pfeifend; man
hört sie aber selten, gewöhnlich blos zur Brunstzeit, wenn die Böcke und Ziegen sich mit einander
streiten.

Die Nahrung besteht nur in Pflanzenstoffen, hauptsächlich in Gräsern und Kräutern, in Blät-
tern, Knospen und jungen Trieben. Einige sind so genügsam, daß ihnen die dürftigste Nahrung
hinreichend erscheint; selbst Baumflechten werden von manchen Arten gefressen. Bei frischer grüner
Nahrung können die meisten lange dürsten, die in der dürren Wüste lebenden wenigstens meh-
rere Tage.

Man darf die Antilopen nützliche Thiere nennen und braucht keine Ausnahme zu machen. An
den Orten, wo sie leben, bringen sie selten erheblichen Schaden; wohl aber nützen sie durch ihr Fleisch,
durch ihr Gehörn und durch ihr vortreffliches Fell. Sie sind deshalb ein Gegenstand der eifrigsten Jagd
bei allen Völkern, die mit ihnen die gleiche Heimat theilen. Noch größer aber dürfte der Nutzen sein,
den ich einen geistigen oder sittlichen nennen möchte, derjenige nämlich, den sie dem Menschen ge-
währen durch die Freude an ihrer Schönheit, Anmuth und Liebenswürdigkeit und durch das außer-
ordentliche Vergnügen, welches ihre Jagd bereitet. Manche Antilopen sind seit uralter Zeit hoch-
berühmt, sie sind von Dichtern und Reisenden laut gepriesen worden, und nicht blos ihrer Schön-
heit halber; und wegen einer anderen setzt ja heute noch der Alpenjäger hundert Mal sein Leben ein:
er betreibt die Jagd mit einer Leidenschaft, welche schwerlich ihres Gleichen finden würde. Jn der-
selben Weise fühlt sich der Mensch zu allen anderen Antilopen hingezogen. Dazu kommt noch, daß
die meisten, wenigstens in ihrem Vaterlande, die Gefangenschaft leicht und dauernd aushalten, sich
in derselben fortpflanzen und ihren Herrn durch ihre Zahmheit und Zutraulichkeit sehr erfreuen.
Manche werden zu förmlichen Hausthieren; eine Art kann man sogar zum Ziehen verwenden.

Es ist sehr schwer, die große Zahl der Glieder unserer Familie in natürliche Gruppen zu ordnen.
Gewöhnlich gründet man die Eintheilung auf ihre Aehnlichkeit mit Hirschen, Ziegen, Stieren etc.;
doch genügt Das nicht, und so hat man bisjetzt immer noch das Gehörn als Maßstab zur Eintheilung
und Einordnung beibehalten.

Wir heben blos die wichtigsten Gestalten hervor.

Die Antilopen.
Thiere in andere Gegenden treibt. Die meiſten lieben die Ebene, einige aber ziehen das Hochgebirge
entſchieden der Tiefe vor und ſteigen bis zur Grenze des ewigen Schnees empor; dieſe geben offenen,
ſpärlich mit Pflanzen bewachſenen Wäldern entſchieden den Vorzug vor dichteren, jene finden ſich
aber auch hier oder in dünn bewachſenen Buſchwäldern; einige bewohnen ſogar die Sumpfgegenden und
halten ſich ganz in Nähe der Gewäſſer auf. Die größeren Arten ſchlagen ſich in Rudel, oft in ſolche
von außerordentlicher Stärke zuſammen; die kleineren leben mehr paarweiſe oder wenigſtens in min-
der zahlreicheren Geſellſchaften. Sie ſind Tag- und Nachtthiere, unterſcheiden ſich alſo auch hierdurch
von den Hirſchen, welche ſich, wie bekannt, zur Nachtzeit äßen und herumtummeln, bei Tage aber
ſich lagern und ſchlafen. Jhre Bewegungen ſind lebhaft und behend, aber umgemein zierlich. Ein
Rudel Antilopen erfreut immer das Auge. Die Schnelligkeit der Bewegungen mancher Arten wird
von keinem anderen Säugethiere erreicht, und in der Anmuth derſelben übertreffen ſie unſere Hirſche
bei weitem. Luft und Licht und ungemeſſene Freiheit lieben ſie über Alles; deshalb bevölkern gerade
ſie die arme Wüſte; deshalb beleben ſie die todte Einöde. Nur wenige Arten bewegen ſich plump
und ſchwerfällig und ermüden ſchon nach kurzer Verfolgung; die übrigen vergeiſtigen ſich gleichſam
während ihrer Bewegungen. Sie beſitzen ſehr ſcharfe Sinne; namentlich äugen, vernehmen und wit-
tern ſie vortrefflich. Jhr Verſtand iſt nicht beſonders groß, aber doch weit größer, als bei anderen
Familien der Ordnung. Sie ſind neugierig, wie die Ziegen, aber doch wachſamer, als dieſe, und
überlaſſen ſich niemals einer ſorgloſen Ruhe. Erfahrungen benutzen ſie ſtets; wenn ſie Verfolgungen
erlitten haben, ſtellen ſie Wachen auf und werden dann im hohen Grade ſchen. Doch ſind ſie
munter, heiter und neckiſch, aber nicht launenhaft. Viele zeichnen ſich durch große Friedfertigkeit
aus, andere können recht bösartig ſein. Jhre Stimme iſt blöckend, ſtöhnend oder pfeifend; man
hört ſie aber ſelten, gewöhnlich blos zur Brunſtzeit, wenn die Böcke und Ziegen ſich mit einander
ſtreiten.

Die Nahrung beſteht nur in Pflanzenſtoffen, hauptſächlich in Gräſern und Kräutern, in Blät-
tern, Knospen und jungen Trieben. Einige ſind ſo genügſam, daß ihnen die dürftigſte Nahrung
hinreichend erſcheint; ſelbſt Baumflechten werden von manchen Arten gefreſſen. Bei friſcher grüner
Nahrung können die meiſten lange dürſten, die in der dürren Wüſte lebenden wenigſtens meh-
rere Tage.

Man darf die Antilopen nützliche Thiere nennen und braucht keine Ausnahme zu machen. An
den Orten, wo ſie leben, bringen ſie ſelten erheblichen Schaden; wohl aber nützen ſie durch ihr Fleiſch,
durch ihr Gehörn und durch ihr vortreffliches Fell. Sie ſind deshalb ein Gegenſtand der eifrigſten Jagd
bei allen Völkern, die mit ihnen die gleiche Heimat theilen. Noch größer aber dürfte der Nutzen ſein,
den ich einen geiſtigen oder ſittlichen nennen möchte, derjenige nämlich, den ſie dem Menſchen ge-
währen durch die Freude an ihrer Schönheit, Anmuth und Liebenswürdigkeit und durch das außer-
ordentliche Vergnügen, welches ihre Jagd bereitet. Manche Antilopen ſind ſeit uralter Zeit hoch-
berühmt, ſie ſind von Dichtern und Reiſenden laut geprieſen worden, und nicht blos ihrer Schön-
heit halber; und wegen einer anderen ſetzt ja heute noch der Alpenjäger hundert Mal ſein Leben ein:
er betreibt die Jagd mit einer Leidenſchaft, welche ſchwerlich ihres Gleichen finden würde. Jn der-
ſelben Weiſe fühlt ſich der Menſch zu allen anderen Antilopen hingezogen. Dazu kommt noch, daß
die meiſten, wenigſtens in ihrem Vaterlande, die Gefangenſchaft leicht und dauernd aushalten, ſich
in derſelben fortpflanzen und ihren Herrn durch ihre Zahmheit und Zutraulichkeit ſehr erfreuen.
Manche werden zu förmlichen Hausthieren; eine Art kann man ſogar zum Ziehen verwenden.

Es iſt ſehr ſchwer, die große Zahl der Glieder unſerer Familie in natürliche Gruppen zu ordnen.
Gewöhnlich gründet man die Eintheilung auf ihre Aehnlichkeit mit Hirſchen, Ziegen, Stieren ꝛc.;
doch genügt Das nicht, und ſo hat man bisjetzt immer noch das Gehörn als Maßſtab zur Eintheilung
und Einordnung beibehalten.

Wir heben blos die wichtigſten Geſtalten hervor.

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[496/0524] Die Antilopen. Thiere in andere Gegenden treibt. Die meiſten lieben die Ebene, einige aber ziehen das Hochgebirge entſchieden der Tiefe vor und ſteigen bis zur Grenze des ewigen Schnees empor; dieſe geben offenen, ſpärlich mit Pflanzen bewachſenen Wäldern entſchieden den Vorzug vor dichteren, jene finden ſich aber auch hier oder in dünn bewachſenen Buſchwäldern; einige bewohnen ſogar die Sumpfgegenden und halten ſich ganz in Nähe der Gewäſſer auf. Die größeren Arten ſchlagen ſich in Rudel, oft in ſolche von außerordentlicher Stärke zuſammen; die kleineren leben mehr paarweiſe oder wenigſtens in min- der zahlreicheren Geſellſchaften. Sie ſind Tag- und Nachtthiere, unterſcheiden ſich alſo auch hierdurch von den Hirſchen, welche ſich, wie bekannt, zur Nachtzeit äßen und herumtummeln, bei Tage aber ſich lagern und ſchlafen. Jhre Bewegungen ſind lebhaft und behend, aber umgemein zierlich. Ein Rudel Antilopen erfreut immer das Auge. Die Schnelligkeit der Bewegungen mancher Arten wird von keinem anderen Säugethiere erreicht, und in der Anmuth derſelben übertreffen ſie unſere Hirſche bei weitem. Luft und Licht und ungemeſſene Freiheit lieben ſie über Alles; deshalb bevölkern gerade ſie die arme Wüſte; deshalb beleben ſie die todte Einöde. Nur wenige Arten bewegen ſich plump und ſchwerfällig und ermüden ſchon nach kurzer Verfolgung; die übrigen vergeiſtigen ſich gleichſam während ihrer Bewegungen. Sie beſitzen ſehr ſcharfe Sinne; namentlich äugen, vernehmen und wit- tern ſie vortrefflich. Jhr Verſtand iſt nicht beſonders groß, aber doch weit größer, als bei anderen Familien der Ordnung. Sie ſind neugierig, wie die Ziegen, aber doch wachſamer, als dieſe, und überlaſſen ſich niemals einer ſorgloſen Ruhe. Erfahrungen benutzen ſie ſtets; wenn ſie Verfolgungen erlitten haben, ſtellen ſie Wachen auf und werden dann im hohen Grade ſchen. Doch ſind ſie munter, heiter und neckiſch, aber nicht launenhaft. Viele zeichnen ſich durch große Friedfertigkeit aus, andere können recht bösartig ſein. Jhre Stimme iſt blöckend, ſtöhnend oder pfeifend; man hört ſie aber ſelten, gewöhnlich blos zur Brunſtzeit, wenn die Böcke und Ziegen ſich mit einander ſtreiten. Die Nahrung beſteht nur in Pflanzenſtoffen, hauptſächlich in Gräſern und Kräutern, in Blät- tern, Knospen und jungen Trieben. Einige ſind ſo genügſam, daß ihnen die dürftigſte Nahrung hinreichend erſcheint; ſelbſt Baumflechten werden von manchen Arten gefreſſen. Bei friſcher grüner Nahrung können die meiſten lange dürſten, die in der dürren Wüſte lebenden wenigſtens meh- rere Tage. Man darf die Antilopen nützliche Thiere nennen und braucht keine Ausnahme zu machen. An den Orten, wo ſie leben, bringen ſie ſelten erheblichen Schaden; wohl aber nützen ſie durch ihr Fleiſch, durch ihr Gehörn und durch ihr vortreffliches Fell. Sie ſind deshalb ein Gegenſtand der eifrigſten Jagd bei allen Völkern, die mit ihnen die gleiche Heimat theilen. Noch größer aber dürfte der Nutzen ſein, den ich einen geiſtigen oder ſittlichen nennen möchte, derjenige nämlich, den ſie dem Menſchen ge- währen durch die Freude an ihrer Schönheit, Anmuth und Liebenswürdigkeit und durch das außer- ordentliche Vergnügen, welches ihre Jagd bereitet. Manche Antilopen ſind ſeit uralter Zeit hoch- berühmt, ſie ſind von Dichtern und Reiſenden laut geprieſen worden, und nicht blos ihrer Schön- heit halber; und wegen einer anderen ſetzt ja heute noch der Alpenjäger hundert Mal ſein Leben ein: er betreibt die Jagd mit einer Leidenſchaft, welche ſchwerlich ihres Gleichen finden würde. Jn der- ſelben Weiſe fühlt ſich der Menſch zu allen anderen Antilopen hingezogen. Dazu kommt noch, daß die meiſten, wenigſtens in ihrem Vaterlande, die Gefangenſchaft leicht und dauernd aushalten, ſich in derſelben fortpflanzen und ihren Herrn durch ihre Zahmheit und Zutraulichkeit ſehr erfreuen. Manche werden zu förmlichen Hausthieren; eine Art kann man ſogar zum Ziehen verwenden. Es iſt ſehr ſchwer, die große Zahl der Glieder unſerer Familie in natürliche Gruppen zu ordnen. Gewöhnlich gründet man die Eintheilung auf ihre Aehnlichkeit mit Hirſchen, Ziegen, Stieren ꝛc.; doch genügt Das nicht, und ſo hat man bisjetzt immer noch das Gehörn als Maßſtab zur Eintheilung und Einordnung beibehalten. Wir heben blos die wichtigſten Geſtalten hervor.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/524>, abgerufen am 24.11.2024.