Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Antilopen.
namentlich Gerbsäure dem Girafenfutter zugesetzt werden muß, um ihr Wohlbefinden zu fördern; denn
gerade die Mimosenblätter sind besonders reich an diesem Stoff. Ein großer Raum vor und ein
warmer Fußboden in dem Stalle der Girafe sind außerdem unerläßliche Bedingungen für ein
Gefangenleben des theilnahmswerthen Geschöpfes.



Wenn alle die Thiere, welche wir hier zur fünften Familie rechnen, so anmuthige Ge-
schöpfe wären, wie die Gazellen es sind, müßte man dieser Abtheilung unbedingt den ersten Rang
von der ganzen Ordnung anweisen oder ihr wenigstens den Preis der Schönheit zuerkennen. Allein
gerade unter den Antilopen gibt es einzelne Gestalten, welche von den Laien nimmermehr als nahe
Verwandten jenes lieblichen Wüstenthieres angesehen werden würden. Der Name Antilope ist ganz
geeignet, nur an äußerst schöne Gestalten, zarte und feine Thiere denken zu lassen, und der Laie ist
deshalb geneigt, die plumpen und schweren Mitglieder unserer Familie lieber zu den Rindern, als zu
den Antilopen zu rechnen.

Jm allgemeinen kann man die Antilopen als schlankgebaute, hirschähnliche Thiere mit kurzem,
fast immer eng anliegenden Haarkleid und mehr oder minder gewundenem Gehörn bezeichnen, wel-
ches zumeist beiden Geschlechtern zukommt. Die verschiedenen Arten ähneln sich im ganzen außer-
ordentlich, und nur die Bildung der Hörner, der Hufe und des Schwanzes, sowie einzelne Abän-
derungen im Haarkleid geben sichere Unterscheidungskennzeichen. Aber die Anzahl der Antilopen ist
so groß, daß die Grenzglieder der Reihe kaum noch Aehnlichkeit mit einander zu haben scheinen; denn
mit der großen Artenzahl geht natürlich die Verschiedenheit der Gestaltung Hand in Hand, und des-
halb übertrifft die Familie an Manchfaltigkeit alle übrigen der Ordnung. Die verschiedensten Ge-
stalten stehen hier neben einander. Es finden sich Anklänge an die plumpen Rinder, wie an die
zierlichen Rehe; an die kleinen zarten Moschusthiere, wie an die Pferde. Der gewöhnlich kurze
Schwanz verlängert sich, wie bei den Rindern oder ähnelt bei anderen dem mancher Hirsche.
Am Hals bildet sich eine kleine Mähne, um den Mund herum verlängern sich eigenthümlich
die Haare, so daß sie fast einen Bart bilden, wie bei den Ziegen. Die Hörner biegen sich gleich-
mäßig oder winden und drehen sich in dreifachen Bogen; ihre Spitze krümmt sich nach hinten oder
nach vorn, nach innen und nach außen; das ganze Gehörn erscheint leierartig oder die einzelne Stange
wie eine gewundene Schraube, oder auch wieder ganz gerade, wenigstens nur unbedeutend ge-
krümmt. Bald ist es rund, bald gekantet, bald gekielt, bald zusammengepreßt. Die Querrunzeln,
welche das Wachsthum bezeichnen, sind im allgemeinen deutlich, aber auch wiederum nur ange-
deutet u. s. w. Bei einer Sippe besteht das Gehörn sogar aus vier Stangen, während solches
Vorkommen sonst doch, wie bekannt, ganz unnatürlich erscheint. Ebenso auffallend ist es, daß bei
einer anderen Sippe das Gehörn sich gabelt, wie bei den geweihtragenden Thieren.

Ueber den inneren Leibesbau der Antilopen sind noch wenig ausführliche Beobachtungen gemacht
worden. Jm allgemeinen kann man sagen, daß er so ziemlich dem der Wiederkäuer und namentlich
der Hirsche entspricht. Die Weibchen haben regelmäßig zwei oder vier Zitzen am Euter, ausnahms-
weise auch deren fünf. Sie werfen gewöhnlich nur ein Junges, selten zwei, und tragen dasselbe in
durchschnittlich sechs Monaten aus. Das Kalb ist nach vierzehn bis achtzehn Monaten erwachsen,
wenn auch nicht immer zeugungsfähig.

Ganz Afrika, Mittel- und Südasien, Mittel- und Südeuropa und Nordamerika sind die
Heimat der zierlichen Thiere. Es ist bekannt, daß die meisten Arten die großen Steppen warmer
Länder bewohnen; aber wir wissen auch, daß die Gemse, das gewandte Kind unseres Hochgebirges,
zu den Antilopen gehört. Jede Art scheint ein bestimmtes Lieblingsfutter zu haben, und dieses be-
dingt dann ihren Aufenthalt, solange der Mensch nicht eingreift und die scheuen und flüchtigen

Die Antilopen.
namentlich Gerbſäure dem Girafenfutter zugeſetzt werden muß, um ihr Wohlbefinden zu fördern; denn
gerade die Mimoſenblätter ſind beſonders reich an dieſem Stoff. Ein großer Raum vor und ein
warmer Fußboden in dem Stalle der Girafe ſind außerdem unerläßliche Bedingungen für ein
Gefangenleben des theilnahmswerthen Geſchöpfes.



Wenn alle die Thiere, welche wir hier zur fünften Familie rechnen, ſo anmuthige Ge-
ſchöpfe wären, wie die Gazellen es ſind, müßte man dieſer Abtheilung unbedingt den erſten Rang
von der ganzen Ordnung anweiſen oder ihr wenigſtens den Preis der Schönheit zuerkennen. Allein
gerade unter den Antilopen gibt es einzelne Geſtalten, welche von den Laien nimmermehr als nahe
Verwandten jenes lieblichen Wüſtenthieres angeſehen werden würden. Der Name Antilope iſt ganz
geeignet, nur an äußerſt ſchöne Geſtalten, zarte und feine Thiere denken zu laſſen, und der Laie iſt
deshalb geneigt, die plumpen und ſchweren Mitglieder unſerer Familie lieber zu den Rindern, als zu
den Antilopen zu rechnen.

Jm allgemeinen kann man die Antilopen als ſchlankgebaute, hirſchähnliche Thiere mit kurzem,
faſt immer eng anliegenden Haarkleid und mehr oder minder gewundenem Gehörn bezeichnen, wel-
ches zumeiſt beiden Geſchlechtern zukommt. Die verſchiedenen Arten ähneln ſich im ganzen außer-
ordentlich, und nur die Bildung der Hörner, der Hufe und des Schwanzes, ſowie einzelne Abän-
derungen im Haarkleid geben ſichere Unterſcheidungskennzeichen. Aber die Anzahl der Antilopen iſt
ſo groß, daß die Grenzglieder der Reihe kaum noch Aehnlichkeit mit einander zu haben ſcheinen; denn
mit der großen Artenzahl geht natürlich die Verſchiedenheit der Geſtaltung Hand in Hand, und des-
halb übertrifft die Familie an Manchfaltigkeit alle übrigen der Ordnung. Die verſchiedenſten Ge-
ſtalten ſtehen hier neben einander. Es finden ſich Anklänge an die plumpen Rinder, wie an die
zierlichen Rehe; an die kleinen zarten Moſchusthiere, wie an die Pferde. Der gewöhnlich kurze
Schwanz verlängert ſich, wie bei den Rindern oder ähnelt bei anderen dem mancher Hirſche.
Am Hals bildet ſich eine kleine Mähne, um den Mund herum verlängern ſich eigenthümlich
die Haare, ſo daß ſie faſt einen Bart bilden, wie bei den Ziegen. Die Hörner biegen ſich gleich-
mäßig oder winden und drehen ſich in dreifachen Bogen; ihre Spitze krümmt ſich nach hinten oder
nach vorn, nach innen und nach außen; das ganze Gehörn erſcheint leierartig oder die einzelne Stange
wie eine gewundene Schraube, oder auch wieder ganz gerade, wenigſtens nur unbedeutend ge-
krümmt. Bald iſt es rund, bald gekantet, bald gekielt, bald zuſammengepreßt. Die Querrunzeln,
welche das Wachsthum bezeichnen, ſind im allgemeinen deutlich, aber auch wiederum nur ange-
deutet u. ſ. w. Bei einer Sippe beſteht das Gehörn ſogar aus vier Stangen, während ſolches
Vorkommen ſonſt doch, wie bekannt, ganz unnatürlich erſcheint. Ebenſo auffallend iſt es, daß bei
einer anderen Sippe das Gehörn ſich gabelt, wie bei den geweihtragenden Thieren.

Ueber den inneren Leibesbau der Antilopen ſind noch wenig ausführliche Beobachtungen gemacht
worden. Jm allgemeinen kann man ſagen, daß er ſo ziemlich dem der Wiederkäuer und namentlich
der Hirſche entſpricht. Die Weibchen haben regelmäßig zwei oder vier Zitzen am Euter, ausnahms-
weiſe auch deren fünf. Sie werfen gewöhnlich nur ein Junges, ſelten zwei, und tragen daſſelbe in
durchſchnittlich ſechs Monaten aus. Das Kalb iſt nach vierzehn bis achtzehn Monaten erwachſen,
wenn auch nicht immer zeugungsfähig.

Ganz Afrika, Mittel- und Südaſien, Mittel- und Südeuropa und Nordamerika ſind die
Heimat der zierlichen Thiere. Es iſt bekannt, daß die meiſten Arten die großen Steppen warmer
Länder bewohnen; aber wir wiſſen auch, daß die Gemſe, das gewandte Kind unſeres Hochgebirges,
zu den Antilopen gehört. Jede Art ſcheint ein beſtimmtes Lieblingsfutter zu haben, und dieſes be-
dingt dann ihren Aufenthalt, ſolange der Menſch nicht eingreift und die ſcheuen und flüchtigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0523" n="495"/><fw place="top" type="header">Die Antilopen.</fw><lb/>
namentlich Gerb&#x017F;äure dem Girafenfutter zuge&#x017F;etzt werden muß, um ihr Wohlbefinden zu fördern; denn<lb/>
gerade die Mimo&#x017F;enblätter &#x017F;ind be&#x017F;onders reich an die&#x017F;em Stoff. Ein großer Raum vor und ein<lb/>
warmer Fußboden in dem Stalle der Girafe &#x017F;ind außerdem unerläßliche Bedingungen für ein<lb/>
Gefangenleben des theilnahmswerthen Ge&#x017F;chöpfes.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <p>Wenn alle die Thiere, welche wir hier zur <hi rendition="#g">fünften Familie</hi> rechnen, &#x017F;o anmuthige Ge-<lb/>
&#x017F;chöpfe wären, wie die <hi rendition="#g">Gazellen</hi> es &#x017F;ind, müßte man die&#x017F;er Abtheilung unbedingt den er&#x017F;ten Rang<lb/>
von der ganzen Ordnung anwei&#x017F;en oder ihr wenig&#x017F;tens den Preis der Schönheit zuerkennen. Allein<lb/>
gerade unter den Antilopen gibt es einzelne Ge&#x017F;talten, welche von den Laien nimmermehr als nahe<lb/>
Verwandten jenes lieblichen Wü&#x017F;tenthieres ange&#x017F;ehen werden würden. Der Name Antilope i&#x017F;t ganz<lb/>
geeignet, nur an äußer&#x017F;t &#x017F;chöne Ge&#x017F;talten, zarte und feine Thiere denken zu la&#x017F;&#x017F;en, und der Laie i&#x017F;t<lb/>
deshalb geneigt, die plumpen und &#x017F;chweren Mitglieder un&#x017F;erer Familie lieber zu den Rindern, als zu<lb/>
den Antilopen zu rechnen.</p><lb/>
              <p>Jm allgemeinen kann man die Antilopen als &#x017F;chlankgebaute, hir&#x017F;chähnliche Thiere mit kurzem,<lb/>
fa&#x017F;t immer eng anliegenden Haarkleid und mehr oder minder gewundenem Gehörn bezeichnen, wel-<lb/>
ches zumei&#x017F;t beiden Ge&#x017F;chlechtern zukommt. Die ver&#x017F;chiedenen Arten ähneln &#x017F;ich im ganzen außer-<lb/>
ordentlich, und nur die Bildung der Hörner, der Hufe und des Schwanzes, &#x017F;owie einzelne Abän-<lb/>
derungen im Haarkleid geben &#x017F;ichere Unter&#x017F;cheidungskennzeichen. Aber die Anzahl der Antilopen i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o groß, daß die Grenzglieder der Reihe kaum noch Aehnlichkeit mit einander zu haben &#x017F;cheinen; denn<lb/>
mit der großen Artenzahl geht natürlich die Ver&#x017F;chiedenheit der Ge&#x017F;taltung Hand in Hand, und des-<lb/>
halb übertrifft die Familie an Manchfaltigkeit alle übrigen der Ordnung. Die ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Ge-<lb/>
&#x017F;talten &#x017F;tehen hier neben einander. Es finden &#x017F;ich Anklänge an die plumpen Rinder, wie an die<lb/>
zierlichen Rehe; an die kleinen zarten Mo&#x017F;chusthiere, wie an die Pferde. Der gewöhnlich kurze<lb/>
Schwanz verlängert &#x017F;ich, wie bei den Rindern oder ähnelt bei anderen dem mancher Hir&#x017F;che.<lb/>
Am Hals bildet &#x017F;ich eine kleine Mähne, um den Mund herum verlängern &#x017F;ich eigenthümlich<lb/>
die Haare, &#x017F;o daß &#x017F;ie fa&#x017F;t einen Bart bilden, wie bei den Ziegen. Die Hörner biegen &#x017F;ich gleich-<lb/>
mäßig oder winden und drehen &#x017F;ich in dreifachen Bogen; ihre Spitze krümmt &#x017F;ich nach hinten oder<lb/>
nach vorn, nach innen und nach außen; das ganze Gehörn er&#x017F;cheint leierartig oder die einzelne Stange<lb/>
wie eine gewundene Schraube, oder auch wieder ganz gerade, wenig&#x017F;tens nur unbedeutend ge-<lb/>
krümmt. Bald i&#x017F;t es rund, bald gekantet, bald gekielt, bald zu&#x017F;ammengepreßt. Die Querrunzeln,<lb/>
welche das Wachsthum bezeichnen, &#x017F;ind im allgemeinen deutlich, aber auch wiederum nur ange-<lb/>
deutet u. &#x017F;. w. Bei einer Sippe be&#x017F;teht das Gehörn &#x017F;ogar aus vier Stangen, während &#x017F;olches<lb/>
Vorkommen &#x017F;on&#x017F;t doch, wie bekannt, ganz unnatürlich er&#x017F;cheint. Eben&#x017F;o auffallend i&#x017F;t es, daß bei<lb/>
einer anderen Sippe das Gehörn &#x017F;ich gabelt, wie bei den geweihtragenden Thieren.</p><lb/>
              <p>Ueber den inneren Leibesbau der Antilopen &#x017F;ind noch wenig ausführliche Beobachtungen gemacht<lb/>
worden. Jm allgemeinen kann man &#x017F;agen, daß er &#x017F;o ziemlich dem der Wiederkäuer und namentlich<lb/>
der Hir&#x017F;che ent&#x017F;pricht. Die Weibchen haben regelmäßig zwei oder vier Zitzen am Euter, ausnahms-<lb/>
wei&#x017F;e auch deren fünf. Sie werfen gewöhnlich nur ein Junges, &#x017F;elten zwei, und tragen da&#x017F;&#x017F;elbe in<lb/>
durch&#x017F;chnittlich &#x017F;echs Monaten aus. Das Kalb i&#x017F;t nach vierzehn bis achtzehn Monaten erwach&#x017F;en,<lb/>
wenn auch nicht immer zeugungsfähig.</p><lb/>
              <p>Ganz Afrika, Mittel- und Süda&#x017F;ien, Mittel- und Südeuropa und Nordamerika &#x017F;ind die<lb/>
Heimat der zierlichen Thiere. Es i&#x017F;t bekannt, daß die mei&#x017F;ten Arten die großen Steppen warmer<lb/>
Länder bewohnen; aber wir wi&#x017F;&#x017F;en auch, daß die <hi rendition="#g">Gem&#x017F;e,</hi> das gewandte Kind un&#x017F;eres Hochgebirges,<lb/>
zu den Antilopen gehört. Jede Art &#x017F;cheint ein be&#x017F;timmtes Lieblingsfutter zu haben, und die&#x017F;es be-<lb/>
dingt dann ihren Aufenthalt, &#x017F;olange der Men&#x017F;ch nicht eingreift und die &#x017F;cheuen und flüchtigen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[495/0523] Die Antilopen. namentlich Gerbſäure dem Girafenfutter zugeſetzt werden muß, um ihr Wohlbefinden zu fördern; denn gerade die Mimoſenblätter ſind beſonders reich an dieſem Stoff. Ein großer Raum vor und ein warmer Fußboden in dem Stalle der Girafe ſind außerdem unerläßliche Bedingungen für ein Gefangenleben des theilnahmswerthen Geſchöpfes. Wenn alle die Thiere, welche wir hier zur fünften Familie rechnen, ſo anmuthige Ge- ſchöpfe wären, wie die Gazellen es ſind, müßte man dieſer Abtheilung unbedingt den erſten Rang von der ganzen Ordnung anweiſen oder ihr wenigſtens den Preis der Schönheit zuerkennen. Allein gerade unter den Antilopen gibt es einzelne Geſtalten, welche von den Laien nimmermehr als nahe Verwandten jenes lieblichen Wüſtenthieres angeſehen werden würden. Der Name Antilope iſt ganz geeignet, nur an äußerſt ſchöne Geſtalten, zarte und feine Thiere denken zu laſſen, und der Laie iſt deshalb geneigt, die plumpen und ſchweren Mitglieder unſerer Familie lieber zu den Rindern, als zu den Antilopen zu rechnen. Jm allgemeinen kann man die Antilopen als ſchlankgebaute, hirſchähnliche Thiere mit kurzem, faſt immer eng anliegenden Haarkleid und mehr oder minder gewundenem Gehörn bezeichnen, wel- ches zumeiſt beiden Geſchlechtern zukommt. Die verſchiedenen Arten ähneln ſich im ganzen außer- ordentlich, und nur die Bildung der Hörner, der Hufe und des Schwanzes, ſowie einzelne Abän- derungen im Haarkleid geben ſichere Unterſcheidungskennzeichen. Aber die Anzahl der Antilopen iſt ſo groß, daß die Grenzglieder der Reihe kaum noch Aehnlichkeit mit einander zu haben ſcheinen; denn mit der großen Artenzahl geht natürlich die Verſchiedenheit der Geſtaltung Hand in Hand, und des- halb übertrifft die Familie an Manchfaltigkeit alle übrigen der Ordnung. Die verſchiedenſten Ge- ſtalten ſtehen hier neben einander. Es finden ſich Anklänge an die plumpen Rinder, wie an die zierlichen Rehe; an die kleinen zarten Moſchusthiere, wie an die Pferde. Der gewöhnlich kurze Schwanz verlängert ſich, wie bei den Rindern oder ähnelt bei anderen dem mancher Hirſche. Am Hals bildet ſich eine kleine Mähne, um den Mund herum verlängern ſich eigenthümlich die Haare, ſo daß ſie faſt einen Bart bilden, wie bei den Ziegen. Die Hörner biegen ſich gleich- mäßig oder winden und drehen ſich in dreifachen Bogen; ihre Spitze krümmt ſich nach hinten oder nach vorn, nach innen und nach außen; das ganze Gehörn erſcheint leierartig oder die einzelne Stange wie eine gewundene Schraube, oder auch wieder ganz gerade, wenigſtens nur unbedeutend ge- krümmt. Bald iſt es rund, bald gekantet, bald gekielt, bald zuſammengepreßt. Die Querrunzeln, welche das Wachsthum bezeichnen, ſind im allgemeinen deutlich, aber auch wiederum nur ange- deutet u. ſ. w. Bei einer Sippe beſteht das Gehörn ſogar aus vier Stangen, während ſolches Vorkommen ſonſt doch, wie bekannt, ganz unnatürlich erſcheint. Ebenſo auffallend iſt es, daß bei einer anderen Sippe das Gehörn ſich gabelt, wie bei den geweihtragenden Thieren. Ueber den inneren Leibesbau der Antilopen ſind noch wenig ausführliche Beobachtungen gemacht worden. Jm allgemeinen kann man ſagen, daß er ſo ziemlich dem der Wiederkäuer und namentlich der Hirſche entſpricht. Die Weibchen haben regelmäßig zwei oder vier Zitzen am Euter, ausnahms- weiſe auch deren fünf. Sie werfen gewöhnlich nur ein Junges, ſelten zwei, und tragen daſſelbe in durchſchnittlich ſechs Monaten aus. Das Kalb iſt nach vierzehn bis achtzehn Monaten erwachſen, wenn auch nicht immer zeugungsfähig. Ganz Afrika, Mittel- und Südaſien, Mittel- und Südeuropa und Nordamerika ſind die Heimat der zierlichen Thiere. Es iſt bekannt, daß die meiſten Arten die großen Steppen warmer Länder bewohnen; aber wir wiſſen auch, daß die Gemſe, das gewandte Kind unſeres Hochgebirges, zu den Antilopen gehört. Jede Art ſcheint ein beſtimmtes Lieblingsfutter zu haben, und dieſes be- dingt dann ihren Aufenthalt, ſolange der Menſch nicht eingreift und die ſcheuen und flüchtigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/523
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/523>, abgerufen am 23.11.2024.