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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Moschusthiere. -- Das echte Moschusthier.
gewendet sind. 14 bis 15 Wirbel tragen Rippen, 5 bis 6 sind rippenlos, 4 bis 6 bilden das Kreuz-
bein und 13 den Schwanz. Die Weichtheile ähneln denen der Antilopen und Hirsche.

Mittel- und Südasien mit seinen Jnseln und der westliche Theil von Mittelafrika sind die Hei-
mat der Moschusthiere. Dort leben die größeren Arten in den felsigsten Gegenden der Hochgebirge,
selten in der Nähe der Wälder, welche sie nur bisweilen besuchen, und noch seltener in den Thälern,
in welche sie eigentlich blos dann herabstreichen, wenn sie der strenge Winter von ihren Höhen ver-
treibt und der Nahrungsmangel sie zwingt, sich nach günstigeren Gegenden zu wenden. Die
kleinen Arten wohnen jedoch auch in dichteren Waldungen auf dem Gebirge und in felsigen, busch-
reichen Gegenden, selbst in der Nähe bewohnter Orte. Bei weitem die meisten leben einzeln,
oder blos zur Fortpflanzungszeit paarweise; nur eine Art schlägt sich in größere Rudel zusammen.

Wie bei den meisten Wiederkäuern beginnt das Leben auch der Moschusthiere erst nach
Sonnenuntergang; den Tag über liegen sie an verborgenen Orten versteckt und schlafen. Sie sind
lebhaft und behend, leicht und schnell in ihren Bewegungen, springen und klettern vortrefflich und
laufen gemsengleich über die Schneefelder hinweg. Die Arten, welche in der Tiefe leben, sind zwar
auch gewandt und rasch, jedoch nicht so ausdauernd, als jene, welche das Gebirge bewohnen. Alle
sind sehr scheu und furchtsam und versuchen bei der geringsten Gefahr zu entfliehen. Dabei gebrauchen
Einige ein eigenes Verstellungsmittel, wie das Opossum: sie stellen sich todt und springen dann
plötzlich auf und davon. Ueberhaupt kann man die Thiere listig und berechnend nennen. An die
Gefangenschaft gewöhnen sie sich sehr bald; sie lassen sich ohne Umstände zähmen und schließen mit
den Menschen ziemlich innige Freundschaft, ohne jedoch die ihnen angeborene Scheu gänzlich zu
verlieren.

Die Vermehrung unserer Thiere ist gering. Sie setzen blos ein oder höchstens zwei Junge, und
zwar in ziemlich langen Zwischenräumen. Man jagt die Moschusthiere ihres Fleisches und ihres
Felles wegen; die eine Art aber auch ganz besonders des Moschus halber, welcher, wie bekannt, noch
heutigen Tages als ein höchst wichtiges Arzneimittel angesehen wird.

Gegenwärtig kennt man mit Sicherheit blos sechs Arten dieser Thiere, von denen wir zwei Ar-
ten, die Vertreter eigener Sippen, näher betrachten wollen.

Die erste Sippe (Moschus) zeichnet sich durch sehr lange Eckzähne und ganz behaarte Hinterfüße,
sowie den Beutel mit Moschus vor den übrigen aus. Sie enthält nur eine oder höchstens zwei Arten,
je nachdem man das indische oder sibirische Moschusthier vereinigt oder trennt. Die meisten Naturfor-
scher nehmen nur die eine Art (Moschus moschiferus) an. Das Moschusthier ist ein zierlicher Wiederkäuer
von Rehgröße, also von 21/2 Fuß Leibeslänge und 2 Fuß Höhe, gedrungen gebaut, am Hintertheil
höher gestellt, als vorn, schlankläufig, kurzhalsig mit länglichem, an der Schnauze stumpf zugerun-
detem Kopfe, welcher mittelgroße, langgewimperte Augen mit sehr beweglichem Stern und eigestaltete
Ohren von halber Kopfeslänge trägt. Ziemlich kleine, lange, schmale und spitze Hufe umschließen
den Fuß; sie können aber vermöge einer zwischen ihnen befindlichen Hautfalte sehr breit gestellt
werden, und ermöglichen in Verbindung mit den bis auf den Boden herabreichenden Afterklauen
ein sicheres und unbeschwerliches Dahinschreiten auf Schneefeldern oder Gletschern. Der Schwanz
ist kurz und dick, fast dreieckig gestaltet, bei dem Bock mit Ausnahme der Spitze nackt, hier
aber mit einem Haarbüschel besetzt. Ein dicht anliegendes Haarkleid von rothbrauner Gesammt-
färbung, welches sich zu beiden Seiten der Brust, zwischen den Hinterschenkeln und am Halse
verlängert, bedeckt den Leib. Die Einzelhaare sind starr, ziemlich lang, dick und kraus gedreht.
Sie zeigen den vollkommensten Zellenbau unter allen Haargebilden. Die Eckzähne ragen bei dem
Männchen zwei bis drei Zoll aus dem Maule hervor und sind sanft nach auswärts, dann sichel-
förmig nach hinten zu gebogen. Jhre Außenseite ist flach gewölbt, der Hinterrand zusammenge-
drückt und schneidend, die Spitze sehr scharf. Das Weibchen hat ebenfalls Eckzähne; sie treten aber
nicht über die Lippen heraus.

Die Moſchusthiere. — Das echte Moſchusthier.
gewendet ſind. 14 bis 15 Wirbel tragen Rippen, 5 bis 6 ſind rippenlos, 4 bis 6 bilden das Kreuz-
bein und 13 den Schwanz. Die Weichtheile ähneln denen der Antilopen und Hirſche.

Mittel- und Südaſien mit ſeinen Jnſeln und der weſtliche Theil von Mittelafrika ſind die Hei-
mat der Moſchusthiere. Dort leben die größeren Arten in den felſigſten Gegenden der Hochgebirge,
ſelten in der Nähe der Wälder, welche ſie nur bisweilen beſuchen, und noch ſeltener in den Thälern,
in welche ſie eigentlich blos dann herabſtreichen, wenn ſie der ſtrenge Winter von ihren Höhen ver-
treibt und der Nahrungsmangel ſie zwingt, ſich nach günſtigeren Gegenden zu wenden. Die
kleinen Arten wohnen jedoch auch in dichteren Waldungen auf dem Gebirge und in felſigen, buſch-
reichen Gegenden, ſelbſt in der Nähe bewohnter Orte. Bei weitem die meiſten leben einzeln,
oder blos zur Fortpflanzungszeit paarweiſe; nur eine Art ſchlägt ſich in größere Rudel zuſammen.

Wie bei den meiſten Wiederkäuern beginnt das Leben auch der Moſchusthiere erſt nach
Sonnenuntergang; den Tag über liegen ſie an verborgenen Orten verſteckt und ſchlafen. Sie ſind
lebhaft und behend, leicht und ſchnell in ihren Bewegungen, ſpringen und klettern vortrefflich und
laufen gemſengleich über die Schneefelder hinweg. Die Arten, welche in der Tiefe leben, ſind zwar
auch gewandt und raſch, jedoch nicht ſo ausdauernd, als jene, welche das Gebirge bewohnen. Alle
ſind ſehr ſcheu und furchtſam und verſuchen bei der geringſten Gefahr zu entfliehen. Dabei gebrauchen
Einige ein eigenes Verſtellungsmittel, wie das Opoſſum: ſie ſtellen ſich todt und ſpringen dann
plötzlich auf und davon. Ueberhaupt kann man die Thiere liſtig und berechnend nennen. An die
Gefangenſchaft gewöhnen ſie ſich ſehr bald; ſie laſſen ſich ohne Umſtände zähmen und ſchließen mit
den Menſchen ziemlich innige Freundſchaft, ohne jedoch die ihnen angeborene Scheu gänzlich zu
verlieren.

Die Vermehrung unſerer Thiere iſt gering. Sie ſetzen blos ein oder höchſtens zwei Junge, und
zwar in ziemlich langen Zwiſchenräumen. Man jagt die Moſchusthiere ihres Fleiſches und ihres
Felles wegen; die eine Art aber auch ganz beſonders des Moſchus halber, welcher, wie bekannt, noch
heutigen Tages als ein höchſt wichtiges Arzneimittel angeſehen wird.

Gegenwärtig kennt man mit Sicherheit blos ſechs Arten dieſer Thiere, von denen wir zwei Ar-
ten, die Vertreter eigener Sippen, näher betrachten wollen.

Die erſte Sippe (Moschus) zeichnet ſich durch ſehr lange Eckzähne und ganz behaarte Hinterfüße,
ſowie den Beutel mit Moſchus vor den übrigen aus. Sie enthält nur eine oder höchſtens zwei Arten,
je nachdem man das indiſche oder ſibiriſche Moſchusthier vereinigt oder trennt. Die meiſten Naturfor-
ſcher nehmen nur die eine Art (Moschus moschiferus) an. Das Moſchusthier iſt ein zierlicher Wiederkäuer
von Rehgröße, alſo von 2½ Fuß Leibeslänge und 2 Fuß Höhe, gedrungen gebaut, am Hintertheil
höher geſtellt, als vorn, ſchlankläufig, kurzhalſig mit länglichem, an der Schnauze ſtumpf zugerun-
detem Kopfe, welcher mittelgroße, langgewimperte Augen mit ſehr beweglichem Stern und eigeſtaltete
Ohren von halber Kopfeslänge trägt. Ziemlich kleine, lange, ſchmale und ſpitze Hufe umſchließen
den Fuß; ſie können aber vermöge einer zwiſchen ihnen befindlichen Hautfalte ſehr breit geſtellt
werden, und ermöglichen in Verbindung mit den bis auf den Boden herabreichenden Afterklauen
ein ſicheres und unbeſchwerliches Dahinſchreiten auf Schneefeldern oder Gletſchern. Der Schwanz
iſt kurz und dick, faſt dreieckig geſtaltet, bei dem Bock mit Ausnahme der Spitze nackt, hier
aber mit einem Haarbüſchel beſetzt. Ein dicht anliegendes Haarkleid von rothbrauner Geſammt-
färbung, welches ſich zu beiden Seiten der Bruſt, zwiſchen den Hinterſchenkeln und am Halſe
verlängert, bedeckt den Leib. Die Einzelhaare ſind ſtarr, ziemlich lang, dick und kraus gedreht.
Sie zeigen den vollkommenſten Zellenbau unter allen Haargebilden. Die Eckzähne ragen bei dem
Männchen zwei bis drei Zoll aus dem Maule hervor und ſind ſanft nach auswärts, dann ſichel-
förmig nach hinten zu gebogen. Jhre Außenſeite iſt flach gewölbt, der Hinterrand zuſammenge-
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nicht über die Lippen heraus.

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[414/0438] Die Moſchusthiere. — Das echte Moſchusthier. gewendet ſind. 14 bis 15 Wirbel tragen Rippen, 5 bis 6 ſind rippenlos, 4 bis 6 bilden das Kreuz- bein und 13 den Schwanz. Die Weichtheile ähneln denen der Antilopen und Hirſche. Mittel- und Südaſien mit ſeinen Jnſeln und der weſtliche Theil von Mittelafrika ſind die Hei- mat der Moſchusthiere. Dort leben die größeren Arten in den felſigſten Gegenden der Hochgebirge, ſelten in der Nähe der Wälder, welche ſie nur bisweilen beſuchen, und noch ſeltener in den Thälern, in welche ſie eigentlich blos dann herabſtreichen, wenn ſie der ſtrenge Winter von ihren Höhen ver- treibt und der Nahrungsmangel ſie zwingt, ſich nach günſtigeren Gegenden zu wenden. Die kleinen Arten wohnen jedoch auch in dichteren Waldungen auf dem Gebirge und in felſigen, buſch- reichen Gegenden, ſelbſt in der Nähe bewohnter Orte. Bei weitem die meiſten leben einzeln, oder blos zur Fortpflanzungszeit paarweiſe; nur eine Art ſchlägt ſich in größere Rudel zuſammen. Wie bei den meiſten Wiederkäuern beginnt das Leben auch der Moſchusthiere erſt nach Sonnenuntergang; den Tag über liegen ſie an verborgenen Orten verſteckt und ſchlafen. Sie ſind lebhaft und behend, leicht und ſchnell in ihren Bewegungen, ſpringen und klettern vortrefflich und laufen gemſengleich über die Schneefelder hinweg. Die Arten, welche in der Tiefe leben, ſind zwar auch gewandt und raſch, jedoch nicht ſo ausdauernd, als jene, welche das Gebirge bewohnen. Alle ſind ſehr ſcheu und furchtſam und verſuchen bei der geringſten Gefahr zu entfliehen. Dabei gebrauchen Einige ein eigenes Verſtellungsmittel, wie das Opoſſum: ſie ſtellen ſich todt und ſpringen dann plötzlich auf und davon. Ueberhaupt kann man die Thiere liſtig und berechnend nennen. An die Gefangenſchaft gewöhnen ſie ſich ſehr bald; ſie laſſen ſich ohne Umſtände zähmen und ſchließen mit den Menſchen ziemlich innige Freundſchaft, ohne jedoch die ihnen angeborene Scheu gänzlich zu verlieren. Die Vermehrung unſerer Thiere iſt gering. Sie ſetzen blos ein oder höchſtens zwei Junge, und zwar in ziemlich langen Zwiſchenräumen. Man jagt die Moſchusthiere ihres Fleiſches und ihres Felles wegen; die eine Art aber auch ganz beſonders des Moſchus halber, welcher, wie bekannt, noch heutigen Tages als ein höchſt wichtiges Arzneimittel angeſehen wird. Gegenwärtig kennt man mit Sicherheit blos ſechs Arten dieſer Thiere, von denen wir zwei Ar- ten, die Vertreter eigener Sippen, näher betrachten wollen. Die erſte Sippe (Moschus) zeichnet ſich durch ſehr lange Eckzähne und ganz behaarte Hinterfüße, ſowie den Beutel mit Moſchus vor den übrigen aus. Sie enthält nur eine oder höchſtens zwei Arten, je nachdem man das indiſche oder ſibiriſche Moſchusthier vereinigt oder trennt. Die meiſten Naturfor- ſcher nehmen nur die eine Art (Moschus moschiferus) an. Das Moſchusthier iſt ein zierlicher Wiederkäuer von Rehgröße, alſo von 2½ Fuß Leibeslänge und 2 Fuß Höhe, gedrungen gebaut, am Hintertheil höher geſtellt, als vorn, ſchlankläufig, kurzhalſig mit länglichem, an der Schnauze ſtumpf zugerun- detem Kopfe, welcher mittelgroße, langgewimperte Augen mit ſehr beweglichem Stern und eigeſtaltete Ohren von halber Kopfeslänge trägt. Ziemlich kleine, lange, ſchmale und ſpitze Hufe umſchließen den Fuß; ſie können aber vermöge einer zwiſchen ihnen befindlichen Hautfalte ſehr breit geſtellt werden, und ermöglichen in Verbindung mit den bis auf den Boden herabreichenden Afterklauen ein ſicheres und unbeſchwerliches Dahinſchreiten auf Schneefeldern oder Gletſchern. Der Schwanz iſt kurz und dick, faſt dreieckig geſtaltet, bei dem Bock mit Ausnahme der Spitze nackt, hier aber mit einem Haarbüſchel beſetzt. Ein dicht anliegendes Haarkleid von rothbrauner Geſammt- färbung, welches ſich zu beiden Seiten der Bruſt, zwiſchen den Hinterſchenkeln und am Halſe verlängert, bedeckt den Leib. Die Einzelhaare ſind ſtarr, ziemlich lang, dick und kraus gedreht. Sie zeigen den vollkommenſten Zellenbau unter allen Haargebilden. Die Eckzähne ragen bei dem Männchen zwei bis drei Zoll aus dem Maule hervor und ſind ſanft nach auswärts, dann ſichel- förmig nach hinten zu gebogen. Jhre Außenſeite iſt flach gewölbt, der Hinterrand zuſammenge- drückt und ſchneidend, die Spitze ſehr ſcharf. Das Weibchen hat ebenfalls Eckzähne; ſie treten aber nicht über die Lippen heraus.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/438>, abgerufen am 23.11.2024.