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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das echte Moschusthier.

Außer diesen Zähnen ist der Moschusbeutel unstreitig das Merkwürdigste an unserem Thiere.
Diese eigenthümliche Drüse liegt am Hinterbauche zwischen Nabel und Geschlechtstheilen und erscheint
als ein sackförmiger, etwas hervorragender, rundlicher Beutel von 2 bis 21/2 Zoll Länge, 11/4 Zoll
Breite und 11/2 bis 3/4 Zoll Höhe. Straff anliegende, gegen einander geneigte Haare besetzen ihn
von beiden Seiten, lassen aber auf der Mitte eine kreisförmige Stelle kahl. Hier liegen zwei
kleine Oeffnungen hinter einander, welche durch kurze Röhren mit dem Beutel selbst in Verbindung
stehen. Die vordere, halbmondförmige ist außen mit gröberem, innen mit feinem, langen und
verworrenen Haar besetzt; die hintere, welche mit den Geschlechtstheilen in Verbindung steht, wird
von einem Büschel langer Grannen umgeben. Feine Drüsen im Jnneren des Beutels sondern den
Moschus ab, und durch die erste Röhre wird der Beutel entleert, wenn er zu voll ist. Erst bei
dem erwachsenen Moschusthiere hat der Beutel seine volle Größe und seinen vollen Gehalt an Mo-
schus erlangt. Man darf als Durchschnittsmenge zwei Loth des kostbaren Stoffes annehmen; doch
hat man in einzelnen Beuteln auch schon mehr als vier Loth gefunden. Junge Böcke liefern etwa

[Abbildung] Das Moschusthier (Moschus moschiferus).
1/4 Loth. Bei Lebzeiten des Thieres ist der Moschus selbst salbenartig; getrocknet wird er zu einer
körnigen oder pulverigen Masse, welche anfänglich eine rothbraune Färbung zeigt, mit der Zeit aber
kohlschwarz wird. Der Geruch nimmt in demselben Maße ab, als der Moschus dunkler wird. Er
verliert sich gänzlich, wenn man den sonderbaren Stoff mit Schwefel, Goldschwefel oder Kampfer
vermischt. Jn kaltem Wasser löst er sich etwa zu 3/4, in kochendem zu 4/5 , in Weingeist ungefähr zur
Hälfte auf. Beim Erhitzen verbrennt er unter Entwickelung eines peinlichen Gestankes.

Weder die Griechen, noch die Römer wußten Etwas von dem Moschusthier, obgleich sie, wie
Oken treffend bemerkt, in wohlriechende Salben ganz vernarrt waren und diese meist aus Jndien
und Arabien erhielten. Die Chinesen dagegen verwandten den Moschus bereits seit Jahrtausenden.
Wir haben die erste Kunde durch die Araber erhalten. Schon Abu Senna sagt, daß der beste
Moschus aus Tibet käme und in dem Nabel eines antilopenartigen Thieres gefunden werde, aus
dessen Maule zwei Eckzähne wie Hörner vorstehen; Mosadius fügt Dem hinzu, daß der tibeta-
nische Moschus aus dem Grunde besser als der chinesische sei, weil das Thier in Tibet die Narde
und andere wohlriechende Kräuter fresse, welche in China fehlen. Um das Jahr 1300 gab Marco

Das echte Moſchusthier.

Außer dieſen Zähnen iſt der Moſchusbeutel unſtreitig das Merkwürdigſte an unſerem Thiere.
Dieſe eigenthümliche Drüſe liegt am Hinterbauche zwiſchen Nabel und Geſchlechtstheilen und erſcheint
als ein ſackförmiger, etwas hervorragender, rundlicher Beutel von 2 bis 2½ Zoll Länge, 1¼ Zoll
Breite und 1½ bis ¾ Zoll Höhe. Straff anliegende, gegen einander geneigte Haare beſetzen ihn
von beiden Seiten, laſſen aber auf der Mitte eine kreisförmige Stelle kahl. Hier liegen zwei
kleine Oeffnungen hinter einander, welche durch kurze Röhren mit dem Beutel ſelbſt in Verbindung
ſtehen. Die vordere, halbmondförmige iſt außen mit gröberem, innen mit feinem, langen und
verworrenen Haar beſetzt; die hintere, welche mit den Geſchlechtstheilen in Verbindung ſteht, wird
von einem Büſchel langer Grannen umgeben. Feine Drüſen im Jnneren des Beutels ſondern den
Moſchus ab, und durch die erſte Röhre wird der Beutel entleert, wenn er zu voll iſt. Erſt bei
dem erwachſenen Moſchusthiere hat der Beutel ſeine volle Größe und ſeinen vollen Gehalt an Mo-
ſchus erlangt. Man darf als Durchſchnittsmenge zwei Loth des koſtbaren Stoffes annehmen; doch
hat man in einzelnen Beuteln auch ſchon mehr als vier Loth gefunden. Junge Böcke liefern etwa

[Abbildung] Das Moſchusthier (Moschus moschiferus).
¼ Loth. Bei Lebzeiten des Thieres iſt der Moſchus ſelbſt ſalbenartig; getrocknet wird er zu einer
körnigen oder pulverigen Maſſe, welche anfänglich eine rothbraune Färbung zeigt, mit der Zeit aber
kohlſchwarz wird. Der Geruch nimmt in demſelben Maße ab, als der Moſchus dunkler wird. Er
verliert ſich gänzlich, wenn man den ſonderbaren Stoff mit Schwefel, Goldſchwefel oder Kampfer
vermiſcht. Jn kaltem Waſſer löſt er ſich etwa zu ¾, in kochendem zu ⅘, in Weingeiſt ungefähr zur
Hälfte auf. Beim Erhitzen verbrennt er unter Entwickelung eines peinlichen Geſtankes.

Weder die Griechen, noch die Römer wußten Etwas von dem Moſchusthier, obgleich ſie, wie
Oken treffend bemerkt, in wohlriechende Salben ganz vernarrt waren und dieſe meiſt aus Jndien
und Arabien erhielten. Die Chineſen dagegen verwandten den Moſchus bereits ſeit Jahrtauſenden.
Wir haben die erſte Kunde durch die Araber erhalten. Schon Abu Senna ſagt, daß der beſte
Moſchus aus Tibet käme und in dem Nabel eines antilopenartigen Thieres gefunden werde, aus
deſſen Maule zwei Eckzähne wie Hörner vorſtehen; Moſadius fügt Dem hinzu, daß der tibeta-
niſche Moſchus aus dem Grunde beſſer als der chineſiſche ſei, weil das Thier in Tibet die Narde
und andere wohlriechende Kräuter freſſe, welche in China fehlen. Um das Jahr 1300 gab Marco

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[415/0439] Das echte Moſchusthier. Außer dieſen Zähnen iſt der Moſchusbeutel unſtreitig das Merkwürdigſte an unſerem Thiere. Dieſe eigenthümliche Drüſe liegt am Hinterbauche zwiſchen Nabel und Geſchlechtstheilen und erſcheint als ein ſackförmiger, etwas hervorragender, rundlicher Beutel von 2 bis 2½ Zoll Länge, 1¼ Zoll Breite und 1½ bis ¾ Zoll Höhe. Straff anliegende, gegen einander geneigte Haare beſetzen ihn von beiden Seiten, laſſen aber auf der Mitte eine kreisförmige Stelle kahl. Hier liegen zwei kleine Oeffnungen hinter einander, welche durch kurze Röhren mit dem Beutel ſelbſt in Verbindung ſtehen. Die vordere, halbmondförmige iſt außen mit gröberem, innen mit feinem, langen und verworrenen Haar beſetzt; die hintere, welche mit den Geſchlechtstheilen in Verbindung ſteht, wird von einem Büſchel langer Grannen umgeben. Feine Drüſen im Jnneren des Beutels ſondern den Moſchus ab, und durch die erſte Röhre wird der Beutel entleert, wenn er zu voll iſt. Erſt bei dem erwachſenen Moſchusthiere hat der Beutel ſeine volle Größe und ſeinen vollen Gehalt an Mo- ſchus erlangt. Man darf als Durchſchnittsmenge zwei Loth des koſtbaren Stoffes annehmen; doch hat man in einzelnen Beuteln auch ſchon mehr als vier Loth gefunden. Junge Böcke liefern etwa [Abbildung Das Moſchusthier (Moschus moschiferus).] ¼ Loth. Bei Lebzeiten des Thieres iſt der Moſchus ſelbſt ſalbenartig; getrocknet wird er zu einer körnigen oder pulverigen Maſſe, welche anfänglich eine rothbraune Färbung zeigt, mit der Zeit aber kohlſchwarz wird. Der Geruch nimmt in demſelben Maße ab, als der Moſchus dunkler wird. Er verliert ſich gänzlich, wenn man den ſonderbaren Stoff mit Schwefel, Goldſchwefel oder Kampfer vermiſcht. Jn kaltem Waſſer löſt er ſich etwa zu ¾, in kochendem zu ⅘, in Weingeiſt ungefähr zur Hälfte auf. Beim Erhitzen verbrennt er unter Entwickelung eines peinlichen Geſtankes. Weder die Griechen, noch die Römer wußten Etwas von dem Moſchusthier, obgleich ſie, wie Oken treffend bemerkt, in wohlriechende Salben ganz vernarrt waren und dieſe meiſt aus Jndien und Arabien erhielten. Die Chineſen dagegen verwandten den Moſchus bereits ſeit Jahrtauſenden. Wir haben die erſte Kunde durch die Araber erhalten. Schon Abu Senna ſagt, daß der beſte Moſchus aus Tibet käme und in dem Nabel eines antilopenartigen Thieres gefunden werde, aus deſſen Maule zwei Eckzähne wie Hörner vorſtehen; Moſadius fügt Dem hinzu, daß der tibeta- niſche Moſchus aus dem Grunde beſſer als der chineſiſche ſei, weil das Thier in Tibet die Narde und andere wohlriechende Kräuter freſſe, welche in China fehlen. Um das Jahr 1300 gab Marco

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/439>, abgerufen am 23.11.2024.