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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Lamas. -- Die Vicunda.
schreiben; denn die Beobachtung weist nach, daß die wurmkranken Thiere fast ausschließlich während
der nassen Jahreszeit gefunden werden."

"Das Geschrei dieser Thiere läßt sich schwer beschreiben, ist aber doch so bezeichnend, daß man
es, einmal gehört, nicht wieder vergißt. Es ist bei jeder Art verschieden, ein geübtes Ohr erkennt
an den kurzen, abgebrochenen Tönen augenblicklich, von welcher der vier Arten sie kommen. Die
reine dünne Luft trägt diese durchdringenden Töne bis in weite Ferne, von wo aus auch ein sehr
scharfes Auge die Thiere noch nicht entdecken kann."

Acosta theilt uns mit, daß die Vicundas sehr flüchtig und furchtsam sind und augenblicklich vor
den Jägern und selbst vor anderen Thieren davonlaufen, wobei sie ihre Jungen vor sich her-
treiben. Sie vermehren sich nicht stark, und deshalb haben die Jnkas die Jagd verboten, selbst-
verständlich nur ihren Unterthanen; denn sie stellen der Jagd halber große Feste an. Seit die
Spanier in das Land gekommen sind, haben sich die schönen Thiere wesentlich vermindert, weil
die Christen ihnen weniger Schonung zu Theil werden ließen, als die Jndianer, welche zwar eben-
falls viele von ihnen fingen und tödteten, die Weibchen aber laufen ließen und somit der Vermeh-
rung keinen Eintrag thaten. Jn der Neuzeit scheint Dies anders geworden zu sein, wie aus den
Berichten Tschudi's hervorgehen dürfte.

"Die Jndianer," sagt er, "bedienen sich nur selten der Feuergewehre, um die Vicundas zu
erlegen. Sie stellen Jagden an, zu welchen jede Familie der Hochebene wenigstens einen Mann
stellen muß; die Wittwen gehen als Köchinnen mit. Es werden Stöcke und ungeheure Knäuel
von Bindfaden mitgenommen. Jn einer passenden Ebene werden die Stöcke, je 12 bis 15 Schritte
von einander, in die Erde gesteckt und durch Bindfaden in der Höhe von 21/2 Fuß mit einander
verbunden. Auf diese Weise wird ein kreisförmiger Raum von einer halben Stunde Umfang ab-
gesteckt, indem auf einer Seite ein Eingang von ein paar hundert Schritten Breite offen gelassen
wird. Die Weiber hängen an die Schnur des Umkreises bunte Lappen, welche vom Winde hin und her
geweht werden. Sobald Alles fertig ist, zerstreuen sich die Männer, von denen ein Theil beritten
ist, und treiben von vielen Meilen in der Runde alle Rudel von Vicundas durch den Eingang in den
Kreis. Wenn eine gehörige Anzahl versammelt ist, wird dieser geschlossen. Die scheuen Thiere
wagen nicht, über den Faden mit den flatternden Fetzen zu springen, und werden leicht mit dem
Bolas erlegt. Die Bolas bestehen aus drei Kugeln, zwei schweren und einer leichteren, von Blei
oder Steinen, die an langen Schnüren, aus den Sehnen von Vicundas gedreht, befestigt sind. Diese
Schnüre werden an ihren freien Enden zusammengeknüpft. Beim Gebrauche wird die leichtere
Kugel in die Hand genommen und die beiden übrigen in weiten Kreisen über den Kopf ge-
schwungen. Jn der gehörigen Entfernung vom Ziele, nämlich 15 bis 20 Schritte, wird die Hand-
kugel auch losgelassen, und nun schwirren alle drei im Kreise auf den bestimmten Punkt los und
schlingen sich um den Gegenstand, den sie treffen. Den Thieren wird gewöhnlich nach den Hinter-
füßen gezielt. Die Bolas binden diese so fest zusammen, daß jede Bewegung gehemmt ist und das
Thier stürzt. Es braucht große Gewandtheit und lange Uebung, um sich der Bolas geschickt zu
bedienen, besonders zu Pferde; denn nicht selten verwundet der Neuling sich oder sein Thier lebens-
gefährlich. Die mit Bolas gefangenen Vicundas werden abgeschlachtet und das Fleisch den Anwe-
senden gleichmäßig vertheilt. Die Felle hingegen gehören der Kirche."

"Jm Jahre 1827 erließ Bolivar ein Gesetz, demzufolge die gefangenen Vicundas nicht ge-
tödtet, sondern nur geschoren werden sollten. Das Gesetz blieb aber nicht in Kraft; denn das
Scheren dieser Thiere wurde durch ihre Wildheit fast unmöglich gemacht. Zur Zeit der Jnkas
wurden die Jagden in viel großartigerem Maßstabe ausgeführt: sie versammelten jährlich 25 bis
30,000 Jndianer, welche aus einem Umkreise von 20 bis 25 Meilen alles Wild in einen ungeheuren,
auf vorbenannte Weise umzäunten Platz treiben mußten. Bei dem sich immer enger schließenden
Kreise wurden die Reihen der Jndianer zuletzt verdoppelt und vervielfacht, so daß kein Thier ent-
fliehen konnte. Die schädlichen, wie die Bären, Kuguare und Füchse, wurden getödtet, von den

Die Lamas. — Die Vicuña.
ſchreiben; denn die Beobachtung weiſt nach, daß die wurmkranken Thiere faſt ausſchließlich während
der naſſen Jahreszeit gefunden werden.‟

„Das Geſchrei dieſer Thiere läßt ſich ſchwer beſchreiben, iſt aber doch ſo bezeichnend, daß man
es, einmal gehört, nicht wieder vergißt. Es iſt bei jeder Art verſchieden, ein geübtes Ohr erkennt
an den kurzen, abgebrochenen Tönen augenblicklich, von welcher der vier Arten ſie kommen. Die
reine dünne Luft trägt dieſe durchdringenden Töne bis in weite Ferne, von wo aus auch ein ſehr
ſcharfes Auge die Thiere noch nicht entdecken kann.‟

Acoſta theilt uns mit, daß die Vicuñas ſehr flüchtig und furchtſam ſind und augenblicklich vor
den Jägern und ſelbſt vor anderen Thieren davonlaufen, wobei ſie ihre Jungen vor ſich her-
treiben. Sie vermehren ſich nicht ſtark, und deshalb haben die Jnkas die Jagd verboten, ſelbſt-
verſtändlich nur ihren Unterthanen; denn ſie ſtellen der Jagd halber große Feſte an. Seit die
Spanier in das Land gekommen ſind, haben ſich die ſchönen Thiere weſentlich vermindert, weil
die Chriſten ihnen weniger Schonung zu Theil werden ließen, als die Jndianer, welche zwar eben-
falls viele von ihnen fingen und tödteten, die Weibchen aber laufen ließen und ſomit der Vermeh-
rung keinen Eintrag thaten. Jn der Neuzeit ſcheint Dies anders geworden zu ſein, wie aus den
Berichten Tſchudi’s hervorgehen dürfte.

„Die Jndianer,‟ ſagt er, „bedienen ſich nur ſelten der Feuergewehre, um die Vicuñas zu
erlegen. Sie ſtellen Jagden an, zu welchen jede Familie der Hochebene wenigſtens einen Mann
ſtellen muß; die Wittwen gehen als Köchinnen mit. Es werden Stöcke und ungeheure Knäuel
von Bindfaden mitgenommen. Jn einer paſſenden Ebene werden die Stöcke, je 12 bis 15 Schritte
von einander, in die Erde geſteckt und durch Bindfaden in der Höhe von 2½ Fuß mit einander
verbunden. Auf dieſe Weiſe wird ein kreisförmiger Raum von einer halben Stunde Umfang ab-
geſteckt, indem auf einer Seite ein Eingang von ein paar hundert Schritten Breite offen gelaſſen
wird. Die Weiber hängen an die Schnur des Umkreiſes bunte Lappen, welche vom Winde hin und her
geweht werden. Sobald Alles fertig iſt, zerſtreuen ſich die Männer, von denen ein Theil beritten
iſt, und treiben von vielen Meilen in der Runde alle Rudel von Vicuñas durch den Eingang in den
Kreis. Wenn eine gehörige Anzahl verſammelt iſt, wird dieſer geſchloſſen. Die ſcheuen Thiere
wagen nicht, über den Faden mit den flatternden Fetzen zu ſpringen, und werden leicht mit dem
Bolas erlegt. Die Bolas beſtehen aus drei Kugeln, zwei ſchweren und einer leichteren, von Blei
oder Steinen, die an langen Schnüren, aus den Sehnen von Vicuñas gedreht, befeſtigt ſind. Dieſe
Schnüre werden an ihren freien Enden zuſammengeknüpft. Beim Gebrauche wird die leichtere
Kugel in die Hand genommen und die beiden übrigen in weiten Kreiſen über den Kopf ge-
ſchwungen. Jn der gehörigen Entfernung vom Ziele, nämlich 15 bis 20 Schritte, wird die Hand-
kugel auch losgelaſſen, und nun ſchwirren alle drei im Kreiſe auf den beſtimmten Punkt los und
ſchlingen ſich um den Gegenſtand, den ſie treffen. Den Thieren wird gewöhnlich nach den Hinter-
füßen gezielt. Die Bolas binden dieſe ſo feſt zuſammen, daß jede Bewegung gehemmt iſt und das
Thier ſtürzt. Es braucht große Gewandtheit und lange Uebung, um ſich der Bolas geſchickt zu
bedienen, beſonders zu Pferde; denn nicht ſelten verwundet der Neuling ſich oder ſein Thier lebens-
gefährlich. Die mit Bolas gefangenen Vicuñas werden abgeſchlachtet und das Fleiſch den Anwe-
ſenden gleichmäßig vertheilt. Die Felle hingegen gehören der Kirche.‟

„Jm Jahre 1827 erließ Bolivar ein Geſetz, demzufolge die gefangenen Vicuñas nicht ge-
tödtet, ſondern nur geſchoren werden ſollten. Das Geſetz blieb aber nicht in Kraft; denn das
Scheren dieſer Thiere wurde durch ihre Wildheit faſt unmöglich gemacht. Zur Zeit der Jnkas
wurden die Jagden in viel großartigerem Maßſtabe ausgeführt: ſie verſammelten jährlich 25 bis
30,000 Jndianer, welche aus einem Umkreiſe von 20 bis 25 Meilen alles Wild in einen ungeheuren,
auf vorbenannte Weiſe umzäunten Platz treiben mußten. Bei dem ſich immer enger ſchließenden
Kreiſe wurden die Reihen der Jndianer zuletzt verdoppelt und vervielfacht, ſo daß kein Thier ent-
fliehen konnte. Die ſchädlichen, wie die Bären, Kuguare und Füchſe, wurden getödtet, von den

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[412/0436] Die Lamas. — Die Vicuña. ſchreiben; denn die Beobachtung weiſt nach, daß die wurmkranken Thiere faſt ausſchließlich während der naſſen Jahreszeit gefunden werden.‟ „Das Geſchrei dieſer Thiere läßt ſich ſchwer beſchreiben, iſt aber doch ſo bezeichnend, daß man es, einmal gehört, nicht wieder vergißt. Es iſt bei jeder Art verſchieden, ein geübtes Ohr erkennt an den kurzen, abgebrochenen Tönen augenblicklich, von welcher der vier Arten ſie kommen. Die reine dünne Luft trägt dieſe durchdringenden Töne bis in weite Ferne, von wo aus auch ein ſehr ſcharfes Auge die Thiere noch nicht entdecken kann.‟ Acoſta theilt uns mit, daß die Vicuñas ſehr flüchtig und furchtſam ſind und augenblicklich vor den Jägern und ſelbſt vor anderen Thieren davonlaufen, wobei ſie ihre Jungen vor ſich her- treiben. Sie vermehren ſich nicht ſtark, und deshalb haben die Jnkas die Jagd verboten, ſelbſt- verſtändlich nur ihren Unterthanen; denn ſie ſtellen der Jagd halber große Feſte an. Seit die Spanier in das Land gekommen ſind, haben ſich die ſchönen Thiere weſentlich vermindert, weil die Chriſten ihnen weniger Schonung zu Theil werden ließen, als die Jndianer, welche zwar eben- falls viele von ihnen fingen und tödteten, die Weibchen aber laufen ließen und ſomit der Vermeh- rung keinen Eintrag thaten. Jn der Neuzeit ſcheint Dies anders geworden zu ſein, wie aus den Berichten Tſchudi’s hervorgehen dürfte. „Die Jndianer,‟ ſagt er, „bedienen ſich nur ſelten der Feuergewehre, um die Vicuñas zu erlegen. Sie ſtellen Jagden an, zu welchen jede Familie der Hochebene wenigſtens einen Mann ſtellen muß; die Wittwen gehen als Köchinnen mit. Es werden Stöcke und ungeheure Knäuel von Bindfaden mitgenommen. Jn einer paſſenden Ebene werden die Stöcke, je 12 bis 15 Schritte von einander, in die Erde geſteckt und durch Bindfaden in der Höhe von 2½ Fuß mit einander verbunden. Auf dieſe Weiſe wird ein kreisförmiger Raum von einer halben Stunde Umfang ab- geſteckt, indem auf einer Seite ein Eingang von ein paar hundert Schritten Breite offen gelaſſen wird. Die Weiber hängen an die Schnur des Umkreiſes bunte Lappen, welche vom Winde hin und her geweht werden. Sobald Alles fertig iſt, zerſtreuen ſich die Männer, von denen ein Theil beritten iſt, und treiben von vielen Meilen in der Runde alle Rudel von Vicuñas durch den Eingang in den Kreis. Wenn eine gehörige Anzahl verſammelt iſt, wird dieſer geſchloſſen. Die ſcheuen Thiere wagen nicht, über den Faden mit den flatternden Fetzen zu ſpringen, und werden leicht mit dem Bolas erlegt. Die Bolas beſtehen aus drei Kugeln, zwei ſchweren und einer leichteren, von Blei oder Steinen, die an langen Schnüren, aus den Sehnen von Vicuñas gedreht, befeſtigt ſind. Dieſe Schnüre werden an ihren freien Enden zuſammengeknüpft. Beim Gebrauche wird die leichtere Kugel in die Hand genommen und die beiden übrigen in weiten Kreiſen über den Kopf ge- ſchwungen. Jn der gehörigen Entfernung vom Ziele, nämlich 15 bis 20 Schritte, wird die Hand- kugel auch losgelaſſen, und nun ſchwirren alle drei im Kreiſe auf den beſtimmten Punkt los und ſchlingen ſich um den Gegenſtand, den ſie treffen. Den Thieren wird gewöhnlich nach den Hinter- füßen gezielt. Die Bolas binden dieſe ſo feſt zuſammen, daß jede Bewegung gehemmt iſt und das Thier ſtürzt. Es braucht große Gewandtheit und lange Uebung, um ſich der Bolas geſchickt zu bedienen, beſonders zu Pferde; denn nicht ſelten verwundet der Neuling ſich oder ſein Thier lebens- gefährlich. Die mit Bolas gefangenen Vicuñas werden abgeſchlachtet und das Fleiſch den Anwe- ſenden gleichmäßig vertheilt. Die Felle hingegen gehören der Kirche.‟ „Jm Jahre 1827 erließ Bolivar ein Geſetz, demzufolge die gefangenen Vicuñas nicht ge- tödtet, ſondern nur geſchoren werden ſollten. Das Geſetz blieb aber nicht in Kraft; denn das Scheren dieſer Thiere wurde durch ihre Wildheit faſt unmöglich gemacht. Zur Zeit der Jnkas wurden die Jagden in viel großartigerem Maßſtabe ausgeführt: ſie verſammelten jährlich 25 bis 30,000 Jndianer, welche aus einem Umkreiſe von 20 bis 25 Meilen alles Wild in einen ungeheuren, auf vorbenannte Weiſe umzäunten Platz treiben mußten. Bei dem ſich immer enger ſchließenden Kreiſe wurden die Reihen der Jndianer zuletzt verdoppelt und vervielfacht, ſo daß kein Thier ent- fliehen konnte. Die ſchädlichen, wie die Bären, Kuguare und Füchſe, wurden getödtet, von den

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/436>, abgerufen am 18.05.2024.