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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
unerträglicher aber, als der Schritt, ist der Galopp eines Kamels für den Reiter. Bei großer Wuth
kommt es vor, daß ein Kamel in Galopp verfällt. Es ist nicht im Stande, diese Gangart lange aus-
zuhalten, aber es braucht Das auch nicht; denn gewöhnlich liegt der nicht ganz sattelfeste Reiter schon
in den ersten drei Minuten unten auf der Erde, und das Kamel trabt lustig davon und verfällt dann
auch gleich wieder in seinen gewöhnlichen Schritt. Aus diesen Gründen hat der Araber seine Reit-
kamele gewöhnt, blos Trab zu gehen. Sie verstehen diese Gangart auch wirklich meisterhaft -- doch
davon später.

Jn Gebirgsgegenden ist das Kamel nur in sehr beschränktem Maße zu gebrauchen, weil ihm
das Klettern sehr beschwerlich fällt. Namentlich bergab kann es, weil es ziemlich stark überbaut ist,
nur mit äußerster Vorsicht gehen. Doch sieht man auf der Weide die Kamele immerhin einigermaßen
klettern, freilich so tölpelhaft, als möglich. Noch ungeschickter benimmt sich das Thier im Wasser.
Schon wenn es in dasselbe getrieben wird, um zu trinken, wie es in Ost-Sudahn oft geschieht, geberdet
es sich wie unsinnig; viel schlimmer aber wird die Sache, wenn es einen großen Strom übersetzen
soll. Die Nilanwohner sind oft genöthigt, ihre Kamele von einem Ufer auf das andere zu schaffen
und thun Dies in einer, nach unsern Begriffen wirklich haarsträubenden Weise. Das Kamel kann nicht
schwimmen, sondern geht unter wie Blei, aber gleichwohl muß es schwimmend über den Strom setzen,
weil die Ueberfahrtsbarken nicht nach Art unserer Fähren eingerichtet, sondern gewöhnliche Boote sind,
in welche das ungeschickte Geschöpf nicht wohl gebracht werden kann. Deshalb verfährt man, um
ein Kamel über das Wasser zu schaffen, folgendermaßen: Ein Araber bindet eine Schlinge um den
Kopf und Schwanz, doch so, daß dieselbe nicht würgt, und zieht an dieser das Thier in den Strom
hinab. Zwei oder drei Andere helfen mit der Peitsche gelind nach. Das liebe Thier möchte brüllen nach
Herzenslust, aber die Schlinge läßt es dazu nicht kommen; es möchte entfliehen, allein der Strick hält
aus, und wenn es nicht gutwillig folgt, schnürt die Schlinge die Schnauze doch recht fest zusammen: es
muß also wohl oder übel in das Wasser hinein. So wie es den Grund verliert, zeigt es deutlich,
wie ängstlich ihm die ganze Fahrt vorkommt. Die häßlichen Nüstern öffnen sich, die Augen treten
aus den Höhlen hervor, die Ohren werden krampfhaft auf und nieder bewegt: -- endlich verliert es
den Grund. Nun packt Einer, welcher weiter hinten im Bote sitzt, unser Thier am Schwanze, ein
Anderer hebt mit der Schlinge den Kopf über das Wasser, so daß es kaum Athem schöpfen kann: --
und dahin geht die Fahrt unter Strampeln und Stampfen des im höchsten Grade unangenehm
berührten Thieres. Wenn es am anderen Ufer ankommt, rennt es gewöhnlich wie rasend davon
und erst, nachdem es sich sicher überzeugt, daß es wieder festen Grund unter den Füßen besitzt, erhält
es nach und nach seine Ruhe wieder.

Die Stimme des Kamels ist ein wahrhaft schanderhaftes Brüllen, welches schwerlich beschrieben
werden kann. Gurgeln und Stöhnen, Knurren, Brummen und Brüllen wechseln in der sonder-
barsten Weise mit einander ab. Unter den Sinnen dürfte das Gehör am besten ausgebildet sein,
obgleich die kleinen Ohren nicht eben geeignete Werkzeuge zu sein scheinen; die blöden Augen stehen
jenem Sinne aber entschieden nach, und der Geruch ist sicher schlecht. Das Gefühl dagegen scheint
fein zu sein, und der Geschmack zeigt sich wenigstens manchmal als vorhanden. Jm Ganzen
aber muß man das Kamel als ein sehr stumpfsinniges Geschöpf betrachten. Nicht viel günstiger fällt
eine Beurtheilung der geistigen Eigenschaften aus. Jch will mir erlauben, Einiges zu wiederholen,
was ich bereits in der Gartenlaube veröffentlicht habe und deshalb einem guten Theil meiner Leser
als bekannt voraussetzen muß. Um ein Kamel würdigen zu können, muß man es unter Umständen
betrachten, wo es die geistigen Eigenschaften auch zu offenbaren vermag, muß man also etwa ein
Kamel sich auswählen, welches eben das Schwerste, was ihm widerfahren kann, ertragen, d. h. mit
anderen Worten, arbeiten soll. Versetzen wir uns einmal im Geiste in das Einbruchsdorf einer
Wüstenstraße!

Die zur Fortschaffung des Gepäckes bestimmten Kamele sind seit gestern angekommen und fressen
mit der unschuldigsten Miene die Wandung einer Strohhütte auf, deren Besitzer eben abwesend ist

Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
unerträglicher aber, als der Schritt, iſt der Galopp eines Kamels für den Reiter. Bei großer Wuth
kommt es vor, daß ein Kamel in Galopp verfällt. Es iſt nicht im Stande, dieſe Gangart lange aus-
zuhalten, aber es braucht Das auch nicht; denn gewöhnlich liegt der nicht ganz ſattelfeſte Reiter ſchon
in den erſten drei Minuten unten auf der Erde, und das Kamel trabt luſtig davon und verfällt dann
auch gleich wieder in ſeinen gewöhnlichen Schritt. Aus dieſen Gründen hat der Araber ſeine Reit-
kamele gewöhnt, blos Trab zu gehen. Sie verſtehen dieſe Gangart auch wirklich meiſterhaft — doch
davon ſpäter.

Jn Gebirgsgegenden iſt das Kamel nur in ſehr beſchränktem Maße zu gebrauchen, weil ihm
das Klettern ſehr beſchwerlich fällt. Namentlich bergab kann es, weil es ziemlich ſtark überbaut iſt,
nur mit äußerſter Vorſicht gehen. Doch ſieht man auf der Weide die Kamele immerhin einigermaßen
klettern, freilich ſo tölpelhaft, als möglich. Noch ungeſchickter benimmt ſich das Thier im Waſſer.
Schon wenn es in daſſelbe getrieben wird, um zu trinken, wie es in Oſt-Sudahn oft geſchieht, geberdet
es ſich wie unſinnig; viel ſchlimmer aber wird die Sache, wenn es einen großen Strom überſetzen
ſoll. Die Nilanwohner ſind oft genöthigt, ihre Kamele von einem Ufer auf das andere zu ſchaffen
und thun Dies in einer, nach unſern Begriffen wirklich haarſträubenden Weiſe. Das Kamel kann nicht
ſchwimmen, ſondern geht unter wie Blei, aber gleichwohl muß es ſchwimmend über den Strom ſetzen,
weil die Ueberfahrtsbarken nicht nach Art unſerer Fähren eingerichtet, ſondern gewöhnliche Boote ſind,
in welche das ungeſchickte Geſchöpf nicht wohl gebracht werden kann. Deshalb verfährt man, um
ein Kamel über das Waſſer zu ſchaffen, folgendermaßen: Ein Araber bindet eine Schlinge um den
Kopf und Schwanz, doch ſo, daß dieſelbe nicht würgt, und zieht an dieſer das Thier in den Strom
hinab. Zwei oder drei Andere helfen mit der Peitſche gelind nach. Das liebe Thier möchte brüllen nach
Herzensluſt, aber die Schlinge läßt es dazu nicht kommen; es möchte entfliehen, allein der Strick hält
aus, und wenn es nicht gutwillig folgt, ſchnürt die Schlinge die Schnauze doch recht feſt zuſammen: es
muß alſo wohl oder übel in das Waſſer hinein. So wie es den Grund verliert, zeigt es deutlich,
wie ängſtlich ihm die ganze Fahrt vorkommt. Die häßlichen Nüſtern öffnen ſich, die Augen treten
aus den Höhlen hervor, die Ohren werden krampfhaft auf und nieder bewegt: — endlich verliert es
den Grund. Nun packt Einer, welcher weiter hinten im Bote ſitzt, unſer Thier am Schwanze, ein
Anderer hebt mit der Schlinge den Kopf über das Waſſer, ſo daß es kaum Athem ſchöpfen kann: —
und dahin geht die Fahrt unter Strampeln und Stampfen des im höchſten Grade unangenehm
berührten Thieres. Wenn es am anderen Ufer ankommt, rennt es gewöhnlich wie raſend davon
und erſt, nachdem es ſich ſicher überzeugt, daß es wieder feſten Grund unter den Füßen beſitzt, erhält
es nach und nach ſeine Ruhe wieder.

Die Stimme des Kamels iſt ein wahrhaft ſchanderhaftes Brüllen, welches ſchwerlich beſchrieben
werden kann. Gurgeln und Stöhnen, Knurren, Brummen und Brüllen wechſeln in der ſonder-
barſten Weiſe mit einander ab. Unter den Sinnen dürfte das Gehör am beſten ausgebildet ſein,
obgleich die kleinen Ohren nicht eben geeignete Werkzeuge zu ſein ſcheinen; die blöden Augen ſtehen
jenem Sinne aber entſchieden nach, und der Geruch iſt ſicher ſchlecht. Das Gefühl dagegen ſcheint
fein zu ſein, und der Geſchmack zeigt ſich wenigſtens manchmal als vorhanden. Jm Ganzen
aber muß man das Kamel als ein ſehr ſtumpfſinniges Geſchöpf betrachten. Nicht viel günſtiger fällt
eine Beurtheilung der geiſtigen Eigenſchaften aus. Jch will mir erlauben, Einiges zu wiederholen,
was ich bereits in der Gartenlaube veröffentlicht habe und deshalb einem guten Theil meiner Leſer
als bekannt vorausſetzen muß. Um ein Kamel würdigen zu können, muß man es unter Umſtänden
betrachten, wo es die geiſtigen Eigenſchaften auch zu offenbaren vermag, muß man alſo etwa ein
Kamel ſich auswählen, welches eben das Schwerſte, was ihm widerfahren kann, ertragen, d. h. mit
anderen Worten, arbeiten ſoll. Verſetzen wir uns einmal im Geiſte in das Einbruchsdorf einer
Wüſtenſtraße!

Die zur Fortſchaffung des Gepäckes beſtimmten Kamele ſind ſeit geſtern angekommen und freſſen
mit der unſchuldigſten Miene die Wandung einer Strohhütte auf, deren Beſitzer eben abweſend iſt

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[389/0413] Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar. unerträglicher aber, als der Schritt, iſt der Galopp eines Kamels für den Reiter. Bei großer Wuth kommt es vor, daß ein Kamel in Galopp verfällt. Es iſt nicht im Stande, dieſe Gangart lange aus- zuhalten, aber es braucht Das auch nicht; denn gewöhnlich liegt der nicht ganz ſattelfeſte Reiter ſchon in den erſten drei Minuten unten auf der Erde, und das Kamel trabt luſtig davon und verfällt dann auch gleich wieder in ſeinen gewöhnlichen Schritt. Aus dieſen Gründen hat der Araber ſeine Reit- kamele gewöhnt, blos Trab zu gehen. Sie verſtehen dieſe Gangart auch wirklich meiſterhaft — doch davon ſpäter. Jn Gebirgsgegenden iſt das Kamel nur in ſehr beſchränktem Maße zu gebrauchen, weil ihm das Klettern ſehr beſchwerlich fällt. Namentlich bergab kann es, weil es ziemlich ſtark überbaut iſt, nur mit äußerſter Vorſicht gehen. Doch ſieht man auf der Weide die Kamele immerhin einigermaßen klettern, freilich ſo tölpelhaft, als möglich. Noch ungeſchickter benimmt ſich das Thier im Waſſer. Schon wenn es in daſſelbe getrieben wird, um zu trinken, wie es in Oſt-Sudahn oft geſchieht, geberdet es ſich wie unſinnig; viel ſchlimmer aber wird die Sache, wenn es einen großen Strom überſetzen ſoll. Die Nilanwohner ſind oft genöthigt, ihre Kamele von einem Ufer auf das andere zu ſchaffen und thun Dies in einer, nach unſern Begriffen wirklich haarſträubenden Weiſe. Das Kamel kann nicht ſchwimmen, ſondern geht unter wie Blei, aber gleichwohl muß es ſchwimmend über den Strom ſetzen, weil die Ueberfahrtsbarken nicht nach Art unſerer Fähren eingerichtet, ſondern gewöhnliche Boote ſind, in welche das ungeſchickte Geſchöpf nicht wohl gebracht werden kann. Deshalb verfährt man, um ein Kamel über das Waſſer zu ſchaffen, folgendermaßen: Ein Araber bindet eine Schlinge um den Kopf und Schwanz, doch ſo, daß dieſelbe nicht würgt, und zieht an dieſer das Thier in den Strom hinab. Zwei oder drei Andere helfen mit der Peitſche gelind nach. Das liebe Thier möchte brüllen nach Herzensluſt, aber die Schlinge läßt es dazu nicht kommen; es möchte entfliehen, allein der Strick hält aus, und wenn es nicht gutwillig folgt, ſchnürt die Schlinge die Schnauze doch recht feſt zuſammen: es muß alſo wohl oder übel in das Waſſer hinein. So wie es den Grund verliert, zeigt es deutlich, wie ängſtlich ihm die ganze Fahrt vorkommt. Die häßlichen Nüſtern öffnen ſich, die Augen treten aus den Höhlen hervor, die Ohren werden krampfhaft auf und nieder bewegt: — endlich verliert es den Grund. Nun packt Einer, welcher weiter hinten im Bote ſitzt, unſer Thier am Schwanze, ein Anderer hebt mit der Schlinge den Kopf über das Waſſer, ſo daß es kaum Athem ſchöpfen kann: — und dahin geht die Fahrt unter Strampeln und Stampfen des im höchſten Grade unangenehm berührten Thieres. Wenn es am anderen Ufer ankommt, rennt es gewöhnlich wie raſend davon und erſt, nachdem es ſich ſicher überzeugt, daß es wieder feſten Grund unter den Füßen beſitzt, erhält es nach und nach ſeine Ruhe wieder. Die Stimme des Kamels iſt ein wahrhaft ſchanderhaftes Brüllen, welches ſchwerlich beſchrieben werden kann. Gurgeln und Stöhnen, Knurren, Brummen und Brüllen wechſeln in der ſonder- barſten Weiſe mit einander ab. Unter den Sinnen dürfte das Gehör am beſten ausgebildet ſein, obgleich die kleinen Ohren nicht eben geeignete Werkzeuge zu ſein ſcheinen; die blöden Augen ſtehen jenem Sinne aber entſchieden nach, und der Geruch iſt ſicher ſchlecht. Das Gefühl dagegen ſcheint fein zu ſein, und der Geſchmack zeigt ſich wenigſtens manchmal als vorhanden. Jm Ganzen aber muß man das Kamel als ein ſehr ſtumpfſinniges Geſchöpf betrachten. Nicht viel günſtiger fällt eine Beurtheilung der geiſtigen Eigenſchaften aus. Jch will mir erlauben, Einiges zu wiederholen, was ich bereits in der Gartenlaube veröffentlicht habe und deshalb einem guten Theil meiner Leſer als bekannt vorausſetzen muß. Um ein Kamel würdigen zu können, muß man es unter Umſtänden betrachten, wo es die geiſtigen Eigenſchaften auch zu offenbaren vermag, muß man alſo etwa ein Kamel ſich auswählen, welches eben das Schwerſte, was ihm widerfahren kann, ertragen, d. h. mit anderen Worten, arbeiten ſoll. Verſetzen wir uns einmal im Geiſte in das Einbruchsdorf einer Wüſtenſtraße! Die zur Fortſchaffung des Gepäckes beſtimmten Kamele ſind ſeit geſtern angekommen und freſſen mit der unſchuldigſten Miene die Wandung einer Strohhütte auf, deren Beſitzer eben abweſend iſt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/413>, abgerufen am 18.05.2024.