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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Kamele. -- Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
fälligen Paß, sie mögen nun im Schritte oder im Trabe laufen: allein dieser Paßgang erscheint bei
abgerichteten Reitkamelen wahrhaft leicht und zierlich. Der gewöhnliche Gang ist ein sonderbares
Dahinstelzen, und das Kamel bewegt dazu bei jedem Schritte noch in so auffallender Weise den
Kopf vor- und rückwärts, daß man sich kaum einen häßlicheren Anblick denken kann, als solche Miß-
gestalt in ihrer langsamen Bewegung. Bringt man aber einen Läufer wirklich in Trab, und gehört
er zu den guten Rassen, welche ohne Unterbrechung in der angefangenen Schrittweise dahinziehen, so
erscheint das schwere Geschöpf leicht und schön. Schon schwer beladene Lastkamele legen bei gewöhn-
lichem Schritt in fünf Stunden Zeit sechs Wegstunden oder drei deutsche Meilen zurück und gehen
in dieser Weise von früh Morgens fünf Uhr an bis Abends sieben Uhr ohne Unterbrechung fort; gute
Reitkamele aber können bequem den dreifachen Raum durchlaufen. Die reiche Phantasie der Bedui-
nen hat die Schnelligkeit eines guten Kamels bei weitem übertrieben; sehr bedeutend ist dieselbe je-
doch immerhin. Man bezeichnet in Afrika die leichten und abgerichteten Reitkamele mit dem Namen
"Hedjihn" oder Pilgerkamele und nennt den auf ihnen Reitenden Hedjahn, versteht aber zunächst
blos die eigentlichen Botenreiter unter diesem Worte. Solche Botenreiter nun legen in kurzer Zeit fast
unglaublich große Entfernungen zurück. Berühmt sind die Kamele, welche in der Nähe von Esneh
in Oberegypten gezüchtet werden, und noch berühmter die wirklich unübertrefflichen der Bischarin im
Ost-Sudahn. Auf einem solchen Hedjihn ritt Mahammed Aali flüchtend in einem Zuge von Kairo
nach Alexandrien und brauchte hierzu nur zwölf Stunden. Da nun die Entfernung zwischen bei-
den Städten mindestens fünfundzwanzig deutsche Meilen beträgt, kann man auf die Schnelligkeit und
Ausdauer dieser Thiere einen Schluß ziehen. Jn Egypten und Nubien nennt man Kamele, welche
zehn Mahadas oder Haltestellen auf dem Karavanenwege in einem Tage durchlaufen, geradezu "Zeh-
ner" (Aaschari) und schätzt sie mit Recht sehr hoch; denn eine Mahada liegt in der Regel zwischen
anderthalb und zwei, auch dritthalb deutsche Meilen von der anderen. Ein solcher Aaschari lief von
Esneh in Oberegypten nach Geneh und fast wieder dahin zurück, war aber so angestrengt worden, daß
er drei deutsche Meilen vor seinem Zielpunkt zusammenbrach. Er hatte in neun Stunden fünfund-
zwanzig deutsche Meilen durchwandert und dabei zwei Mal über den Nil gesetzt, also mindestens noch
eine Stunde an Zeit verloren. Einen solchen Ritt hält kein Pferd ans, es mag so gut sein, als es
will. Jm Anfang übertrifft die Schnelligkeit eines trabenden Pferdes die des Kamels, wenn es im
gleichen Schritte geht; sehr bald aber bleibt das letztere weit zurück und das Kamel trabt nach wie vor
seinen Gang weiter. Läßt man ein Reitkamel in der Mittagszeit ruhen, reitet man sonst aber vom
frühen Morgen an bis zur späten Nacht, so kann man das Thier sechszehn Stunden lang Trab laufen
lassen und dann sehr bequem eine Entfernung von zwanzig deutschen Meilen durchreiten. Ein gutes
Kamel, welches ordentlich gefüttert und getränkt wird, hält solche Anstrengung, ohne Rasttag
dazwischen, drei und selbst vier Tage aus. Man ist demnach im Stande, mit einem einzigen Reit-
thiere in der kurzen Zeit von vier Tagen achtzig deutsche Meilen zu durchreisen.

Nur sehr widerspenstige, schlecht gezogene Kamele fallen zuweilen in Galopp und Dies auch blos
dann, wenn sie gezüchtigt werden. Dreierlei verlangt der Araber von einem guten Kamel. Es
muß erstens einen weichen Rücken haben, darf zweitens die Peitsche nicht verlangen und darf drit-
tens nicht schreien beim Auf- und Niederlegen. Blos Derjenige, welcher viel mit Kamelen umgegan-
gen ist, weiß, was Dies zu bedeuten hat.

Ein gewöhnliches Lastkamel ist das fürchterlichste Reitthier, welches man sich denken kann. Bei
der Paßbewegung wird der Reiter in einem ganz eigenthümlichen Bogen auf und nieder und hin
und her bewegt. Am deutlichsten kann man sich sein Neigen des Hauptes und Körpers versinnlichen,
wenn man an die chinesischen Pagodenfiguren denkt; denn fast in dieser Weise wird das arme Menschen-
kind oben im Sattel hin und her geschleudert. Sowie das Kamel in Trab fällt, ist es anders, falls
der Reiter wirklich das Thier zu zügeln versteht. Bei der behenden Wechselbewegung wird das
seitliche Hin- und Herschaukeln aufgehoben und wenn sich dann der Reiter geschickt im Sattel zurücklegt,
spürt er die immer noch heftigen Stöße eben auch nicht mehr, als wenn er zu Pferde sitzt. Noch

Die Kamele. — Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
fälligen Paß, ſie mögen nun im Schritte oder im Trabe laufen: allein dieſer Paßgang erſcheint bei
abgerichteten Reitkamelen wahrhaft leicht und zierlich. Der gewöhnliche Gang iſt ein ſonderbares
Dahinſtelzen, und das Kamel bewegt dazu bei jedem Schritte noch in ſo auffallender Weiſe den
Kopf vor- und rückwärts, daß man ſich kaum einen häßlicheren Anblick denken kann, als ſolche Miß-
geſtalt in ihrer langſamen Bewegung. Bringt man aber einen Läufer wirklich in Trab, und gehört
er zu den guten Raſſen, welche ohne Unterbrechung in der angefangenen Schrittweiſe dahinziehen, ſo
erſcheint das ſchwere Geſchöpf leicht und ſchön. Schon ſchwer beladene Laſtkamele legen bei gewöhn-
lichem Schritt in fünf Stunden Zeit ſechs Wegſtunden oder drei deutſche Meilen zurück und gehen
in dieſer Weiſe von früh Morgens fünf Uhr an bis Abends ſieben Uhr ohne Unterbrechung fort; gute
Reitkamele aber können bequem den dreifachen Raum durchlaufen. Die reiche Phantaſie der Bedui-
nen hat die Schnelligkeit eines guten Kamels bei weitem übertrieben; ſehr bedeutend iſt dieſelbe je-
doch immerhin. Man bezeichnet in Afrika die leichten und abgerichteten Reitkamele mit dem Namen
„Hedjihn‟ oder Pilgerkamele und nennt den auf ihnen Reitenden Hedjahn, verſteht aber zunächſt
blos die eigentlichen Botenreiter unter dieſem Worte. Solche Botenreiter nun legen in kurzer Zeit faſt
unglaublich große Entfernungen zurück. Berühmt ſind die Kamele, welche in der Nähe von Esneh
in Oberegypten gezüchtet werden, und noch berühmter die wirklich unübertrefflichen der Biſcharin im
Oſt-Sudahn. Auf einem ſolchen Hedjihn ritt Mahammed Aali flüchtend in einem Zuge von Kairo
nach Alexandrien und brauchte hierzu nur zwölf Stunden. Da nun die Entfernung zwiſchen bei-
den Städten mindeſtens fünfundzwanzig deutſche Meilen beträgt, kann man auf die Schnelligkeit und
Ausdauer dieſer Thiere einen Schluß ziehen. Jn Egypten und Nubien nennt man Kamele, welche
zehn Mahadas oder Halteſtellen auf dem Karavanenwege in einem Tage durchlaufen, geradezu „Zeh-
ner‟ (Aaſchari) und ſchätzt ſie mit Recht ſehr hoch; denn eine Mahada liegt in der Regel zwiſchen
anderthalb und zwei, auch dritthalb deutſche Meilen von der anderen. Ein ſolcher Aaſchari lief von
Esneh in Oberegypten nach Geneh und faſt wieder dahin zurück, war aber ſo angeſtrengt worden, daß
er drei deutſche Meilen vor ſeinem Zielpunkt zuſammenbrach. Er hatte in neun Stunden fünfund-
zwanzig deutſche Meilen durchwandert und dabei zwei Mal über den Nil geſetzt, alſo mindeſtens noch
eine Stunde an Zeit verloren. Einen ſolchen Ritt hält kein Pferd ans, es mag ſo gut ſein, als es
will. Jm Anfang übertrifft die Schnelligkeit eines trabenden Pferdes die des Kamels, wenn es im
gleichen Schritte geht; ſehr bald aber bleibt das letztere weit zurück und das Kamel trabt nach wie vor
ſeinen Gang weiter. Läßt man ein Reitkamel in der Mittagszeit ruhen, reitet man ſonſt aber vom
frühen Morgen an bis zur ſpäten Nacht, ſo kann man das Thier ſechszehn Stunden lang Trab laufen
laſſen und dann ſehr bequem eine Entfernung von zwanzig deutſchen Meilen durchreiten. Ein gutes
Kamel, welches ordentlich gefüttert und getränkt wird, hält ſolche Anſtrengung, ohne Raſttag
dazwiſchen, drei und ſelbſt vier Tage aus. Man iſt demnach im Stande, mit einem einzigen Reit-
thiere in der kurzen Zeit von vier Tagen achtzig deutſche Meilen zu durchreiſen.

Nur ſehr widerſpenſtige, ſchlecht gezogene Kamele fallen zuweilen in Galopp und Dies auch blos
dann, wenn ſie gezüchtigt werden. Dreierlei verlangt der Araber von einem guten Kamel. Es
muß erſtens einen weichen Rücken haben, darf zweitens die Peitſche nicht verlangen und darf drit-
tens nicht ſchreien beim Auf- und Niederlegen. Blos Derjenige, welcher viel mit Kamelen umgegan-
gen iſt, weiß, was Dies zu bedeuten hat.

Ein gewöhnliches Laſtkamel iſt das fürchterlichſte Reitthier, welches man ſich denken kann. Bei
der Paßbewegung wird der Reiter in einem ganz eigenthümlichen Bogen auf und nieder und hin
und her bewegt. Am deutlichſten kann man ſich ſein Neigen des Hauptes und Körpers verſinnlichen,
wenn man an die chineſiſchen Pagodenfiguren denkt; denn faſt in dieſer Weiſe wird das arme Menſchen-
kind oben im Sattel hin und her geſchleudert. Sowie das Kamel in Trab fällt, iſt es anders, falls
der Reiter wirklich das Thier zu zügeln verſteht. Bei der behenden Wechſelbewegung wird das
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ſpürt er die immer noch heftigen Stöße eben auch nicht mehr, als wenn er zu Pferde ſitzt. Noch

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[388/0412] Die Kamele. — Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar. fälligen Paß, ſie mögen nun im Schritte oder im Trabe laufen: allein dieſer Paßgang erſcheint bei abgerichteten Reitkamelen wahrhaft leicht und zierlich. Der gewöhnliche Gang iſt ein ſonderbares Dahinſtelzen, und das Kamel bewegt dazu bei jedem Schritte noch in ſo auffallender Weiſe den Kopf vor- und rückwärts, daß man ſich kaum einen häßlicheren Anblick denken kann, als ſolche Miß- geſtalt in ihrer langſamen Bewegung. Bringt man aber einen Läufer wirklich in Trab, und gehört er zu den guten Raſſen, welche ohne Unterbrechung in der angefangenen Schrittweiſe dahinziehen, ſo erſcheint das ſchwere Geſchöpf leicht und ſchön. Schon ſchwer beladene Laſtkamele legen bei gewöhn- lichem Schritt in fünf Stunden Zeit ſechs Wegſtunden oder drei deutſche Meilen zurück und gehen in dieſer Weiſe von früh Morgens fünf Uhr an bis Abends ſieben Uhr ohne Unterbrechung fort; gute Reitkamele aber können bequem den dreifachen Raum durchlaufen. Die reiche Phantaſie der Bedui- nen hat die Schnelligkeit eines guten Kamels bei weitem übertrieben; ſehr bedeutend iſt dieſelbe je- doch immerhin. Man bezeichnet in Afrika die leichten und abgerichteten Reitkamele mit dem Namen „Hedjihn‟ oder Pilgerkamele und nennt den auf ihnen Reitenden Hedjahn, verſteht aber zunächſt blos die eigentlichen Botenreiter unter dieſem Worte. Solche Botenreiter nun legen in kurzer Zeit faſt unglaublich große Entfernungen zurück. Berühmt ſind die Kamele, welche in der Nähe von Esneh in Oberegypten gezüchtet werden, und noch berühmter die wirklich unübertrefflichen der Biſcharin im Oſt-Sudahn. Auf einem ſolchen Hedjihn ritt Mahammed Aali flüchtend in einem Zuge von Kairo nach Alexandrien und brauchte hierzu nur zwölf Stunden. Da nun die Entfernung zwiſchen bei- den Städten mindeſtens fünfundzwanzig deutſche Meilen beträgt, kann man auf die Schnelligkeit und Ausdauer dieſer Thiere einen Schluß ziehen. Jn Egypten und Nubien nennt man Kamele, welche zehn Mahadas oder Halteſtellen auf dem Karavanenwege in einem Tage durchlaufen, geradezu „Zeh- ner‟ (Aaſchari) und ſchätzt ſie mit Recht ſehr hoch; denn eine Mahada liegt in der Regel zwiſchen anderthalb und zwei, auch dritthalb deutſche Meilen von der anderen. Ein ſolcher Aaſchari lief von Esneh in Oberegypten nach Geneh und faſt wieder dahin zurück, war aber ſo angeſtrengt worden, daß er drei deutſche Meilen vor ſeinem Zielpunkt zuſammenbrach. Er hatte in neun Stunden fünfund- zwanzig deutſche Meilen durchwandert und dabei zwei Mal über den Nil geſetzt, alſo mindeſtens noch eine Stunde an Zeit verloren. Einen ſolchen Ritt hält kein Pferd ans, es mag ſo gut ſein, als es will. Jm Anfang übertrifft die Schnelligkeit eines trabenden Pferdes die des Kamels, wenn es im gleichen Schritte geht; ſehr bald aber bleibt das letztere weit zurück und das Kamel trabt nach wie vor ſeinen Gang weiter. Läßt man ein Reitkamel in der Mittagszeit ruhen, reitet man ſonſt aber vom frühen Morgen an bis zur ſpäten Nacht, ſo kann man das Thier ſechszehn Stunden lang Trab laufen laſſen und dann ſehr bequem eine Entfernung von zwanzig deutſchen Meilen durchreiten. Ein gutes Kamel, welches ordentlich gefüttert und getränkt wird, hält ſolche Anſtrengung, ohne Raſttag dazwiſchen, drei und ſelbſt vier Tage aus. Man iſt demnach im Stande, mit einem einzigen Reit- thiere in der kurzen Zeit von vier Tagen achtzig deutſche Meilen zu durchreiſen. Nur ſehr widerſpenſtige, ſchlecht gezogene Kamele fallen zuweilen in Galopp und Dies auch blos dann, wenn ſie gezüchtigt werden. Dreierlei verlangt der Araber von einem guten Kamel. Es muß erſtens einen weichen Rücken haben, darf zweitens die Peitſche nicht verlangen und darf drit- tens nicht ſchreien beim Auf- und Niederlegen. Blos Derjenige, welcher viel mit Kamelen umgegan- gen iſt, weiß, was Dies zu bedeuten hat. Ein gewöhnliches Laſtkamel iſt das fürchterlichſte Reitthier, welches man ſich denken kann. Bei der Paßbewegung wird der Reiter in einem ganz eigenthümlichen Bogen auf und nieder und hin und her bewegt. Am deutlichſten kann man ſich ſein Neigen des Hauptes und Körpers verſinnlichen, wenn man an die chineſiſchen Pagodenfiguren denkt; denn faſt in dieſer Weiſe wird das arme Menſchen- kind oben im Sattel hin und her geſchleudert. Sowie das Kamel in Trab fällt, iſt es anders, falls der Reiter wirklich das Thier zu zügeln verſteht. Bei der behenden Wechſelbewegung wird das ſeitliche Hin- und Herſchaukeln aufgehoben und wenn ſich dann der Reiter geſchickt im Sattel zurücklegt, ſpürt er die immer noch heftigen Stöße eben auch nicht mehr, als wenn er zu Pferde ſitzt. Noch

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/412>, abgerufen am 23.11.2024.