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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
muß ein Kamel auf Reisen, bei ordentlichem Futter, hinreichendes Wasser und mindestens alle vier Tage
volle dreißig bis vierzig Stunden Ruhe haben, wenn es aushalten soll. Aber nur in seltenen Fällen
lassen es die Araber solange dürsten, gewöhnlich nur dann, wenn einer der Brunnen am Wege, auf
dessen Wasser man hoffte, inzwischen versiegt ist. Jn früheren Zeiten glaubte man sich diese Genüg-
samkeit des Kamels, was das Trinken anbelangt, aus seiner eigenthümlichen Bildung des Magens
erklären zu können. Man meinte, daß die großen Zellen in den beiden ersten Magenabtheilungen
als Wasserbehälter angesehen werden dürften und fabelte von dieser Annahme aus ganz lustig weiter.
Jn manchen älteren Reisebeschreibungen, noch mehr in den traurigen Werken der Stubenhocker und
Büchermacher, findet man die Angabe, daß die Reisenden in der Wüste im allerletzten Rothfall in dem
Magen ihres Kamels noch Wasservorräthe finden könnten. Jch habe, obgleich ich von Haus aus an
solchen Geschichten zweifelte, mit aller Absicht alte, in der Wüste ergraute Kamelführer befragt: -- kein
Einziger wußte von dieser Geschichte Etwas, kein Einziger hatte jemals solch eine ungeheure Lüge auch
nur erzählen hören. Und später habe ich mich beim Schlachten der Kamele, welche noch am Tage vor-
her getränkt worden waren, selbst überzeugt, daß es ganz unmöglich ist, Wasser zu trinken, welches
tagelang mit den im Magen aufgehäuften Nahrungsstoffen und dem Magensaft vermengt war.
Das ganze Kamel hat einen widerwärtigen Geruch; solcher Magenbrei aber muß selbst einem Halb-
verdursteten unüberwindlichen Ekel erregen. Der Gestank eines frisch aufgebrochenen Kamelmagens
ist geradezu unerträglich.

Wahrhaft lustig sieht es aus, wenn ermüdete, hungrige und ermattete Kamele in die Nähe eines
Brunnens oder Flusses gelangen. So dumm die häßlichen Geschöpfe auch sind, -- solche Orte, wo sie
früher schon getränkt wurden, vergessen sie so leicht nicht. Sie heben die Köpfe hoch empor, schnüsseln
mit halb zugekniffenen Augen in die Luft, legen die Ohren zurück und beginnen nun plötzlich zu
laufen, daß man sich fest im Sattel halten muß, um nicht herausgeschleudert zu werden. Kommen
sie dann zum Brunnen, so drängen sie sich wie rasend heran an das Wasser, und eines sucht durch
abscheuliches Gebrüll das andere zu vertreiben. Am Ausgange der Bahindawüste kamen drei unserer
Kamele an einen Bewässerungsgraben, welcher von einem Schöpfrad gespeist wurde und immerhin
ein ganz hübsches Bächlein Wasser nach dem Felde sandte; dort stellten sie sich neben einander auf
und tranken drei Minuten lang ohne Unterbrechung und buchstäblich alles Wasser auf, welches in dem
Graben dahinfloß. Jhr Leib schwoll augenscheinlich an und beim Weiterreiten verursachte das im
Magen aufgehäufte Wasser ein Geräusch, wie man es vernimmt, wenn man eine halbgefüllte Tonne
ausschwenkt. Während der Regenzeit, wo viel Wasser vorhanden, lösen die Araber des Ostsudahns
salzhaltige Erde oder reines Kochsalz in kleinen Tränkteichen auf und treiben dahin ihre Kamele.
Das Salz vermehrt die Freßlust der edlen Wüstenschiffe außerordentlich, und diese mästen sich nun bald
einen recht hübschen Höcker an.

Es verdient bemerkt zu werden, daß den Kamelen größere oder geringere Genügsamkeit aner-
zogen wird. So anspruchslos die Thiere im allgemeinen sind, so leicht lassen sie sich verwöhnen,
und damit werden sie in gewisser Hinsicht geradezu unbrauchbar. Die Kamele des Ostsudahns und
der Wüste, welche von Jugend auf gewöhnt wurden, alle vier oder bezüglich sechs Tage getränkt zu
werden und sich mit den dürftigen Gräsern ihrer Heimat ernähren müssen, sind für Wüstenreisen weit
mehr geeignet, als die, welche im Norden leben und namentlich die des bebauten Landes, denen es
niemals, weder an Nahrung, noch an Trank, gebricht. Jene, die Wüsten- und Steppenkamele,
bleiben allerdings viel kleiner und magerer; sie sind nach und nach zu ganz anderen Thieren geworden,
als die Egyptens und Syriens: -- aber die letzteren können sich mit ihnen auch gar nicht messen; sie
sind eben nur noch Lastkamele, für Reisen aber gänzlich ungeeignet.

Wenn man ein ruhig stehendes Kamel ansieht, wird man sich schwerlich denken, daß dieses Thier
fast an Schnelligkeit mit einem Pferde wetteifern kann. Und doch ist Dies der Fall. Die in der
Wüste und Steppe geborenen Kamele sind vortreffliche Läufer und im Stande, ohne Unterbrechung
Entfernungen zurückzulegen, wie kein anderes Hausthier. Alle Kamele gehen einen scheinbar sehr schwer-

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Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
muß ein Kamel auf Reiſen, bei ordentlichem Futter, hinreichendes Waſſer und mindeſtens alle vier Tage
volle dreißig bis vierzig Stunden Ruhe haben, wenn es aushalten ſoll. Aber nur in ſeltenen Fällen
laſſen es die Araber ſolange dürſten, gewöhnlich nur dann, wenn einer der Brunnen am Wege, auf
deſſen Waſſer man hoffte, inzwiſchen verſiegt iſt. Jn früheren Zeiten glaubte man ſich dieſe Genüg-
ſamkeit des Kamels, was das Trinken anbelangt, aus ſeiner eigenthümlichen Bildung des Magens
erklären zu können. Man meinte, daß die großen Zellen in den beiden erſten Magenabtheilungen
als Waſſerbehälter angeſehen werden dürften und fabelte von dieſer Annahme aus ganz luſtig weiter.
Jn manchen älteren Reiſebeſchreibungen, noch mehr in den traurigen Werken der Stubenhocker und
Büchermacher, findet man die Angabe, daß die Reiſenden in der Wüſte im allerletzten Rothfall in dem
Magen ihres Kamels noch Waſſervorräthe finden könnten. Jch habe, obgleich ich von Haus aus an
ſolchen Geſchichten zweifelte, mit aller Abſicht alte, in der Wüſte ergraute Kamelführer befragt: — kein
Einziger wußte von dieſer Geſchichte Etwas, kein Einziger hatte jemals ſolch eine ungeheure Lüge auch
nur erzählen hören. Und ſpäter habe ich mich beim Schlachten der Kamele, welche noch am Tage vor-
her getränkt worden waren, ſelbſt überzeugt, daß es ganz unmöglich iſt, Waſſer zu trinken, welches
tagelang mit den im Magen aufgehäuften Nahrungsſtoffen und dem Magenſaft vermengt war.
Das ganze Kamel hat einen widerwärtigen Geruch; ſolcher Magenbrei aber muß ſelbſt einem Halb-
verdurſteten unüberwindlichen Ekel erregen. Der Geſtank eines friſch aufgebrochenen Kamelmagens
iſt geradezu unerträglich.

Wahrhaft luſtig ſieht es aus, wenn ermüdete, hungrige und ermattete Kamele in die Nähe eines
Brunnens oder Fluſſes gelangen. So dumm die häßlichen Geſchöpfe auch ſind, — ſolche Orte, wo ſie
früher ſchon getränkt wurden, vergeſſen ſie ſo leicht nicht. Sie heben die Köpfe hoch empor, ſchnüſſeln
mit halb zugekniffenen Augen in die Luft, legen die Ohren zurück und beginnen nun plötzlich zu
laufen, daß man ſich feſt im Sattel halten muß, um nicht herausgeſchleudert zu werden. Kommen
ſie dann zum Brunnen, ſo drängen ſie ſich wie raſend heran an das Waſſer, und eines ſucht durch
abſcheuliches Gebrüll das andere zu vertreiben. Am Ausgange der Bahindawüſte kamen drei unſerer
Kamele an einen Bewäſſerungsgraben, welcher von einem Schöpfrad geſpeiſt wurde und immerhin
ein ganz hübſches Bächlein Waſſer nach dem Felde ſandte; dort ſtellten ſie ſich neben einander auf
und tranken drei Minuten lang ohne Unterbrechung und buchſtäblich alles Waſſer auf, welches in dem
Graben dahinfloß. Jhr Leib ſchwoll augenſcheinlich an und beim Weiterreiten verurſachte das im
Magen aufgehäufte Waſſer ein Geräuſch, wie man es vernimmt, wenn man eine halbgefüllte Tonne
ausſchwenkt. Während der Regenzeit, wo viel Waſſer vorhanden, löſen die Araber des Oſtſudahns
ſalzhaltige Erde oder reines Kochſalz in kleinen Tränkteichen auf und treiben dahin ihre Kamele.
Das Salz vermehrt die Freßluſt der edlen Wüſtenſchiffe außerordentlich, und dieſe mäſten ſich nun bald
einen recht hübſchen Höcker an.

Es verdient bemerkt zu werden, daß den Kamelen größere oder geringere Genügſamkeit aner-
zogen wird. So anſpruchslos die Thiere im allgemeinen ſind, ſo leicht laſſen ſie ſich verwöhnen,
und damit werden ſie in gewiſſer Hinſicht geradezu unbrauchbar. Die Kamele des Oſtſudahns und
der Wüſte, welche von Jugend auf gewöhnt wurden, alle vier oder bezüglich ſechs Tage getränkt zu
werden und ſich mit den dürftigen Gräſern ihrer Heimat ernähren müſſen, ſind für Wüſtenreiſen weit
mehr geeignet, als die, welche im Norden leben und namentlich die des bebauten Landes, denen es
niemals, weder an Nahrung, noch an Trank, gebricht. Jene, die Wüſten- und Steppenkamele,
bleiben allerdings viel kleiner und magerer; ſie ſind nach und nach zu ganz anderen Thieren geworden,
als die Egyptens und Syriens: — aber die letzteren können ſich mit ihnen auch gar nicht meſſen; ſie
ſind eben nur noch Laſtkamele, für Reiſen aber gänzlich ungeeignet.

Wenn man ein ruhig ſtehendes Kamel anſieht, wird man ſich ſchwerlich denken, daß dieſes Thier
faſt an Schnelligkeit mit einem Pferde wetteifern kann. Und doch iſt Dies der Fall. Die in der
Wüſte und Steppe geborenen Kamele ſind vortreffliche Läufer und im Stande, ohne Unterbrechung
Entfernungen zurückzulegen, wie kein anderes Hausthier. Alle Kamele gehen einen ſcheinbar ſehr ſchwer-

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[387/0411] Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar. muß ein Kamel auf Reiſen, bei ordentlichem Futter, hinreichendes Waſſer und mindeſtens alle vier Tage volle dreißig bis vierzig Stunden Ruhe haben, wenn es aushalten ſoll. Aber nur in ſeltenen Fällen laſſen es die Araber ſolange dürſten, gewöhnlich nur dann, wenn einer der Brunnen am Wege, auf deſſen Waſſer man hoffte, inzwiſchen verſiegt iſt. Jn früheren Zeiten glaubte man ſich dieſe Genüg- ſamkeit des Kamels, was das Trinken anbelangt, aus ſeiner eigenthümlichen Bildung des Magens erklären zu können. Man meinte, daß die großen Zellen in den beiden erſten Magenabtheilungen als Waſſerbehälter angeſehen werden dürften und fabelte von dieſer Annahme aus ganz luſtig weiter. Jn manchen älteren Reiſebeſchreibungen, noch mehr in den traurigen Werken der Stubenhocker und Büchermacher, findet man die Angabe, daß die Reiſenden in der Wüſte im allerletzten Rothfall in dem Magen ihres Kamels noch Waſſervorräthe finden könnten. Jch habe, obgleich ich von Haus aus an ſolchen Geſchichten zweifelte, mit aller Abſicht alte, in der Wüſte ergraute Kamelführer befragt: — kein Einziger wußte von dieſer Geſchichte Etwas, kein Einziger hatte jemals ſolch eine ungeheure Lüge auch nur erzählen hören. Und ſpäter habe ich mich beim Schlachten der Kamele, welche noch am Tage vor- her getränkt worden waren, ſelbſt überzeugt, daß es ganz unmöglich iſt, Waſſer zu trinken, welches tagelang mit den im Magen aufgehäuften Nahrungsſtoffen und dem Magenſaft vermengt war. Das ganze Kamel hat einen widerwärtigen Geruch; ſolcher Magenbrei aber muß ſelbſt einem Halb- verdurſteten unüberwindlichen Ekel erregen. Der Geſtank eines friſch aufgebrochenen Kamelmagens iſt geradezu unerträglich. Wahrhaft luſtig ſieht es aus, wenn ermüdete, hungrige und ermattete Kamele in die Nähe eines Brunnens oder Fluſſes gelangen. So dumm die häßlichen Geſchöpfe auch ſind, — ſolche Orte, wo ſie früher ſchon getränkt wurden, vergeſſen ſie ſo leicht nicht. Sie heben die Köpfe hoch empor, ſchnüſſeln mit halb zugekniffenen Augen in die Luft, legen die Ohren zurück und beginnen nun plötzlich zu laufen, daß man ſich feſt im Sattel halten muß, um nicht herausgeſchleudert zu werden. Kommen ſie dann zum Brunnen, ſo drängen ſie ſich wie raſend heran an das Waſſer, und eines ſucht durch abſcheuliches Gebrüll das andere zu vertreiben. Am Ausgange der Bahindawüſte kamen drei unſerer Kamele an einen Bewäſſerungsgraben, welcher von einem Schöpfrad geſpeiſt wurde und immerhin ein ganz hübſches Bächlein Waſſer nach dem Felde ſandte; dort ſtellten ſie ſich neben einander auf und tranken drei Minuten lang ohne Unterbrechung und buchſtäblich alles Waſſer auf, welches in dem Graben dahinfloß. Jhr Leib ſchwoll augenſcheinlich an und beim Weiterreiten verurſachte das im Magen aufgehäufte Waſſer ein Geräuſch, wie man es vernimmt, wenn man eine halbgefüllte Tonne ausſchwenkt. Während der Regenzeit, wo viel Waſſer vorhanden, löſen die Araber des Oſtſudahns ſalzhaltige Erde oder reines Kochſalz in kleinen Tränkteichen auf und treiben dahin ihre Kamele. Das Salz vermehrt die Freßluſt der edlen Wüſtenſchiffe außerordentlich, und dieſe mäſten ſich nun bald einen recht hübſchen Höcker an. Es verdient bemerkt zu werden, daß den Kamelen größere oder geringere Genügſamkeit aner- zogen wird. So anſpruchslos die Thiere im allgemeinen ſind, ſo leicht laſſen ſie ſich verwöhnen, und damit werden ſie in gewiſſer Hinſicht geradezu unbrauchbar. Die Kamele des Oſtſudahns und der Wüſte, welche von Jugend auf gewöhnt wurden, alle vier oder bezüglich ſechs Tage getränkt zu werden und ſich mit den dürftigen Gräſern ihrer Heimat ernähren müſſen, ſind für Wüſtenreiſen weit mehr geeignet, als die, welche im Norden leben und namentlich die des bebauten Landes, denen es niemals, weder an Nahrung, noch an Trank, gebricht. Jene, die Wüſten- und Steppenkamele, bleiben allerdings viel kleiner und magerer; ſie ſind nach und nach zu ganz anderen Thieren geworden, als die Egyptens und Syriens: — aber die letzteren können ſich mit ihnen auch gar nicht meſſen; ſie ſind eben nur noch Laſtkamele, für Reiſen aber gänzlich ungeeignet. Wenn man ein ruhig ſtehendes Kamel anſieht, wird man ſich ſchwerlich denken, daß dieſes Thier faſt an Schnelligkeit mit einem Pferde wetteifern kann. Und doch iſt Dies der Fall. Die in der Wüſte und Steppe geborenen Kamele ſind vortreffliche Läufer und im Stande, ohne Unterbrechung Entfernungen zurückzulegen, wie kein anderes Hausthier. Alle Kamele gehen einen ſcheinbar ſehr ſchwer- 25 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/411>, abgerufen am 18.05.2024.