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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Kamele. -- Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
gebleichten Knochen vollkommen bezeichnet wurde. Die Wüste ist nicht blos die Heimat und der
Geburtsort, sondern auch die Sterbestätte und das Grab des Kamels; die wenigen, welche geschlachtet
werden, kommen gegen die, welche auf ihren Berufswegen zu Grunde gehen, gar nicht in Betracht.

Das Kamel nimmt seine Nahrung einzig und allein aus dem Pflanzenreiche und ist dabei
durchaus nicht wählerisch. Man darf wohl behaupten, daß gerade seine Genügsamkeit seine größte
Tugend ist; es ist mit dem schlechtesten Futter zufrieden. Wenn es die dürrsten und trockensten Wüsten-
pflanzen, scharfschneidiges Riedgras und halbverdorrte Aeste hat, kann es wochenlang aushalten.
Unter Umständen ist ihm ein alter Korb oder eine Matte, aus den zerschlissenen Blattriesen der Dat-
teln geflochten, ein willkommenes Gericht. Jn Ostsudahn muß man die Hütten der Eingeborenen,
welche aus einem Gerippe von schwachen Stangen bestehen und dann mit Steppengras bedeckt werden,
vor den Kamelen durch eine dichte Umzäunung von Dornen schützen: die Thiere würden sonst das
ganze Haus bis auf seine Grundfesten auffressen. Wahrhaft wunderbar ist es, daß selbst die ärgsten
Dornen und Stacheln das harte Maul des Kamels nicht verwunden. Mehr als hundert Mal habe
ich gesehen, daß Kamele Mimosenzweige, an denen Dornen an Dornen saßen, ohne weiteres
hinterwürgten. Nun muß man wissen, daß diese Mimosennadeln außerordentlich scharf sind und selbst
das Sohlenleder durchdringen: dann versteht man erst, was Dies sagen will. Mehrere Male haben
wir uns bei der Jagd empfindlich verletzt, wenn wir auf solche Dornen traten; ich selbst habe mir
einen von ihnen durch die Sohle des Schuhes, die große Zehe und auch noch durch das Oberleder des
Schuhes gestochen: -- und solche Dornen zermalmt das Thier mit der größten Seelenruhe! Wenn
die Karavane abends rastet und die Kamele frei gelassen werden, damit sie sich ihre Nahrung suchen,
laufen sie von Baum zu Baum und fressen hier alle Aeste ab, welche sie erreichen können. Sie be-
sitzen ein merkwürdiges Geschick, mit ihren Lippen die Zweige abzubrechen, dann aber würgen sie die-
selben hinter, ganz unbekümmert, in welcher Richtung die Dornen vom Zweige abstehen. Können
sie einmal recht saftige Nahrung haben, so ist Das ihnen schon recht: in den Durrah-, Dohsenfeldern
hausen sie oft in abscheulicher Weise und verwüsten dort ganze Stellen; auch kleine Bohnen, Erbsen,
Wicken verzehren sie sehr gern, und Körner aller Art erscheinen ihnen als wahre Leckerbissen. Auf den
Wüstenreisen, wo es nothwendig ist, daß die Last soviel als möglich verringert wird, nimmt jeder Araber
blos etwas Durrah oder auch Gerste für sein Kamel mit sich und füttert dem Thiere davon allabend-
lich ein paar Hände voll, gewöhnlich gleich aus seinem Umschlagetuch, bezüglich aus seinem Schose. Jn
den Städten gibt man ihnen Puffbohnen; in den Dörfern erhalten sie oft nichts Anderes, als ver-
dorrtes Riedgras oder Durrahstroh. Es scheint aber, als ob das Laub verschiedener Bäume und
anderer Gesträuche ihre liebste Nahrung wäre; wenigstens bemerkt man, daß die Kamele, wie die
Girafen, immer nach den Bäumen hin ihre Schritte lenken.

Bei saftiger Pflanzennahrung kann das Kamel wochenlang das Wasser entbehren, falls es nicht
beladen und besonders angestrengt wird und sich nach Belieben seine Pflanzen aussuchen kann. Die
Nomaden der Bahinda bekümmern sich zuweilen einen ganzen Monat nicht um ihre Kamele, sondern
lassen sie nach eigenem Gutdünken sich ihre Weide wählen, und oft kommt es vor, daß diese Thiere
während der ganzen Zeit nur mit den thaufrischen Blättern und dem Pflanzensaft ihren Durst löschen
müssen. Anders verhält sich die Sache während der Zeit der Dürre. Man hat zwar vielfach
behauptet, daß Kamele auch dann noch 14 bis 20 Tage Wasser entbehren könnten; allein solche
Erzählungen sind Fabeln, welche jeder Eingeweihte belächeln muß. Als ich im Dezember 1847 und
Januar 1848 die Bahiudawüste durchzog, bekamen unsere Kamele während der achttägigen Reise nur
ein einziges Mal Wasser; aber um diese Zeit gab es noch viel Grünes, und die Thiere hielten vortrefflich
aus. Als ich aber zwei Jahre später im Juni beinahe denselben Weg wanderte, waren die Kamele,
welche neben dem Durst auch noch Hunger zu ertragen hatten, bereits am sechsten und siebenten
Tage der Reise, obwohl wir sie am vierten getränkt hatten, so matt, daß sie unter uns zusammenbrachen
und nur mit größter Mühe bis an den Ril gebracht werden konnten, -- nur erst, nachdem wir andere
entlastet und auf ihnen unsern Ritt fortgesetzt hatten. Jn der Gluthitze des afrikanischen Sommers

Die Kamele. — Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
gebleichten Knochen vollkommen bezeichnet wurde. Die Wüſte iſt nicht blos die Heimat und der
Geburtsort, ſondern auch die Sterbeſtätte und das Grab des Kamels; die wenigen, welche geſchlachtet
werden, kommen gegen die, welche auf ihren Berufswegen zu Grunde gehen, gar nicht in Betracht.

Das Kamel nimmt ſeine Nahrung einzig und allein aus dem Pflanzenreiche und iſt dabei
durchaus nicht wähleriſch. Man darf wohl behaupten, daß gerade ſeine Genügſamkeit ſeine größte
Tugend iſt; es iſt mit dem ſchlechteſten Futter zufrieden. Wenn es die dürrſten und trockenſten Wüſten-
pflanzen, ſcharfſchneidiges Riedgras und halbverdorrte Aeſte hat, kann es wochenlang aushalten.
Unter Umſtänden iſt ihm ein alter Korb oder eine Matte, aus den zerſchliſſenen Blattrieſen der Dat-
teln geflochten, ein willkommenes Gericht. Jn Oſtſudahn muß man die Hütten der Eingeborenen,
welche aus einem Gerippe von ſchwachen Stangen beſtehen und dann mit Steppengras bedeckt werden,
vor den Kamelen durch eine dichte Umzäunung von Dornen ſchützen: die Thiere würden ſonſt das
ganze Haus bis auf ſeine Grundfeſten auffreſſen. Wahrhaft wunderbar iſt es, daß ſelbſt die ärgſten
Dornen und Stacheln das harte Maul des Kamels nicht verwunden. Mehr als hundert Mal habe
ich geſehen, daß Kamele Mimoſenzweige, an denen Dornen an Dornen ſaßen, ohne weiteres
hinterwürgten. Nun muß man wiſſen, daß dieſe Mimoſennadeln außerordentlich ſcharf ſind und ſelbſt
das Sohlenleder durchdringen: dann verſteht man erſt, was Dies ſagen will. Mehrere Male haben
wir uns bei der Jagd empfindlich verletzt, wenn wir auf ſolche Dornen traten; ich ſelbſt habe mir
einen von ihnen durch die Sohle des Schuhes, die große Zehe und auch noch durch das Oberleder des
Schuhes geſtochen: — und ſolche Dornen zermalmt das Thier mit der größten Seelenruhe! Wenn
die Karavane abends raſtet und die Kamele frei gelaſſen werden, damit ſie ſich ihre Nahrung ſuchen,
laufen ſie von Baum zu Baum und freſſen hier alle Aeſte ab, welche ſie erreichen können. Sie be-
ſitzen ein merkwürdiges Geſchick, mit ihren Lippen die Zweige abzubrechen, dann aber würgen ſie die-
ſelben hinter, ganz unbekümmert, in welcher Richtung die Dornen vom Zweige abſtehen. Können
ſie einmal recht ſaftige Nahrung haben, ſo iſt Das ihnen ſchon recht: in den Durrah-, Dohſenfeldern
hauſen ſie oft in abſcheulicher Weiſe und verwüſten dort ganze Stellen; auch kleine Bohnen, Erbſen,
Wicken verzehren ſie ſehr gern, und Körner aller Art erſcheinen ihnen als wahre Leckerbiſſen. Auf den
Wüſtenreiſen, wo es nothwendig iſt, daß die Laſt ſoviel als möglich verringert wird, nimmt jeder Araber
blos etwas Durrah oder auch Gerſte für ſein Kamel mit ſich und füttert dem Thiere davon allabend-
lich ein paar Hände voll, gewöhnlich gleich aus ſeinem Umſchlagetuch, bezüglich aus ſeinem Schoſe. Jn
den Städten gibt man ihnen Puffbohnen; in den Dörfern erhalten ſie oft nichts Anderes, als ver-
dorrtes Riedgras oder Durrahſtroh. Es ſcheint aber, als ob das Laub verſchiedener Bäume und
anderer Geſträuche ihre liebſte Nahrung wäre; wenigſtens bemerkt man, daß die Kamele, wie die
Girafen, immer nach den Bäumen hin ihre Schritte lenken.

Bei ſaftiger Pflanzennahrung kann das Kamel wochenlang das Waſſer entbehren, falls es nicht
beladen und beſonders angeſtrengt wird und ſich nach Belieben ſeine Pflanzen ausſuchen kann. Die
Nomaden der Bahinda bekümmern ſich zuweilen einen ganzen Monat nicht um ihre Kamele, ſondern
laſſen ſie nach eigenem Gutdünken ſich ihre Weide wählen, und oft kommt es vor, daß dieſe Thiere
während der ganzen Zeit nur mit den thaufriſchen Blättern und dem Pflanzenſaft ihren Durſt löſchen
müſſen. Anders verhält ſich die Sache während der Zeit der Dürre. Man hat zwar vielfach
behauptet, daß Kamele auch dann noch 14 bis 20 Tage Waſſer entbehren könnten; allein ſolche
Erzählungen ſind Fabeln, welche jeder Eingeweihte belächeln muß. Als ich im Dezember 1847 und
Januar 1848 die Bahiudawüſte durchzog, bekamen unſere Kamele während der achttägigen Reiſe nur
ein einziges Mal Waſſer; aber um dieſe Zeit gab es noch viel Grünes, und die Thiere hielten vortrefflich
aus. Als ich aber zwei Jahre ſpäter im Juni beinahe denſelben Weg wanderte, waren die Kamele,
welche neben dem Durſt auch noch Hunger zu ertragen hatten, bereits am ſechſten und ſiebenten
Tage der Reiſe, obwohl wir ſie am vierten getränkt hatten, ſo matt, daß ſie unter uns zuſammenbrachen
und nur mit größter Mühe bis an den Ril gebracht werden konnten, — nur erſt, nachdem wir andere
entlaſtet und auf ihnen unſern Ritt fortgeſetzt hatten. Jn der Gluthitze des afrikaniſchen Sommers

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[386/0410] Die Kamele. — Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar. gebleichten Knochen vollkommen bezeichnet wurde. Die Wüſte iſt nicht blos die Heimat und der Geburtsort, ſondern auch die Sterbeſtätte und das Grab des Kamels; die wenigen, welche geſchlachtet werden, kommen gegen die, welche auf ihren Berufswegen zu Grunde gehen, gar nicht in Betracht. Das Kamel nimmt ſeine Nahrung einzig und allein aus dem Pflanzenreiche und iſt dabei durchaus nicht wähleriſch. Man darf wohl behaupten, daß gerade ſeine Genügſamkeit ſeine größte Tugend iſt; es iſt mit dem ſchlechteſten Futter zufrieden. Wenn es die dürrſten und trockenſten Wüſten- pflanzen, ſcharfſchneidiges Riedgras und halbverdorrte Aeſte hat, kann es wochenlang aushalten. Unter Umſtänden iſt ihm ein alter Korb oder eine Matte, aus den zerſchliſſenen Blattrieſen der Dat- teln geflochten, ein willkommenes Gericht. Jn Oſtſudahn muß man die Hütten der Eingeborenen, welche aus einem Gerippe von ſchwachen Stangen beſtehen und dann mit Steppengras bedeckt werden, vor den Kamelen durch eine dichte Umzäunung von Dornen ſchützen: die Thiere würden ſonſt das ganze Haus bis auf ſeine Grundfeſten auffreſſen. Wahrhaft wunderbar iſt es, daß ſelbſt die ärgſten Dornen und Stacheln das harte Maul des Kamels nicht verwunden. Mehr als hundert Mal habe ich geſehen, daß Kamele Mimoſenzweige, an denen Dornen an Dornen ſaßen, ohne weiteres hinterwürgten. Nun muß man wiſſen, daß dieſe Mimoſennadeln außerordentlich ſcharf ſind und ſelbſt das Sohlenleder durchdringen: dann verſteht man erſt, was Dies ſagen will. Mehrere Male haben wir uns bei der Jagd empfindlich verletzt, wenn wir auf ſolche Dornen traten; ich ſelbſt habe mir einen von ihnen durch die Sohle des Schuhes, die große Zehe und auch noch durch das Oberleder des Schuhes geſtochen: — und ſolche Dornen zermalmt das Thier mit der größten Seelenruhe! Wenn die Karavane abends raſtet und die Kamele frei gelaſſen werden, damit ſie ſich ihre Nahrung ſuchen, laufen ſie von Baum zu Baum und freſſen hier alle Aeſte ab, welche ſie erreichen können. Sie be- ſitzen ein merkwürdiges Geſchick, mit ihren Lippen die Zweige abzubrechen, dann aber würgen ſie die- ſelben hinter, ganz unbekümmert, in welcher Richtung die Dornen vom Zweige abſtehen. Können ſie einmal recht ſaftige Nahrung haben, ſo iſt Das ihnen ſchon recht: in den Durrah-, Dohſenfeldern hauſen ſie oft in abſcheulicher Weiſe und verwüſten dort ganze Stellen; auch kleine Bohnen, Erbſen, Wicken verzehren ſie ſehr gern, und Körner aller Art erſcheinen ihnen als wahre Leckerbiſſen. Auf den Wüſtenreiſen, wo es nothwendig iſt, daß die Laſt ſoviel als möglich verringert wird, nimmt jeder Araber blos etwas Durrah oder auch Gerſte für ſein Kamel mit ſich und füttert dem Thiere davon allabend- lich ein paar Hände voll, gewöhnlich gleich aus ſeinem Umſchlagetuch, bezüglich aus ſeinem Schoſe. Jn den Städten gibt man ihnen Puffbohnen; in den Dörfern erhalten ſie oft nichts Anderes, als ver- dorrtes Riedgras oder Durrahſtroh. Es ſcheint aber, als ob das Laub verſchiedener Bäume und anderer Geſträuche ihre liebſte Nahrung wäre; wenigſtens bemerkt man, daß die Kamele, wie die Girafen, immer nach den Bäumen hin ihre Schritte lenken. Bei ſaftiger Pflanzennahrung kann das Kamel wochenlang das Waſſer entbehren, falls es nicht beladen und beſonders angeſtrengt wird und ſich nach Belieben ſeine Pflanzen ausſuchen kann. Die Nomaden der Bahinda bekümmern ſich zuweilen einen ganzen Monat nicht um ihre Kamele, ſondern laſſen ſie nach eigenem Gutdünken ſich ihre Weide wählen, und oft kommt es vor, daß dieſe Thiere während der ganzen Zeit nur mit den thaufriſchen Blättern und dem Pflanzenſaft ihren Durſt löſchen müſſen. Anders verhält ſich die Sache während der Zeit der Dürre. Man hat zwar vielfach behauptet, daß Kamele auch dann noch 14 bis 20 Tage Waſſer entbehren könnten; allein ſolche Erzählungen ſind Fabeln, welche jeder Eingeweihte belächeln muß. Als ich im Dezember 1847 und Januar 1848 die Bahiudawüſte durchzog, bekamen unſere Kamele während der achttägigen Reiſe nur ein einziges Mal Waſſer; aber um dieſe Zeit gab es noch viel Grünes, und die Thiere hielten vortrefflich aus. Als ich aber zwei Jahre ſpäter im Juni beinahe denſelben Weg wanderte, waren die Kamele, welche neben dem Durſt auch noch Hunger zu ertragen hatten, bereits am ſechſten und ſiebenten Tage der Reiſe, obwohl wir ſie am vierten getränkt hatten, ſo matt, daß ſie unter uns zuſammenbrachen und nur mit größter Mühe bis an den Ril gebracht werden konnten, — nur erſt, nachdem wir andere entlaſtet und auf ihnen unſern Ritt fortgeſetzt hatten. Jn der Gluthitze des afrikaniſchen Sommers

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/410>, abgerufen am 23.11.2024.