schont. Während des Wurfes müssen eigene Zeugen zugegen sein, um die Aechtheit des Fohlen zu bestätigen. Das Fohlen wird mit ganz besonderer Sorgfalt erzogen und von Jugend auf wie ein Glied der Familie gehalten. Daher kommt es, daß die arabischen Pferde zu Haus- thieren geworden sind, in derselben Bedeutung, wie der Hund, daß sie ohne alle Furcht im Zelte des Herrn und in der Kinderstube geduldet werden können. Jch selbst sah eine arabische Stute, welche mit den Kindern ihres Herrn spielte, wie ein großer Hund mit Kindern zu spielen pflegt. Drei kleine Buben, von denen der eine noch nicht einmal ordentlich gehen konnte, unterhielten sich mit dem ver- ständigen Thiere und belästigten es soviel als möglich. Die Stute ließ sich Alles gefallen; sie zeigte sich sogar höchst willfährig, um die eigensinnigen Wünsche der spielenden Kinder zu befriedigen.
[Abbildung]
Das arabische Pferd.
Mit dem achtzehnten Monat beginnt die Erziehung des edlen Geschöpfes; sie währt fort, bis es vollkommen erwachsen ist. Zuerst versucht sich ein Knabe im Reiten. Er führt das Pferd zur Tränke, zur Weide, er reinigt es und sorgt überhaupt für alle seine Bedürfnisse. Beide lernen zu gleicher Zeit: der Knabe wird ein Reiter, das Fohlen ein Reitthier. Niemals aber wird der junge Araber das ihm anvertraute Füllen übernehmen; niemals wird er ihm Dinge zumuthen, die es nicht leisten kann. Der Unterricht beginnt im Freien und wird im Zelte fortgesetzt. Man überwacht jede Bewegung des Thieres, man behandelt es mit aller Liebe und Zärtlichkeit, duldet aber niemals Widerstreben oder Böswilligkeit. Erst wenn das Pferd sein zweites Lebensjahr überschritten hat, legt man ihm den Sattel auf, immer noch mit der größten Vorsicht. Das Gebiß wird anfangs mit Wolle um- wickelt und diese manchmal mit Salzwasser besprengt, um das Pferd leichter an das ihm unangenehme
Das arabiſche Pferd.
ſchont. Während des Wurfes müſſen eigene Zeugen zugegen ſein, um die Aechtheit des Fohlen zu beſtätigen. Das Fohlen wird mit ganz beſonderer Sorgfalt erzogen und von Jugend auf wie ein Glied der Familie gehalten. Daher kommt es, daß die arabiſchen Pferde zu Haus- thieren geworden ſind, in derſelben Bedeutung, wie der Hund, daß ſie ohne alle Furcht im Zelte des Herrn und in der Kinderſtube geduldet werden können. Jch ſelbſt ſah eine arabiſche Stute, welche mit den Kindern ihres Herrn ſpielte, wie ein großer Hund mit Kindern zu ſpielen pflegt. Drei kleine Buben, von denen der eine noch nicht einmal ordentlich gehen konnte, unterhielten ſich mit dem ver- ſtändigen Thiere und beläſtigten es ſoviel als möglich. Die Stute ließ ſich Alles gefallen; ſie zeigte ſich ſogar höchſt willfährig, um die eigenſinnigen Wünſche der ſpielenden Kinder zu befriedigen.
[Abbildung]
Das arabiſche Pferd.
Mit dem achtzehnten Monat beginnt die Erziehung des edlen Geſchöpfes; ſie währt fort, bis es vollkommen erwachſen iſt. Zuerſt verſucht ſich ein Knabe im Reiten. Er führt das Pferd zur Tränke, zur Weide, er reinigt es und ſorgt überhaupt für alle ſeine Bedürfniſſe. Beide lernen zu gleicher Zeit: der Knabe wird ein Reiter, das Fohlen ein Reitthier. Niemals aber wird der junge Araber das ihm anvertraute Füllen übernehmen; niemals wird er ihm Dinge zumuthen, die es nicht leiſten kann. Der Unterricht beginnt im Freien und wird im Zelte fortgeſetzt. Man überwacht jede Bewegung des Thieres, man behandelt es mit aller Liebe und Zärtlichkeit, duldet aber niemals Widerſtreben oder Böswilligkeit. Erſt wenn das Pferd ſein zweites Lebensjahr überſchritten hat, legt man ihm den Sattel auf, immer noch mit der größten Vorſicht. Das Gebiß wird anfangs mit Wolle um- wickelt und dieſe manchmal mit Salzwaſſer beſprengt, um das Pferd leichter an das ihm unangenehme
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0367"n="347"/><fwplace="top"type="header">Das arabiſche Pferd.</fw><lb/>ſchont. Während des Wurfes müſſen eigene Zeugen zugegen ſein, um die Aechtheit des Fohlen<lb/>
zu beſtätigen. Das Fohlen wird mit ganz beſonderer Sorgfalt erzogen und von Jugend auf<lb/>
wie ein Glied der Familie gehalten. Daher kommt es, daß die arabiſchen Pferde zu Haus-<lb/>
thieren geworden ſind, in derſelben Bedeutung, wie der Hund, daß ſie ohne alle Furcht im Zelte des<lb/>
Herrn und in der Kinderſtube geduldet werden können. Jch ſelbſt ſah eine arabiſche Stute, welche mit<lb/>
den Kindern ihres Herrn ſpielte, wie ein großer Hund mit Kindern zu ſpielen pflegt. Drei kleine<lb/>
Buben, von denen der eine noch nicht einmal ordentlich gehen konnte, unterhielten ſich mit dem ver-<lb/>ſtändigen Thiere und beläſtigten es ſoviel als möglich. Die Stute ließ ſich Alles gefallen; ſie zeigte<lb/>ſich ſogar höchſt willfährig, um die eigenſinnigen Wünſche der ſpielenden Kinder zu befriedigen.</p><lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Das arabiſche Pferd.</hi></hi></head></figure><lb/><p>Mit dem achtzehnten Monat beginnt die Erziehung des edlen Geſchöpfes; ſie währt fort, bis es<lb/>
vollkommen erwachſen iſt. Zuerſt verſucht ſich ein Knabe im Reiten. Er führt das Pferd zur Tränke,<lb/>
zur Weide, er reinigt es und ſorgt überhaupt für alle ſeine Bedürfniſſe. Beide lernen zu gleicher Zeit:<lb/>
der Knabe wird ein Reiter, das Fohlen ein Reitthier. Niemals aber wird der junge Araber das ihm<lb/>
anvertraute Füllen übernehmen; niemals wird er ihm Dinge zumuthen, die es nicht leiſten kann. Der<lb/>
Unterricht beginnt im Freien und wird im Zelte fortgeſetzt. Man überwacht jede Bewegung des<lb/>
Thieres, man behandelt es mit aller Liebe und Zärtlichkeit, duldet aber niemals Widerſtreben oder<lb/>
Böswilligkeit. Erſt wenn das Pferd ſein zweites Lebensjahr überſchritten hat, legt man ihm den<lb/>
Sattel auf, immer noch mit der größten Vorſicht. Das Gebiß wird anfangs mit Wolle um-<lb/>
wickelt und dieſe manchmal mit Salzwaſſer beſprengt, um das Pferd leichter an das ihm unangenehme<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[347/0367]
Das arabiſche Pferd.
ſchont. Während des Wurfes müſſen eigene Zeugen zugegen ſein, um die Aechtheit des Fohlen
zu beſtätigen. Das Fohlen wird mit ganz beſonderer Sorgfalt erzogen und von Jugend auf
wie ein Glied der Familie gehalten. Daher kommt es, daß die arabiſchen Pferde zu Haus-
thieren geworden ſind, in derſelben Bedeutung, wie der Hund, daß ſie ohne alle Furcht im Zelte des
Herrn und in der Kinderſtube geduldet werden können. Jch ſelbſt ſah eine arabiſche Stute, welche mit
den Kindern ihres Herrn ſpielte, wie ein großer Hund mit Kindern zu ſpielen pflegt. Drei kleine
Buben, von denen der eine noch nicht einmal ordentlich gehen konnte, unterhielten ſich mit dem ver-
ſtändigen Thiere und beläſtigten es ſoviel als möglich. Die Stute ließ ſich Alles gefallen; ſie zeigte
ſich ſogar höchſt willfährig, um die eigenſinnigen Wünſche der ſpielenden Kinder zu befriedigen.
[Abbildung Das arabiſche Pferd.]
Mit dem achtzehnten Monat beginnt die Erziehung des edlen Geſchöpfes; ſie währt fort, bis es
vollkommen erwachſen iſt. Zuerſt verſucht ſich ein Knabe im Reiten. Er führt das Pferd zur Tränke,
zur Weide, er reinigt es und ſorgt überhaupt für alle ſeine Bedürfniſſe. Beide lernen zu gleicher Zeit:
der Knabe wird ein Reiter, das Fohlen ein Reitthier. Niemals aber wird der junge Araber das ihm
anvertraute Füllen übernehmen; niemals wird er ihm Dinge zumuthen, die es nicht leiſten kann. Der
Unterricht beginnt im Freien und wird im Zelte fortgeſetzt. Man überwacht jede Bewegung des
Thieres, man behandelt es mit aller Liebe und Zärtlichkeit, duldet aber niemals Widerſtreben oder
Böswilligkeit. Erſt wenn das Pferd ſein zweites Lebensjahr überſchritten hat, legt man ihm den
Sattel auf, immer noch mit der größten Vorſicht. Das Gebiß wird anfangs mit Wolle um-
wickelt und dieſe manchmal mit Salzwaſſer beſprengt, um das Pferd leichter an das ihm unangenehme
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/367>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.