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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Einhufer. -- Das arabische Pferd.
Abd-el-Kader bestrafte, als er noch auf der Höhe seiner Macht stand, alle Gläubigen mit dem
Tode, von welchen ihm gesagt worden war, daß sie eins ihrer Pferde an die Christen verkauft hätten.

Der Araber ist von den Vorzügen seines Pferdes, von dem Gefühl der Lust, auf diesem edlen
Thiere zu reiten, so durchdrungen, daß er Hunderte von Liedern und Sprichwörtern dichtete, welche
seinen Gefühlen Worte geben sollen. Jch brauche nur eins anzuführen, um Dies zu beweisen.
"Das Paradies der Erde liegt auf dem Rücken des Pferdes, in den Büchern der Weisheit und über
dem Herzen des Weibes." Das Pferd steht begreiflicherweise obenan.

Es würde mir geradezu unmöglich sein, alle die feinen Unterschiede hier aufzuführen, welche die
arabischen Pferdekenner für die größere oder geringere Güte ihrer Rosse aufgestellt haben. Wir Abend-
länder haben dafür gar kein Verständniß, und unsere größten Kenner würden vor der arabischen Pferde-
wissenschaft beschämt ihre Unkenntniß eingestehen müssen. Nur soviel will ich im allgemeinen hier
sagen: Das edle arabische Pferd ist gut gebaut, hat kurze und bewegliche Ohren, schwere, aber doch
zierliche Knochen, ein fleischloses Gesicht, Nüstern "soweit, wie der Nachen des Löwen", schöne,
dunkle, vorspringende Augen, "an Ausdruck denen eines liebenden Weibes gleich," einen gekrümmten
und langen Hals, breite Brust und breites Kreuz, schmalen Rücken, runde Hinterschenkel, sehr lange
wahre und sehr kurze falsche Rippen, einen zusammengeschnürten Leib, lange Oberschenkel, "wie die
des Straußes es sind", mit Muskeln, "wie das Kamel sie hat," einen schwarzen, einfärbigen Huf,
eine feine und spärliche Mähne und einen reich behaarten Schwanz, dick an der Wurzel und dünn
gegen die Spitze hin. Es muß besitzen viererlei breit: die Stirn, die Brust, die Hüften und die
Glieder; viererlei lang: den Hals, die Oberglieder, den Bauch und die Weichen, und viererlei kurz:
das Kreuz, die Ohren, den Strahl und den Schwanz. Diese Eigenschaften beweisen nach der Mei-
nung der Araber, daß das Pferd von guter Rasse und schnell ist; denn es ähnelt dann in seinem
ganzen Baue dem Windhunde, der Taube und dem Kamele zugleich.

Die Stute muß besitzen: den Muth und die Kopfbreite des Wildschweins, die Anmuth, das
Auge und den Mund der Gazelle, die Fröhlichkeit und Klugheit der Antilope, den gedrungenen
Bau und die Schnelligkeit des Straußes und die Schwanzkürze der Viper.

Ein Rassenpferd kennt man aber auch noch an anderen Zeichen. Es frißt blos aus seinem
Futterbeutel. Jhm gefallen die Bäume, das Grün, der Schatten, das laufende Wasser, und zwar
in so hohem Grade, daß es beim Anblick dieser Gegenstände wiehert. Es trinkt nicht, bevor es das
Wasser erregt hat, sei es mit dem Fuße oder sei es mit dem Maule. Seine Lippen sind stets ge-
schlossen, die Augen und Ohren immer in Bewegung, und seinen Hals wirft es zur Rechten und zur
Linken, als wollte es sprechen oder um etwas bitten. Ferner behauptet man, daß es nun und nimmer-
mehr sich paare mit einem seiner Verwandten.

Die Namen der besten Rassen haben oft die sonderbarste Bedeutung, und gewöhnlich ist
immer ein Sagenkundiger nöthig, um diese Bedeutung zu erklären. Alle Araber glauben steif und
fest, daß die edlen Pferde schon seit Jahrtausenden in gleicher Vollkommenheit in ihrem Stamme sich
erhalten haben, und wachen daher ängstlich über der Zucht ihrer Rosse, um sich immer reines Blut zu
bewahren. Eigene Gebräuche sind in dieser Hinsicht herrschend unter ihnen geworden. So hat fast
jeder Pferdebesitzer die Verpflichtung, Dem, welcher bittend kommt, seinen Heugst zum Beschälen einer
edlen Stute zu leihen, und deshalb veredelt sich der ganze Bestand der Araber mehr und mehr.
Hengste von guter Rasse werden sehr gesucht: die Stutenbesitzer durchreiten oft Hunderte von
Meilen, um solche Hengste zum Beschälen zu erhalten. Als Gegengeschenk erhält der Hengstbesitzer
eine gewisse Menge Gerste, ein Schaf, einen Schlauch voll Milch. Geld anzunehmen, gilt als schmach-
voll; wer es thun wollte, würde sich dem Schimpfe aussetzen, "Verkäufer der Liebe des Pferdes" ge-
nannt zu werden. Nur wenn man einem vornehmen Araber zumuthet, seinen edlen Hengst zum
Beschlag einer gemeinen Stute zu leihen, hat er das Recht, die Bitte abzuschlagen. Die Araber sind
aber auch so große Pferdekenner, daß dieser Fall selten vorkommt. Während der Zeit der Trächtigkeit
wird das Pferd sehr sorgfältig behandelt, jedoch nur mit alleiniger Ausnahme der letzten Wochen ge-

Einhufer. — Das arabiſche Pferd.
Abd-el-Kader beſtrafte, als er noch auf der Höhe ſeiner Macht ſtand, alle Gläubigen mit dem
Tode, von welchen ihm geſagt worden war, daß ſie eins ihrer Pferde an die Chriſten verkauft hätten.

Der Araber iſt von den Vorzügen ſeines Pferdes, von dem Gefühl der Luſt, auf dieſem edlen
Thiere zu reiten, ſo durchdrungen, daß er Hunderte von Liedern und Sprichwörtern dichtete, welche
ſeinen Gefühlen Worte geben ſollen. Jch brauche nur eins anzuführen, um Dies zu beweiſen.
„Das Paradies der Erde liegt auf dem Rücken des Pferdes, in den Büchern der Weisheit und über
dem Herzen des Weibes.‟ Das Pferd ſteht begreiflicherweiſe obenan.

Es würde mir geradezu unmöglich ſein, alle die feinen Unterſchiede hier aufzuführen, welche die
arabiſchen Pferdekenner für die größere oder geringere Güte ihrer Roſſe aufgeſtellt haben. Wir Abend-
länder haben dafür gar kein Verſtändniß, und unſere größten Kenner würden vor der arabiſchen Pferde-
wiſſenſchaft beſchämt ihre Unkenntniß eingeſtehen müſſen. Nur ſoviel will ich im allgemeinen hier
ſagen: Das edle arabiſche Pferd iſt gut gebaut, hat kurze und bewegliche Ohren, ſchwere, aber doch
zierliche Knochen, ein fleiſchloſes Geſicht, Nüſtern „ſoweit, wie der Nachen des Löwen‟, ſchöne,
dunkle, vorſpringende Augen, „an Ausdruck denen eines liebenden Weibes gleich,‟ einen gekrümmten
und langen Hals, breite Bruſt und breites Kreuz, ſchmalen Rücken, runde Hinterſchenkel, ſehr lange
wahre und ſehr kurze falſche Rippen, einen zuſammengeſchnürten Leib, lange Oberſchenkel, „wie die
des Straußes es ſind‟, mit Muskeln, „wie das Kamel ſie hat,‟ einen ſchwarzen, einfärbigen Huf,
eine feine und ſpärliche Mähne und einen reich behaarten Schwanz, dick an der Wurzel und dünn
gegen die Spitze hin. Es muß beſitzen viererlei breit: die Stirn, die Bruſt, die Hüften und die
Glieder; viererlei lang: den Hals, die Oberglieder, den Bauch und die Weichen, und viererlei kurz:
das Kreuz, die Ohren, den Strahl und den Schwanz. Dieſe Eigenſchaften beweiſen nach der Mei-
nung der Araber, daß das Pferd von guter Raſſe und ſchnell iſt; denn es ähnelt dann in ſeinem
ganzen Baue dem Windhunde, der Taube und dem Kamele zugleich.

Die Stute muß beſitzen: den Muth und die Kopfbreite des Wildſchweins, die Anmuth, das
Auge und den Mund der Gazelle, die Fröhlichkeit und Klugheit der Antilope, den gedrungenen
Bau und die Schnelligkeit des Straußes und die Schwanzkürze der Viper.

Ein Raſſenpferd kennt man aber auch noch an anderen Zeichen. Es frißt blos aus ſeinem
Futterbeutel. Jhm gefallen die Bäume, das Grün, der Schatten, das laufende Waſſer, und zwar
in ſo hohem Grade, daß es beim Anblick dieſer Gegenſtände wiehert. Es trinkt nicht, bevor es das
Waſſer erregt hat, ſei es mit dem Fuße oder ſei es mit dem Maule. Seine Lippen ſind ſtets ge-
ſchloſſen, die Augen und Ohren immer in Bewegung, und ſeinen Hals wirft es zur Rechten und zur
Linken, als wollte es ſprechen oder um etwas bitten. Ferner behauptet man, daß es nun und nimmer-
mehr ſich paare mit einem ſeiner Verwandten.

Die Namen der beſten Raſſen haben oft die ſonderbarſte Bedeutung, und gewöhnlich iſt
immer ein Sagenkundiger nöthig, um dieſe Bedeutung zu erklären. Alle Araber glauben ſteif und
feſt, daß die edlen Pferde ſchon ſeit Jahrtauſenden in gleicher Vollkommenheit in ihrem Stamme ſich
erhalten haben, und wachen daher ängſtlich über der Zucht ihrer Roſſe, um ſich immer reines Blut zu
bewahren. Eigene Gebräuche ſind in dieſer Hinſicht herrſchend unter ihnen geworden. So hat faſt
jeder Pferdebeſitzer die Verpflichtung, Dem, welcher bittend kommt, ſeinen Heugſt zum Beſchälen einer
edlen Stute zu leihen, und deshalb veredelt ſich der ganze Beſtand der Araber mehr und mehr.
Hengſte von guter Raſſe werden ſehr geſucht: die Stutenbeſitzer durchreiten oft Hunderte von
Meilen, um ſolche Hengſte zum Beſchälen zu erhalten. Als Gegengeſchenk erhält der Hengſtbeſitzer
eine gewiſſe Menge Gerſte, ein Schaf, einen Schlauch voll Milch. Geld anzunehmen, gilt als ſchmach-
voll; wer es thun wollte, würde ſich dem Schimpfe ausſetzen, „Verkäufer der Liebe des Pferdes‟ ge-
nannt zu werden. Nur wenn man einem vornehmen Araber zumuthet, ſeinen edlen Hengſt zum
Beſchlag einer gemeinen Stute zu leihen, hat er das Recht, die Bitte abzuſchlagen. Die Araber ſind
aber auch ſo große Pferdekenner, daß dieſer Fall ſelten vorkommt. Während der Zeit der Trächtigkeit
wird das Pferd ſehr ſorgfältig behandelt, jedoch nur mit alleiniger Ausnahme der letzten Wochen ge-

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[346/0366] Einhufer. — Das arabiſche Pferd. Abd-el-Kader beſtrafte, als er noch auf der Höhe ſeiner Macht ſtand, alle Gläubigen mit dem Tode, von welchen ihm geſagt worden war, daß ſie eins ihrer Pferde an die Chriſten verkauft hätten. Der Araber iſt von den Vorzügen ſeines Pferdes, von dem Gefühl der Luſt, auf dieſem edlen Thiere zu reiten, ſo durchdrungen, daß er Hunderte von Liedern und Sprichwörtern dichtete, welche ſeinen Gefühlen Worte geben ſollen. Jch brauche nur eins anzuführen, um Dies zu beweiſen. „Das Paradies der Erde liegt auf dem Rücken des Pferdes, in den Büchern der Weisheit und über dem Herzen des Weibes.‟ Das Pferd ſteht begreiflicherweiſe obenan. Es würde mir geradezu unmöglich ſein, alle die feinen Unterſchiede hier aufzuführen, welche die arabiſchen Pferdekenner für die größere oder geringere Güte ihrer Roſſe aufgeſtellt haben. Wir Abend- länder haben dafür gar kein Verſtändniß, und unſere größten Kenner würden vor der arabiſchen Pferde- wiſſenſchaft beſchämt ihre Unkenntniß eingeſtehen müſſen. Nur ſoviel will ich im allgemeinen hier ſagen: Das edle arabiſche Pferd iſt gut gebaut, hat kurze und bewegliche Ohren, ſchwere, aber doch zierliche Knochen, ein fleiſchloſes Geſicht, Nüſtern „ſoweit, wie der Nachen des Löwen‟, ſchöne, dunkle, vorſpringende Augen, „an Ausdruck denen eines liebenden Weibes gleich,‟ einen gekrümmten und langen Hals, breite Bruſt und breites Kreuz, ſchmalen Rücken, runde Hinterſchenkel, ſehr lange wahre und ſehr kurze falſche Rippen, einen zuſammengeſchnürten Leib, lange Oberſchenkel, „wie die des Straußes es ſind‟, mit Muskeln, „wie das Kamel ſie hat,‟ einen ſchwarzen, einfärbigen Huf, eine feine und ſpärliche Mähne und einen reich behaarten Schwanz, dick an der Wurzel und dünn gegen die Spitze hin. Es muß beſitzen viererlei breit: die Stirn, die Bruſt, die Hüften und die Glieder; viererlei lang: den Hals, die Oberglieder, den Bauch und die Weichen, und viererlei kurz: das Kreuz, die Ohren, den Strahl und den Schwanz. Dieſe Eigenſchaften beweiſen nach der Mei- nung der Araber, daß das Pferd von guter Raſſe und ſchnell iſt; denn es ähnelt dann in ſeinem ganzen Baue dem Windhunde, der Taube und dem Kamele zugleich. Die Stute muß beſitzen: den Muth und die Kopfbreite des Wildſchweins, die Anmuth, das Auge und den Mund der Gazelle, die Fröhlichkeit und Klugheit der Antilope, den gedrungenen Bau und die Schnelligkeit des Straußes und die Schwanzkürze der Viper. Ein Raſſenpferd kennt man aber auch noch an anderen Zeichen. Es frißt blos aus ſeinem Futterbeutel. Jhm gefallen die Bäume, das Grün, der Schatten, das laufende Waſſer, und zwar in ſo hohem Grade, daß es beim Anblick dieſer Gegenſtände wiehert. Es trinkt nicht, bevor es das Waſſer erregt hat, ſei es mit dem Fuße oder ſei es mit dem Maule. Seine Lippen ſind ſtets ge- ſchloſſen, die Augen und Ohren immer in Bewegung, und ſeinen Hals wirft es zur Rechten und zur Linken, als wollte es ſprechen oder um etwas bitten. Ferner behauptet man, daß es nun und nimmer- mehr ſich paare mit einem ſeiner Verwandten. Die Namen der beſten Raſſen haben oft die ſonderbarſte Bedeutung, und gewöhnlich iſt immer ein Sagenkundiger nöthig, um dieſe Bedeutung zu erklären. Alle Araber glauben ſteif und feſt, daß die edlen Pferde ſchon ſeit Jahrtauſenden in gleicher Vollkommenheit in ihrem Stamme ſich erhalten haben, und wachen daher ängſtlich über der Zucht ihrer Roſſe, um ſich immer reines Blut zu bewahren. Eigene Gebräuche ſind in dieſer Hinſicht herrſchend unter ihnen geworden. So hat faſt jeder Pferdebeſitzer die Verpflichtung, Dem, welcher bittend kommt, ſeinen Heugſt zum Beſchälen einer edlen Stute zu leihen, und deshalb veredelt ſich der ganze Beſtand der Araber mehr und mehr. Hengſte von guter Raſſe werden ſehr geſucht: die Stutenbeſitzer durchreiten oft Hunderte von Meilen, um ſolche Hengſte zum Beſchälen zu erhalten. Als Gegengeſchenk erhält der Hengſtbeſitzer eine gewiſſe Menge Gerſte, ein Schaf, einen Schlauch voll Milch. Geld anzunehmen, gilt als ſchmach- voll; wer es thun wollte, würde ſich dem Schimpfe ausſetzen, „Verkäufer der Liebe des Pferdes‟ ge- nannt zu werden. Nur wenn man einem vornehmen Araber zumuthet, ſeinen edlen Hengſt zum Beſchlag einer gemeinen Stute zu leihen, hat er das Recht, die Bitte abzuſchlagen. Die Araber ſind aber auch ſo große Pferdekenner, daß dieſer Fall ſelten vorkommt. Während der Zeit der Trächtigkeit wird das Pferd ſehr ſorgfältig behandelt, jedoch nur mit alleiniger Ausnahme der letzten Wochen ge-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/366>, abgerufen am 23.11.2024.