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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Wildpferde der asiatischen Steppe.
von Dieben folgen oft einem anderen Stamme oder einer Karawane wochen- oder monatelang, bis
sie Gelegenheit finden, sämmtliche Reitthiere fortzutreiben.

Auch der Häute und des Fleisches wegen werden die Pferde Amerikas eifrig verfolgt. Bei Las-
Nacas schlachtet man, wie Darwin berichtet, wöchentlich eine große Anzahl Stuten blos der Häute
wegen. Jm Kriege nehmen die Truppenabtheilungen, welche in die Ferne gesandt werden, als ein-
zige Nahrung Herden von Pferden mit. Diese Thiere sind ihnen auch aus dem Grunde lieber
als Rinder, weil sie dem Heere größere Beweglichkeit gestatten.

Die Pferde der asiatischen Steppen, welche dem Menschen unterthan sind, führen ebenfalls
kein beneidenswerthes Leben. Wir haben einen Blick auf das Treiben der eigentlichen wilden Pferde
geworfen: lassen wir uns jetzt von Schlatter und anderen Reisenden belehren über die Pferde der
Tartaren, der Kirgisen, Jakuten und Tungusen, welche alle so ziemlich dasselbe Loos theilen. "Das
Pferd," sagt Schlatter, "ist das Lieblingsthier des Tartaren. Man bedient sich seiner mehr zum
Reiten, als zum Ziehen. Sein Fleisch ist dem Tartaren die liebste Speise, die Milch der Stuten
das ihm angenehmste Getränk; aus den Fellen schneidet er sich Riemen zu Saum- und Sattelzeug;
die Felle der Füllen benutzt er zu Beinkleidern für sich und zu Pelzröcken für seine Kinder; den
Schwanz und das Halshaar verwendet er zu Stricken und zu Sieben. Aber nur die wenigsten
Pferde, die zum Reiten nothwendigen, werden zu Hause behalten und mit Heu und Gerste gefüttert;
die große Mehrzahl lebt in Herden auf der Steppe im Sommer und im Winter, und muß sich auch
unter dem Schnee ihr Futter suchen. Oft sieht man zwischen 1000 und 2000 Pferde beisammen, in
stolzer, freier Haltung, fett und stark, welche noch nie von einem Menschen gedemüthigt oder gebän-
digt waren. Bei Ungewitter, Schneegestöber und Stürmen zerstreuen sich diese Herden manchmal
weit und breit und müssen tagelang aufgesucht werden. Der Tartar weiß jedoch, daß die Pferde
immer gegen den Wind gehen, und kann somit wenigstens die Gegend bestimmen, in welcher er das
Vieh zu suchen hat."

"Nur selten werden die Pferde von Hirten geweidet. Dann holt man sie alle 24 Stunden ein
Mal zur Tränke ins Dorf, wobei dann auch die Stuten gemolken werden. Ein kleiner Knabe ist im
Stande, die größte Herde zu treiben, da sich die Pferde, wenn sie merken, daß es zur Tränke geht,
zusammenhalten, wie Schafe. Während der größten Hitze des Tages fressen sie nicht, sondern stehen
im Kreise zusammen, stecken die Köpfe einwärts dicht an einander, um sich Schatten und Kühlung
zu verschaffen, und schlagen mit den langen Schweifen um sich; weht aber ein schwaches Lüftchen, so
stellen sie sich zerstreut auf der Steppe gegen den Wind und strecken den Kopf in die Höhe, um so
den Zug der Luft möglichst zu genießen. Jeder Hengst hat in der Regel einen eigenen Trupp Stuten
von der Herde. Oft sucht ein Hengst dem anderen eine Stute abzugewinnen, und dabei kommt es
dann leicht zum Zweikampfe. Sie schlagen sich auf Tod und Leben, kommen aufgerichtet auf den
Hinterfüßen, wie Bären, auf einander los und beißen sich, lassen sich wieder herab, wenden um
und schlagen sich mit den Hinterfüßen so arg, daß man glaubt, alle Knochen müßten entzwei-
gehen."

"Die Stuten, welche Sommer und Winter auf der Steppe weiden, lassen sich gern melken,
wenn sie nur ihr Junges vor sich haben. Jst die Pferdeherde zur Tränke ins Dorf gekommen, so
werden die Füllen mit einer langen Ruthe oder Stange, an welcher eine Schlinge befestigt ist, aus
der Herde gefangen. Es ist nur darum zu thun, daß sich die Milch bei der Mutter sammele und
der Tartar auch sein Theil dieses guten Getränkes bekomme. Die Füllen werden angebunden und
stehen so mehrere Stunden in der größten Hitze, während die Herde sich ruhig um sie herumstellt.
Hat sich die Milch der Stuten gesammelt, so wird eine nach der anderen auf dieselbe Weise, wie die
Füllen, aus der Herde gefangen und zu ihren Jungen geführt, vor welchen sie sich, nachdem dasselbe
erst angesaugt hat, melken läßt. Männer und Weiber besorgen dies Geschäft mit gleicher Ge-
schicklichkeit. Nach dem Melken wird die Herde wieder auf die Steppe getrieben. Die frischgemol-

Die Wildpferde der aſiatiſchen Steppe.
von Dieben folgen oft einem anderen Stamme oder einer Karawane wochen- oder monatelang, bis
ſie Gelegenheit finden, ſämmtliche Reitthiere fortzutreiben.

Auch der Häute und des Fleiſches wegen werden die Pferde Amerikas eifrig verfolgt. Bei Las-
Nacas ſchlachtet man, wie Darwin berichtet, wöchentlich eine große Anzahl Stuten blos der Häute
wegen. Jm Kriege nehmen die Truppenabtheilungen, welche in die Ferne geſandt werden, als ein-
zige Nahrung Herden von Pferden mit. Dieſe Thiere ſind ihnen auch aus dem Grunde lieber
als Rinder, weil ſie dem Heere größere Beweglichkeit geſtatten.

Die Pferde der aſiatiſchen Steppen, welche dem Menſchen unterthan ſind, führen ebenfalls
kein beneidenswerthes Leben. Wir haben einen Blick auf das Treiben der eigentlichen wilden Pferde
geworfen: laſſen wir uns jetzt von Schlatter und anderen Reiſenden belehren über die Pferde der
Tartaren, der Kirgiſen, Jakuten und Tunguſen, welche alle ſo ziemlich daſſelbe Loos theilen. „Das
Pferd,‟ ſagt Schlatter, „iſt das Lieblingsthier des Tartaren. Man bedient ſich ſeiner mehr zum
Reiten, als zum Ziehen. Sein Fleiſch iſt dem Tartaren die liebſte Speiſe, die Milch der Stuten
das ihm angenehmſte Getränk; aus den Fellen ſchneidet er ſich Riemen zu Saum- und Sattelzeug;
die Felle der Füllen benutzt er zu Beinkleidern für ſich und zu Pelzröcken für ſeine Kinder; den
Schwanz und das Halshaar verwendet er zu Stricken und zu Sieben. Aber nur die wenigſten
Pferde, die zum Reiten nothwendigen, werden zu Hauſe behalten und mit Heu und Gerſte gefüttert;
die große Mehrzahl lebt in Herden auf der Steppe im Sommer und im Winter, und muß ſich auch
unter dem Schnee ihr Futter ſuchen. Oft ſieht man zwiſchen 1000 und 2000 Pferde beiſammen, in
ſtolzer, freier Haltung, fett und ſtark, welche noch nie von einem Menſchen gedemüthigt oder gebän-
digt waren. Bei Ungewitter, Schneegeſtöber und Stürmen zerſtreuen ſich dieſe Herden manchmal
weit und breit und müſſen tagelang aufgeſucht werden. Der Tartar weiß jedoch, daß die Pferde
immer gegen den Wind gehen, und kann ſomit wenigſtens die Gegend beſtimmen, in welcher er das
Vieh zu ſuchen hat.‟

„Nur ſelten werden die Pferde von Hirten geweidet. Dann holt man ſie alle 24 Stunden ein
Mal zur Tränke ins Dorf, wobei dann auch die Stuten gemolken werden. Ein kleiner Knabe iſt im
Stande, die größte Herde zu treiben, da ſich die Pferde, wenn ſie merken, daß es zur Tränke geht,
zuſammenhalten, wie Schafe. Während der größten Hitze des Tages freſſen ſie nicht, ſondern ſtehen
im Kreiſe zuſammen, ſtecken die Köpfe einwärts dicht an einander, um ſich Schatten und Kühlung
zu verſchaffen, und ſchlagen mit den langen Schweifen um ſich; weht aber ein ſchwaches Lüftchen, ſo
ſtellen ſie ſich zerſtreut auf der Steppe gegen den Wind und ſtrecken den Kopf in die Höhe, um ſo
den Zug der Luft möglichſt zu genießen. Jeder Hengſt hat in der Regel einen eigenen Trupp Stuten
von der Herde. Oft ſucht ein Hengſt dem anderen eine Stute abzugewinnen, und dabei kommt es
dann leicht zum Zweikampfe. Sie ſchlagen ſich auf Tod und Leben, kommen aufgerichtet auf den
Hinterfüßen, wie Bären, auf einander los und beißen ſich, laſſen ſich wieder herab, wenden um
und ſchlagen ſich mit den Hinterfüßen ſo arg, daß man glaubt, alle Knochen müßten entzwei-
gehen.‟

„Die Stuten, welche Sommer und Winter auf der Steppe weiden, laſſen ſich gern melken,
wenn ſie nur ihr Junges vor ſich haben. Jſt die Pferdeherde zur Tränke ins Dorf gekommen, ſo
werden die Füllen mit einer langen Ruthe oder Stange, an welcher eine Schlinge befeſtigt iſt, aus
der Herde gefangen. Es iſt nur darum zu thun, daß ſich die Milch bei der Mutter ſammele und
der Tartar auch ſein Theil dieſes guten Getränkes bekomme. Die Füllen werden angebunden und
ſtehen ſo mehrere Stunden in der größten Hitze, während die Herde ſich ruhig um ſie herumſtellt.
Hat ſich die Milch der Stuten geſammelt, ſo wird eine nach der anderen auf dieſelbe Weiſe, wie die
Füllen, aus der Herde gefangen und zu ihren Jungen geführt, vor welchen ſie ſich, nachdem daſſelbe
erſt angeſaugt hat, melken läßt. Männer und Weiber beſorgen dies Geſchäft mit gleicher Ge-
ſchicklichkeit. Nach dem Melken wird die Herde wieder auf die Steppe getrieben. Die friſchgemol-

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[343/0363] Die Wildpferde der aſiatiſchen Steppe. von Dieben folgen oft einem anderen Stamme oder einer Karawane wochen- oder monatelang, bis ſie Gelegenheit finden, ſämmtliche Reitthiere fortzutreiben. Auch der Häute und des Fleiſches wegen werden die Pferde Amerikas eifrig verfolgt. Bei Las- Nacas ſchlachtet man, wie Darwin berichtet, wöchentlich eine große Anzahl Stuten blos der Häute wegen. Jm Kriege nehmen die Truppenabtheilungen, welche in die Ferne geſandt werden, als ein- zige Nahrung Herden von Pferden mit. Dieſe Thiere ſind ihnen auch aus dem Grunde lieber als Rinder, weil ſie dem Heere größere Beweglichkeit geſtatten. Die Pferde der aſiatiſchen Steppen, welche dem Menſchen unterthan ſind, führen ebenfalls kein beneidenswerthes Leben. Wir haben einen Blick auf das Treiben der eigentlichen wilden Pferde geworfen: laſſen wir uns jetzt von Schlatter und anderen Reiſenden belehren über die Pferde der Tartaren, der Kirgiſen, Jakuten und Tunguſen, welche alle ſo ziemlich daſſelbe Loos theilen. „Das Pferd,‟ ſagt Schlatter, „iſt das Lieblingsthier des Tartaren. Man bedient ſich ſeiner mehr zum Reiten, als zum Ziehen. Sein Fleiſch iſt dem Tartaren die liebſte Speiſe, die Milch der Stuten das ihm angenehmſte Getränk; aus den Fellen ſchneidet er ſich Riemen zu Saum- und Sattelzeug; die Felle der Füllen benutzt er zu Beinkleidern für ſich und zu Pelzröcken für ſeine Kinder; den Schwanz und das Halshaar verwendet er zu Stricken und zu Sieben. Aber nur die wenigſten Pferde, die zum Reiten nothwendigen, werden zu Hauſe behalten und mit Heu und Gerſte gefüttert; die große Mehrzahl lebt in Herden auf der Steppe im Sommer und im Winter, und muß ſich auch unter dem Schnee ihr Futter ſuchen. Oft ſieht man zwiſchen 1000 und 2000 Pferde beiſammen, in ſtolzer, freier Haltung, fett und ſtark, welche noch nie von einem Menſchen gedemüthigt oder gebän- digt waren. Bei Ungewitter, Schneegeſtöber und Stürmen zerſtreuen ſich dieſe Herden manchmal weit und breit und müſſen tagelang aufgeſucht werden. Der Tartar weiß jedoch, daß die Pferde immer gegen den Wind gehen, und kann ſomit wenigſtens die Gegend beſtimmen, in welcher er das Vieh zu ſuchen hat.‟ „Nur ſelten werden die Pferde von Hirten geweidet. Dann holt man ſie alle 24 Stunden ein Mal zur Tränke ins Dorf, wobei dann auch die Stuten gemolken werden. Ein kleiner Knabe iſt im Stande, die größte Herde zu treiben, da ſich die Pferde, wenn ſie merken, daß es zur Tränke geht, zuſammenhalten, wie Schafe. Während der größten Hitze des Tages freſſen ſie nicht, ſondern ſtehen im Kreiſe zuſammen, ſtecken die Köpfe einwärts dicht an einander, um ſich Schatten und Kühlung zu verſchaffen, und ſchlagen mit den langen Schweifen um ſich; weht aber ein ſchwaches Lüftchen, ſo ſtellen ſie ſich zerſtreut auf der Steppe gegen den Wind und ſtrecken den Kopf in die Höhe, um ſo den Zug der Luft möglichſt zu genießen. Jeder Hengſt hat in der Regel einen eigenen Trupp Stuten von der Herde. Oft ſucht ein Hengſt dem anderen eine Stute abzugewinnen, und dabei kommt es dann leicht zum Zweikampfe. Sie ſchlagen ſich auf Tod und Leben, kommen aufgerichtet auf den Hinterfüßen, wie Bären, auf einander los und beißen ſich, laſſen ſich wieder herab, wenden um und ſchlagen ſich mit den Hinterfüßen ſo arg, daß man glaubt, alle Knochen müßten entzwei- gehen.‟ „Die Stuten, welche Sommer und Winter auf der Steppe weiden, laſſen ſich gern melken, wenn ſie nur ihr Junges vor ſich haben. Jſt die Pferdeherde zur Tränke ins Dorf gekommen, ſo werden die Füllen mit einer langen Ruthe oder Stange, an welcher eine Schlinge befeſtigt iſt, aus der Herde gefangen. Es iſt nur darum zu thun, daß ſich die Milch bei der Mutter ſammele und der Tartar auch ſein Theil dieſes guten Getränkes bekomme. Die Füllen werden angebunden und ſtehen ſo mehrere Stunden in der größten Hitze, während die Herde ſich ruhig um ſie herumſtellt. Hat ſich die Milch der Stuten geſammelt, ſo wird eine nach der anderen auf dieſelbe Weiſe, wie die Füllen, aus der Herde gefangen und zu ihren Jungen geführt, vor welchen ſie ſich, nachdem daſſelbe erſt angeſaugt hat, melken läßt. Männer und Weiber beſorgen dies Geſchäft mit gleicher Ge- ſchicklichkeit. Nach dem Melken wird die Herde wieder auf die Steppe getrieben. Die friſchgemol-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/363>, abgerufen am 22.05.2024.