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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Meerschweinchen. Der Aperea.
wo sich gewöhnlich 12 bis 15 Stück zusammenhielten, welche am Saume der Wälder unter niedrigem
Gesträuch und längs den Hecken wohnten. Jm Jnnern der Waldungen und auf offenen Feldern
kommt der Aperea nicht vor. Man erkennt seinen Aufenthalt an den kleinen und schmalen, geschlän-
gelten Wegen, die er sich zwischen den Bromelien bahnt, und welche gewöhnlich zwei bis drei Fuß
weit ins Freie hinauslaufen. Früh und abends kommt er aus seinem Schlupfwinkel hervor, um
seiner Nahrung, welche aus Gras besteht, nachzugehen, entfernt sich aber nie weit, höchstens zwanzig
Fuß von seinem Wohnorte. Er ist so wenig scheu, daß man sich ihm leicht auf halbe Schußweite
nähern kann. Seine Bewegungen, seine Art zu fressen, die Laute, welche er von sich gibt, sind die
nämlichen, wie beim Meerschweinchen. Das Weibchen wirft nur einmal im Jahre und zwar im
Frühjahr ein oder zwei sehende Junge, welche gleich nach der Geburt laufen und ihrer Mutter folgen
können. Der Pelz des Thieres kann zu Nichts benutzt werden. Das Fleisch, welches einen süßen
Geschmack hat, wird von den Jndianern gegessen. Man fängt dieses arglose Thier leicht in Schlingen.
Außer den Menschen hat es noch alle Raubthiere, welche zum Katzen- und Hundegeschlecht gehören,
zu Feinden; besonders die größeren Schlangen, welche sich gewöhnlich auch in der Nähe der Bromelien
und zwischen denselben aufhalten."

"Auf der Neise an der Billa Rica sah ich bei einem Landmanne 14 zahme Aperea, welche in
der fünften und sechsten Linie von einem Paare abstammten, das er sieben Jahre vorher zahm einge-
fangen hatte. Sie waren sehr zahm, kannten ihren Herrn, kamen auf seinen Ruf aus ihrem Schlupf-
winkel hervor, fraßen aus seiner Hand und ließen sich von ihm auf den Arm nehmen. Gegen fremde
Personen zeigten sie einige Furcht. Jhre Färbung stimmte mit der wildlebender überein, ebenso ihre
Lebensweise, indem sie, wenn sie nicht gerufen wurden, den Tag hindurch sich versteckt hielten und
nur morgens und abends ihre Nahrung aufsuchten. Das Weibchen warf nur einmal im Jahre und
nie mehr als zwei Junge."

Man kann Rengger nicht Unrecht geben, wenn er nach diesen Beobachtungen über das Leben
den Aperea und das Meerschweinchen für verschiedene Thiere erklärt. Seine Meinung gewinnt aber
bei Vergleichung der beiden Thiere hinsichtlich ihrer Gebisse und Färbung noch bedeutend an Gewicht.
Der Aperea wird 10 Zoll lang und 31/2 Zoll hoch. Der Pelz besteht aus geraden, harten, glän-
zenden, borstenartigen Haaren, welche ziemlich glatt auf der Haut liegen. Die Ohren, der Rücken,
die Füße sind nur mit einigen Haaren bekleidet; über dem Munde befinden sich auf jeder Seite einige
steife, lange Borsten. Jm Winter sind die Haare der Oberseite braun und gelb mit röthlichen
Spitzen, die der Unterseite gelblichgrau, die der Füße bräunlichweiß. Jm Sommer wird die Färbung
blässer, und alle oberen und äußeren Theile erscheinen graubraun mit einer röthlichen Schattirung.
Die Borsten im Gesicht sind schwarz, die Nägel braun. Beide Geschlechter ähneln einander in der
Färbung vollständig, und bisjetzt sind noch niemals Farbenabänderungen bemerkt worden. Der Zahn-
bau des Aperea ist so ziemlich derselbe, wie beim Meerschweinchen; doch sind die Schneidezähne mehr
gebogen und die Backzähne nicht so lang, wie bei unserem Hausthiere. Auch ist die Färbung bei
jenem bräunlichgelb, bei diesem gelblichgrau. Das Meerschweinchen dagegen zeigt immer nur
dreierlei Farben in bunter, unregelmäßiger Mischung Schwarz, Roth, Gelb und Weiß. Diese Farben
sind bald in größere, bald in kleinere Flecken vertheilt. Einfarbige sind weit seltener, als bunte.
Hierzu kommen aber noch anatomische Unterschiede. Der Schädel des Aperea läuft nach vorn spitzer
zu, als beim Meerschweinchen, ist hinten breiter und an der Hirnschale gewölbt. Bei jenem laufen
die Nasenknochen nach oben in eine Spitze aus, bei diesem sind sie quer abgeschnitten; bei jenem
ist das Hinterhauptloch kreisförmig, bei diesem mehr hoch als breit. Der Gesichtswinkel des Aperea
beträgt 15°, der des Meerschweinchens nur 11° u. s. w. Dies sind in der That bedeutende Unter-
schiede, welche wohl zur Trennung beider Thiere berechtigen dürften.

Unser Meerschweinchen gehört zu den beliebtesten Hausthieren aus der ganzen Ordnung der
Nager, ebensowohl seiner Genügsamkeit, als seiner Harmlosigkeit und Gutmüthigkeit halber. Wenn
man ihm einen luftigen und trockenen Stall gibt, ist es überall leicht zu erhalten. Es frißt alle

Das Meerſchweinchen. Der Aperea.
wo ſich gewöhnlich 12 bis 15 Stück zuſammenhielten, welche am Saume der Wälder unter niedrigem
Geſträuch und längs den Hecken wohnten. Jm Jnnern der Waldungen und auf offenen Feldern
kommt der Aperea nicht vor. Man erkennt ſeinen Aufenthalt an den kleinen und ſchmalen, geſchlän-
gelten Wegen, die er ſich zwiſchen den Bromelien bahnt, und welche gewöhnlich zwei bis drei Fuß
weit ins Freie hinauslaufen. Früh und abends kommt er aus ſeinem Schlupfwinkel hervor, um
ſeiner Nahrung, welche aus Gras beſteht, nachzugehen, entfernt ſich aber nie weit, höchſtens zwanzig
Fuß von ſeinem Wohnorte. Er iſt ſo wenig ſcheu, daß man ſich ihm leicht auf halbe Schußweite
nähern kann. Seine Bewegungen, ſeine Art zu freſſen, die Laute, welche er von ſich gibt, ſind die
nämlichen, wie beim Meerſchweinchen. Das Weibchen wirft nur einmal im Jahre und zwar im
Frühjahr ein oder zwei ſehende Junge, welche gleich nach der Geburt laufen und ihrer Mutter folgen
können. Der Pelz des Thieres kann zu Nichts benutzt werden. Das Fleiſch, welches einen ſüßen
Geſchmack hat, wird von den Jndianern gegeſſen. Man fängt dieſes argloſe Thier leicht in Schlingen.
Außer den Menſchen hat es noch alle Raubthiere, welche zum Katzen- und Hundegeſchlecht gehören,
zu Feinden; beſonders die größeren Schlangen, welche ſich gewöhnlich auch in der Nähe der Bromelien
und zwiſchen denſelben aufhalten.‟

„Auf der Neiſe an der Billa Rica ſah ich bei einem Landmanne 14 zahme Aperea, welche in
der fünften und ſechſten Linie von einem Paare abſtammten, das er ſieben Jahre vorher zahm einge-
fangen hatte. Sie waren ſehr zahm, kannten ihren Herrn, kamen auf ſeinen Ruf aus ihrem Schlupf-
winkel hervor, fraßen aus ſeiner Hand und ließen ſich von ihm auf den Arm nehmen. Gegen fremde
Perſonen zeigten ſie einige Furcht. Jhre Färbung ſtimmte mit der wildlebender überein, ebenſo ihre
Lebensweiſe, indem ſie, wenn ſie nicht gerufen wurden, den Tag hindurch ſich verſteckt hielten und
nur morgens und abends ihre Nahrung aufſuchten. Das Weibchen warf nur einmal im Jahre und
nie mehr als zwei Junge.‟

Man kann Rengger nicht Unrecht geben, wenn er nach dieſen Beobachtungen über das Leben
den Aperea und das Meerſchweinchen für verſchiedene Thiere erklärt. Seine Meinung gewinnt aber
bei Vergleichung der beiden Thiere hinſichtlich ihrer Gebiſſe und Färbung noch bedeutend an Gewicht.
Der Aperea wird 10 Zoll lang und 3½ Zoll hoch. Der Pelz beſteht aus geraden, harten, glän-
zenden, borſtenartigen Haaren, welche ziemlich glatt auf der Haut liegen. Die Ohren, der Rücken,
die Füße ſind nur mit einigen Haaren bekleidet; über dem Munde befinden ſich auf jeder Seite einige
ſteife, lange Borſten. Jm Winter ſind die Haare der Oberſeite braun und gelb mit röthlichen
Spitzen, die der Unterſeite gelblichgrau, die der Füße bräunlichweiß. Jm Sommer wird die Färbung
bläſſer, und alle oberen und äußeren Theile erſcheinen graubraun mit einer röthlichen Schattirung.
Die Borſten im Geſicht ſind ſchwarz, die Nägel braun. Beide Geſchlechter ähneln einander in der
Färbung vollſtändig, und bisjetzt ſind noch niemals Farbenabänderungen bemerkt worden. Der Zahn-
bau des Aperea iſt ſo ziemlich derſelbe, wie beim Meerſchweinchen; doch ſind die Schneidezähne mehr
gebogen und die Backzähne nicht ſo lang, wie bei unſerem Hausthiere. Auch iſt die Färbung bei
jenem bräunlichgelb, bei dieſem gelblichgrau. Das Meerſchweinchen dagegen zeigt immer nur
dreierlei Farben in bunter, unregelmäßiger Miſchung Schwarz, Roth, Gelb und Weiß. Dieſe Farben
ſind bald in größere, bald in kleinere Flecken vertheilt. Einfarbige ſind weit ſeltener, als bunte.
Hierzu kommen aber noch anatomiſche Unterſchiede. Der Schädel des Aperea läuft nach vorn ſpitzer
zu, als beim Meerſchweinchen, iſt hinten breiter und an der Hirnſchale gewölbt. Bei jenem laufen
die Naſenknochen nach oben in eine Spitze aus, bei dieſem ſind ſie quer abgeſchnitten; bei jenem
iſt das Hinterhauptloch kreisförmig, bei dieſem mehr hoch als breit. Der Geſichtswinkel des Aperea
beträgt 15°, der des Meerſchweinchens nur 11° u. ſ. w. Dies ſind in der That bedeutende Unter-
ſchiede, welche wohl zur Trennung beider Thiere berechtigen dürften.

Unſer Meerſchweinchen gehört zu den beliebteſten Hausthieren aus der ganzen Ordnung der
Nager, ebenſowohl ſeiner Genügſamkeit, als ſeiner Harmloſigkeit und Gutmüthigkeit halber. Wenn
man ihm einen luftigen und trockenen Stall gibt, iſt es überall leicht zu erhalten. Es frißt alle

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[233/0251] Das Meerſchweinchen. Der Aperea. wo ſich gewöhnlich 12 bis 15 Stück zuſammenhielten, welche am Saume der Wälder unter niedrigem Geſträuch und längs den Hecken wohnten. Jm Jnnern der Waldungen und auf offenen Feldern kommt der Aperea nicht vor. Man erkennt ſeinen Aufenthalt an den kleinen und ſchmalen, geſchlän- gelten Wegen, die er ſich zwiſchen den Bromelien bahnt, und welche gewöhnlich zwei bis drei Fuß weit ins Freie hinauslaufen. Früh und abends kommt er aus ſeinem Schlupfwinkel hervor, um ſeiner Nahrung, welche aus Gras beſteht, nachzugehen, entfernt ſich aber nie weit, höchſtens zwanzig Fuß von ſeinem Wohnorte. Er iſt ſo wenig ſcheu, daß man ſich ihm leicht auf halbe Schußweite nähern kann. Seine Bewegungen, ſeine Art zu freſſen, die Laute, welche er von ſich gibt, ſind die nämlichen, wie beim Meerſchweinchen. Das Weibchen wirft nur einmal im Jahre und zwar im Frühjahr ein oder zwei ſehende Junge, welche gleich nach der Geburt laufen und ihrer Mutter folgen können. Der Pelz des Thieres kann zu Nichts benutzt werden. Das Fleiſch, welches einen ſüßen Geſchmack hat, wird von den Jndianern gegeſſen. Man fängt dieſes argloſe Thier leicht in Schlingen. Außer den Menſchen hat es noch alle Raubthiere, welche zum Katzen- und Hundegeſchlecht gehören, zu Feinden; beſonders die größeren Schlangen, welche ſich gewöhnlich auch in der Nähe der Bromelien und zwiſchen denſelben aufhalten.‟ „Auf der Neiſe an der Billa Rica ſah ich bei einem Landmanne 14 zahme Aperea, welche in der fünften und ſechſten Linie von einem Paare abſtammten, das er ſieben Jahre vorher zahm einge- fangen hatte. Sie waren ſehr zahm, kannten ihren Herrn, kamen auf ſeinen Ruf aus ihrem Schlupf- winkel hervor, fraßen aus ſeiner Hand und ließen ſich von ihm auf den Arm nehmen. Gegen fremde Perſonen zeigten ſie einige Furcht. Jhre Färbung ſtimmte mit der wildlebender überein, ebenſo ihre Lebensweiſe, indem ſie, wenn ſie nicht gerufen wurden, den Tag hindurch ſich verſteckt hielten und nur morgens und abends ihre Nahrung aufſuchten. Das Weibchen warf nur einmal im Jahre und nie mehr als zwei Junge.‟ Man kann Rengger nicht Unrecht geben, wenn er nach dieſen Beobachtungen über das Leben den Aperea und das Meerſchweinchen für verſchiedene Thiere erklärt. Seine Meinung gewinnt aber bei Vergleichung der beiden Thiere hinſichtlich ihrer Gebiſſe und Färbung noch bedeutend an Gewicht. Der Aperea wird 10 Zoll lang und 3½ Zoll hoch. Der Pelz beſteht aus geraden, harten, glän- zenden, borſtenartigen Haaren, welche ziemlich glatt auf der Haut liegen. Die Ohren, der Rücken, die Füße ſind nur mit einigen Haaren bekleidet; über dem Munde befinden ſich auf jeder Seite einige ſteife, lange Borſten. Jm Winter ſind die Haare der Oberſeite braun und gelb mit röthlichen Spitzen, die der Unterſeite gelblichgrau, die der Füße bräunlichweiß. Jm Sommer wird die Färbung bläſſer, und alle oberen und äußeren Theile erſcheinen graubraun mit einer röthlichen Schattirung. Die Borſten im Geſicht ſind ſchwarz, die Nägel braun. Beide Geſchlechter ähneln einander in der Färbung vollſtändig, und bisjetzt ſind noch niemals Farbenabänderungen bemerkt worden. Der Zahn- bau des Aperea iſt ſo ziemlich derſelbe, wie beim Meerſchweinchen; doch ſind die Schneidezähne mehr gebogen und die Backzähne nicht ſo lang, wie bei unſerem Hausthiere. Auch iſt die Färbung bei jenem bräunlichgelb, bei dieſem gelblichgrau. Das Meerſchweinchen dagegen zeigt immer nur dreierlei Farben in bunter, unregelmäßiger Miſchung Schwarz, Roth, Gelb und Weiß. Dieſe Farben ſind bald in größere, bald in kleinere Flecken vertheilt. Einfarbige ſind weit ſeltener, als bunte. Hierzu kommen aber noch anatomiſche Unterſchiede. Der Schädel des Aperea läuft nach vorn ſpitzer zu, als beim Meerſchweinchen, iſt hinten breiter und an der Hirnſchale gewölbt. Bei jenem laufen die Naſenknochen nach oben in eine Spitze aus, bei dieſem ſind ſie quer abgeſchnitten; bei jenem iſt das Hinterhauptloch kreisförmig, bei dieſem mehr hoch als breit. Der Geſichtswinkel des Aperea beträgt 15°, der des Meerſchweinchens nur 11° u. ſ. w. Dies ſind in der That bedeutende Unter- ſchiede, welche wohl zur Trennung beider Thiere berechtigen dürften. Unſer Meerſchweinchen gehört zu den beliebteſten Hausthieren aus der ganzen Ordnung der Nager, ebenſowohl ſeiner Genügſamkeit, als ſeiner Harmloſigkeit und Gutmüthigkeit halber. Wenn man ihm einen luftigen und trockenen Stall gibt, iſt es überall leicht zu erhalten. Es frißt alle

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/251>, abgerufen am 23.11.2024.