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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Ferkelhasen oder Hufpfötler. -- Das Meerschweinchen. Der Aperea.
zehnten Jahrhunderts. Ein Schriftsteller, welcher um diese Zeit seine Wanderungen in Südamerika
machte, versichert, daß es in Brasilien im wilden Zustande nur in derselben bunten Färbung vor-
komme, wie bei uns. Wenn Dies wahr ist, kann man nicht einmal annehmen, daß das Meer-
schweinchen ein durch Zucht und Gefangenschaft veränderter Aperea ist. Diese Meinung wird auch
noch dadurch unterstützt, daß das Meerschweinchen überall, wo es in der Gefangenschaft gehalten
wird, dieselbe Färbung zeigt. Man kennt es als Hausthier schon seit mehreren Jahrhunderten auf
den Antillen und an der Küste von Guinea. Aber überall zeigt es genau dieselbe Lebensweise und
Färbung, wie bei uns. Nicht unmöglich ist es, daß das Thierchen erst von Guinea bei uns einge-
führt wurde, wenigstens scheint hierauf der englische Name Gninea-Pig zu deuten. Die englischen
Naturforscher nehmen freilich den Aperea als Stammart des Thieres an, und es ist deshalb wohl am
Orte, wenn wir, ehe wir unser Meerschwein betrachten, mit dem Aperea (Cavia Aperea) uns bekannt
machen. Wir bekommen hierdurch wenigstens Kunde über die Lebensweise eines derselben Sippe ange-
hörigen und wildlebenden Thieres. Azara sagt Folgendes:

[Abbildung] Der Aperea (Cavia Aperea).

"Der Aperea ist häufig in Paraguay und ebenso in den Pampas von Buenos Ayres, ja, wie
man sagt, in ganz Amerika. Er bewohnt die Gräser und Gebüsche an den Feldern, namentlich solche,
welche die Meiereien umgeben, ohne in die Wälder einzudringen. Höhlen gräbt er nicht, und von
seinem Standorte entfernt er sich nicht gern weit. Jn Gärten richtet er Schaden an, weil er die ver-
schiedensten Pflanzen verzehrt. Bei Tage hält er sich verborgen, mit Sonnenuntergang kommt er
heraus. Man kann ihn nicht scheu nennen. Wenn man sich ihm nähert, versteckt er sich unter irgend
einem Gegenstand. Gefangen, schreit er laut auf. Sein Lauf ist ziemlich schnell; aber er ist so
dumm, daß alle Raubvögel und Raubthiere ihn mit Leichtigkeit wegnehmen. Dem ungeachtet ist er
häufig; wahrscheinlich, weil sein Weibchen mehrmals im Jahre Junge wirft, wenn auch gewöhnlich
nur ein oder höchstens zwei Stück. Sein Fleisch wird von den Jndianern gern gegessen."

Diesen Bericht vervollständigt Rengger.

"Jch habe," sagt er, "den Aperea in ganz Paraguay und südlich von diesem Lande bis zum 35.
Grade, dann auch in Brasilien angetroffen. Jn Paraguay fand ich ihn vorzüglich in feuchten Gegenden,

Die Ferkelhaſen oder Hufpfötler. — Das Meerſchweinchen. Der Aperea.
zehnten Jahrhunderts. Ein Schriftſteller, welcher um dieſe Zeit ſeine Wanderungen in Südamerika
machte, verſichert, daß es in Braſilien im wilden Zuſtande nur in derſelben bunten Färbung vor-
komme, wie bei uns. Wenn Dies wahr iſt, kann man nicht einmal annehmen, daß das Meer-
ſchweinchen ein durch Zucht und Gefangenſchaft veränderter Aperea iſt. Dieſe Meinung wird auch
noch dadurch unterſtützt, daß das Meerſchweinchen überall, wo es in der Gefangenſchaft gehalten
wird, dieſelbe Färbung zeigt. Man kennt es als Hausthier ſchon ſeit mehreren Jahrhunderten auf
den Antillen und an der Küſte von Guinea. Aber überall zeigt es genau dieſelbe Lebensweiſe und
Färbung, wie bei uns. Nicht unmöglich iſt es, daß das Thierchen erſt von Guinea bei uns einge-
führt wurde, wenigſtens ſcheint hierauf der engliſche Name Gninea-Pig zu deuten. Die engliſchen
Naturforſcher nehmen freilich den Aperea als Stammart des Thieres an, und es iſt deshalb wohl am
Orte, wenn wir, ehe wir unſer Meerſchwein betrachten, mit dem Aperea (Cavia Aperea) uns bekannt
machen. Wir bekommen hierdurch wenigſtens Kunde über die Lebensweiſe eines derſelben Sippe ange-
hörigen und wildlebenden Thieres. Azara ſagt Folgendes:

[Abbildung] Der Aperea (Cavia Aperea).

„Der Aperea iſt häufig in Paraguay und ebenſo in den Pampas von Buenos Ayres, ja, wie
man ſagt, in ganz Amerika. Er bewohnt die Gräſer und Gebüſche an den Feldern, namentlich ſolche,
welche die Meiereien umgeben, ohne in die Wälder einzudringen. Höhlen gräbt er nicht, und von
ſeinem Standorte entfernt er ſich nicht gern weit. Jn Gärten richtet er Schaden an, weil er die ver-
ſchiedenſten Pflanzen verzehrt. Bei Tage hält er ſich verborgen, mit Sonnenuntergang kommt er
heraus. Man kann ihn nicht ſcheu nennen. Wenn man ſich ihm nähert, verſteckt er ſich unter irgend
einem Gegenſtand. Gefangen, ſchreit er laut auf. Sein Lauf iſt ziemlich ſchnell; aber er iſt ſo
dumm, daß alle Raubvögel und Raubthiere ihn mit Leichtigkeit wegnehmen. Dem ungeachtet iſt er
häufig; wahrſcheinlich, weil ſein Weibchen mehrmals im Jahre Junge wirft, wenn auch gewöhnlich
nur ein oder höchſtens zwei Stück. Sein Fleiſch wird von den Jndianern gern gegeſſen.‟

Dieſen Bericht vervollſtändigt Rengger.

„Jch habe,‟ ſagt er, „den Aperea in ganz Paraguay und ſüdlich von dieſem Lande bis zum 35.
Grade, dann auch in Braſilien angetroffen. Jn Paraguay fand ich ihn vorzüglich in feuchten Gegenden,

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[232/0250] Die Ferkelhaſen oder Hufpfötler. — Das Meerſchweinchen. Der Aperea. zehnten Jahrhunderts. Ein Schriftſteller, welcher um dieſe Zeit ſeine Wanderungen in Südamerika machte, verſichert, daß es in Braſilien im wilden Zuſtande nur in derſelben bunten Färbung vor- komme, wie bei uns. Wenn Dies wahr iſt, kann man nicht einmal annehmen, daß das Meer- ſchweinchen ein durch Zucht und Gefangenſchaft veränderter Aperea iſt. Dieſe Meinung wird auch noch dadurch unterſtützt, daß das Meerſchweinchen überall, wo es in der Gefangenſchaft gehalten wird, dieſelbe Färbung zeigt. Man kennt es als Hausthier ſchon ſeit mehreren Jahrhunderten auf den Antillen und an der Küſte von Guinea. Aber überall zeigt es genau dieſelbe Lebensweiſe und Färbung, wie bei uns. Nicht unmöglich iſt es, daß das Thierchen erſt von Guinea bei uns einge- führt wurde, wenigſtens ſcheint hierauf der engliſche Name Gninea-Pig zu deuten. Die engliſchen Naturforſcher nehmen freilich den Aperea als Stammart des Thieres an, und es iſt deshalb wohl am Orte, wenn wir, ehe wir unſer Meerſchwein betrachten, mit dem Aperea (Cavia Aperea) uns bekannt machen. Wir bekommen hierdurch wenigſtens Kunde über die Lebensweiſe eines derſelben Sippe ange- hörigen und wildlebenden Thieres. Azara ſagt Folgendes: [Abbildung Der Aperea (Cavia Aperea).] „Der Aperea iſt häufig in Paraguay und ebenſo in den Pampas von Buenos Ayres, ja, wie man ſagt, in ganz Amerika. Er bewohnt die Gräſer und Gebüſche an den Feldern, namentlich ſolche, welche die Meiereien umgeben, ohne in die Wälder einzudringen. Höhlen gräbt er nicht, und von ſeinem Standorte entfernt er ſich nicht gern weit. Jn Gärten richtet er Schaden an, weil er die ver- ſchiedenſten Pflanzen verzehrt. Bei Tage hält er ſich verborgen, mit Sonnenuntergang kommt er heraus. Man kann ihn nicht ſcheu nennen. Wenn man ſich ihm nähert, verſteckt er ſich unter irgend einem Gegenſtand. Gefangen, ſchreit er laut auf. Sein Lauf iſt ziemlich ſchnell; aber er iſt ſo dumm, daß alle Raubvögel und Raubthiere ihn mit Leichtigkeit wegnehmen. Dem ungeachtet iſt er häufig; wahrſcheinlich, weil ſein Weibchen mehrmals im Jahre Junge wirft, wenn auch gewöhnlich nur ein oder höchſtens zwei Stück. Sein Fleiſch wird von den Jndianern gern gegeſſen.‟ Dieſen Bericht vervollſtändigt Rengger. „Jch habe,‟ ſagt er, „den Aperea in ganz Paraguay und ſüdlich von dieſem Lande bis zum 35. Grade, dann auch in Braſilien angetroffen. Jn Paraguay fand ich ihn vorzüglich in feuchten Gegenden,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/250>, abgerufen am 23.11.2024.