Die Schrotmäuse oder die Trugratten. -- Die Kammratten.
Die Zeit der Paarung, die Dauer der Tragzeit, sowie die Zahl der Jungen scheint, trotz der Häusigkeit des Thieres, bisjetzt noch nicht bekannt zu sein. Man kann eben blos schließen, daß der Degu einer großen Vermehrung fähig ist. Die Gefangenschaft erträgt er sehr leicht; er wird auch bald recht zahm und erfreut durch sein angenehmes, nettes Wesen seinen Besitzer. Jm übrigen stiftet er aber nicht den geringsten Nutzen; denn weder Fell noch Fleisch wird verwandt. --
Jn den höheren Gebirgsgegenden Chiles, und zwar in dem hohen Gürtel von ungefähr 9000 Fuß über dem Meere, lebt eine ganz ähnliche Art der Strauchratten, welche von mehreren Naturforschern nur als eine durch das Klima bedingte Spielart angesehen wird. Doch unterscheidet sie sich durch stärkeren Körperbau und durch eine andere Färbung so bedeutend von dem eigentlichen Degu, daß man wohl an eine Artverschiedenheit glauben kann.
Von Südbrasilien an bis zur Magellanstraße hinab dehnen die Mitglieder einer zweiten Sippe unserer Familie ihre Heimat aus. Es sind Dies die Kammratten (Ctenomys). Sie ähneln noch entfernt den Strauchratten; die kleinen Augen und die noch viel kleineren, fast im Pelze ver- steckten Ohren aber deuten auf ein unterirdisches Leben hin. Und wirklich sind die Thiere echte Wühl- mäuse, welche ausgedehnte Gänge unter der Oberfläche der Erde anlegen.
Jn ihrer Gestaltung stehen sie ungefähr zwischen den eigentlichen Ratten und den Hamstern in der Mitte. Manche Arten ähneln den letzteren sehr. Der Körper ist gedrungen und walzenförmig, der Hals kurz und dick, der Kopf ebenfalls kurz, stumpfschnauzig. Die Beine sind kurz und die fünf Zehen der Füße mit tüchtigen Scharrkrallen bewehrt. Der Schwanz ist kurz, dick und stumpf- spitzig, das Haarkleid liegt glatt an, ist kurz an dem Kopfe, an dem Körper etwas länger; feine Grannenhaare treten einzeln aus dem Pelz hervor. Bisjetzt kennt man etwa sechs Arten. Eine der merkwürdigeren ist der "Tucutuco" der Eingeborenen Patagoniens (Ctenomys magellanicus).
Der Reisende, welcher zum ersten Male jene Länder betritt, vernimmt eigenthümliche, von ein- ander abgeschiedene, grunzende Laute, welche in regelmäßigen Zwischenräumen nach einander gleichsam aus der Erde herausschallen und ungefähr den Silben Tucutuco entsprechen. Diese Töne rühren von der nach ihnen benannten Kammratte her. Der Tucutuco kommt in der Größe ungefähr einem halb- wüchsigen Hamster gleich. Der Körper mißt 71/2 Zoll, der Schwanz 23/4 Zoll und die Höhe am Widerrist beträgt 33/4 Zoll. Die Färbung der Oberseite ist bräunlichgrau mit gelbem Anfluge und schwacher, schwarzer Sprenkelung. Die einzelnen Haare sind bleifarben, gegen die Wurzel und an den Spitzen größtentheils aschgrau ins Bräunliche ziehend. Einige dünn gestellte Grannenhaare endigen in schwarzen Spitzen; auf der Unterseite fehlen diese Grannenhaare und deshalb erscheint die Färbung hier viel lichter. Kinn und Vorderhals sind blaßfahlgelb, die Füße und der Schwanz weiß. Letzterer ist geringelt und geschuppt und ziemlich dünn mit feinen Härchen besetzt.
Wir verdanken die für uns giltige Entdeckung und die erste Beschreibung des Tucutuco dem um die Naturgeschichte der südlichsten Spitze Amerikas hochverdienten Naturforscher Darwin. Seine Schilderung der Lebensweise des Thieres ist bisjetzt noch nicht vervollständigt worden. Der Tucu- tuco wurde am östlichen Eingange der Magellanstraße entdeckt und von dort aus nach Norden und Westen hin in einem ziemlich großen Theile Patagoniens gefunden. Ausgedehnte, trockene, sandige und unfruchtbare Ebenen geben ihm Herberge. Hier durchwühlt er nach Maulwurfsart große Flächen, zumal des Nachts; denn bei Tage scheint er zu ruhen, obwohl man gerade dann seine Stimme oft vernimmt. Der Gang auf ebenem Boden ist sehr plump und unbeholfen. Das Thier vermag es nicht, über das geringste Hinderniß zu springen und ist so ungeschickt, daß man es außer- halb seines Baues leicht ergreifen kann. Unter den Sinnen dürfte Geruch und Gehör am meisten ausgebildet sein. Das Gesicht ist sehr stumpf, ja, viele sollen völlig blind sein. Wurzeln der dort
Die Schrotmäuſe oder die Trugratten. — Die Kammratten.
Die Zeit der Paarung, die Dauer der Tragzeit, ſowie die Zahl der Jungen ſcheint, trotz der Häuſigkeit des Thieres, bisjetzt noch nicht bekannt zu ſein. Man kann eben blos ſchließen, daß der Degu einer großen Vermehrung fähig iſt. Die Gefangenſchaft erträgt er ſehr leicht; er wird auch bald recht zahm und erfreut durch ſein angenehmes, nettes Weſen ſeinen Beſitzer. Jm übrigen ſtiftet er aber nicht den geringſten Nutzen; denn weder Fell noch Fleiſch wird verwandt. —
Jn den höheren Gebirgsgegenden Chiles, und zwar in dem hohen Gürtel von ungefähr 9000 Fuß über dem Meere, lebt eine ganz ähnliche Art der Strauchratten, welche von mehreren Naturforſchern nur als eine durch das Klima bedingte Spielart angeſehen wird. Doch unterſcheidet ſie ſich durch ſtärkeren Körperbau und durch eine andere Färbung ſo bedeutend von dem eigentlichen Degu, daß man wohl an eine Artverſchiedenheit glauben kann.
Von Südbraſilien an bis zur Magellanſtraße hinab dehnen die Mitglieder einer zweiten Sippe unſerer Familie ihre Heimat aus. Es ſind Dies die Kammratten (Ctenomys). Sie ähneln noch entfernt den Strauchratten; die kleinen Augen und die noch viel kleineren, faſt im Pelze ver- ſteckten Ohren aber deuten auf ein unterirdiſches Leben hin. Und wirklich ſind die Thiere echte Wühl- mäuſe, welche ausgedehnte Gänge unter der Oberfläche der Erde anlegen.
Jn ihrer Geſtaltung ſtehen ſie ungefähr zwiſchen den eigentlichen Ratten und den Hamſtern in der Mitte. Manche Arten ähneln den letzteren ſehr. Der Körper iſt gedrungen und walzenförmig, der Hals kurz und dick, der Kopf ebenfalls kurz, ſtumpfſchnauzig. Die Beine ſind kurz und die fünf Zehen der Füße mit tüchtigen Scharrkrallen bewehrt. Der Schwanz iſt kurz, dick und ſtumpf- ſpitzig, das Haarkleid liegt glatt an, iſt kurz an dem Kopfe, an dem Körper etwas länger; feine Grannenhaare treten einzeln aus dem Pelz hervor. Bisjetzt kennt man etwa ſechs Arten. Eine der merkwürdigeren iſt der „Tucutuco‟ der Eingeborenen Patagoniens (Ctenomys magellanicus).
Der Reiſende, welcher zum erſten Male jene Länder betritt, vernimmt eigenthümliche, von ein- ander abgeſchiedene, grunzende Laute, welche in regelmäßigen Zwiſchenräumen nach einander gleichſam aus der Erde herausſchallen und ungefähr den Silben Tucutuco entſprechen. Dieſe Töne rühren von der nach ihnen benannten Kammratte her. Der Tucutuco kommt in der Größe ungefähr einem halb- wüchſigen Hamſter gleich. Der Körper mißt 7½ Zoll, der Schwanz 2¾ Zoll und die Höhe am Widerriſt beträgt 3¾ Zoll. Die Färbung der Oberſeite iſt bräunlichgrau mit gelbem Anfluge und ſchwacher, ſchwarzer Sprenkelung. Die einzelnen Haare ſind bleifarben, gegen die Wurzel und an den Spitzen größtentheils aſchgrau ins Bräunliche ziehend. Einige dünn geſtellte Grannenhaare endigen in ſchwarzen Spitzen; auf der Unterſeite fehlen dieſe Grannenhaare und deshalb erſcheint die Färbung hier viel lichter. Kinn und Vorderhals ſind blaßfahlgelb, die Füße und der Schwanz weiß. Letzterer iſt geringelt und geſchuppt und ziemlich dünn mit feinen Härchen beſetzt.
Wir verdanken die für uns giltige Entdeckung und die erſte Beſchreibung des Tucutuco dem um die Naturgeſchichte der ſüdlichſten Spitze Amerikas hochverdienten Naturforſcher Darwin. Seine Schilderung der Lebensweiſe des Thieres iſt bisjetzt noch nicht vervollſtändigt worden. Der Tucu- tuco wurde am öſtlichen Eingange der Magellanſtraße entdeckt und von dort aus nach Norden und Weſten hin in einem ziemlich großen Theile Patagoniens gefunden. Ausgedehnte, trockene, ſandige und unfruchtbare Ebenen geben ihm Herberge. Hier durchwühlt er nach Maulwurfsart große Flächen, zumal des Nachts; denn bei Tage ſcheint er zu ruhen, obwohl man gerade dann ſeine Stimme oft vernimmt. Der Gang auf ebenem Boden iſt ſehr plump und unbeholfen. Das Thier vermag es nicht, über das geringſte Hinderniß zu ſpringen und iſt ſo ungeſchickt, daß man es außer- halb ſeines Baues leicht ergreifen kann. Unter den Sinnen dürfte Geruch und Gehör am meiſten ausgebildet ſein. Das Geſicht iſt ſehr ſtumpf, ja, viele ſollen völlig blind ſein. Wurzeln der dort
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Die Schrotmäuſe oder die Trugratten. — Die Kammratten.
Die Zeit der Paarung, die Dauer der Tragzeit, ſowie die Zahl der Jungen ſcheint, trotz der
Häuſigkeit des Thieres, bisjetzt noch nicht bekannt zu ſein. Man kann eben blos ſchließen, daß der
Degu einer großen Vermehrung fähig iſt. Die Gefangenſchaft erträgt er ſehr leicht; er wird auch
bald recht zahm und erfreut durch ſein angenehmes, nettes Weſen ſeinen Beſitzer. Jm übrigen ſtiftet
er aber nicht den geringſten Nutzen; denn weder Fell noch Fleiſch wird verwandt. —
Jn den höheren Gebirgsgegenden Chiles, und zwar in dem hohen Gürtel von ungefähr
9000 Fuß über dem Meere, lebt eine ganz ähnliche Art der Strauchratten, welche von mehreren
Naturforſchern nur als eine durch das Klima bedingte Spielart angeſehen wird. Doch unterſcheidet
ſie ſich durch ſtärkeren Körperbau und durch eine andere Färbung ſo bedeutend von dem eigentlichen
Degu, daß man wohl an eine Artverſchiedenheit glauben kann.
Von Südbraſilien an bis zur Magellanſtraße hinab dehnen die Mitglieder einer zweiten Sippe
unſerer Familie ihre Heimat aus. Es ſind Dies die Kammratten (Ctenomys). Sie ähneln
noch entfernt den Strauchratten; die kleinen Augen und die noch viel kleineren, faſt im Pelze ver-
ſteckten Ohren aber deuten auf ein unterirdiſches Leben hin. Und wirklich ſind die Thiere echte Wühl-
mäuſe, welche ausgedehnte Gänge unter der Oberfläche der Erde anlegen.
Jn ihrer Geſtaltung ſtehen ſie ungefähr zwiſchen den eigentlichen Ratten und den Hamſtern in
der Mitte. Manche Arten ähneln den letzteren ſehr. Der Körper iſt gedrungen und walzenförmig,
der Hals kurz und dick, der Kopf ebenfalls kurz, ſtumpfſchnauzig. Die Beine ſind kurz und die
fünf Zehen der Füße mit tüchtigen Scharrkrallen bewehrt. Der Schwanz iſt kurz, dick und ſtumpf-
ſpitzig, das Haarkleid liegt glatt an, iſt kurz an dem Kopfe, an dem Körper etwas länger; feine
Grannenhaare treten einzeln aus dem Pelz hervor. Bisjetzt kennt man etwa ſechs Arten. Eine
der merkwürdigeren iſt der „Tucutuco‟ der Eingeborenen Patagoniens (Ctenomys magellanicus).
Der Reiſende, welcher zum erſten Male jene Länder betritt, vernimmt eigenthümliche, von ein-
ander abgeſchiedene, grunzende Laute, welche in regelmäßigen Zwiſchenräumen nach einander gleichſam
aus der Erde herausſchallen und ungefähr den Silben Tucutuco entſprechen. Dieſe Töne rühren von
der nach ihnen benannten Kammratte her. Der Tucutuco kommt in der Größe ungefähr einem halb-
wüchſigen Hamſter gleich. Der Körper mißt 7½ Zoll, der Schwanz 2¾ Zoll und die Höhe am
Widerriſt beträgt 3¾ Zoll. Die Färbung der Oberſeite iſt bräunlichgrau mit gelbem Anfluge und
ſchwacher, ſchwarzer Sprenkelung. Die einzelnen Haare ſind bleifarben, gegen die Wurzel und
an den Spitzen größtentheils aſchgrau ins Bräunliche ziehend. Einige dünn geſtellte Grannenhaare
endigen in ſchwarzen Spitzen; auf der Unterſeite fehlen dieſe Grannenhaare und deshalb erſcheint
die Färbung hier viel lichter. Kinn und Vorderhals ſind blaßfahlgelb, die Füße und der Schwanz
weiß. Letzterer iſt geringelt und geſchuppt und ziemlich dünn mit feinen Härchen beſetzt.
Wir verdanken die für uns giltige Entdeckung und die erſte Beſchreibung des Tucutuco dem um
die Naturgeſchichte der ſüdlichſten Spitze Amerikas hochverdienten Naturforſcher Darwin. Seine
Schilderung der Lebensweiſe des Thieres iſt bisjetzt noch nicht vervollſtändigt worden. Der Tucu-
tuco wurde am öſtlichen Eingange der Magellanſtraße entdeckt und von dort aus nach Norden und
Weſten hin in einem ziemlich großen Theile Patagoniens gefunden. Ausgedehnte, trockene, ſandige
und unfruchtbare Ebenen geben ihm Herberge. Hier durchwühlt er nach Maulwurfsart große
Flächen, zumal des Nachts; denn bei Tage ſcheint er zu ruhen, obwohl man gerade dann ſeine
Stimme oft vernimmt. Der Gang auf ebenem Boden iſt ſehr plump und unbeholfen. Das Thier
vermag es nicht, über das geringſte Hinderniß zu ſpringen und iſt ſo ungeſchickt, daß man es außer-
halb ſeines Baues leicht ergreifen kann. Unter den Sinnen dürfte Geruch und Gehör am meiſten
ausgebildet ſein. Das Geſicht iſt ſehr ſtumpf, ja, viele ſollen völlig blind ſein. Wurzeln der dort
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/224>, abgerufen am 23.11.2024.
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