Die Schrotmäuse oder die Trugratten. -- Die Strauchratten.
Eine nicht eben sehr zahlreiche, aber manchfaltige und eigenthümliche Familie rattenähnlicher Nager bevölkert Südamerika und Afrika. Es sind Dies die Schrotmäuse (Psammoryetae), oder, wie Andere sie nennen, die Trugratten (Muriformes). Die Rattenähnlichkeit dieser Thiere ist eine nur äußerliche und wegen der Manchfaltigkeit der Mäuse selbst ziemlich bedeutungslose; mehr aber unterscheidet der innere Leibesbau beide Familien. Gestalt und Färbung der Schrotmäuse erin- nern allerdings an die Ratten. Die Ohren sind kurz, breit und spärlich behaart, die Vorderfüße vierzehig, die Hinterfüße fünfzehig; der Schwanz ist ebensolang und ringelartig geschuppt, wie bei den echten Ratten: hiermit ist die Rattenähnlichkeit unserer Thiere aber erschöpft. Der weiche, feine Pelz erscheint bei einigen Trugratten straff, borstig, ja sogar mit einzelnen platten, der Länge nach geringelten Stacheln untermischt, und der Schwanz wird nicht nur haarig, sondern sogar buschig. Das Gebiß zählt vier Backzähne in jeder Reihe, deren Kauflächen drei bis vier Schmelzfalten am Rande haben. Jm Jochfortsatze des Obersatzes befindet sich ein geräumiges Loch, durch welches ein Theil des großen Kaumuskels geht, der sich vorn an den Seiten der Schnauze ansetzt; der übrige Theil ist wie gewöhnlich angeheftet. Nur bei unserer Familie und noch einigen anderen Nagern kommt diese eigenthümliche Spaltung des Kaumuskels vor. Die Wirbelsäule besteht außer der ge- wöhnlichen Zahl von Halswirbeln aus 11 Rücken-, 3 bis 4 Kreuz- und aus 24 bis zu 44 Schwanz- wirbeln; die Zahl der Lendenwirbel schwankt bedeutend.
Die Schrotmäuse leben in Wäldern oder in offenen Gegenden, die einen in Hecken und Busch- werk, die anderen an den Straßenanpflanzungen, zwischen Felsen, an den Ufern von Flüssen und Strömen, ja, selbst an der Küste des Meeres. Gewöhnlich wohnen sie gesellschaftlich in selbstgegra- benen, unterirdischen Bauen mit zahlreichen Mündungen. Einige sind echte Wühler, welche, wie die Maulwürfe, Haufen aufwerfen und fast beständig unter der Erde verweilen, andere halten sich im Dickicht auf und klettern außerordentlich geschickt auf den Bäumen umher. Jhre gewöhnliche Ar- beitszeit ist die Nacht; nur wenige sind auch bei Tage thätig. Sie sind im ganzen plump und schwer- fällig; doch muß man dagegen bei einigen gerade die große Schnelligkeit bewundern, mit welcher sie sich auf den Bäumen oder auch unter der Erde bewegen. Manche Arten sind wahre Wasserthiere und verstehen das Schwimmen und Tauchen ganz vortrefflich. Jhre Nahrung nehmen sie sich, wie die meisten anderen Nager, aus dem Pflanzenreiche; doch sollen einige auch kleinere Thiere z. B. Eidechsen anfallen oder Muscheln ausfressen und andere Weichthiere verzehren. Soviel man bisjetzt weiß, verfallen sie nicht in einen wirklichen Winterschlaf; gleichwohl tragen sich manche große Nahrungsvor- räthe ein. Unter ihren Sinnen stehen Gehör und Geruch obenan; das Gesicht zeigt sich blos bei we- nigen entwickelt, und bei den unterirdischlebenden, wie sich fast von selbst versteht, sehr verkümmert. Jhre geistigen Fähigkeiten sind gering; blos die größten und vollkommensten Arten geben von ihrem Verstande Kunde. Doch zeigen einige ihre Rattenverwandtschaft in ihrer Schlauheit und in ihrem Muth, wenn auch die Mehrzahl schen oder furchtsam, feig und flüchtig ist. Die Gefangenschaft ertragen sie ziemlich leicht; manche machen sich recht hübsch. Sie sind neugierig, beweglich, lernen ihre Pfleger kennen und ihnen folgen und erfreuen durch ihr zierliches Wesen. Jhre Vermehrung ist ziemlich bedeutend; die Zahl ihrer Jungen schwankt zwischen zwei und sieben; aber sie werfen, wie die meisten anderen Nager, mehrmals im Jahre, und können zu Scharen anwachsen, welche in den Pflanzungen und Feldern bedeutenden Schaden anrichten. Der geringe Nutzen, den sie durch ihr Fleisch und ihr Fell leisten, kommt mit jenen Verwüstungen nicht in Betracht.
Jn Chile, Peru und Bolivia findet die erste Sippe ihre Vertreter. Die Strauchratten (Oetodon) sind sozusagen Mittelglieder zwischen Eichhörnchen und Ratten, und ähneln ersteren fast noch mehr, als den letzteren. Molina rechnet eine der gemeinsten Arten auch geradezu zu den Eich- hörnchen. Der Leib der Strauchratten ist gedrungen und kurz, der Hals kurz und dick, der Kopf verhältnißmäßig groß, der ringelschuppige Schwanz an der Spitze gepinselt. Die Hinterbeine sind
Die Schrotmäuſe oder die Trugratten. — Die Strauchratten.
Eine nicht eben ſehr zahlreiche, aber manchfaltige und eigenthümliche Familie rattenähnlicher Nager bevölkert Südamerika und Afrika. Es ſind Dies die Schrotmäuſe (Psammoryetae), oder, wie Andere ſie nennen, die Trugratten (Muriformes). Die Rattenähnlichkeit dieſer Thiere iſt eine nur äußerliche und wegen der Manchfaltigkeit der Mäuſe ſelbſt ziemlich bedeutungsloſe; mehr aber unterſcheidet der innere Leibesbau beide Familien. Geſtalt und Färbung der Schrotmäuſe erin- nern allerdings an die Ratten. Die Ohren ſind kurz, breit und ſpärlich behaart, die Vorderfüße vierzehig, die Hinterfüße fünfzehig; der Schwanz iſt ebenſolang und ringelartig geſchuppt, wie bei den echten Ratten: hiermit iſt die Rattenähnlichkeit unſerer Thiere aber erſchöpft. Der weiche, feine Pelz erſcheint bei einigen Trugratten ſtraff, borſtig, ja ſogar mit einzelnen platten, der Länge nach geringelten Stacheln untermiſcht, und der Schwanz wird nicht nur haarig, ſondern ſogar buſchig. Das Gebiß zählt vier Backzähne in jeder Reihe, deren Kauflächen drei bis vier Schmelzfalten am Rande haben. Jm Jochfortſatze des Oberſatzes befindet ſich ein geräumiges Loch, durch welches ein Theil des großen Kaumuskels geht, der ſich vorn an den Seiten der Schnauze anſetzt; der übrige Theil iſt wie gewöhnlich angeheftet. Nur bei unſerer Familie und noch einigen anderen Nagern kommt dieſe eigenthümliche Spaltung des Kaumuskels vor. Die Wirbelſäule beſteht außer der ge- wöhnlichen Zahl von Halswirbeln aus 11 Rücken-, 3 bis 4 Kreuz- und aus 24 bis zu 44 Schwanz- wirbeln; die Zahl der Lendenwirbel ſchwankt bedeutend.
Die Schrotmäuſe leben in Wäldern oder in offenen Gegenden, die einen in Hecken und Buſch- werk, die anderen an den Straßenanpflanzungen, zwiſchen Felſen, an den Ufern von Flüſſen und Strömen, ja, ſelbſt an der Küſte des Meeres. Gewöhnlich wohnen ſie geſellſchaftlich in ſelbſtgegra- benen, unterirdiſchen Bauen mit zahlreichen Mündungen. Einige ſind echte Wühler, welche, wie die Maulwürfe, Haufen aufwerfen und faſt beſtändig unter der Erde verweilen, andere halten ſich im Dickicht auf und klettern außerordentlich geſchickt auf den Bäumen umher. Jhre gewöhnliche Ar- beitszeit iſt die Nacht; nur wenige ſind auch bei Tage thätig. Sie ſind im ganzen plump und ſchwer- fällig; doch muß man dagegen bei einigen gerade die große Schnelligkeit bewundern, mit welcher ſie ſich auf den Bäumen oder auch unter der Erde bewegen. Manche Arten ſind wahre Waſſerthiere und verſtehen das Schwimmen und Tauchen ganz vortrefflich. Jhre Nahrung nehmen ſie ſich, wie die meiſten anderen Nager, aus dem Pflanzenreiche; doch ſollen einige auch kleinere Thiere z. B. Eidechſen anfallen oder Muſcheln ausfreſſen und andere Weichthiere verzehren. Soviel man bisjetzt weiß, verfallen ſie nicht in einen wirklichen Winterſchlaf; gleichwohl tragen ſich manche große Nahrungsvor- räthe ein. Unter ihren Sinnen ſtehen Gehör und Geruch obenan; das Geſicht zeigt ſich blos bei we- nigen entwickelt, und bei den unterirdiſchlebenden, wie ſich faſt von ſelbſt verſteht, ſehr verkümmert. Jhre geiſtigen Fähigkeiten ſind gering; blos die größten und vollkommenſten Arten geben von ihrem Verſtande Kunde. Doch zeigen einige ihre Rattenverwandtſchaft in ihrer Schlauheit und in ihrem Muth, wenn auch die Mehrzahl ſchen oder furchtſam, feig und flüchtig iſt. Die Gefangenſchaft ertragen ſie ziemlich leicht; manche machen ſich recht hübſch. Sie ſind neugierig, beweglich, lernen ihre Pfleger kennen und ihnen folgen und erfreuen durch ihr zierliches Weſen. Jhre Vermehrung iſt ziemlich bedeutend; die Zahl ihrer Jungen ſchwankt zwiſchen zwei und ſieben; aber ſie werfen, wie die meiſten anderen Nager, mehrmals im Jahre, und können zu Scharen anwachſen, welche in den Pflanzungen und Feldern bedeutenden Schaden anrichten. Der geringe Nutzen, den ſie durch ihr Fleiſch und ihr Fell leiſten, kommt mit jenen Verwüſtungen nicht in Betracht.
Jn Chile, Peru und Bolivia findet die erſte Sippe ihre Vertreter. Die Strauchratten (Oetodon) ſind ſozuſagen Mittelglieder zwiſchen Eichhörnchen und Ratten, und ähneln erſteren faſt noch mehr, als den letzteren. Molina rechnet eine der gemeinſten Arten auch geradezu zu den Eich- hörnchen. Der Leib der Strauchratten iſt gedrungen und kurz, der Hals kurz und dick, der Kopf verhältnißmäßig groß, der ringelſchuppige Schwanz an der Spitze gepinſelt. Die Hinterbeine ſind
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0222"n="204"/><fwplace="top"type="header">Die Schrotmäuſe oder die Trugratten. — Die Strauchratten.</fw><lb/><p>Eine nicht eben ſehr zahlreiche, aber manchfaltige und eigenthümliche Familie rattenähnlicher<lb/>
Nager bevölkert Südamerika und Afrika. Es ſind Dies die <hirendition="#g">Schrotmäuſe</hi> (<hirendition="#aq">Psammoryetae</hi>), oder,<lb/>
wie Andere ſie nennen, die <hirendition="#g">Trugratten</hi> (<hirendition="#aq">Muriformes</hi>). Die Rattenähnlichkeit dieſer Thiere iſt eine<lb/>
nur äußerliche und wegen der Manchfaltigkeit der Mäuſe ſelbſt ziemlich bedeutungsloſe; mehr<lb/>
aber unterſcheidet der innere Leibesbau beide Familien. Geſtalt und Färbung der Schrotmäuſe erin-<lb/>
nern allerdings an die Ratten. Die Ohren ſind kurz, breit und ſpärlich behaart, die Vorderfüße<lb/>
vierzehig, die Hinterfüße fünfzehig; der Schwanz iſt ebenſolang und ringelartig geſchuppt, wie bei<lb/>
den echten Ratten: hiermit iſt die Rattenähnlichkeit unſerer Thiere aber erſchöpft. Der weiche, feine<lb/>
Pelz erſcheint bei einigen Trugratten ſtraff, borſtig, ja ſogar mit einzelnen platten, der Länge nach<lb/>
geringelten Stacheln untermiſcht, und der Schwanz wird nicht nur haarig, ſondern ſogar buſchig.<lb/>
Das Gebiß zählt vier Backzähne in jeder Reihe, deren Kauflächen drei bis vier Schmelzfalten am<lb/>
Rande haben. Jm Jochfortſatze des Oberſatzes befindet ſich ein geräumiges Loch, durch welches ein<lb/>
Theil des großen Kaumuskels geht, der ſich vorn an den Seiten der Schnauze anſetzt; der übrige<lb/>
Theil iſt wie gewöhnlich angeheftet. Nur bei unſerer Familie und noch einigen anderen Nagern<lb/>
kommt dieſe eigenthümliche Spaltung des Kaumuskels vor. Die Wirbelſäule beſteht außer der ge-<lb/>
wöhnlichen Zahl von Halswirbeln aus 11 Rücken-, 3 bis 4 Kreuz- und aus 24 bis zu 44 Schwanz-<lb/>
wirbeln; die Zahl der Lendenwirbel ſchwankt bedeutend.</p><lb/><p>Die Schrotmäuſe leben in Wäldern oder in offenen Gegenden, die einen in Hecken und Buſch-<lb/>
werk, die anderen an den Straßenanpflanzungen, zwiſchen Felſen, an den Ufern von Flüſſen und<lb/>
Strömen, ja, ſelbſt an der Küſte des Meeres. Gewöhnlich wohnen ſie geſellſchaftlich in ſelbſtgegra-<lb/>
benen, unterirdiſchen Bauen mit zahlreichen Mündungen. Einige ſind echte Wühler, welche, wie<lb/>
die Maulwürfe, Haufen aufwerfen und faſt beſtändig unter der Erde verweilen, andere halten ſich<lb/>
im Dickicht auf und klettern außerordentlich geſchickt auf den Bäumen umher. Jhre gewöhnliche Ar-<lb/>
beitszeit iſt die Nacht; nur wenige ſind auch bei Tage thätig. Sie ſind im ganzen plump und ſchwer-<lb/>
fällig; doch muß man dagegen bei einigen gerade die große Schnelligkeit bewundern, mit welcher ſie<lb/>ſich auf den Bäumen oder auch unter der Erde bewegen. Manche Arten ſind wahre Waſſerthiere und<lb/>
verſtehen das Schwimmen und Tauchen ganz vortrefflich. Jhre Nahrung nehmen ſie ſich, wie die<lb/>
meiſten anderen Nager, aus dem Pflanzenreiche; doch ſollen einige auch kleinere Thiere z. B. Eidechſen<lb/>
anfallen oder Muſcheln ausfreſſen und andere Weichthiere verzehren. Soviel man bisjetzt weiß,<lb/>
verfallen ſie nicht in einen wirklichen Winterſchlaf; gleichwohl tragen ſich manche große Nahrungsvor-<lb/>
räthe ein. Unter ihren Sinnen ſtehen Gehör und Geruch obenan; das Geſicht zeigt ſich blos bei we-<lb/>
nigen entwickelt, und bei den unterirdiſchlebenden, wie ſich faſt von ſelbſt verſteht, ſehr verkümmert.<lb/>
Jhre geiſtigen Fähigkeiten ſind gering; blos die größten und vollkommenſten Arten geben von ihrem<lb/>
Verſtande Kunde. Doch zeigen einige ihre Rattenverwandtſchaft in ihrer Schlauheit und in ihrem<lb/>
Muth, wenn auch die Mehrzahl ſchen oder furchtſam, feig und flüchtig iſt. Die Gefangenſchaft<lb/>
ertragen ſie ziemlich leicht; manche machen ſich recht hübſch. Sie ſind neugierig, beweglich, lernen<lb/>
ihre Pfleger kennen und ihnen folgen und erfreuen durch ihr zierliches Weſen. Jhre Vermehrung iſt<lb/>
ziemlich bedeutend; die Zahl ihrer Jungen ſchwankt zwiſchen zwei und ſieben; aber ſie werfen, wie<lb/>
die meiſten anderen Nager, mehrmals im Jahre, und können zu Scharen anwachſen, welche in den<lb/>
Pflanzungen und Feldern bedeutenden Schaden anrichten. Der geringe Nutzen, den ſie durch ihr<lb/>
Fleiſch und ihr Fell leiſten, kommt mit jenen Verwüſtungen nicht in Betracht.</p><lb/><p>Jn Chile, Peru und Bolivia findet die erſte Sippe ihre Vertreter. Die <hirendition="#g">Strauchratten</hi><lb/>
(<hirendition="#aq">Oetodon</hi>) ſind ſozuſagen Mittelglieder zwiſchen Eichhörnchen und Ratten, und ähneln erſteren faſt<lb/>
noch mehr, als den letzteren. <hirendition="#g">Molina</hi> rechnet eine der gemeinſten Arten auch geradezu zu den Eich-<lb/>
hörnchen. Der Leib der Strauchratten iſt gedrungen und kurz, der Hals kurz und dick, der Kopf<lb/>
verhältnißmäßig groß, der ringelſchuppige Schwanz an der Spitze gepinſelt. Die Hinterbeine ſind<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[204/0222]
Die Schrotmäuſe oder die Trugratten. — Die Strauchratten.
Eine nicht eben ſehr zahlreiche, aber manchfaltige und eigenthümliche Familie rattenähnlicher
Nager bevölkert Südamerika und Afrika. Es ſind Dies die Schrotmäuſe (Psammoryetae), oder,
wie Andere ſie nennen, die Trugratten (Muriformes). Die Rattenähnlichkeit dieſer Thiere iſt eine
nur äußerliche und wegen der Manchfaltigkeit der Mäuſe ſelbſt ziemlich bedeutungsloſe; mehr
aber unterſcheidet der innere Leibesbau beide Familien. Geſtalt und Färbung der Schrotmäuſe erin-
nern allerdings an die Ratten. Die Ohren ſind kurz, breit und ſpärlich behaart, die Vorderfüße
vierzehig, die Hinterfüße fünfzehig; der Schwanz iſt ebenſolang und ringelartig geſchuppt, wie bei
den echten Ratten: hiermit iſt die Rattenähnlichkeit unſerer Thiere aber erſchöpft. Der weiche, feine
Pelz erſcheint bei einigen Trugratten ſtraff, borſtig, ja ſogar mit einzelnen platten, der Länge nach
geringelten Stacheln untermiſcht, und der Schwanz wird nicht nur haarig, ſondern ſogar buſchig.
Das Gebiß zählt vier Backzähne in jeder Reihe, deren Kauflächen drei bis vier Schmelzfalten am
Rande haben. Jm Jochfortſatze des Oberſatzes befindet ſich ein geräumiges Loch, durch welches ein
Theil des großen Kaumuskels geht, der ſich vorn an den Seiten der Schnauze anſetzt; der übrige
Theil iſt wie gewöhnlich angeheftet. Nur bei unſerer Familie und noch einigen anderen Nagern
kommt dieſe eigenthümliche Spaltung des Kaumuskels vor. Die Wirbelſäule beſteht außer der ge-
wöhnlichen Zahl von Halswirbeln aus 11 Rücken-, 3 bis 4 Kreuz- und aus 24 bis zu 44 Schwanz-
wirbeln; die Zahl der Lendenwirbel ſchwankt bedeutend.
Die Schrotmäuſe leben in Wäldern oder in offenen Gegenden, die einen in Hecken und Buſch-
werk, die anderen an den Straßenanpflanzungen, zwiſchen Felſen, an den Ufern von Flüſſen und
Strömen, ja, ſelbſt an der Küſte des Meeres. Gewöhnlich wohnen ſie geſellſchaftlich in ſelbſtgegra-
benen, unterirdiſchen Bauen mit zahlreichen Mündungen. Einige ſind echte Wühler, welche, wie
die Maulwürfe, Haufen aufwerfen und faſt beſtändig unter der Erde verweilen, andere halten ſich
im Dickicht auf und klettern außerordentlich geſchickt auf den Bäumen umher. Jhre gewöhnliche Ar-
beitszeit iſt die Nacht; nur wenige ſind auch bei Tage thätig. Sie ſind im ganzen plump und ſchwer-
fällig; doch muß man dagegen bei einigen gerade die große Schnelligkeit bewundern, mit welcher ſie
ſich auf den Bäumen oder auch unter der Erde bewegen. Manche Arten ſind wahre Waſſerthiere und
verſtehen das Schwimmen und Tauchen ganz vortrefflich. Jhre Nahrung nehmen ſie ſich, wie die
meiſten anderen Nager, aus dem Pflanzenreiche; doch ſollen einige auch kleinere Thiere z. B. Eidechſen
anfallen oder Muſcheln ausfreſſen und andere Weichthiere verzehren. Soviel man bisjetzt weiß,
verfallen ſie nicht in einen wirklichen Winterſchlaf; gleichwohl tragen ſich manche große Nahrungsvor-
räthe ein. Unter ihren Sinnen ſtehen Gehör und Geruch obenan; das Geſicht zeigt ſich blos bei we-
nigen entwickelt, und bei den unterirdiſchlebenden, wie ſich faſt von ſelbſt verſteht, ſehr verkümmert.
Jhre geiſtigen Fähigkeiten ſind gering; blos die größten und vollkommenſten Arten geben von ihrem
Verſtande Kunde. Doch zeigen einige ihre Rattenverwandtſchaft in ihrer Schlauheit und in ihrem
Muth, wenn auch die Mehrzahl ſchen oder furchtſam, feig und flüchtig iſt. Die Gefangenſchaft
ertragen ſie ziemlich leicht; manche machen ſich recht hübſch. Sie ſind neugierig, beweglich, lernen
ihre Pfleger kennen und ihnen folgen und erfreuen durch ihr zierliches Weſen. Jhre Vermehrung iſt
ziemlich bedeutend; die Zahl ihrer Jungen ſchwankt zwiſchen zwei und ſieben; aber ſie werfen, wie
die meiſten anderen Nager, mehrmals im Jahre, und können zu Scharen anwachſen, welche in den
Pflanzungen und Feldern bedeutenden Schaden anrichten. Der geringe Nutzen, den ſie durch ihr
Fleiſch und ihr Fell leiſten, kommt mit jenen Verwüſtungen nicht in Betracht.
Jn Chile, Peru und Bolivia findet die erſte Sippe ihre Vertreter. Die Strauchratten
(Oetodon) ſind ſozuſagen Mittelglieder zwiſchen Eichhörnchen und Ratten, und ähneln erſteren faſt
noch mehr, als den letzteren. Molina rechnet eine der gemeinſten Arten auch geradezu zu den Eich-
hörnchen. Der Leib der Strauchratten iſt gedrungen und kurz, der Hals kurz und dick, der Kopf
verhältnißmäßig groß, der ringelſchuppige Schwanz an der Spitze gepinſelt. Die Hinterbeine ſind
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/222>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.