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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Viscacha oder Wiskatscha.
kleinen, wilden, bittern Melone, welche vielleicht von den Thieren gern gefressen wird. Diese Pflanze
findet sich immer da, wo viele Viscacheras sind, oder umgekehrt, diese werden da angelegt, wo die Pflan-
zen nach allen Seiten hin ihre grünen Ranken verbreiten. Es ist mit ihr also ein Zeichen gegeben, die
gefährlichen Stellen zu vermeiden. Allein die Gauchos lieben es nicht, in ihren Ritten aufgehalten zu
werden und hassen die Viscacha deshalb außerordentlich. Man versucht, die Thiere mit allen Mitteln
aus der Nähe der Ansiedlungen zu vertreiben und wendet buchstäblich Feuer und Wasser zu ihrer Ver-
nichtung an. Das Gras um ihre Höhlen wird weggebrannt und ihnen somit die Nahrung entzogen,
ihre Baue werden unter Wasser gesetzt und sie gezwungen, sich ins Freie zu flüchten, wo die außen lauern-
den Hunde sie bald am Kragen haben. Göring wohnte einer solchen Viscachajagd bei. Man zog von
einem größeren Kanal aus einen Graben bis zu den Viscacheras und ließ nun Wasser in die Höhlen
laufen. Mehrere Stunden vergingen, ehe der Bau gefüllt wurde, und bis dahin vernahm man
außer dem gewöhnlichen Schnauben Nichts von den so tückisch verfolgten Thieren Endlich aber
zwang sie die Wassernoth zur Flucht. Aengstlich und wüthend zugleich, erschienen sie an den Mün-
dungen ihrer Höhle, schnaubend fuhren sie wieder zurück, als sie außen die lauernden Jäger und die
furchtbaren Hunde stehen sahen. Aber höher und höher stieg das Wasser, größer und größer wurde
die Noth: endlich mußten sie flüchten. Augenblicklich waren ihnen die wachsamen Hunde auf den
Fersen; eine wüthende Jagd begann; die Viscachas wehrten sich wie Verzweifelte: doch eine nach
der andern mußte erliegen, und reiche Beute belohnte die Jäger. Unser Gewährsmann beobachtete
selbst, daß getödtete Viscachas von ihren Genossen nach dem Jnnern der Baue geschleppt wurden.
Er schoß Viscachas aus geringer Entfernung; doch ehe er noch zur Stelle kam, waren die durch den
Schuß augenblicklich getödteten bereits im Junern ihrer Höhlen verschwunden. -- Vor die Höhlen legt
man Schlingen, auf ihren Weidegängen lauert man ihnen auf u. s. w. Zudem hat das Thier noch
eine Unzahl von Feinden. Der Kondor soll den Viscachas ebenso häufig nachgehen, als ihren
Verwandten oben auf der Höhe des Gebirges. Die wilden Hunde und Füchse der Steppe verfolgen
sie leidenschaftlich, wenn sie sich vor ihrer Höhle zeigen, und die Beutelratte dringt sogar in das
Heiligthum dieser Baue ein, um sie dort zu bekämpfen. Zwar vertheidigt sich die Viscacha nach
Kräften gegen ihre starken Feinde, sie balgt sich mit den Hunden erst lange herum, streitet tapfer mit
der Beutelratte, beißt selbst den Menschen in die Füße: -- aber was kann der arme Nager thun
gegen die starken Räuber! Er unterliegt denselben nur allzubald und muß das junge Leben lassen.
Doch würde trotz aller dieser Verfolgungen die Zahl der Viscachas sich kaum vermindern, thäte die
mehr und mehr sich verbreitende Anbauung des Bodens ihrem Treiben nicht gar so großen Abbruch.
Der Mensch ist es auch hier, welcher durch die Besitznahme des Bodens zum furchtbarsten Feinde un-
seres Thieres wird.

Die Jndianer der Steppe glauben, daß eine in ihre Höhle eingeschlossene Viscacha nicht fähig ist,
sich selbst wieder zu befreien und zu Grunde gehen muß, wenn nicht ihre Gefährten sie ausgraben.
Sie verstopfen deshalb die Hauptausgänge der Viscacheras und binden einen ihrer Hunde dort als
Wächter an, damit er die hilffertigen anderen Viscachas abhielte, bis sie selbst mit Schlingen, Netzen
und Frettchen wieder zur Stelle sind. Die Erklärung dieser sonderbaren Meinung ist leicht zu geben.
Die eingeschlossenen Viscachas hüten sich natürlich, sobald sie den Hund vor ihren Bauen gewahren,
herauszukommen, und der Jndianer erreicht somit vollständig seinen Zweck. Die übrigen Vis-
cachas thun gar Nichts bei der Sache.

Die Jndianer essen das Fleisch und benutzen auch wohl das Fell, obgleich dieses einen weit
geringeren Werth hat, als das der früher genannten Arten.



Die Viscacha oder Wiskatſcha.
kleinen, wilden, bittern Melone, welche vielleicht von den Thieren gern gefreſſen wird. Dieſe Pflanze
findet ſich immer da, wo viele Viscacheras ſind, oder umgekehrt, dieſe werden da angelegt, wo die Pflan-
zen nach allen Seiten hin ihre grünen Ranken verbreiten. Es iſt mit ihr alſo ein Zeichen gegeben, die
gefährlichen Stellen zu vermeiden. Allein die Gauchos lieben es nicht, in ihren Ritten aufgehalten zu
werden und haſſen die Viscacha deshalb außerordentlich. Man verſucht, die Thiere mit allen Mitteln
aus der Nähe der Anſiedlungen zu vertreiben und wendet buchſtäblich Feuer und Waſſer zu ihrer Ver-
nichtung an. Das Gras um ihre Höhlen wird weggebrannt und ihnen ſomit die Nahrung entzogen,
ihre Baue werden unter Waſſer geſetzt und ſie gezwungen, ſich ins Freie zu flüchten, wo die außen lauern-
den Hunde ſie bald am Kragen haben. Göring wohnte einer ſolchen Viscachajagd bei. Man zog von
einem größeren Kanal aus einen Graben bis zu den Viscacheras und ließ nun Waſſer in die Höhlen
laufen. Mehrere Stunden vergingen, ehe der Bau gefüllt wurde, und bis dahin vernahm man
außer dem gewöhnlichen Schnauben Nichts von den ſo tückiſch verfolgten Thieren Endlich aber
zwang ſie die Waſſernoth zur Flucht. Aengſtlich und wüthend zugleich, erſchienen ſie an den Mün-
dungen ihrer Höhle, ſchnaubend fuhren ſie wieder zurück, als ſie außen die lauernden Jäger und die
furchtbaren Hunde ſtehen ſahen. Aber höher und höher ſtieg das Waſſer, größer und größer wurde
die Noth: endlich mußten ſie flüchten. Augenblicklich waren ihnen die wachſamen Hunde auf den
Ferſen; eine wüthende Jagd begann; die Viscachas wehrten ſich wie Verzweifelte: doch eine nach
der andern mußte erliegen, und reiche Beute belohnte die Jäger. Unſer Gewährsmann beobachtete
ſelbſt, daß getödtete Viscachas von ihren Genoſſen nach dem Jnnern der Baue geſchleppt wurden.
Er ſchoß Viscachas aus geringer Entfernung; doch ehe er noch zur Stelle kam, waren die durch den
Schuß augenblicklich getödteten bereits im Junern ihrer Höhlen verſchwunden. — Vor die Höhlen legt
man Schlingen, auf ihren Weidegängen lauert man ihnen auf u. ſ. w. Zudem hat das Thier noch
eine Unzahl von Feinden. Der Kondor ſoll den Viscachas ebenſo häufig nachgehen, als ihren
Verwandten oben auf der Höhe des Gebirges. Die wilden Hunde und Füchſe der Steppe verfolgen
ſie leidenſchaftlich, wenn ſie ſich vor ihrer Höhle zeigen, und die Beutelratte dringt ſogar in das
Heiligthum dieſer Baue ein, um ſie dort zu bekämpfen. Zwar vertheidigt ſich die Viscacha nach
Kräften gegen ihre ſtarken Feinde, ſie balgt ſich mit den Hunden erſt lange herum, ſtreitet tapfer mit
der Beutelratte, beißt ſelbſt den Menſchen in die Füße: — aber was kann der arme Nager thun
gegen die ſtarken Räuber! Er unterliegt denſelben nur allzubald und muß das junge Leben laſſen.
Doch würde trotz aller dieſer Verfolgungen die Zahl der Viscachas ſich kaum vermindern, thäte die
mehr und mehr ſich verbreitende Anbauung des Bodens ihrem Treiben nicht gar ſo großen Abbruch.
Der Menſch iſt es auch hier, welcher durch die Beſitznahme des Bodens zum furchtbarſten Feinde un-
ſeres Thieres wird.

Die Jndianer der Steppe glauben, daß eine in ihre Höhle eingeſchloſſene Viscacha nicht fähig iſt,
ſich ſelbſt wieder zu befreien und zu Grunde gehen muß, wenn nicht ihre Gefährten ſie ausgraben.
Sie verſtopfen deshalb die Hauptausgänge der Viscacheras und binden einen ihrer Hunde dort als
Wächter an, damit er die hilffertigen anderen Viscachas abhielte, bis ſie ſelbſt mit Schlingen, Netzen
und Frettchen wieder zur Stelle ſind. Die Erklärung dieſer ſonderbaren Meinung iſt leicht zu geben.
Die eingeſchloſſenen Viscachas hüten ſich natürlich, ſobald ſie den Hund vor ihren Bauen gewahren,
herauszukommen, und der Jndianer erreicht ſomit vollſtändig ſeinen Zweck. Die übrigen Vis-
cachas thun gar Nichts bei der Sache.

Die Jndianer eſſen das Fleiſch und benutzen auch wohl das Fell, obgleich dieſes einen weit
geringeren Werth hat, als das der früher genannten Arten.



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[203/0221] Die Viscacha oder Wiskatſcha. kleinen, wilden, bittern Melone, welche vielleicht von den Thieren gern gefreſſen wird. Dieſe Pflanze findet ſich immer da, wo viele Viscacheras ſind, oder umgekehrt, dieſe werden da angelegt, wo die Pflan- zen nach allen Seiten hin ihre grünen Ranken verbreiten. Es iſt mit ihr alſo ein Zeichen gegeben, die gefährlichen Stellen zu vermeiden. Allein die Gauchos lieben es nicht, in ihren Ritten aufgehalten zu werden und haſſen die Viscacha deshalb außerordentlich. Man verſucht, die Thiere mit allen Mitteln aus der Nähe der Anſiedlungen zu vertreiben und wendet buchſtäblich Feuer und Waſſer zu ihrer Ver- nichtung an. Das Gras um ihre Höhlen wird weggebrannt und ihnen ſomit die Nahrung entzogen, ihre Baue werden unter Waſſer geſetzt und ſie gezwungen, ſich ins Freie zu flüchten, wo die außen lauern- den Hunde ſie bald am Kragen haben. Göring wohnte einer ſolchen Viscachajagd bei. Man zog von einem größeren Kanal aus einen Graben bis zu den Viscacheras und ließ nun Waſſer in die Höhlen laufen. Mehrere Stunden vergingen, ehe der Bau gefüllt wurde, und bis dahin vernahm man außer dem gewöhnlichen Schnauben Nichts von den ſo tückiſch verfolgten Thieren Endlich aber zwang ſie die Waſſernoth zur Flucht. Aengſtlich und wüthend zugleich, erſchienen ſie an den Mün- dungen ihrer Höhle, ſchnaubend fuhren ſie wieder zurück, als ſie außen die lauernden Jäger und die furchtbaren Hunde ſtehen ſahen. Aber höher und höher ſtieg das Waſſer, größer und größer wurde die Noth: endlich mußten ſie flüchten. Augenblicklich waren ihnen die wachſamen Hunde auf den Ferſen; eine wüthende Jagd begann; die Viscachas wehrten ſich wie Verzweifelte: doch eine nach der andern mußte erliegen, und reiche Beute belohnte die Jäger. Unſer Gewährsmann beobachtete ſelbſt, daß getödtete Viscachas von ihren Genoſſen nach dem Jnnern der Baue geſchleppt wurden. Er ſchoß Viscachas aus geringer Entfernung; doch ehe er noch zur Stelle kam, waren die durch den Schuß augenblicklich getödteten bereits im Junern ihrer Höhlen verſchwunden. — Vor die Höhlen legt man Schlingen, auf ihren Weidegängen lauert man ihnen auf u. ſ. w. Zudem hat das Thier noch eine Unzahl von Feinden. Der Kondor ſoll den Viscachas ebenſo häufig nachgehen, als ihren Verwandten oben auf der Höhe des Gebirges. Die wilden Hunde und Füchſe der Steppe verfolgen ſie leidenſchaftlich, wenn ſie ſich vor ihrer Höhle zeigen, und die Beutelratte dringt ſogar in das Heiligthum dieſer Baue ein, um ſie dort zu bekämpfen. Zwar vertheidigt ſich die Viscacha nach Kräften gegen ihre ſtarken Feinde, ſie balgt ſich mit den Hunden erſt lange herum, ſtreitet tapfer mit der Beutelratte, beißt ſelbſt den Menſchen in die Füße: — aber was kann der arme Nager thun gegen die ſtarken Räuber! Er unterliegt denſelben nur allzubald und muß das junge Leben laſſen. Doch würde trotz aller dieſer Verfolgungen die Zahl der Viscachas ſich kaum vermindern, thäte die mehr und mehr ſich verbreitende Anbauung des Bodens ihrem Treiben nicht gar ſo großen Abbruch. Der Menſch iſt es auch hier, welcher durch die Beſitznahme des Bodens zum furchtbarſten Feinde un- ſeres Thieres wird. Die Jndianer der Steppe glauben, daß eine in ihre Höhle eingeſchloſſene Viscacha nicht fähig iſt, ſich ſelbſt wieder zu befreien und zu Grunde gehen muß, wenn nicht ihre Gefährten ſie ausgraben. Sie verſtopfen deshalb die Hauptausgänge der Viscacheras und binden einen ihrer Hunde dort als Wächter an, damit er die hilffertigen anderen Viscachas abhielte, bis ſie ſelbſt mit Schlingen, Netzen und Frettchen wieder zur Stelle ſind. Die Erklärung dieſer ſonderbaren Meinung iſt leicht zu geben. Die eingeſchloſſenen Viscachas hüten ſich natürlich, ſobald ſie den Hund vor ihren Bauen gewahren, herauszukommen, und der Jndianer erreicht ſomit vollſtändig ſeinen Zweck. Die übrigen Vis- cachas thun gar Nichts bei der Sache. Die Jndianer eſſen das Fleiſch und benutzen auch wohl das Fell, obgleich dieſes einen weit geringeren Werth hat, als das der früher genannten Arten.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/221>, abgerufen am 24.11.2024.