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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Hasenmäuse oder Cchinchillen.

Bei den holländischen Ansiedlern ist die Jagd des Thieres sehr beliebt; denn das Fleisch wird
geschätzt und der Balg in ähnlicher Weise verwandt, wie der unseres Hasen. Jm Bergleich zu diesem
Nutzen ist der Schaden, den der Springhase durch Unterwühlen mancher Felder und Gärten anrichtet,
ein sehr geringer; es steht ja auch in Jedes Hand, das Thier zu vertreiben, sobald es lästig wird.



Erst in der Neuzeit ist man bekannter geworden mit den Mitgliedern einer kleinen Familie ame-
rikanischer Thiere, deren Felle schon seit alten Zeiten von den Ureingeborenen Amerikas vielfach
benutzt und auch seit Ende vorigen Jahrhunderts in großen Massen nach Europa übergeführt wurde.
Es sind dies die Hasenmäuse oder Chinchillen [sprich Tschintschilljen] (Eriomyes), Thiere,
welche Mittelglieder zu sein scheinen zwischen den Mäusen und Hasen. Gegenwärtig kennt man mit
Sicherheit nur fünf Arten der ganzen Familie. Sie bilden drei Gruppen, die sich hauptsächlich
durch die verschiedene Zahl der Zehen an den Vorder- und Hinterfüßen und durch andere, wenig ins
Gewicht fallende Eigenthümlichkeiten unterscheiden. Jm allgemeinen kann man sagen, daß die Chin-
chillen Kaninchen mit langem Buschschwanze sind; mit diesen Worten hat man ihre kürzeste und
deshalb beste Beschreibung gegeben. Der feinste Pelz, welchen Säugethiere überhaupt tragen,
deckt ihren Leib. Seine Färbung ist ein lichtes Grau mit Weiß und Schwarzbraun oder Gelb. Die
Wirbelsäule besteht aus zwölf Rippen-, acht Lenden-, zwei Kreuz- und zwanzig Schwanzwirbeln;
das Gebiß erinnert lebhaft an das der Hasen. Alle Arten bewohnen ausschließlich Südamerika, und
zwar größtentheils das Gebirge noch in bedeutender Höhe zwischen den völlig kahlen Felsen unter der
Schneegrenze. Eine Art findet sich aber auch in der Ebene, ebenfalls in Wüstengegenden. Natür-
liche Höhlen im Felsgestein oder von den Thieren eigens gegrabene Gänge in den Ebenen bilden ihre
Wohnsitze. Alle sind gesellig, manche bewohnen familienweise ein und dieselbe Höhle. Wie die
Hasen, sind sie dem Lichte abhold und zeigen sich am meisten in der Dämmerung oder in der Nacht.
Es sind schnelle, lebhafte, behende Thiere und auch in ihren Bewegungen halb Kaninchen, halb
Mäuse. Wurzeln und Flechten, Zwiebeln und Rinde, auch wohl Früchte bilden ihre Nahrung. Alle
Arten sind scheu und furchtsam, dabei harmlos oder feig und blos eine einzige Art vertheidigt sich in
höchster Noth gegen ihre Feinde. Jhre Vermehrung ist ungefähr ebensogroß, wie die der Hasen.
Sie ertragen die Gefangenschaft leicht und erfreuen durch Reinlichkeit und Zahmheit. Das Gehör
scheint der entwickeltste Sinn zu sein. Jhr Verstand ist gering. Manche Arten richten Schaden an,
oder werden wenigstens dem Menschen durch das Unterwühlen des Bodens lästig, alle aber nützen
durch ihr Fleisch und ihr wahrhaft kostbares Fell.

Die eigentlichen Chinchillas (Eriomys), welche die erste Sippe bilden, zeichnen sich durch
dicken Kopf, breite, gerundete Ohren und fünfzehige und vierzehige Hinterfüße, sowie den langen,
außerordeutlich weichen und seidenhaarigen Pelz vor ihren Verwandten aus. Man kennt blos zwei
Arten dieser Thiere, die Chinchilla (Eriomys Chinchilla) und die kleine Wollmaus (Eriomys
lanigera
). Erstere wird ungefähr einen Fuß lang und trägt einen 5, mit den Haaren aber 8 Zoll
langen Schwanz. Der gleichmäßige, feine, überaus weiche Pelz ist auf dem Rücken und an den
Seiten mehr als zolllang; die Haare sind an der Wurzel tiefblaugrau, sodann breit weiß geringelt
und dunkelgrau endigend. Hierdurch erscheint die allgemeine Färbung silberfarben, dunkel ange-
flogen. Die Unterseite und die Füße sind reinweiß; der Schwanz hat oben zwei dunkle Binden; die
Schnurren sind an ihrer Wurzel schwarzbraun, an der Spitze graubraun. Die großen Augen
sind schwarz.

Schon zur Zeit der Jnkas verarbeiteten die Peruaner das feine Seidenhaar der Chinchilla zu
Tuch und sehr gesuchten Stoffen, und die alten Schriftsteller, wie Acosta und Molina, geben

Die Haſenmäuſe oder Cchinchillen.

Bei den holländiſchen Anſiedlern iſt die Jagd des Thieres ſehr beliebt; denn das Fleiſch wird
geſchätzt und der Balg in ähnlicher Weiſe verwandt, wie der unſeres Haſen. Jm Bergleich zu dieſem
Nutzen iſt der Schaden, den der Springhaſe durch Unterwühlen mancher Felder und Gärten anrichtet,
ein ſehr geringer; es ſteht ja auch in Jedes Hand, das Thier zu vertreiben, ſobald es läſtig wird.



Erſt in der Neuzeit iſt man bekannter geworden mit den Mitgliedern einer kleinen Familie ame-
rikaniſcher Thiere, deren Felle ſchon ſeit alten Zeiten von den Ureingeborenen Amerikas vielfach
benutzt und auch ſeit Ende vorigen Jahrhunderts in großen Maſſen nach Europa übergeführt wurde.
Es ſind dies die Haſenmäuſe oder Chinchillen [ſprich Tſchintſchilljen] (Eriomyes), Thiere,
welche Mittelglieder zu ſein ſcheinen zwiſchen den Mäuſen und Haſen. Gegenwärtig kennt man mit
Sicherheit nur fünf Arten der ganzen Familie. Sie bilden drei Gruppen, die ſich hauptſächlich
durch die verſchiedene Zahl der Zehen an den Vorder- und Hinterfüßen und durch andere, wenig ins
Gewicht fallende Eigenthümlichkeiten unterſcheiden. Jm allgemeinen kann man ſagen, daß die Chin-
chillen Kaninchen mit langem Buſchſchwanze ſind; mit dieſen Worten hat man ihre kürzeſte und
deshalb beſte Beſchreibung gegeben. Der feinſte Pelz, welchen Säugethiere überhaupt tragen,
deckt ihren Leib. Seine Färbung iſt ein lichtes Grau mit Weiß und Schwarzbraun oder Gelb. Die
Wirbelſäule beſteht aus zwölf Rippen-, acht Lenden-, zwei Kreuz- und zwanzig Schwanzwirbeln;
das Gebiß erinnert lebhaft an das der Haſen. Alle Arten bewohnen ausſchließlich Südamerika, und
zwar größtentheils das Gebirge noch in bedeutender Höhe zwiſchen den völlig kahlen Felſen unter der
Schneegrenze. Eine Art findet ſich aber auch in der Ebene, ebenfalls in Wüſtengegenden. Natür-
liche Höhlen im Felsgeſtein oder von den Thieren eigens gegrabene Gänge in den Ebenen bilden ihre
Wohnſitze. Alle ſind geſellig, manche bewohnen familienweiſe ein und dieſelbe Höhle. Wie die
Haſen, ſind ſie dem Lichte abhold und zeigen ſich am meiſten in der Dämmerung oder in der Nacht.
Es ſind ſchnelle, lebhafte, behende Thiere und auch in ihren Bewegungen halb Kaninchen, halb
Mäuſe. Wurzeln und Flechten, Zwiebeln und Rinde, auch wohl Früchte bilden ihre Nahrung. Alle
Arten ſind ſcheu und furchtſam, dabei harmlos oder feig und blos eine einzige Art vertheidigt ſich in
höchſter Noth gegen ihre Feinde. Jhre Vermehrung iſt ungefähr ebenſogroß, wie die der Haſen.
Sie ertragen die Gefangenſchaft leicht und erfreuen durch Reinlichkeit und Zahmheit. Das Gehör
ſcheint der entwickeltſte Sinn zu ſein. Jhr Verſtand iſt gering. Manche Arten richten Schaden an,
oder werden wenigſtens dem Menſchen durch das Unterwühlen des Bodens läſtig, alle aber nützen
durch ihr Fleiſch und ihr wahrhaft koſtbares Fell.

Die eigentlichen Chinchillas (Eriomys), welche die erſte Sippe bilden, zeichnen ſich durch
dicken Kopf, breite, gerundete Ohren und fünfzehige und vierzehige Hinterfüße, ſowie den langen,
außerordeutlich weichen und ſeidenhaarigen Pelz vor ihren Verwandten aus. Man kennt blos zwei
Arten dieſer Thiere, die Chinchilla (Eriomys Chinchilla) und die kleine Wollmaus (Eriomys
lanigera
). Erſtere wird ungefähr einen Fuß lang und trägt einen 5, mit den Haaren aber 8 Zoll
langen Schwanz. Der gleichmäßige, feine, überaus weiche Pelz iſt auf dem Rücken und an den
Seiten mehr als zolllang; die Haare ſind an der Wurzel tiefblaugrau, ſodann breit weiß geringelt
und dunkelgrau endigend. Hierdurch erſcheint die allgemeine Färbung ſilberfarben, dunkel ange-
flogen. Die Unterſeite und die Füße ſind reinweiß; der Schwanz hat oben zwei dunkle Binden; die
Schnurren ſind an ihrer Wurzel ſchwarzbraun, an der Spitze graubraun. Die großen Augen
ſind ſchwarz.

Schon zur Zeit der Jnkas verarbeiteten die Peruaner das feine Seidenhaar der Chinchilla zu
Tuch und ſehr geſuchten Stoffen, und die alten Schriftſteller, wie Acoſta und Molina, geben

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[194/0210] Die Haſenmäuſe oder Cchinchillen. Bei den holländiſchen Anſiedlern iſt die Jagd des Thieres ſehr beliebt; denn das Fleiſch wird geſchätzt und der Balg in ähnlicher Weiſe verwandt, wie der unſeres Haſen. Jm Bergleich zu dieſem Nutzen iſt der Schaden, den der Springhaſe durch Unterwühlen mancher Felder und Gärten anrichtet, ein ſehr geringer; es ſteht ja auch in Jedes Hand, das Thier zu vertreiben, ſobald es läſtig wird. Erſt in der Neuzeit iſt man bekannter geworden mit den Mitgliedern einer kleinen Familie ame- rikaniſcher Thiere, deren Felle ſchon ſeit alten Zeiten von den Ureingeborenen Amerikas vielfach benutzt und auch ſeit Ende vorigen Jahrhunderts in großen Maſſen nach Europa übergeführt wurde. Es ſind dies die Haſenmäuſe oder Chinchillen [ſprich Tſchintſchilljen] (Eriomyes), Thiere, welche Mittelglieder zu ſein ſcheinen zwiſchen den Mäuſen und Haſen. Gegenwärtig kennt man mit Sicherheit nur fünf Arten der ganzen Familie. Sie bilden drei Gruppen, die ſich hauptſächlich durch die verſchiedene Zahl der Zehen an den Vorder- und Hinterfüßen und durch andere, wenig ins Gewicht fallende Eigenthümlichkeiten unterſcheiden. Jm allgemeinen kann man ſagen, daß die Chin- chillen Kaninchen mit langem Buſchſchwanze ſind; mit dieſen Worten hat man ihre kürzeſte und deshalb beſte Beſchreibung gegeben. Der feinſte Pelz, welchen Säugethiere überhaupt tragen, deckt ihren Leib. Seine Färbung iſt ein lichtes Grau mit Weiß und Schwarzbraun oder Gelb. Die Wirbelſäule beſteht aus zwölf Rippen-, acht Lenden-, zwei Kreuz- und zwanzig Schwanzwirbeln; das Gebiß erinnert lebhaft an das der Haſen. Alle Arten bewohnen ausſchließlich Südamerika, und zwar größtentheils das Gebirge noch in bedeutender Höhe zwiſchen den völlig kahlen Felſen unter der Schneegrenze. Eine Art findet ſich aber auch in der Ebene, ebenfalls in Wüſtengegenden. Natür- liche Höhlen im Felsgeſtein oder von den Thieren eigens gegrabene Gänge in den Ebenen bilden ihre Wohnſitze. Alle ſind geſellig, manche bewohnen familienweiſe ein und dieſelbe Höhle. Wie die Haſen, ſind ſie dem Lichte abhold und zeigen ſich am meiſten in der Dämmerung oder in der Nacht. Es ſind ſchnelle, lebhafte, behende Thiere und auch in ihren Bewegungen halb Kaninchen, halb Mäuſe. Wurzeln und Flechten, Zwiebeln und Rinde, auch wohl Früchte bilden ihre Nahrung. Alle Arten ſind ſcheu und furchtſam, dabei harmlos oder feig und blos eine einzige Art vertheidigt ſich in höchſter Noth gegen ihre Feinde. Jhre Vermehrung iſt ungefähr ebenſogroß, wie die der Haſen. Sie ertragen die Gefangenſchaft leicht und erfreuen durch Reinlichkeit und Zahmheit. Das Gehör ſcheint der entwickeltſte Sinn zu ſein. Jhr Verſtand iſt gering. Manche Arten richten Schaden an, oder werden wenigſtens dem Menſchen durch das Unterwühlen des Bodens läſtig, alle aber nützen durch ihr Fleiſch und ihr wahrhaft koſtbares Fell. Die eigentlichen Chinchillas (Eriomys), welche die erſte Sippe bilden, zeichnen ſich durch dicken Kopf, breite, gerundete Ohren und fünfzehige und vierzehige Hinterfüße, ſowie den langen, außerordeutlich weichen und ſeidenhaarigen Pelz vor ihren Verwandten aus. Man kennt blos zwei Arten dieſer Thiere, die Chinchilla (Eriomys Chinchilla) und die kleine Wollmaus (Eriomys lanigera). Erſtere wird ungefähr einen Fuß lang und trägt einen 5, mit den Haaren aber 8 Zoll langen Schwanz. Der gleichmäßige, feine, überaus weiche Pelz iſt auf dem Rücken und an den Seiten mehr als zolllang; die Haare ſind an der Wurzel tiefblaugrau, ſodann breit weiß geringelt und dunkelgrau endigend. Hierdurch erſcheint die allgemeine Färbung ſilberfarben, dunkel ange- flogen. Die Unterſeite und die Füße ſind reinweiß; der Schwanz hat oben zwei dunkle Binden; die Schnurren ſind an ihrer Wurzel ſchwarzbraun, an der Spitze graubraun. Die großen Augen ſind ſchwarz. Schon zur Zeit der Jnkas verarbeiteten die Peruaner das feine Seidenhaar der Chinchilla zu Tuch und ſehr geſuchten Stoffen, und die alten Schriftſteller, wie Acoſta und Molina, geben

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/210>, abgerufen am 23.11.2024.