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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Wühlratten. -- Die Wasserratte.
aufgenommen worden ist, umgeben sofort die überlebenden den Leichnam ihres Gefährten und tragen
ihn nach ihren Höhlen, um ihn seinem Mörder zu entziehen und ihn dann natürlich zu fressen.
Hier und da wendet man wohl auch Schwefel an und räuchert die Ratten aus ihren Banen, oder
man lauert an ihren Luftlöchern auf sie und spießt sie an, wenn sie dort erscheinen; kurz, es werden
auch hier alle Mittel und Wege in Anwendung gebracht, um der Selbstsucht des Menschen Genüge
zu leisten. Außerdem stellen dem Thiere noch Luchs und Fuchs, Mink und Marder, Adler, Uhn
und Schneeeule nach.



An die Zibetratten können wir die Wühlratten (Hypudaeus) anreihen. Sie unterscheiden sich
von den eigentlichen Wühlmäusen durch ihre bedeutende Größe und durch Eigenthümlichkeiten des
Gebisses und Schädelbaues. Jn ihrer Lebensweise stehen sie einander sehr nahe; doch zeigen die ein-
zelnen Arten gerade hierin wieder viel Selbständiges. Man kennt gegenwärtig nur drei Arten dieser
kleinen Gruppe; unter ihnen aber befinden sich zwei sehr merkwürdige Thiere. Das erste ist die
Wasserratte (Hypudaeus amphibius), ein schon seit Jahrhunderten den Naturforschern bekanntes

[Abbildung] Die Wasserratte (Hypudaeus amphibius).
Thier und noch heute der Zankapfel zwischen ihnen. Die Einen behaupten nämlich, daß es nur
eine Art von Wasserratten gäbe, die Anderen nehmen an, daß die sogenannten Scher- und Reut-
mäuse,
welche allen Gartenbesitzern nur zu bekannt zu sein pflegen, wegen ihrer durchaus verschie-
denen Lebensweise, trotz ihrer großen Aehnlichkeit mit den Wasserratten, als selbständige Thiere be-
trachtet werden müssen. Auffallend bleibt die große Verschiedenheit in der Lebensweise ein- und
desselben Thieres immerhin. Die Wasserratte lebt, wie ihr Name sagt, am und im Wasser, na-
mentlich an stillstehenden. Dort wohnt sie in selbstgegrabenen unterirdischen Bauen, welche vom
Wasserspiegel aus schief nach oben ansteigen und in einen weiten Kessel münden, der ihr eigentliches
Wohnzimmer bildet. Vonhieraus geht sie gewöhnlich nach dem Wasser hinab, treibt sich in dem
Teiche umher, sucht sich ihre Nahrung und denkt nicht daran, größere Reisen zu unternehmen. Die
Reutmaus dagegen lebt oft fern vom Wasser, in den Blumen- und Gemüsegärten und gräbt
sich hier lange, flache Gänge nach Maulwurfsart, wirft dabei die Pflanzen um, welche über den
Gängen stehen, verzehrt die Wurzeln und schadet dadurch weit mehr, als der Maulwurf jemals
durch seine Wühlereien schaden kann. Sie lebt unter Umständen wochen- und monatelang fern
vom Wasser und scheint sich eigentlich gar nicht um dasselbe zu bekümmern. Es ist erklärlich, daß
viele Forscher geglaubt haben, diese abweichende Lebensweise müsse auch mit einer Artverschiedenheit
der betreffenden Thiere zusammenhängen, und bisjetzt ist dieser Streit noch keineswegs entschieden.

Die Wühlratten. — Die Waſſerratte.
aufgenommen worden iſt, umgeben ſofort die überlebenden den Leichnam ihres Gefährten und tragen
ihn nach ihren Höhlen, um ihn ſeinem Mörder zu entziehen und ihn dann natürlich zu freſſen.
Hier und da wendet man wohl auch Schwefel an und räuchert die Ratten aus ihren Banen, oder
man lauert an ihren Luftlöchern auf ſie und ſpießt ſie an, wenn ſie dort erſcheinen; kurz, es werden
auch hier alle Mittel und Wege in Anwendung gebracht, um der Selbſtſucht des Menſchen Genüge
zu leiſten. Außerdem ſtellen dem Thiere noch Luchs und Fuchs, Mink und Marder, Adler, Uhn
und Schneeeule nach.



An die Zibetratten können wir die Wühlratten (Hypudaeus) anreihen. Sie unterſcheiden ſich
von den eigentlichen Wühlmäuſen durch ihre bedeutende Größe und durch Eigenthümlichkeiten des
Gebiſſes und Schädelbaues. Jn ihrer Lebensweiſe ſtehen ſie einander ſehr nahe; doch zeigen die ein-
zelnen Arten gerade hierin wieder viel Selbſtändiges. Man kennt gegenwärtig nur drei Arten dieſer
kleinen Gruppe; unter ihnen aber befinden ſich zwei ſehr merkwürdige Thiere. Das erſte iſt die
Waſſerratte (Hypudaeus amphibius), ein ſchon ſeit Jahrhunderten den Naturforſchern bekanntes

[Abbildung] Die Waſſerratte (Hypudaeus amphibius).
Thier und noch heute der Zankapfel zwiſchen ihnen. Die Einen behaupten nämlich, daß es nur
eine Art von Waſſerratten gäbe, die Anderen nehmen an, daß die ſogenannten Scher- und Reut-
mäuſe,
welche allen Gartenbeſitzern nur zu bekannt zu ſein pflegen, wegen ihrer durchaus verſchie-
denen Lebensweiſe, trotz ihrer großen Aehnlichkeit mit den Waſſerratten, als ſelbſtändige Thiere be-
trachtet werden müſſen. Auffallend bleibt die große Verſchiedenheit in der Lebensweiſe ein- und
deſſelben Thieres immerhin. Die Waſſerratte lebt, wie ihr Name ſagt, am und im Waſſer, na-
mentlich an ſtillſtehenden. Dort wohnt ſie in ſelbſtgegrabenen unterirdiſchen Bauen, welche vom
Waſſerſpiegel aus ſchief nach oben anſteigen und in einen weiten Keſſel münden, der ihr eigentliches
Wohnzimmer bildet. Vonhieraus geht ſie gewöhnlich nach dem Waſſer hinab, treibt ſich in dem
Teiche umher, ſucht ſich ihre Nahrung und denkt nicht daran, größere Reiſen zu unternehmen. Die
Reutmaus dagegen lebt oft fern vom Waſſer, in den Blumen- und Gemüſegärten und gräbt
ſich hier lange, flache Gänge nach Maulwurfsart, wirft dabei die Pflanzen um, welche über den
Gängen ſtehen, verzehrt die Wurzeln und ſchadet dadurch weit mehr, als der Maulwurf jemals
durch ſeine Wühlereien ſchaden kann. Sie lebt unter Umſtänden wochen- und monatelang fern
vom Waſſer und ſcheint ſich eigentlich gar nicht um daſſelbe zu bekümmern. Es iſt erklärlich, daß
viele Forſcher geglaubt haben, dieſe abweichende Lebensweiſe müſſe auch mit einer Artverſchiedenheit
der betreffenden Thiere zuſammenhängen, und bisjetzt iſt dieſer Streit noch keineswegs entſchieden.

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[152/0168] Die Wühlratten. — Die Waſſerratte. aufgenommen worden iſt, umgeben ſofort die überlebenden den Leichnam ihres Gefährten und tragen ihn nach ihren Höhlen, um ihn ſeinem Mörder zu entziehen und ihn dann natürlich zu freſſen. Hier und da wendet man wohl auch Schwefel an und räuchert die Ratten aus ihren Banen, oder man lauert an ihren Luftlöchern auf ſie und ſpießt ſie an, wenn ſie dort erſcheinen; kurz, es werden auch hier alle Mittel und Wege in Anwendung gebracht, um der Selbſtſucht des Menſchen Genüge zu leiſten. Außerdem ſtellen dem Thiere noch Luchs und Fuchs, Mink und Marder, Adler, Uhn und Schneeeule nach. An die Zibetratten können wir die Wühlratten (Hypudaeus) anreihen. Sie unterſcheiden ſich von den eigentlichen Wühlmäuſen durch ihre bedeutende Größe und durch Eigenthümlichkeiten des Gebiſſes und Schädelbaues. Jn ihrer Lebensweiſe ſtehen ſie einander ſehr nahe; doch zeigen die ein- zelnen Arten gerade hierin wieder viel Selbſtändiges. Man kennt gegenwärtig nur drei Arten dieſer kleinen Gruppe; unter ihnen aber befinden ſich zwei ſehr merkwürdige Thiere. Das erſte iſt die Waſſerratte (Hypudaeus amphibius), ein ſchon ſeit Jahrhunderten den Naturforſchern bekanntes [Abbildung Die Waſſerratte (Hypudaeus amphibius).] Thier und noch heute der Zankapfel zwiſchen ihnen. Die Einen behaupten nämlich, daß es nur eine Art von Waſſerratten gäbe, die Anderen nehmen an, daß die ſogenannten Scher- und Reut- mäuſe, welche allen Gartenbeſitzern nur zu bekannt zu ſein pflegen, wegen ihrer durchaus verſchie- denen Lebensweiſe, trotz ihrer großen Aehnlichkeit mit den Waſſerratten, als ſelbſtändige Thiere be- trachtet werden müſſen. Auffallend bleibt die große Verſchiedenheit in der Lebensweiſe ein- und deſſelben Thieres immerhin. Die Waſſerratte lebt, wie ihr Name ſagt, am und im Waſſer, na- mentlich an ſtillſtehenden. Dort wohnt ſie in ſelbſtgegrabenen unterirdiſchen Bauen, welche vom Waſſerſpiegel aus ſchief nach oben anſteigen und in einen weiten Keſſel münden, der ihr eigentliches Wohnzimmer bildet. Vonhieraus geht ſie gewöhnlich nach dem Waſſer hinab, treibt ſich in dem Teiche umher, ſucht ſich ihre Nahrung und denkt nicht daran, größere Reiſen zu unternehmen. Die Reutmaus dagegen lebt oft fern vom Waſſer, in den Blumen- und Gemüſegärten und gräbt ſich hier lange, flache Gänge nach Maulwurfsart, wirft dabei die Pflanzen um, welche über den Gängen ſtehen, verzehrt die Wurzeln und ſchadet dadurch weit mehr, als der Maulwurf jemals durch ſeine Wühlereien ſchaden kann. Sie lebt unter Umſtänden wochen- und monatelang fern vom Waſſer und ſcheint ſich eigentlich gar nicht um daſſelbe zu bekümmern. Es iſt erklärlich, daß viele Forſcher geglaubt haben, dieſe abweichende Lebensweiſe müſſe auch mit einer Artverſchiedenheit der betreffenden Thiere zuſammenhängen, und bisjetzt iſt dieſer Streit noch keineswegs entſchieden.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/168>, abgerufen am 28.11.2024.