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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Hamster.
wo der Hamster ganz ungestört ist, verrichtet er seine Ernte bei Tage; gewöhnlich ist die erste Hälfte
der Nacht und der Morgen vor Sonnenaufgang seine Arbeitszeit. Er biegt mit den Vorderhänden
die hohen Halme sehr geschickt um, schneidet mit einem Bisse die Aehre ab, faßt sie mit den Pfoten,
dreht sie ein paarmal hin und her und hat sie nun nicht blos entkörnt, sondern die Körner auch gleich
in den Backentaschen verborgen. So werden die weiten Schleppsäcke gefüllt bis zum Uebermaß;
manchmal schafft einer seine sechs Loth Körner auf einem Gange nach Hause. Ein so beladener
Hamster sieht höchst spaßhaft aus und ist das ungeschickteste Thier der Welt. Man kann ihn mit
den Händen ohne Furcht anfassen; denn die vollgepfropften Taschen hindern ihn am Beißen; nur
darf man ihm nicht Zeit lassen, sonst streicht er augenblicklich die Körner heraus und setzt sich in Ver-
theidigungszustand.

Anfangs Oktober, wenn es kalt wird und die Felder leer sind, denkt der Hamster ernstlich
daran, sich seine Winterwohnung herzurichten. Zuerst verstopft er das Schlupfloch von der Kammer
an bis oben hinauf so dicht als möglich mit Erde, dann vermauert er sein Fallloch und zwar von
innen heraus, manchmal nicht ganz bis zur Oberfläche der Erde. Hat er noch Zeit oder fürchtet er
den Frost, so gräbt er sich ein tieferes Nest und tiefere Kornkammern, als bisher, und speichert hier
seine Vorräthe auf. Das Lager ist sehr klein und mit dem feinsten Stroh dicht ausgepolstert. Nun-
mehr frißt sich der faule Gauch gehörig an und legt sich endlich zusammengerollt zum Schlafen nieder.
Gewöhnlich liegt er auf der Seite, den Kopf an den Bauch gezogen zwischen den Hinterbeinen. Alle
Haare befinden sich in der schönsten Ordnung, stehen aber etwas steif vom Körper ab. Die Glieder
sind eiskalt anzufühlen und sehr schwer zu beugen, sie schnellen auch, wie bei todten Thieren, wenn
man sie gewaltsam gebogen hat, sofort wieder in die frühere Lage zurück. Die Augen sind geschlossen,
sehen aber hell und klar aus, wie beim lebenden, und schließen sich auch von selbst wieder. Ein Athem-
holen oder ein Herzpochen fühlt man nicht. Das ganze Thier stellt ein lebendes Bild des Todes dar.
Gewöhnlich schlägt das Herz in der Minute 14 bis 15 Mal. Vor dem Aufwachen bemerkt man zu-
nächst, daß die Steifigkeit nachläßt. Dann fängt der Athem an, es folgen einige Bewegungen, der
Schläfer gähnt und gibt einen röchelnden Laut von sich, streckt sich, öffnet die Augen, taumelt wie
betrunken umher, versucht, sich zu setzen, fällt aber um, richtet sich von neuem auf, besinnt sich und
läuft endlich langsam umher, frißt auch sofort, wenn man ihm Etwas vorwirft, putzt und streichelt
sich und ist endlich ganz munter. Uebrigens muß man sich immer vorsehen, wenn man einen solchen
Erweckungsversuch mit einem Hamster macht; denn auch der scheinbar ganz leblose belehrt Einen manch-
mal in der allerempfindlichsten Weise, daß er nicht todt ist. Auch im Freien müssen die Hamster
mitten im Winter aufwachen; denn manchmal öffnen sie ihre Löcher im Dezember bei einer Kälte
von mehreren Graden unter Null und laufen ein wenig auf den Feldern umher. Jn einer Stube,
welche beständig geheizt wird, kann man sie das ganze Jahr hindurch wach erhalten, sie befinden sich
aber doch nicht wohl und sterben bald.

Es ist ein wahres Glück, daß der Hamster, welcher sich zuweilen wahrhaft furchterweckend ver-
mehrt und dann ungeheuren Schaden anrichtet, soviele Feinde hat. Die Bussarde und die Eu-
len,
die Naben und manche andere Vögel, vor allem aber Jltis und Wiesel sind ununter-
brochen auf seiner Fährte und tödten ihn, wo sie nur können Der Jltis und das große Wiesel folgen
ihm auch in seine unterirdischen Wohnungen und müssen deshalb als die wichtigsten aller seiner Feinde
angesehen werden. Diesen gewandten Räubern muß der bissige Nager regelmäßig erliegen, obgleich
es ohne heftige Kämpfe nicht abgeht. Jeder Landwirth müßte diese beiden nützlichen Raubthiere, wenn
er seinen Vortheil erkennen wollte, nach allen Kräften schonen und hegen und pflegen; statt dessen
aber schlägt der unwissende Bauer jeden Jltis und jeden Wiesel ohne Gnade und Barmherzigkeit nie-
der, gewöhnlich ohne zu wissen, warum.

Jn einigen Gegenden zieht der Mensch regelrecht gegen den Hamster zu Felde. Jn Thüringen
z. B. gibt es Leute, welche sich ein wirkliches Geschäft daraus machen, die Hamster auszugraben und
umzubringen. Die Gemeindekassen pflegen für jeden erlegten Hamster eine Kleinigkeit zu zahlen,

Der Hamſter.
wo der Hamſter ganz ungeſtört iſt, verrichtet er ſeine Ernte bei Tage; gewöhnlich iſt die erſte Hälfte
der Nacht und der Morgen vor Sonnenaufgang ſeine Arbeitszeit. Er biegt mit den Vorderhänden
die hohen Halme ſehr geſchickt um, ſchneidet mit einem Biſſe die Aehre ab, faßt ſie mit den Pfoten,
dreht ſie ein paarmal hin und her und hat ſie nun nicht blos entkörnt, ſondern die Körner auch gleich
in den Backentaſchen verborgen. So werden die weiten Schleppſäcke gefüllt bis zum Uebermaß;
manchmal ſchafft einer ſeine ſechs Loth Körner auf einem Gange nach Hauſe. Ein ſo beladener
Hamſter ſieht höchſt ſpaßhaft aus und iſt das ungeſchickteſte Thier der Welt. Man kann ihn mit
den Händen ohne Furcht anfaſſen; denn die vollgepfropften Taſchen hindern ihn am Beißen; nur
darf man ihm nicht Zeit laſſen, ſonſt ſtreicht er augenblicklich die Körner heraus und ſetzt ſich in Ver-
theidigungszuſtand.

Anfangs Oktober, wenn es kalt wird und die Felder leer ſind, denkt der Hamſter ernſtlich
daran, ſich ſeine Winterwohnung herzurichten. Zuerſt verſtopft er das Schlupfloch von der Kammer
an bis oben hinauf ſo dicht als möglich mit Erde, dann vermauert er ſein Fallloch und zwar von
innen heraus, manchmal nicht ganz bis zur Oberfläche der Erde. Hat er noch Zeit oder fürchtet er
den Froſt, ſo gräbt er ſich ein tieferes Neſt und tiefere Kornkammern, als bisher, und ſpeichert hier
ſeine Vorräthe auf. Das Lager iſt ſehr klein und mit dem feinſten Stroh dicht ausgepolſtert. Nun-
mehr frißt ſich der faule Gauch gehörig an und legt ſich endlich zuſammengerollt zum Schlafen nieder.
Gewöhnlich liegt er auf der Seite, den Kopf an den Bauch gezogen zwiſchen den Hinterbeinen. Alle
Haare befinden ſich in der ſchönſten Ordnung, ſtehen aber etwas ſteif vom Körper ab. Die Glieder
ſind eiskalt anzufühlen und ſehr ſchwer zu beugen, ſie ſchnellen auch, wie bei todten Thieren, wenn
man ſie gewaltſam gebogen hat, ſofort wieder in die frühere Lage zurück. Die Augen ſind geſchloſſen,
ſehen aber hell und klar aus, wie beim lebenden, und ſchließen ſich auch von ſelbſt wieder. Ein Athem-
holen oder ein Herzpochen fühlt man nicht. Das ganze Thier ſtellt ein lebendes Bild des Todes dar.
Gewöhnlich ſchlägt das Herz in der Minute 14 bis 15 Mal. Vor dem Aufwachen bemerkt man zu-
nächſt, daß die Steifigkeit nachläßt. Dann fängt der Athem an, es folgen einige Bewegungen, der
Schläfer gähnt und gibt einen röchelnden Laut von ſich, ſtreckt ſich, öffnet die Augen, taumelt wie
betrunken umher, verſucht, ſich zu ſetzen, fällt aber um, richtet ſich von neuem auf, beſinnt ſich und
läuft endlich langſam umher, frißt auch ſofort, wenn man ihm Etwas vorwirft, putzt und ſtreichelt
ſich und iſt endlich ganz munter. Uebrigens muß man ſich immer vorſehen, wenn man einen ſolchen
Erweckungsverſuch mit einem Hamſter macht; denn auch der ſcheinbar ganz lebloſe belehrt Einen manch-
mal in der allerempfindlichſten Weiſe, daß er nicht todt iſt. Auch im Freien müſſen die Hamſter
mitten im Winter aufwachen; denn manchmal öffnen ſie ihre Löcher im Dezember bei einer Kälte
von mehreren Graden unter Null und laufen ein wenig auf den Feldern umher. Jn einer Stube,
welche beſtändig geheizt wird, kann man ſie das ganze Jahr hindurch wach erhalten, ſie befinden ſich
aber doch nicht wohl und ſterben bald.

Es iſt ein wahres Glück, daß der Hamſter, welcher ſich zuweilen wahrhaft furchterweckend ver-
mehrt und dann ungeheuren Schaden anrichtet, ſoviele Feinde hat. Die Buſſarde und die Eu-
len,
die Naben und manche andere Vögel, vor allem aber Jltis und Wieſel ſind ununter-
brochen auf ſeiner Fährte und tödten ihn, wo ſie nur können Der Jltis und das große Wieſel folgen
ihm auch in ſeine unterirdiſchen Wohnungen und müſſen deshalb als die wichtigſten aller ſeiner Feinde
angeſehen werden. Dieſen gewandten Räubern muß der biſſige Nager regelmäßig erliegen, obgleich
es ohne heftige Kämpfe nicht abgeht. Jeder Landwirth müßte dieſe beiden nützlichen Raubthiere, wenn
er ſeinen Vortheil erkennen wollte, nach allen Kräften ſchonen und hegen und pflegen; ſtatt deſſen
aber ſchlägt der unwiſſende Bauer jeden Jltis und jeden Wieſel ohne Gnade und Barmherzigkeit nie-
der, gewöhnlich ohne zu wiſſen, warum.

Jn einigen Gegenden zieht der Menſch regelrecht gegen den Hamſter zu Felde. Jn Thüringen
z. B. gibt es Leute, welche ſich ein wirkliches Geſchäft daraus machen, die Hamſter auszugraben und
umzubringen. Die Gemeindekaſſen pflegen für jeden erlegten Hamſter eine Kleinigkeit zu zahlen,

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[146/0162] Der Hamſter. wo der Hamſter ganz ungeſtört iſt, verrichtet er ſeine Ernte bei Tage; gewöhnlich iſt die erſte Hälfte der Nacht und der Morgen vor Sonnenaufgang ſeine Arbeitszeit. Er biegt mit den Vorderhänden die hohen Halme ſehr geſchickt um, ſchneidet mit einem Biſſe die Aehre ab, faßt ſie mit den Pfoten, dreht ſie ein paarmal hin und her und hat ſie nun nicht blos entkörnt, ſondern die Körner auch gleich in den Backentaſchen verborgen. So werden die weiten Schleppſäcke gefüllt bis zum Uebermaß; manchmal ſchafft einer ſeine ſechs Loth Körner auf einem Gange nach Hauſe. Ein ſo beladener Hamſter ſieht höchſt ſpaßhaft aus und iſt das ungeſchickteſte Thier der Welt. Man kann ihn mit den Händen ohne Furcht anfaſſen; denn die vollgepfropften Taſchen hindern ihn am Beißen; nur darf man ihm nicht Zeit laſſen, ſonſt ſtreicht er augenblicklich die Körner heraus und ſetzt ſich in Ver- theidigungszuſtand. Anfangs Oktober, wenn es kalt wird und die Felder leer ſind, denkt der Hamſter ernſtlich daran, ſich ſeine Winterwohnung herzurichten. Zuerſt verſtopft er das Schlupfloch von der Kammer an bis oben hinauf ſo dicht als möglich mit Erde, dann vermauert er ſein Fallloch und zwar von innen heraus, manchmal nicht ganz bis zur Oberfläche der Erde. Hat er noch Zeit oder fürchtet er den Froſt, ſo gräbt er ſich ein tieferes Neſt und tiefere Kornkammern, als bisher, und ſpeichert hier ſeine Vorräthe auf. Das Lager iſt ſehr klein und mit dem feinſten Stroh dicht ausgepolſtert. Nun- mehr frißt ſich der faule Gauch gehörig an und legt ſich endlich zuſammengerollt zum Schlafen nieder. Gewöhnlich liegt er auf der Seite, den Kopf an den Bauch gezogen zwiſchen den Hinterbeinen. Alle Haare befinden ſich in der ſchönſten Ordnung, ſtehen aber etwas ſteif vom Körper ab. Die Glieder ſind eiskalt anzufühlen und ſehr ſchwer zu beugen, ſie ſchnellen auch, wie bei todten Thieren, wenn man ſie gewaltſam gebogen hat, ſofort wieder in die frühere Lage zurück. Die Augen ſind geſchloſſen, ſehen aber hell und klar aus, wie beim lebenden, und ſchließen ſich auch von ſelbſt wieder. Ein Athem- holen oder ein Herzpochen fühlt man nicht. Das ganze Thier ſtellt ein lebendes Bild des Todes dar. Gewöhnlich ſchlägt das Herz in der Minute 14 bis 15 Mal. Vor dem Aufwachen bemerkt man zu- nächſt, daß die Steifigkeit nachläßt. Dann fängt der Athem an, es folgen einige Bewegungen, der Schläfer gähnt und gibt einen röchelnden Laut von ſich, ſtreckt ſich, öffnet die Augen, taumelt wie betrunken umher, verſucht, ſich zu ſetzen, fällt aber um, richtet ſich von neuem auf, beſinnt ſich und läuft endlich langſam umher, frißt auch ſofort, wenn man ihm Etwas vorwirft, putzt und ſtreichelt ſich und iſt endlich ganz munter. Uebrigens muß man ſich immer vorſehen, wenn man einen ſolchen Erweckungsverſuch mit einem Hamſter macht; denn auch der ſcheinbar ganz lebloſe belehrt Einen manch- mal in der allerempfindlichſten Weiſe, daß er nicht todt iſt. Auch im Freien müſſen die Hamſter mitten im Winter aufwachen; denn manchmal öffnen ſie ihre Löcher im Dezember bei einer Kälte von mehreren Graden unter Null und laufen ein wenig auf den Feldern umher. Jn einer Stube, welche beſtändig geheizt wird, kann man ſie das ganze Jahr hindurch wach erhalten, ſie befinden ſich aber doch nicht wohl und ſterben bald. Es iſt ein wahres Glück, daß der Hamſter, welcher ſich zuweilen wahrhaft furchterweckend ver- mehrt und dann ungeheuren Schaden anrichtet, ſoviele Feinde hat. Die Buſſarde und die Eu- len, die Naben und manche andere Vögel, vor allem aber Jltis und Wieſel ſind ununter- brochen auf ſeiner Fährte und tödten ihn, wo ſie nur können Der Jltis und das große Wieſel folgen ihm auch in ſeine unterirdiſchen Wohnungen und müſſen deshalb als die wichtigſten aller ſeiner Feinde angeſehen werden. Dieſen gewandten Räubern muß der biſſige Nager regelmäßig erliegen, obgleich es ohne heftige Kämpfe nicht abgeht. Jeder Landwirth müßte dieſe beiden nützlichen Raubthiere, wenn er ſeinen Vortheil erkennen wollte, nach allen Kräften ſchonen und hegen und pflegen; ſtatt deſſen aber ſchlägt der unwiſſende Bauer jeden Jltis und jeden Wieſel ohne Gnade und Barmherzigkeit nie- der, gewöhnlich ohne zu wiſſen, warum. Jn einigen Gegenden zieht der Menſch regelrecht gegen den Hamſter zu Felde. Jn Thüringen z. B. gibt es Leute, welche ſich ein wirkliches Geſchäft daraus machen, die Hamſter auszugraben und umzubringen. Die Gemeindekaſſen pflegen für jeden erlegten Hamſter eine Kleinigkeit zu zahlen,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/162>, abgerufen am 28.11.2024.