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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Hamster.

Aber nicht allein gegen Hunde wehrt sich der Hamster; er greift auch kühn den Menschen an,
selbst Den, welcher gar Nichts mit ihm zu schaffen haben mag. Es kommt nicht selten vor, daß
man ruhig an einem Hamsterbau vorübergeht und plötzlich das wüthende Thier in seinen Kleidern
hängen hat. An Pferden beißt er sich ebenfalls fest, und gegen Raubvögel, die ihn vom Boden er-
hoben, wehrt er sich noch in der Luft. Wenn er sich einmal eingebissen hat, hält er so fest, daß
man ihn todtschlagen kann, ehe er nachläßt.

Daß ein so wüthendes Thier nicht verträglich sein kann, ist erklärlich. Die eigenen Kinder
mögen nicht mehr bei der Mutter bleiben, sobald sie größer geworden sind; der männliche Hamster
beißt den weiblichen todt, wenn er außer der Paarungszeit mit ihm zusammenkommt. Jn der Ge-
fangenschaft leben die Hamster nur selten mit einander in Frieden, alte wahrscheinlich niemals.
Junge, welche noch nicht ein Jahr alt sind, vertragen sich besser. Jch habe selbst längere Zeit in
einer Kiste drei Stück gehabt, welche sich niemals zankten, sondern im Gegentheil recht verträglich bei
einander hockten, meistens einer noch auf dem andern. Junge Hamster aus verschiedenen Nestern
fallen aber augenblicklich über einander her und beginnen den Kampf auf Leben und Tod. Aeußerst
lustig ist es, wenn man ihm einen Jgel zur Gesellschaft gibt. Zuerst betrachtet er neugierig den
sonderbaren Kauz, welcher seinerseits sich nicht groß um ihn kümmert und ruhig seines Weges geht.
Doch die Ruhe wird bald gestört. Der Jgel kommt zufällig in die Nähe seines Mitgefangenen, ein
ärgerliches Grunzen begrüßt ihn, und erschreckt rollt er sich zur Kugel ein. Jetzt geht der Hamster
auf Erforschungsreisen aus. Der Stachelballen wird berochen und -- seine blutige Nase belehrt
ihn gründlich von der Vielseitigkeit der Horngebilde. Wüthend stößt er die Kugel von sich -- o weh,
auch die Hand ist verwundet! Jetzt wetzt er die Zähne, quiekt, faucht, springt auf den Ball,
springt entsetzt wieder herab, versucht, ihn mit dem Rücken wegzuschieben, sticht sich in die Schulter,
wird immer wüthender, macht neue vergebliche Anstrengungen, sich des Ungeheuers zu entledigen,
holt sich neue Stiche in Hände und Lippen und stellt sich endlich mehr erstaunt als erbost vor dem
Stachelhelden auf die Hinterbeine und betrachtet ihn mit unendlich komischer Scheu und mit ver-
bissener Wuth, oder läßt diese an irgendwelchem Dinge aus, auch an einem ganz unschuldigen mit-
gefangenen Hamster, welchem er die dem Jgel zugedachten Bisse beizubringen sucht. So oft der Jgel
sich rührt, geht der Tanz von neuem an: -- der Beschauer möchte bersten vor Lachen.

Mit anderen kleineren Thieren verträgt er sich natürlich noch weniger, als mit seines
Gleichen, ja, er macht förmlich Jagd auf solche; denn seine Nahrung besteht zum guten Theil auch
aus lebenden Thieren. Kleine Vögel, Mäuse, Eidechsen, Blindschleichen, Ringelnattern und
Kerbthiere frißt er noch lieber, als Pflanzenstoffe, und wenn man ihm einen lebenden Vogel in
seinen Käfig wirft, springt er blitzschnell zu, zerbeißt ihm zuerst die Flügel, tödtet ihn dann mit
einem einzigen Biß in den Kopf und frißt ihn nun ruhig auf. Das Pflanzenreich muß ihm Alles,
was irgendwie genießbar ist, zur Nahrung liefern. Er verzehrt grüne Saat- und andere Kräuter,
Hülsenfrüchte, Möhren, Kartoffeln und dergleichen, auch Wurzeln von manchen Kräutern, sowie Obst,
es mag unreif oder reif sein. Jn der Gefangenschaft nährt er sich auch von allerlei Gebackenem,
wie Kuchen und Brod, von Butter, Käse u. s. w., kurz, das Thier ist ein wahrer Allesfresser.

Auch der Hamster ist ein Winterschläfer. Er erwacht, sobald die Erde aufgethaut ist, oft
schon im Februar, sicher im März. Anfangs öffnet er seine verstopften Löcher noch nicht, sondern
hält sich still unten im Bau und zehrt von seinen eingetragenen Vorräthen. Gegen die Mitte des
März erschließen die alten Männchen, anfangs April die alten Weibchen das Fallloch. Jetzt suchen sie
sich bereits außen Nahrung, junge Klatschrosen, frische Saat, die Körner von Sommergetreide und
dergleichen, tragen wohl auch von frischbesäten Ackerstücken, wo sie die Körner sorgfältig auflesen,
einige Pfund Getreide in ihren Bau ein. Die jungen Pflanzen aber behagen ihnen bald mehr, als
die Körner, und dann gehen sie dieser Nahrung nach oder nehmen ab und zu auch wohl ein unge-
schicktes Vögelchen oder eine Maus, einen Käfer, eine Raupe als willkommene Beute mit hinweg.
Zu derselben Zeit pflegen sie sich einen neuen Bau zu graben, in welchem sie den Sommer zu ver-

Der Hamſter.

Aber nicht allein gegen Hunde wehrt ſich der Hamſter; er greift auch kühn den Menſchen an,
ſelbſt Den, welcher gar Nichts mit ihm zu ſchaffen haben mag. Es kommt nicht ſelten vor, daß
man ruhig an einem Hamſterbau vorübergeht und plötzlich das wüthende Thier in ſeinen Kleidern
hängen hat. An Pferden beißt er ſich ebenfalls feſt, und gegen Raubvögel, die ihn vom Boden er-
hoben, wehrt er ſich noch in der Luft. Wenn er ſich einmal eingebiſſen hat, hält er ſo feſt, daß
man ihn todtſchlagen kann, ehe er nachläßt.

Daß ein ſo wüthendes Thier nicht verträglich ſein kann, iſt erklärlich. Die eigenen Kinder
mögen nicht mehr bei der Mutter bleiben, ſobald ſie größer geworden ſind; der männliche Hamſter
beißt den weiblichen todt, wenn er außer der Paarungszeit mit ihm zuſammenkommt. Jn der Ge-
fangenſchaft leben die Hamſter nur ſelten mit einander in Frieden, alte wahrſcheinlich niemals.
Junge, welche noch nicht ein Jahr alt ſind, vertragen ſich beſſer. Jch habe ſelbſt längere Zeit in
einer Kiſte drei Stück gehabt, welche ſich niemals zankten, ſondern im Gegentheil recht verträglich bei
einander hockten, meiſtens einer noch auf dem andern. Junge Hamſter aus verſchiedenen Neſtern
fallen aber augenblicklich über einander her und beginnen den Kampf auf Leben und Tod. Aeußerſt
luſtig iſt es, wenn man ihm einen Jgel zur Geſellſchaft gibt. Zuerſt betrachtet er neugierig den
ſonderbaren Kauz, welcher ſeinerſeits ſich nicht groß um ihn kümmert und ruhig ſeines Weges geht.
Doch die Ruhe wird bald geſtört. Der Jgel kommt zufällig in die Nähe ſeines Mitgefangenen, ein
ärgerliches Grunzen begrüßt ihn, und erſchreckt rollt er ſich zur Kugel ein. Jetzt geht der Hamſter
auf Erforſchungsreiſen aus. Der Stachelballen wird berochen und — ſeine blutige Naſe belehrt
ihn gründlich von der Vielſeitigkeit der Horngebilde. Wüthend ſtößt er die Kugel von ſich — o weh,
auch die Hand iſt verwundet! Jetzt wetzt er die Zähne, quiekt, faucht, ſpringt auf den Ball,
ſpringt entſetzt wieder herab, verſucht, ihn mit dem Rücken wegzuſchieben, ſticht ſich in die Schulter,
wird immer wüthender, macht neue vergebliche Anſtrengungen, ſich des Ungeheuers zu entledigen,
holt ſich neue Stiche in Hände und Lippen und ſtellt ſich endlich mehr erſtaunt als erboſt vor dem
Stachelhelden auf die Hinterbeine und betrachtet ihn mit unendlich komiſcher Scheu und mit ver-
biſſener Wuth, oder läßt dieſe an irgendwelchem Dinge aus, auch an einem ganz unſchuldigen mit-
gefangenen Hamſter, welchem er die dem Jgel zugedachten Biſſe beizubringen ſucht. So oft der Jgel
ſich rührt, geht der Tanz von neuem an: — der Beſchauer möchte berſten vor Lachen.

Mit anderen kleineren Thieren verträgt er ſich natürlich noch weniger, als mit ſeines
Gleichen, ja, er macht förmlich Jagd auf ſolche; denn ſeine Nahrung beſteht zum guten Theil auch
aus lebenden Thieren. Kleine Vögel, Mäuſe, Eidechſen, Blindſchleichen, Ringelnattern und
Kerbthiere frißt er noch lieber, als Pflanzenſtoffe, und wenn man ihm einen lebenden Vogel in
ſeinen Käfig wirft, ſpringt er blitzſchnell zu, zerbeißt ihm zuerſt die Flügel, tödtet ihn dann mit
einem einzigen Biß in den Kopf und frißt ihn nun ruhig auf. Das Pflanzenreich muß ihm Alles,
was irgendwie genießbar iſt, zur Nahrung liefern. Er verzehrt grüne Saat- und andere Kräuter,
Hülſenfrüchte, Möhren, Kartoffeln und dergleichen, auch Wurzeln von manchen Kräutern, ſowie Obſt,
es mag unreif oder reif ſein. Jn der Gefangenſchaft nährt er ſich auch von allerlei Gebackenem,
wie Kuchen und Brod, von Butter, Käſe u. ſ. w., kurz, das Thier iſt ein wahrer Allesfreſſer.

Auch der Hamſter iſt ein Winterſchläfer. Er erwacht, ſobald die Erde aufgethaut iſt, oft
ſchon im Februar, ſicher im März. Anfangs öffnet er ſeine verſtopften Löcher noch nicht, ſondern
hält ſich ſtill unten im Bau und zehrt von ſeinen eingetragenen Vorräthen. Gegen die Mitte des
März erſchließen die alten Männchen, anfangs April die alten Weibchen das Fallloch. Jetzt ſuchen ſie
ſich bereits außen Nahrung, junge Klatſchroſen, friſche Saat, die Körner von Sommergetreide und
dergleichen, tragen wohl auch von friſchbeſäten Ackerſtücken, wo ſie die Körner ſorgfältig aufleſen,
einige Pfund Getreide in ihren Bau ein. Die jungen Pflanzen aber behagen ihnen bald mehr, als
die Körner, und dann gehen ſie dieſer Nahrung nach oder nehmen ab und zu auch wohl ein unge-
ſchicktes Vögelchen oder eine Maus, einen Käfer, eine Raupe als willkommene Beute mit hinweg.
Zu derſelben Zeit pflegen ſie ſich einen neuen Bau zu graben, in welchem ſie den Sommer zu ver-

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[144/0160] Der Hamſter. Aber nicht allein gegen Hunde wehrt ſich der Hamſter; er greift auch kühn den Menſchen an, ſelbſt Den, welcher gar Nichts mit ihm zu ſchaffen haben mag. Es kommt nicht ſelten vor, daß man ruhig an einem Hamſterbau vorübergeht und plötzlich das wüthende Thier in ſeinen Kleidern hängen hat. An Pferden beißt er ſich ebenfalls feſt, und gegen Raubvögel, die ihn vom Boden er- hoben, wehrt er ſich noch in der Luft. Wenn er ſich einmal eingebiſſen hat, hält er ſo feſt, daß man ihn todtſchlagen kann, ehe er nachläßt. Daß ein ſo wüthendes Thier nicht verträglich ſein kann, iſt erklärlich. Die eigenen Kinder mögen nicht mehr bei der Mutter bleiben, ſobald ſie größer geworden ſind; der männliche Hamſter beißt den weiblichen todt, wenn er außer der Paarungszeit mit ihm zuſammenkommt. Jn der Ge- fangenſchaft leben die Hamſter nur ſelten mit einander in Frieden, alte wahrſcheinlich niemals. Junge, welche noch nicht ein Jahr alt ſind, vertragen ſich beſſer. Jch habe ſelbſt längere Zeit in einer Kiſte drei Stück gehabt, welche ſich niemals zankten, ſondern im Gegentheil recht verträglich bei einander hockten, meiſtens einer noch auf dem andern. Junge Hamſter aus verſchiedenen Neſtern fallen aber augenblicklich über einander her und beginnen den Kampf auf Leben und Tod. Aeußerſt luſtig iſt es, wenn man ihm einen Jgel zur Geſellſchaft gibt. Zuerſt betrachtet er neugierig den ſonderbaren Kauz, welcher ſeinerſeits ſich nicht groß um ihn kümmert und ruhig ſeines Weges geht. Doch die Ruhe wird bald geſtört. Der Jgel kommt zufällig in die Nähe ſeines Mitgefangenen, ein ärgerliches Grunzen begrüßt ihn, und erſchreckt rollt er ſich zur Kugel ein. Jetzt geht der Hamſter auf Erforſchungsreiſen aus. Der Stachelballen wird berochen und — ſeine blutige Naſe belehrt ihn gründlich von der Vielſeitigkeit der Horngebilde. Wüthend ſtößt er die Kugel von ſich — o weh, auch die Hand iſt verwundet! Jetzt wetzt er die Zähne, quiekt, faucht, ſpringt auf den Ball, ſpringt entſetzt wieder herab, verſucht, ihn mit dem Rücken wegzuſchieben, ſticht ſich in die Schulter, wird immer wüthender, macht neue vergebliche Anſtrengungen, ſich des Ungeheuers zu entledigen, holt ſich neue Stiche in Hände und Lippen und ſtellt ſich endlich mehr erſtaunt als erboſt vor dem Stachelhelden auf die Hinterbeine und betrachtet ihn mit unendlich komiſcher Scheu und mit ver- biſſener Wuth, oder läßt dieſe an irgendwelchem Dinge aus, auch an einem ganz unſchuldigen mit- gefangenen Hamſter, welchem er die dem Jgel zugedachten Biſſe beizubringen ſucht. So oft der Jgel ſich rührt, geht der Tanz von neuem an: — der Beſchauer möchte berſten vor Lachen. Mit anderen kleineren Thieren verträgt er ſich natürlich noch weniger, als mit ſeines Gleichen, ja, er macht förmlich Jagd auf ſolche; denn ſeine Nahrung beſteht zum guten Theil auch aus lebenden Thieren. Kleine Vögel, Mäuſe, Eidechſen, Blindſchleichen, Ringelnattern und Kerbthiere frißt er noch lieber, als Pflanzenſtoffe, und wenn man ihm einen lebenden Vogel in ſeinen Käfig wirft, ſpringt er blitzſchnell zu, zerbeißt ihm zuerſt die Flügel, tödtet ihn dann mit einem einzigen Biß in den Kopf und frißt ihn nun ruhig auf. Das Pflanzenreich muß ihm Alles, was irgendwie genießbar iſt, zur Nahrung liefern. Er verzehrt grüne Saat- und andere Kräuter, Hülſenfrüchte, Möhren, Kartoffeln und dergleichen, auch Wurzeln von manchen Kräutern, ſowie Obſt, es mag unreif oder reif ſein. Jn der Gefangenſchaft nährt er ſich auch von allerlei Gebackenem, wie Kuchen und Brod, von Butter, Käſe u. ſ. w., kurz, das Thier iſt ein wahrer Allesfreſſer. Auch der Hamſter iſt ein Winterſchläfer. Er erwacht, ſobald die Erde aufgethaut iſt, oft ſchon im Februar, ſicher im März. Anfangs öffnet er ſeine verſtopften Löcher noch nicht, ſondern hält ſich ſtill unten im Bau und zehrt von ſeinen eingetragenen Vorräthen. Gegen die Mitte des März erſchließen die alten Männchen, anfangs April die alten Weibchen das Fallloch. Jetzt ſuchen ſie ſich bereits außen Nahrung, junge Klatſchroſen, friſche Saat, die Körner von Sommergetreide und dergleichen, tragen wohl auch von friſchbeſäten Ackerſtücken, wo ſie die Körner ſorgfältig aufleſen, einige Pfund Getreide in ihren Bau ein. Die jungen Pflanzen aber behagen ihnen bald mehr, als die Körner, und dann gehen ſie dieſer Nahrung nach oder nehmen ab und zu auch wohl ein unge- ſchicktes Vögelchen oder eine Maus, einen Käfer, eine Raupe als willkommene Beute mit hinweg. Zu derſelben Zeit pflegen ſie ſich einen neuen Bau zu graben, in welchem ſie den Sommer zu ver-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/160>, abgerufen am 28.11.2024.