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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Hamster.

Wenn wir in gleicher Vollständigkeit, wie bisher, die Familie der Mäuse behandeln woll-
ten, müßten wir noch eine große Anzahl derselben beschreiben, selbst, wenn wir blos die Vertreter
der wichtigeren Sippen schildern wollten. Der große Reichthum der Familie macht eine genaue Be-
stimmung bei einigen Arten überaus schwierig oder, falls nicht genaue Abbildungen zu Hilfe kommen,
geradezu unmöglich. Für uns würde es keinen großen Nutzen haben, wenn wir ausführlicher sein
wollten: ich würde eben Bälge beschreiben müssen; denn über das Leben und Treiben der meisten
Mäuse fehlen uns sogut wie alle Nachrichten. So mag es mir denn nachgesehen werden, wenn ich
unter der großen Menge noch eine höchst beschränkte Auswahl treffe. Eines Mitgliedes der Familie
müssen wir vor allen andern gedenken, des Hamsters nämlich, dieses sprichwörtlich gewordenen,
habsüchtigen Geschöpfes, welches sich auf Kosten des Menschen zu ernähren und diesen ganz gehörig
zu brandschatzen weiß. Der Hamster trägt Wintervorräthe ein, wie soviele andere seiner Familie,
aber er ist dabei unbescheidener, als alle übrigen Winterschläfer; denn ein einziger dieser unverschäm-
ten Gesellen schleppt, wenn er kann, bis zu einem Centner an Körnern in seinen Bau. Wenn man
nun von Lenz erfährt, daß in der etwas über zwölftausend Acker großen Stadtflur von Gotha im
Jahre 1817 allein 111,817 und von 1818 bis 1828 129,754, in zwölf Jahren also fast eine Vier-
telmillion Hamster gefangen, an die Stadtbehörden abgeliefert und von diesen bezahlt wurden; wenn
man dabei bedenken will, daß sicherlich noch halb soviel erschlagen wurden, ohne daß man Lohn für
ihre Tödtung begehrte, und wenn man dieser außerordentlichen Summe fernerhin die Hamster und
Hämsterchen hinzurechnen will, welche von den vielen und sehr thätigen Feinden des Thieres erlegt wur-
den: wird man mir glauben, wenn ich den Hamster ein sehr wichtiges Thier nenne und behaupte,
daß Jedermann diese Gesellen kennen lernen muß.

Unser Hamster bildet mit noch etwa einem Dutzend gleichgestalteten und gleichgesinnten Thieren
eine eigene Sippe (Cricctus), deren hauptsächlichstes Kennzeichen in dem plumpen, dicken Leibe mit dem
sehr kurzen, dünnhaarigen Schwanze, den kurzen Gliedmaßen, von denen die Hinterfüße fünf, deren
Vorderfüße vier Zehen und eine Daumenwarze besitzen, sowie in den sehr großen inneren Backen-
taschen liegt. Das Gebiß besteht aus sechzehn Zähnen, zwei Paar auffallend großen Nagezähnen
und drei Backenzähnen in jeder Reihe, welche einfach sind und eine höckerige Kaufläche haben. Ge-
treidefelder in fruchtbaren Gegenden des gemäßigten Europas und Asiens bilden die Aufenthaltsorte
dieser Thiere. Hier graben sie sich tiefe Baue mit mehreren Kammern, in denen sie im Herbst Nah-
rungsvorräthe aufspeichern, und in diesen Bauen bringen sie ihr Leben hin, dessen Lust und Leid wir
kennen lernen, wenn wir das unseres Hamsters (Cricetus frumentarius) erforschen.

Dieses leiblich recht hübsche, geistig aber um so häßlichere, boshafte und biffige Geschöpf erreicht
eine Gesammtlänge von ungefähr einem Fuß, wovon auf den Schwanz kaum zwei Zoll kommen.
Der Leib ist untersetzt, der Hals dick, der Kopf ziemlich zugespitzt; die häutigen Ohren sind mittel-
lang, die Augen groß und hell, die Beine kurz, die Füße und Zehen recht zierlich, die lichten Krallen
kurz; der Schwanz ist kegelförmig zugespitzt, aber etwas abgestutzt. Die dichte, glatt anliegende
und etwas glänzende Behaarung besteht aus kürzerem und weichen Wollhaar und längerem und stei-
feren, auch dünnerstehenden Grannenhaar. Gewöhnlich ist die Färbung des Oberkörpers ein lichtes
Braungelb, welches wegen der schwarzspitzigen Grannen in das Grauliche spielt. Die Oberseite der
Schnauze und die Augengegend, sowie ein Halsband sind gewöhnlich rothbraun, ein Fleck auf den
Backen ist gelb, der Mund weißlich, die Unterseite, auch die Beine mit bis zu den Füßen herab und
die Hinterbeine wenigstens innen, sowie ein Streifen über der Stirn sind schwarz, die Füße dagegen
weiß. Gewöhnlich stehen auch noch gelbe Flecken hinter den Ohren und vor und hinter den Vorder-
beinen. Diese Färbung ändert aber sehr bedeutend ab; es gibt die verschiedensten Spielarten.
Manche sind ganz schwarz, andere schwarz mit weißer Kehle, mit grauem Scheitel u. s. w., die hellen
Spielarten sind blaßgraugelb mit dunkelgrauer Unterseite und blaßgelbem Schulterfleck, andere oben
matt fahl, unten lichtgrau, an den Schultern weißlich; auch vollständige Weißlinge werden zu-
weilen gefunden.

Der Hamſter.

Wenn wir in gleicher Vollſtändigkeit, wie bisher, die Familie der Mäuſe behandeln woll-
ten, müßten wir noch eine große Anzahl derſelben beſchreiben, ſelbſt, wenn wir blos die Vertreter
der wichtigeren Sippen ſchildern wollten. Der große Reichthum der Familie macht eine genaue Be-
ſtimmung bei einigen Arten überaus ſchwierig oder, falls nicht genaue Abbildungen zu Hilfe kommen,
geradezu unmöglich. Für uns würde es keinen großen Nutzen haben, wenn wir ausführlicher ſein
wollten: ich würde eben Bälge beſchreiben müſſen; denn über das Leben und Treiben der meiſten
Mäuſe fehlen uns ſogut wie alle Nachrichten. So mag es mir denn nachgeſehen werden, wenn ich
unter der großen Menge noch eine höchſt beſchränkte Auswahl treffe. Eines Mitgliedes der Familie
müſſen wir vor allen andern gedenken, des Hamſters nämlich, dieſes ſprichwörtlich gewordenen,
habſüchtigen Geſchöpfes, welches ſich auf Koſten des Menſchen zu ernähren und dieſen ganz gehörig
zu brandſchatzen weiß. Der Hamſter trägt Wintervorräthe ein, wie ſoviele andere ſeiner Familie,
aber er iſt dabei unbeſcheidener, als alle übrigen Winterſchläfer; denn ein einziger dieſer unverſchäm-
ten Geſellen ſchleppt, wenn er kann, bis zu einem Centner an Körnern in ſeinen Bau. Wenn man
nun von Lenz erfährt, daß in der etwas über zwölftauſend Acker großen Stadtflur von Gotha im
Jahre 1817 allein 111,817 und von 1818 bis 1828 129,754, in zwölf Jahren alſo faſt eine Vier-
telmillion Hamſter gefangen, an die Stadtbehörden abgeliefert und von dieſen bezahlt wurden; wenn
man dabei bedenken will, daß ſicherlich noch halb ſoviel erſchlagen wurden, ohne daß man Lohn für
ihre Tödtung begehrte, und wenn man dieſer außerordentlichen Summe fernerhin die Hamſter und
Hämſterchen hinzurechnen will, welche von den vielen und ſehr thätigen Feinden des Thieres erlegt wur-
den: wird man mir glauben, wenn ich den Hamſter ein ſehr wichtiges Thier nenne und behaupte,
daß Jedermann dieſe Geſellen kennen lernen muß.

Unſer Hamſter bildet mit noch etwa einem Dutzend gleichgeſtalteten und gleichgeſinnten Thieren
eine eigene Sippe (Cricctus), deren hauptſächlichſtes Kennzeichen in dem plumpen, dicken Leibe mit dem
ſehr kurzen, dünnhaarigen Schwanze, den kurzen Gliedmaßen, von denen die Hinterfüße fünf, deren
Vorderfüße vier Zehen und eine Daumenwarze beſitzen, ſowie in den ſehr großen inneren Backen-
taſchen liegt. Das Gebiß beſteht aus ſechzehn Zähnen, zwei Paar auffallend großen Nagezähnen
und drei Backenzähnen in jeder Reihe, welche einfach ſind und eine höckerige Kaufläche haben. Ge-
treidefelder in fruchtbaren Gegenden des gemäßigten Europas und Aſiens bilden die Aufenthaltsorte
dieſer Thiere. Hier graben ſie ſich tiefe Baue mit mehreren Kammern, in denen ſie im Herbſt Nah-
rungsvorräthe aufſpeichern, und in dieſen Bauen bringen ſie ihr Leben hin, deſſen Luſt und Leid wir
kennen lernen, wenn wir das unſeres Hamſters (Cricetus frumentarius) erforſchen.

Dieſes leiblich recht hübſche, geiſtig aber um ſo häßlichere, boshafte und biffige Geſchöpf erreicht
eine Geſammtlänge von ungefähr einem Fuß, wovon auf den Schwanz kaum zwei Zoll kommen.
Der Leib iſt unterſetzt, der Hals dick, der Kopf ziemlich zugeſpitzt; die häutigen Ohren ſind mittel-
lang, die Augen groß und hell, die Beine kurz, die Füße und Zehen recht zierlich, die lichten Krallen
kurz; der Schwanz iſt kegelförmig zugeſpitzt, aber etwas abgeſtutzt. Die dichte, glatt anliegende
und etwas glänzende Behaarung beſteht aus kürzerem und weichen Wollhaar und längerem und ſtei-
feren, auch dünnerſtehenden Grannenhaar. Gewöhnlich iſt die Färbung des Oberkörpers ein lichtes
Braungelb, welches wegen der ſchwarzſpitzigen Grannen in das Grauliche ſpielt. Die Oberſeite der
Schnauze und die Augengegend, ſowie ein Halsband ſind gewöhnlich rothbraun, ein Fleck auf den
Backen iſt gelb, der Mund weißlich, die Unterſeite, auch die Beine mit bis zu den Füßen herab und
die Hinterbeine wenigſtens innen, ſowie ein Streifen über der Stirn ſind ſchwarz, die Füße dagegen
weiß. Gewöhnlich ſtehen auch noch gelbe Flecken hinter den Ohren und vor und hinter den Vorder-
beinen. Dieſe Färbung ändert aber ſehr bedeutend ab; es gibt die verſchiedenſten Spielarten.
Manche ſind ganz ſchwarz, andere ſchwarz mit weißer Kehle, mit grauem Scheitel u. ſ. w., die hellen
Spielarten ſind blaßgraugelb mit dunkelgrauer Unterſeite und blaßgelbem Schulterfleck, andere oben
matt fahl, unten lichtgrau, an den Schultern weißlich; auch vollſtändige Weißlinge werden zu-
weilen gefunden.

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[140/0156] Der Hamſter. Wenn wir in gleicher Vollſtändigkeit, wie bisher, die Familie der Mäuſe behandeln woll- ten, müßten wir noch eine große Anzahl derſelben beſchreiben, ſelbſt, wenn wir blos die Vertreter der wichtigeren Sippen ſchildern wollten. Der große Reichthum der Familie macht eine genaue Be- ſtimmung bei einigen Arten überaus ſchwierig oder, falls nicht genaue Abbildungen zu Hilfe kommen, geradezu unmöglich. Für uns würde es keinen großen Nutzen haben, wenn wir ausführlicher ſein wollten: ich würde eben Bälge beſchreiben müſſen; denn über das Leben und Treiben der meiſten Mäuſe fehlen uns ſogut wie alle Nachrichten. So mag es mir denn nachgeſehen werden, wenn ich unter der großen Menge noch eine höchſt beſchränkte Auswahl treffe. Eines Mitgliedes der Familie müſſen wir vor allen andern gedenken, des Hamſters nämlich, dieſes ſprichwörtlich gewordenen, habſüchtigen Geſchöpfes, welches ſich auf Koſten des Menſchen zu ernähren und dieſen ganz gehörig zu brandſchatzen weiß. Der Hamſter trägt Wintervorräthe ein, wie ſoviele andere ſeiner Familie, aber er iſt dabei unbeſcheidener, als alle übrigen Winterſchläfer; denn ein einziger dieſer unverſchäm- ten Geſellen ſchleppt, wenn er kann, bis zu einem Centner an Körnern in ſeinen Bau. Wenn man nun von Lenz erfährt, daß in der etwas über zwölftauſend Acker großen Stadtflur von Gotha im Jahre 1817 allein 111,817 und von 1818 bis 1828 129,754, in zwölf Jahren alſo faſt eine Vier- telmillion Hamſter gefangen, an die Stadtbehörden abgeliefert und von dieſen bezahlt wurden; wenn man dabei bedenken will, daß ſicherlich noch halb ſoviel erſchlagen wurden, ohne daß man Lohn für ihre Tödtung begehrte, und wenn man dieſer außerordentlichen Summe fernerhin die Hamſter und Hämſterchen hinzurechnen will, welche von den vielen und ſehr thätigen Feinden des Thieres erlegt wur- den: wird man mir glauben, wenn ich den Hamſter ein ſehr wichtiges Thier nenne und behaupte, daß Jedermann dieſe Geſellen kennen lernen muß. Unſer Hamſter bildet mit noch etwa einem Dutzend gleichgeſtalteten und gleichgeſinnten Thieren eine eigene Sippe (Cricctus), deren hauptſächlichſtes Kennzeichen in dem plumpen, dicken Leibe mit dem ſehr kurzen, dünnhaarigen Schwanze, den kurzen Gliedmaßen, von denen die Hinterfüße fünf, deren Vorderfüße vier Zehen und eine Daumenwarze beſitzen, ſowie in den ſehr großen inneren Backen- taſchen liegt. Das Gebiß beſteht aus ſechzehn Zähnen, zwei Paar auffallend großen Nagezähnen und drei Backenzähnen in jeder Reihe, welche einfach ſind und eine höckerige Kaufläche haben. Ge- treidefelder in fruchtbaren Gegenden des gemäßigten Europas und Aſiens bilden die Aufenthaltsorte dieſer Thiere. Hier graben ſie ſich tiefe Baue mit mehreren Kammern, in denen ſie im Herbſt Nah- rungsvorräthe aufſpeichern, und in dieſen Bauen bringen ſie ihr Leben hin, deſſen Luſt und Leid wir kennen lernen, wenn wir das unſeres Hamſters (Cricetus frumentarius) erforſchen. Dieſes leiblich recht hübſche, geiſtig aber um ſo häßlichere, boshafte und biffige Geſchöpf erreicht eine Geſammtlänge von ungefähr einem Fuß, wovon auf den Schwanz kaum zwei Zoll kommen. Der Leib iſt unterſetzt, der Hals dick, der Kopf ziemlich zugeſpitzt; die häutigen Ohren ſind mittel- lang, die Augen groß und hell, die Beine kurz, die Füße und Zehen recht zierlich, die lichten Krallen kurz; der Schwanz iſt kegelförmig zugeſpitzt, aber etwas abgeſtutzt. Die dichte, glatt anliegende und etwas glänzende Behaarung beſteht aus kürzerem und weichen Wollhaar und längerem und ſtei- feren, auch dünnerſtehenden Grannenhaar. Gewöhnlich iſt die Färbung des Oberkörpers ein lichtes Braungelb, welches wegen der ſchwarzſpitzigen Grannen in das Grauliche ſpielt. Die Oberſeite der Schnauze und die Augengegend, ſowie ein Halsband ſind gewöhnlich rothbraun, ein Fleck auf den Backen iſt gelb, der Mund weißlich, die Unterſeite, auch die Beine mit bis zu den Füßen herab und die Hinterbeine wenigſtens innen, ſowie ein Streifen über der Stirn ſind ſchwarz, die Füße dagegen weiß. Gewöhnlich ſtehen auch noch gelbe Flecken hinter den Ohren und vor und hinter den Vorder- beinen. Dieſe Färbung ändert aber ſehr bedeutend ab; es gibt die verſchiedenſten Spielarten. Manche ſind ganz ſchwarz, andere ſchwarz mit weißer Kehle, mit grauem Scheitel u. ſ. w., die hellen Spielarten ſind blaßgraugelb mit dunkelgrauer Unterſeite und blaßgelbem Schulterfleck, andere oben matt fahl, unten lichtgrau, an den Schultern weißlich; auch vollſtändige Weißlinge werden zu- weilen gefunden.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/156>, abgerufen am 27.11.2024.