Die äußerst zähe, zwei Zoll dicke Hülle der Nuß, welche selbst mit einem Beil nur schwer zu durch- hauen ist, wußte er mit seinem gewaltigen Gebiß sehr geschickt zu zertrümmern. Er setzte an dem spitzen Ende der Nuß, wo die Frucht kleine Erhöhungen oder Buckel hat, mit seinen furcht- baren Zähnen ein, packte die Nuß dann mit dem rechten Hinterfuß und riß so regelmäßig die zähe Schale auseinander. Dann durchbohrte er mit den Fingern einige der natürlichen Oeffnungen der Nuß, trank die Milch aus, zerschlug hierauf die Nuß an einem harten Gegenstand und fraß den Kern.
Nachdem das Schiff die Sundastraße verlassen hatte, verlor das Thier mit der abnehmenden Wärme mehr und mehr seine Heiterkeit. Es hörte auf zu turnen und zu spielen, kam nur noch selten auf das Verdeck, schleppte die wollene Decke seines Bettes hinter sich her und hüllte sich, sobald es stille saß, vollständig in dieselbe ein. Jn der gemäßigten südlichen Zone hielt es sich größtentheils in der Kajüte auf und saß dort oft stundenlang mit der Decke über dem Kopf regungslos auf einer Stelle. Sein Bett bereitete auch dieser Waldmensch mit der größten Umständlichkeit. Er schlief nie, ohne vorher seine Matratze zwei- bis dreimal mit dem Rücken der Hände aufgeklopft und geglättet zu haben. Dann streckte er sich auf den Rücken, zog die Decke um sich, so daß nur die Nase mit den dicken Lippen frei blieb, und lag in dieser Stellung die ganze Nacht oder zwölf Stunden, ohne sich zu rühren. Jn seiner Heimat geschah sein Aufstehen und Niederlegen so regelmäßig, wie der Gang einer Uhr. Punkt sechs Uhr Morgens oder mit Sonnenaufgang erhob er sich, und sowie der letzte Strahl der Sonne hinter dem Gesichtskreis entschwunden, also Punkt sechs Uhr Abends, legte er sich wieder nieder. Je weiter das Schiff nach Westen segelte und demgemäß in der Zeit abwich, um so früher ging der Orang-Utang zu Bette und um so früher stand er auf, weil er eben auch nur seine zwölf Stunden schlief. Diese Veränderung des Schlafengehens stand übrigens nicht genau mit der Zeitrechnung des Schiffes im Verhältniß, allein eine gewisse Regelmäßigkeit war nicht zu verkennen. Am Vorgebirge der guten Hoffnung ging das Thier bereits um zwei Uhr des Mittags zu Bett und stand um halb drei Uhr des Morgens auf. Diese beiden Zeiten behielt es später bei, obwohl sich das Schiff im Verlauf seiner Reise noch um zwei Stunden Zeit veränderte.
Außer den Kokusnüssen liebte der Affe Salz, Fleisch, Mehl, Sago etc. und wandte alle mögliche List an, um während der Mahlzeit sich eine gewisse Fleischmenge zu sichern. Was er einmal gefaßt hatte, gab er nie wieder her, selbst wenn er geschlagen wurde. Drei bis vier Pfund Fleisch vertilgte er mit Leichtigkeit auf einmal. Das Mehl holte er sich täglich aus der Käche und wußte dabei immer eine augenblickliche Abwesenheit des Kochs zu benutzen, um die Mehltonne zu öffnen, seine Hand tüchtig voll zu nehmen und sie nachher auf dem Kopfe abzuwischen, so daß er stets gepudert zurück kam. Dienstags und Freitags, sobald acht Glas geschlagen wurde, stattete er den Matrofen unwandelbar seinen Besuch ab, weil die Leute an diesen Tagen Sago mit Zucker und Zimmt erhielten. Ebenso regelmäßig stellte er sich um zwei Uhr in der Kajüte ein, am Tisch Theil zu nehmen. Beim Essen war er sehr ruhig und, gegen die Gewohnheit der Affen, reinlich, doch konnte er nie dazu gebracht werden, einen Löffel richtig zu gebrauchen. Er setzte den Teller einfach an den Mund und trank die Suppe aus, ohne einen Tropfen zu verschütten. Geistige Getränke liebte er sehr und erhielt deshalb auch jeden Mittag sein Glas Wein. Er leerte dieses in ganz eigenthümlicher Weise. Aus seiner Unterlippe konnte er durch Vorstrecken einen drei Zoll langen und fast ebenso breiten Löffel bilden, geräumig genug, um ein ganzes Glas Wasser aufzunehmen. Jn diesen Löffel schüttete er das be- treffende Getränk, und niemals trank er, ohne ihn zuvor herzustellen. Nachdem er das ihm gereichte Glas sorgfältig berochen hatte, bildete er seinen Löffel, goß das Getränk hinein und schlürfte es sehr bedächtig und langsam zwischen den Zähnen hinunter, als ob er sich einen recht dauernden Genuß davon verschaffen wollte. Nicht selten währte dieses Schlürfen mehrere Minuten lang, und erst dann hielt er sein Glas von neuem hin, um es sich wieder füllen zu lassen. Er zerbrach niemals ein Gefäß, sondern setzte es stets behutsam nieder und unterschied sich hierdurch sehr zu seinem Vortheil von den übrigen Affen, welche, wie bekannt, Geschirre gewöhnlich zerschlagen.
Brehm, Thierleben. 3
Eigenheiten.
Die äußerſt zähe, zwei Zoll dicke Hülle der Nuß, welche ſelbſt mit einem Beil nur ſchwer zu durch- hauen iſt, wußte er mit ſeinem gewaltigen Gebiß ſehr geſchickt zu zertrümmern. Er ſetzte an dem ſpitzen Ende der Nuß, wo die Frucht kleine Erhöhungen oder Buckel hat, mit ſeinen furcht- baren Zähnen ein, packte die Nuß dann mit dem rechten Hinterfuß und riß ſo regelmäßig die zähe Schale auseinander. Dann durchbohrte er mit den Fingern einige der natürlichen Oeffnungen der Nuß, trank die Milch aus, zerſchlug hierauf die Nuß an einem harten Gegenſtand und fraß den Kern.
Nachdem das Schiff die Sundaſtraße verlaſſen hatte, verlor das Thier mit der abnehmenden Wärme mehr und mehr ſeine Heiterkeit. Es hörte auf zu turnen und zu ſpielen, kam nur noch ſelten auf das Verdeck, ſchleppte die wollene Decke ſeines Bettes hinter ſich her und hüllte ſich, ſobald es ſtille ſaß, vollſtändig in dieſelbe ein. Jn der gemäßigten ſüdlichen Zone hielt es ſich größtentheils in der Kajüte auf und ſaß dort oft ſtundenlang mit der Decke über dem Kopf regungslos auf einer Stelle. Sein Bett bereitete auch dieſer Waldmenſch mit der größten Umſtändlichkeit. Er ſchlief nie, ohne vorher ſeine Matratze zwei- bis dreimal mit dem Rücken der Hände aufgeklopft und geglättet zu haben. Dann ſtreckte er ſich auf den Rücken, zog die Decke um ſich, ſo daß nur die Naſe mit den dicken Lippen frei blieb, und lag in dieſer Stellung die ganze Nacht oder zwölf Stunden, ohne ſich zu rühren. Jn ſeiner Heimat geſchah ſein Aufſtehen und Niederlegen ſo regelmäßig, wie der Gang einer Uhr. Punkt ſechs Uhr Morgens oder mit Sonnenaufgang erhob er ſich, und ſowie der letzte Strahl der Sonne hinter dem Geſichtskreis entſchwunden, alſo Punkt ſechs Uhr Abends, legte er ſich wieder nieder. Je weiter das Schiff nach Weſten ſegelte und demgemäß in der Zeit abwich, um ſo früher ging der Orang-Utang zu Bette und um ſo früher ſtand er auf, weil er eben auch nur ſeine zwölf Stunden ſchlief. Dieſe Veränderung des Schlafengehens ſtand übrigens nicht genau mit der Zeitrechnung des Schiffes im Verhältniß, allein eine gewiſſe Regelmäßigkeit war nicht zu verkennen. Am Vorgebirge der guten Hoffnung ging das Thier bereits um zwei Uhr des Mittags zu Bett und ſtand um halb drei Uhr des Morgens auf. Dieſe beiden Zeiten behielt es ſpäter bei, obwohl ſich das Schiff im Verlauf ſeiner Reiſe noch um zwei Stunden Zeit veränderte.
Außer den Kokusnüſſen liebte der Affe Salz, Fleiſch, Mehl, Sago ꝛc. und wandte alle mögliche Liſt an, um während der Mahlzeit ſich eine gewiſſe Fleiſchmenge zu ſichern. Was er einmal gefaßt hatte, gab er nie wieder her, ſelbſt wenn er geſchlagen wurde. Drei bis vier Pfund Fleiſch vertilgte er mit Leichtigkeit auf einmal. Das Mehl holte er ſich täglich aus der Käche und wußte dabei immer eine augenblickliche Abweſenheit des Kochs zu benutzen, um die Mehltonne zu öffnen, ſeine Hand tüchtig voll zu nehmen und ſie nachher auf dem Kopfe abzuwiſchen, ſo daß er ſtets gepudert zurück kam. Dienſtags und Freitags, ſobald acht Glas geſchlagen wurde, ſtattete er den Matrofen unwandelbar ſeinen Beſuch ab, weil die Leute an dieſen Tagen Sago mit Zucker und Zimmt erhielten. Ebenſo regelmäßig ſtellte er ſich um zwei Uhr in der Kajüte ein, am Tiſch Theil zu nehmen. Beim Eſſen war er ſehr ruhig und, gegen die Gewohnheit der Affen, reinlich, doch konnte er nie dazu gebracht werden, einen Löffel richtig zu gebrauchen. Er ſetzte den Teller einfach an den Mund und trank die Suppe aus, ohne einen Tropfen zu verſchütten. Geiſtige Getränke liebte er ſehr und erhielt deshalb auch jeden Mittag ſein Glas Wein. Er leerte dieſes in ganz eigenthümlicher Weiſe. Aus ſeiner Unterlippe konnte er durch Vorſtrecken einen drei Zoll langen und faſt ebenſo breiten Löffel bilden, geräumig genug, um ein ganzes Glas Waſſer aufzunehmen. Jn dieſen Löffel ſchüttete er das be- treffende Getränk, und niemals trank er, ohne ihn zuvor herzuſtellen. Nachdem er das ihm gereichte Glas ſorgfältig berochen hatte, bildete er ſeinen Löffel, goß das Getränk hinein und ſchlürfte es ſehr bedächtig und langſam zwiſchen den Zähnen hinunter, als ob er ſich einen recht dauernden Genuß davon verſchaffen wollte. Nicht ſelten währte dieſes Schlürfen mehrere Minuten lang, und erſt dann hielt er ſein Glas von neuem hin, um es ſich wieder füllen zu laſſen. Er zerbrach niemals ein Gefäß, ſondern ſetzte es ſtets behutſam nieder und unterſchied ſich hierdurch ſehr zu ſeinem Vortheil von den übrigen Affen, welche, wie bekannt, Geſchirre gewöhnlich zerſchlagen.
Brehm, Thierleben. 3
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[33/0085]
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hauen iſt, wußte er mit ſeinem gewaltigen Gebiß ſehr geſchickt zu zertrümmern. Er ſetzte an
dem ſpitzen Ende der Nuß, wo die Frucht kleine Erhöhungen oder Buckel hat, mit ſeinen furcht-
baren Zähnen ein, packte die Nuß dann mit dem rechten Hinterfuß und riß ſo regelmäßig die
zähe Schale auseinander. Dann durchbohrte er mit den Fingern einige der natürlichen Oeffnungen
der Nuß, trank die Milch aus, zerſchlug hierauf die Nuß an einem harten Gegenſtand und fraß
den Kern.
Nachdem das Schiff die Sundaſtraße verlaſſen hatte, verlor das Thier mit der abnehmenden
Wärme mehr und mehr ſeine Heiterkeit. Es hörte auf zu turnen und zu ſpielen, kam nur noch ſelten
auf das Verdeck, ſchleppte die wollene Decke ſeines Bettes hinter ſich her und hüllte ſich, ſobald es
ſtille ſaß, vollſtändig in dieſelbe ein. Jn der gemäßigten ſüdlichen Zone hielt es ſich größtentheils
in der Kajüte auf und ſaß dort oft ſtundenlang mit der Decke über dem Kopf regungslos auf einer
Stelle. Sein Bett bereitete auch dieſer Waldmenſch mit der größten Umſtändlichkeit. Er ſchlief nie,
ohne vorher ſeine Matratze zwei- bis dreimal mit dem Rücken der Hände aufgeklopft und geglättet
zu haben. Dann ſtreckte er ſich auf den Rücken, zog die Decke um ſich, ſo daß nur die Naſe mit
den dicken Lippen frei blieb, und lag in dieſer Stellung die ganze Nacht oder zwölf Stunden, ohne ſich
zu rühren. Jn ſeiner Heimat geſchah ſein Aufſtehen und Niederlegen ſo regelmäßig, wie der Gang
einer Uhr. Punkt ſechs Uhr Morgens oder mit Sonnenaufgang erhob er ſich, und ſowie der letzte
Strahl der Sonne hinter dem Geſichtskreis entſchwunden, alſo Punkt ſechs Uhr Abends, legte er ſich
wieder nieder. Je weiter das Schiff nach Weſten ſegelte und demgemäß in der Zeit abwich, um ſo
früher ging der Orang-Utang zu Bette und um ſo früher ſtand er auf, weil er eben auch nur ſeine
zwölf Stunden ſchlief. Dieſe Veränderung des Schlafengehens ſtand übrigens nicht genau mit der
Zeitrechnung des Schiffes im Verhältniß, allein eine gewiſſe Regelmäßigkeit war nicht zu verkennen.
Am Vorgebirge der guten Hoffnung ging das Thier bereits um zwei Uhr des Mittags zu Bett und
ſtand um halb drei Uhr des Morgens auf. Dieſe beiden Zeiten behielt es ſpäter bei, obwohl ſich das
Schiff im Verlauf ſeiner Reiſe noch um zwei Stunden Zeit veränderte.
Außer den Kokusnüſſen liebte der Affe Salz, Fleiſch, Mehl, Sago ꝛc. und wandte alle mögliche
Liſt an, um während der Mahlzeit ſich eine gewiſſe Fleiſchmenge zu ſichern. Was er einmal gefaßt
hatte, gab er nie wieder her, ſelbſt wenn er geſchlagen wurde. Drei bis vier Pfund Fleiſch vertilgte
er mit Leichtigkeit auf einmal. Das Mehl holte er ſich täglich aus der Käche und wußte dabei immer
eine augenblickliche Abweſenheit des Kochs zu benutzen, um die Mehltonne zu öffnen, ſeine Hand
tüchtig voll zu nehmen und ſie nachher auf dem Kopfe abzuwiſchen, ſo daß er ſtets gepudert zurück kam.
Dienſtags und Freitags, ſobald acht Glas geſchlagen wurde, ſtattete er den Matrofen unwandelbar
ſeinen Beſuch ab, weil die Leute an dieſen Tagen Sago mit Zucker und Zimmt erhielten. Ebenſo
regelmäßig ſtellte er ſich um zwei Uhr in der Kajüte ein, am Tiſch Theil zu nehmen. Beim Eſſen
war er ſehr ruhig und, gegen die Gewohnheit der Affen, reinlich, doch konnte er nie dazu gebracht
werden, einen Löffel richtig zu gebrauchen. Er ſetzte den Teller einfach an den Mund und trank die
Suppe aus, ohne einen Tropfen zu verſchütten. Geiſtige Getränke liebte er ſehr und erhielt deshalb
auch jeden Mittag ſein Glas Wein. Er leerte dieſes in ganz eigenthümlicher Weiſe. Aus ſeiner
Unterlippe konnte er durch Vorſtrecken einen drei Zoll langen und faſt ebenſo breiten Löffel bilden,
geräumig genug, um ein ganzes Glas Waſſer aufzunehmen. Jn dieſen Löffel ſchüttete er das be-
treffende Getränk, und niemals trank er, ohne ihn zuvor herzuſtellen. Nachdem er das ihm gereichte
Glas ſorgfältig berochen hatte, bildete er ſeinen Löffel, goß das Getränk hinein und ſchlürfte es ſehr
bedächtig und langſam zwiſchen den Zähnen hinunter, als ob er ſich einen recht dauernden Genuß
davon verſchaffen wollte. Nicht ſelten währte dieſes Schlürfen mehrere Minuten lang, und erſt dann
hielt er ſein Glas von neuem hin, um es ſich wieder füllen zu laſſen. Er zerbrach niemals ein Gefäß,
ſondern ſetzte es ſtets behutſam nieder und unterſchied ſich hierdurch ſehr zu ſeinem Vortheil von den
übrigen Affen, welche, wie bekannt, Geſchirre gewöhnlich zerſchlagen.
Brehm, Thierleben. 3
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/85>, abgerufen am 22.11.2024.
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