Von den übrigen Berichten, welche mir bekannt sind, enthalten noch zwei sehr anziehende und wichtige Thatsachen aus dem Leben unsers Thieres; derjenige nämlich, welcher die Beobachtungen des großen Cuvier uns mittheilt, und ein zweiter, welchen Kapitän Smitt in der "Gartenlaube" veröffentlichte. Jch will auch von diesen das Wichtigste im Auszuge geben.
Der Pongo, welchen Cuvier in Paris beobachtete, war etwa zehn bis elf Monate alt, als er nach Frankreich kam, und lebte dort noch fast ein halbes Jahr. Seine Bewegungen waren lang- sam und auf dem Boden ganz schwerfällig. Er setzte beide Hände geschlossen vor sich nieder, erhob sich auf seine langen Arme, schob den Leib vorwärts, setzte die Hinterfüße zwischen die Arme vor die Hände und schob den Hinterleib nach, stemmte sich dann wieder auf die Fäuste etc. Wenn er sich auf eine Hand stützen konnte, ging er auch auf den Hinterfüßen, trat aber immer mit dem äußern Rande des Fußes auf. Beim Sitzen ruhte er in der Stellung der Morgenländer mit eingeschlagenen Beinen. Das Klettern wurde ihm sehr leicht; er umfaßte dabei den Stamm mit den Händen, nicht mit den Armen und Schenkeln. Wenn sich die Zweige zweier Bäume berührten, kam er leicht von einem Baume zum andern. Jn Paris ließ man ihn an schönen Tagen oft in einem Garten frei, dann kletterte er rasch auf die Bäume und setzte sich auf die Aeste. Wenn ihm Jemand nachstieg, schüttelte er die Aeste aus allen Kräften, als wenn er seinen Verfolger abschrecken wollte; zog man sich zurück, so endeten diese Vorsichtsmaßregeln; erneuerte man den Versuch, so begannen sie sogleich wieder. Auf dem Schiffe hatte er sich oft im Takelwerke lustig gemacht; das Schwanken des Fahrzeugs hatte ihm jedoch viel Angst bereitet, und er war nie gegangen, ohne sich an Seilen und dergl. zu halten. Beim Schlafen bedeckte er sich gern mit jedem Zeug, welches er finden konnte, und die Matrosen durften sicher darauf zählen, daß sie ein ihnen fehlendes Kleidungsstück bei ihm finden würden. Mit seinem Wärter war er sehr vertraut; oft saugte er an seiner Hand, als ob er ihn küssen wollte. Die Essens- zeit kannte er genau; er kam regelmäßig zur rechten Zeit zu seinem Wärter hin und nahm, was dieser ihm gab. Fremdenbesuche wurden ihm oft lästig, und nicht selten versteckte er sich so lange unter seinen Decken, bis die Leute wieder fort waren. Bei bekannten Personen that er Dies nie. Nur von seinem Wärter nahm er Futter an. Als sich einst ein Fremder an den gewöhnlichen Platz seines Wärters setzte, kam er zwar herbei, verweigerte aber, als er den Fremden bemerkte, alle Nahrung, sprang auf den Boden, schrie und schlug sich, wie in Verzweiflung, vor den Kopf. Seine Speise nahm er mit den Fingern und nur selten gleich mit den Lippen auf und beroch Alles, was er nicht kannte, vorher sorgfältig. Sein Hunger war unverwüstlich; er konnte, wie die Kinder, zu jeder Zeit essen.
Zuweilen biß und schlug er zu seiner Vertheidigung um sich, aber nur gegen Kinder und mehr aus Ungeduld, als aus Zorn. Er war überhaupt sanft und liebte die Gesellschaft, ließ sich gern schmeicheln und gab Küsse im eigentlichen Sinne. Wenn er Etwas sehnsüchtig verlangte, ließ er einen scharfen Kehllaut hören. Denselben hörte man gleichfalls, wenn er im Zorn war, doch wälzte er sich dann oft am Boden und schmollte, wenn man ihm nicht willfahrte. Zwei junge Katzen hatte er be- sonders lieb gewonnen und hielt die eine oft unter dem Arme oder setzte sie sich auf den Kopf, obschon sie sich mit ihren Krallen an seiner Haut festhielt. Einigemal betrachtete er ihre Pfoten und suchte die Krallen mit seinen Fingern auszureißen. Da ihm Dies nicht gelang, duldete er lieber die Schmerzen, als daß er das Spiel mit seinen Lieblingen aufgegeben hätte.
Die erwähnte Mittheilung in der Gartenlanbe rührt von einem guten Beobachter her, welcher den Orang-Utang drei Monate mit sich auf dem Schiffe hatte. Das Thier lebte, so lange sich das Schiff auf den asiatischen Gewässern befand, auf dem Verdeck, seinem beständigen Aufenthalt, und suchte sich nur des Nachts eine geschützte Stelle zum Schlafen aus. Während des Tages war der Orang-Utang außerordentlich aufgeräumt, spielte mit anderen kleinen Affen, die sich an Bord befanden und lustwandelte im Takelwerk umher. Das Turnen und Klettern schien ihm ein besonderes Vergnügen zu machen, und er führte es mehrmals des Tages an verschiedenen Tauen aus. Seine Gewandtheit und die bei diesen Bewegungen sichtbar werdende Muskelkraft war erstaunenswerth. Der Erzähler hatte einige hundert Kokusnüsse mitgenommen, von welchen der Affe täglich zwei erhielt.
Die Affen. Waldmenſchen. — Orang-Utang.
Von den übrigen Berichten, welche mir bekannt ſind, enthalten noch zwei ſehr anziehende und wichtige Thatſachen aus dem Leben unſers Thieres; derjenige nämlich, welcher die Beobachtungen des großen Cuvier uns mittheilt, und ein zweiter, welchen Kapitän Smitt in der „Gartenlaube‟ veröffentlichte. Jch will auch von dieſen das Wichtigſte im Auszuge geben.
Der Pongo, welchen Cuvier in Paris beobachtete, war etwa zehn bis elf Monate alt, als er nach Frankreich kam, und lebte dort noch faſt ein halbes Jahr. Seine Bewegungen waren lang- ſam und auf dem Boden ganz ſchwerfällig. Er ſetzte beide Hände geſchloſſen vor ſich nieder, erhob ſich auf ſeine langen Arme, ſchob den Leib vorwärts, ſetzte die Hinterfüße zwiſchen die Arme vor die Hände und ſchob den Hinterleib nach, ſtemmte ſich dann wieder auf die Fäuſte ꝛc. Wenn er ſich auf eine Hand ſtützen konnte, ging er auch auf den Hinterfüßen, trat aber immer mit dem äußern Rande des Fußes auf. Beim Sitzen ruhte er in der Stellung der Morgenländer mit eingeſchlagenen Beinen. Das Klettern wurde ihm ſehr leicht; er umfaßte dabei den Stamm mit den Händen, nicht mit den Armen und Schenkeln. Wenn ſich die Zweige zweier Bäume berührten, kam er leicht von einem Baume zum andern. Jn Paris ließ man ihn an ſchönen Tagen oft in einem Garten frei, dann kletterte er raſch auf die Bäume und ſetzte ſich auf die Aeſte. Wenn ihm Jemand nachſtieg, ſchüttelte er die Aeſte aus allen Kräften, als wenn er ſeinen Verfolger abſchrecken wollte; zog man ſich zurück, ſo endeten dieſe Vorſichtsmaßregeln; erneuerte man den Verſuch, ſo begannen ſie ſogleich wieder. Auf dem Schiffe hatte er ſich oft im Takelwerke luſtig gemacht; das Schwanken des Fahrzeugs hatte ihm jedoch viel Angſt bereitet, und er war nie gegangen, ohne ſich an Seilen und dergl. zu halten. Beim Schlafen bedeckte er ſich gern mit jedem Zeug, welches er finden konnte, und die Matroſen durften ſicher darauf zählen, daß ſie ein ihnen fehlendes Kleidungsſtück bei ihm finden würden. Mit ſeinem Wärter war er ſehr vertraut; oft ſaugte er an ſeiner Hand, als ob er ihn küſſen wollte. Die Eſſens- zeit kannte er genau; er kam regelmäßig zur rechten Zeit zu ſeinem Wärter hin und nahm, was dieſer ihm gab. Fremdenbeſuche wurden ihm oft läſtig, und nicht ſelten verſteckte er ſich ſo lange unter ſeinen Decken, bis die Leute wieder fort waren. Bei bekannten Perſonen that er Dies nie. Nur von ſeinem Wärter nahm er Futter an. Als ſich einſt ein Fremder an den gewöhnlichen Platz ſeines Wärters ſetzte, kam er zwar herbei, verweigerte aber, als er den Fremden bemerkte, alle Nahrung, ſprang auf den Boden, ſchrie und ſchlug ſich, wie in Verzweiflung, vor den Kopf. Seine Speiſe nahm er mit den Fingern und nur ſelten gleich mit den Lippen auf und beroch Alles, was er nicht kannte, vorher ſorgfältig. Sein Hunger war unverwüſtlich; er konnte, wie die Kinder, zu jeder Zeit eſſen.
Zuweilen biß und ſchlug er zu ſeiner Vertheidigung um ſich, aber nur gegen Kinder und mehr aus Ungeduld, als aus Zorn. Er war überhaupt ſanft und liebte die Geſellſchaft, ließ ſich gern ſchmeicheln und gab Küſſe im eigentlichen Sinne. Wenn er Etwas ſehnſüchtig verlangte, ließ er einen ſcharfen Kehllaut hören. Denſelben hörte man gleichfalls, wenn er im Zorn war, doch wälzte er ſich dann oft am Boden und ſchmollte, wenn man ihm nicht willfahrte. Zwei junge Katzen hatte er be- ſonders lieb gewonnen und hielt die eine oft unter dem Arme oder ſetzte ſie ſich auf den Kopf, obſchon ſie ſich mit ihren Krallen an ſeiner Haut feſthielt. Einigemal betrachtete er ihre Pfoten und ſuchte die Krallen mit ſeinen Fingern auszureißen. Da ihm Dies nicht gelang, duldete er lieber die Schmerzen, als daß er das Spiel mit ſeinen Lieblingen aufgegeben hätte.
Die erwähnte Mittheilung in der Gartenlanbe rührt von einem guten Beobachter her, welcher den Orang-Utang drei Monate mit ſich auf dem Schiffe hatte. Das Thier lebte, ſo lange ſich das Schiff auf den aſiatiſchen Gewäſſern befand, auf dem Verdeck, ſeinem beſtändigen Aufenthalt, und ſuchte ſich nur des Nachts eine geſchützte Stelle zum Schlafen aus. Während des Tages war der Orang-Utang außerordentlich aufgeräumt, ſpielte mit anderen kleinen Affen, die ſich an Bord befanden und luſtwandelte im Takelwerk umher. Das Turnen und Klettern ſchien ihm ein beſonderes Vergnügen zu machen, und er führte es mehrmals des Tages an verſchiedenen Tauen aus. Seine Gewandtheit und die bei dieſen Bewegungen ſichtbar werdende Muskelkraft war erſtaunenswerth. Der Erzähler hatte einige hundert Kokusnüſſe mitgenommen, von welchen der Affe täglich zwei erhielt.
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[32/0084]
Die Affen. Waldmenſchen. — Orang-Utang.
Von den übrigen Berichten, welche mir bekannt ſind, enthalten noch zwei ſehr anziehende und
wichtige Thatſachen aus dem Leben unſers Thieres; derjenige nämlich, welcher die Beobachtungen
des großen Cuvier uns mittheilt, und ein zweiter, welchen Kapitän Smitt in der „Gartenlaube‟
veröffentlichte. Jch will auch von dieſen das Wichtigſte im Auszuge geben.
Der Pongo, welchen Cuvier in Paris beobachtete, war etwa zehn bis elf Monate alt, als
er nach Frankreich kam, und lebte dort noch faſt ein halbes Jahr. Seine Bewegungen waren lang-
ſam und auf dem Boden ganz ſchwerfällig. Er ſetzte beide Hände geſchloſſen vor ſich nieder, erhob
ſich auf ſeine langen Arme, ſchob den Leib vorwärts, ſetzte die Hinterfüße zwiſchen die Arme vor die
Hände und ſchob den Hinterleib nach, ſtemmte ſich dann wieder auf die Fäuſte ꝛc. Wenn er ſich auf eine
Hand ſtützen konnte, ging er auch auf den Hinterfüßen, trat aber immer mit dem äußern Rande des
Fußes auf. Beim Sitzen ruhte er in der Stellung der Morgenländer mit eingeſchlagenen Beinen.
Das Klettern wurde ihm ſehr leicht; er umfaßte dabei den Stamm mit den Händen, nicht mit den
Armen und Schenkeln. Wenn ſich die Zweige zweier Bäume berührten, kam er leicht von einem
Baume zum andern. Jn Paris ließ man ihn an ſchönen Tagen oft in einem Garten frei, dann
kletterte er raſch auf die Bäume und ſetzte ſich auf die Aeſte. Wenn ihm Jemand nachſtieg, ſchüttelte
er die Aeſte aus allen Kräften, als wenn er ſeinen Verfolger abſchrecken wollte; zog man ſich zurück,
ſo endeten dieſe Vorſichtsmaßregeln; erneuerte man den Verſuch, ſo begannen ſie ſogleich wieder. Auf
dem Schiffe hatte er ſich oft im Takelwerke luſtig gemacht; das Schwanken des Fahrzeugs hatte ihm
jedoch viel Angſt bereitet, und er war nie gegangen, ohne ſich an Seilen und dergl. zu halten. Beim
Schlafen bedeckte er ſich gern mit jedem Zeug, welches er finden konnte, und die Matroſen durften
ſicher darauf zählen, daß ſie ein ihnen fehlendes Kleidungsſtück bei ihm finden würden. Mit ſeinem
Wärter war er ſehr vertraut; oft ſaugte er an ſeiner Hand, als ob er ihn küſſen wollte. Die Eſſens-
zeit kannte er genau; er kam regelmäßig zur rechten Zeit zu ſeinem Wärter hin und nahm, was dieſer
ihm gab. Fremdenbeſuche wurden ihm oft läſtig, und nicht ſelten verſteckte er ſich ſo lange unter ſeinen
Decken, bis die Leute wieder fort waren. Bei bekannten Perſonen that er Dies nie. Nur von ſeinem
Wärter nahm er Futter an. Als ſich einſt ein Fremder an den gewöhnlichen Platz ſeines Wärters
ſetzte, kam er zwar herbei, verweigerte aber, als er den Fremden bemerkte, alle Nahrung, ſprang auf
den Boden, ſchrie und ſchlug ſich, wie in Verzweiflung, vor den Kopf. Seine Speiſe nahm er mit
den Fingern und nur ſelten gleich mit den Lippen auf und beroch Alles, was er nicht kannte, vorher
ſorgfältig. Sein Hunger war unverwüſtlich; er konnte, wie die Kinder, zu jeder Zeit eſſen.
Zuweilen biß und ſchlug er zu ſeiner Vertheidigung um ſich, aber nur gegen Kinder und mehr
aus Ungeduld, als aus Zorn. Er war überhaupt ſanft und liebte die Geſellſchaft, ließ ſich gern
ſchmeicheln und gab Küſſe im eigentlichen Sinne. Wenn er Etwas ſehnſüchtig verlangte, ließ er einen
ſcharfen Kehllaut hören. Denſelben hörte man gleichfalls, wenn er im Zorn war, doch wälzte er ſich
dann oft am Boden und ſchmollte, wenn man ihm nicht willfahrte. Zwei junge Katzen hatte er be-
ſonders lieb gewonnen und hielt die eine oft unter dem Arme oder ſetzte ſie ſich auf den Kopf, obſchon
ſie ſich mit ihren Krallen an ſeiner Haut feſthielt. Einigemal betrachtete er ihre Pfoten und ſuchte die
Krallen mit ſeinen Fingern auszureißen. Da ihm Dies nicht gelang, duldete er lieber die Schmerzen,
als daß er das Spiel mit ſeinen Lieblingen aufgegeben hätte.
Die erwähnte Mittheilung in der Gartenlanbe rührt von einem guten Beobachter her, welcher
den Orang-Utang drei Monate mit ſich auf dem Schiffe hatte. Das Thier lebte, ſo lange ſich das
Schiff auf den aſiatiſchen Gewäſſern befand, auf dem Verdeck, ſeinem beſtändigen Aufenthalt, und
ſuchte ſich nur des Nachts eine geſchützte Stelle zum Schlafen aus. Während des Tages war der
Orang-Utang außerordentlich aufgeräumt, ſpielte mit anderen kleinen Affen, die ſich an Bord
befanden und luſtwandelte im Takelwerk umher. Das Turnen und Klettern ſchien ihm ein beſonderes
Vergnügen zu machen, und er führte es mehrmals des Tages an verſchiedenen Tauen aus. Seine
Gewandtheit und die bei dieſen Bewegungen ſichtbar werdende Muskelkraft war erſtaunenswerth.
Der Erzähler hatte einige hundert Kokusnüſſe mitgenommen, von welchen der Affe täglich zwei erhielt.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/84>, abgerufen am 22.11.2024.
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