Dieser Orang-Utang ging niemals aufrecht, sondern setzte immer die beiden Hände auf den Boden und schob dann seine Beine hindurch, gerade wie ein an den Füßen gelähmter Mensch sich auf Krücken fortbewegt. Nur ein einziges Mal sah sein Besitzer, daß er sich an der Schiffwand aufrichtete und einige Schritte weit ging. Dabei hielt er sich jedoch wie ein Kind, welches gehen lernt, immer mit beiden Händen fest. Während der Reise kletterte er selten umher und dann immer langsam und bedächtig; gewöhnlich that er es nur dann, wenn ein anderer, kleiner Affe, sein Liebling, wegen einer Unart bestraft werden sollte. Dieser flüchtete sich regelmäßig an die Brust seines großen Freundes und klammerte sich dort fest, und Bobi, so hieß der Orang-Utang, spazierte mit seinem kleinen Schütz- linge in das Takelwerk hinauf, bis die Gefahr verschwunden schien.
Man vernahm nur zwei Stimmlaute von ihm: einen schwachen, pfeifenden Kehllaut, welcher Gemüthsaufregung kennzeichnete, und ein schreckliches Gebrüll, welches dem einer geängsteten Kuh etwa ähnelte und Furcht ausdrückte. Diese wurde einmal durch eine Herde von Pottfischen hervor- gerufen, welche nahe am Schiff vorüberschwamm, und ein zweites Mal durch den Anblick verschiedener Wasserschlangen, welche sein Gebieter mit aus Java gebracht hatte. Der Ausdruck seiner Gesichts- züge blieb sich ewig gleich.
Leider machte ein unangenehmer Zufall dem Leben des schönen Thieres ein Ende, noch ehe es Deutschland erreichte. Bobi hatte von seiner Lagerstätte aus den Kellner des Schiffes beobachtet, während dieser Rumflaschen umpackte, und hatte dabei bemerkt, daß der Mann einige Flaschen bis auf weiteres liegen ließ. Es war zu der Zeit, als sich der Affe schon um zwei Uhr Nachmittags zu Bette legte. Jn der Nacht vernahm sein Herr ein Geräusch in der Kajüte, als wenn Jemand mit Flaschen klappere, und sah beim Schimmer der auf dem Tische brennenden Nachtlampe wirklich eine Gestalt an dem Weinlager beschäftigt. Zu seinem Erstaunen entdeckte er in dieser seinen Orang- Utang. Bobi hatte eine bereits fast ganz geleerte Rumflasche vor dem Munde. Vor ihm lagen sämmtliche leere Flaschen behutsam in Stroh gewickelt, die endlich gefundene volle hatte er auf ge- schickte Weise entkorkt und seinem Verlangen nach geistigen Getränken völlig Genüge leisten können. Etwa zehn Minuten nach diesem Vorgange wurde Bobi plötzlich lebendig. Er sprang auf Stühle und Tische, machte die lächerlichsten Bewegungen und geberdete sich mit steigender Lebhaftigkeit, wie ein betrunkener und zuletzt wie ein wahnsinniger Mensch. Es war unmöglich, ihn zu bändigen. Sein Zustand hielt ungefähr eine Viertelstunde an, dann fiel er zu Boden; es trat ihm Schaum vor den Mund, und er lag steif und regungslos. Nach einigen Stunden kam er wieder zu sich, fiel aber in ein heftiges Nervenfieber, welches seinem jungen Leben ein Ziel setzen sollte. Während seiner Krankheit nahm er nur Wein mit Wasser und die ihm gereichten Arzeneien zu sich, Nichts weiter. Nachdem ihm einmal an den Puls gefühlt worden war, streckte er seinem Herrn jedesmal, wenn dieser an sein Lager trat, die Hand entgegen. Dabei hatte sein Blick etwas so Rührendes und Menschliches, daß seinem Pfleger öfters die Thränen in die Augen traten. Mehr und mehr nahmen seine Kräfte ab, und am vierzehnten Tage verschied er nach einem heftigen Fieberanfalle.
Bei keiner Sippe der Affen zeigt sich die Entwickelung der Vorderglieder in gleichem Grade, wie bei den Gibbons oder Langarmaffen (Hylobates). Sie tragen ihren Namen mit vollstem Rechte; denn die über alles gewohnte Maß verlängerten Arme erreichen, wenn sich ihr Träger aufrecht stellt, die Knöchel seiner Füße. Dieses eine Merkmal würde genügen, um die Langarme von allen übrigen Mitgliedern ihrer Ordnung zu unterscheiden.
Die Gibbons bilden eine kleine Gruppe der Affen; man kennt gegenwärtig erst sieben Arten, welche ihr zugezählt werden müssen. Sie sind sämmtlich Asiaten und gehören ausschließlich Ostindien und seinen Jnseln an. Die Arten erreichen eine ziemlich bedeutende Größe, wenn auch keine einzige über drei Fuß hoch wird. Jhr Körper erscheint trotz der starken und gewölbten Brust sehr schlank, weil die Weichengegend, wie bei dem Windhunde, verschmächtigt ist; die Hinterglieder sind bedeutend
Die Affen. Gibbons. — Siamang, Ungko und Oa.
Dieſer Orang-Utang ging niemals aufrecht, ſondern ſetzte immer die beiden Hände auf den Boden und ſchob dann ſeine Beine hindurch, gerade wie ein an den Füßen gelähmter Menſch ſich auf Krücken fortbewegt. Nur ein einziges Mal ſah ſein Beſitzer, daß er ſich an der Schiffwand aufrichtete und einige Schritte weit ging. Dabei hielt er ſich jedoch wie ein Kind, welches gehen lernt, immer mit beiden Händen feſt. Während der Reiſe kletterte er ſelten umher und dann immer langſam und bedächtig; gewöhnlich that er es nur dann, wenn ein anderer, kleiner Affe, ſein Liebling, wegen einer Unart beſtraft werden ſollte. Dieſer flüchtete ſich regelmäßig an die Bruſt ſeines großen Freundes und klammerte ſich dort feſt, und Bobi, ſo hieß der Orang-Utang, ſpazierte mit ſeinem kleinen Schütz- linge in das Takelwerk hinauf, bis die Gefahr verſchwunden ſchien.
Man vernahm nur zwei Stimmlaute von ihm: einen ſchwachen, pfeifenden Kehllaut, welcher Gemüthsaufregung kennzeichnete, und ein ſchreckliches Gebrüll, welches dem einer geängſteten Kuh etwa ähnelte und Furcht ausdrückte. Dieſe wurde einmal durch eine Herde von Pottfiſchen hervor- gerufen, welche nahe am Schiff vorüberſchwamm, und ein zweites Mal durch den Anblick verſchiedener Waſſerſchlangen, welche ſein Gebieter mit aus Java gebracht hatte. Der Ausdruck ſeiner Geſichts- züge blieb ſich ewig gleich.
Leider machte ein unangenehmer Zufall dem Leben des ſchönen Thieres ein Ende, noch ehe es Deutſchland erreichte. Bobi hatte von ſeiner Lagerſtätte aus den Kellner des Schiffes beobachtet, während dieſer Rumflaſchen umpackte, und hatte dabei bemerkt, daß der Mann einige Flaſchen bis auf weiteres liegen ließ. Es war zu der Zeit, als ſich der Affe ſchon um zwei Uhr Nachmittags zu Bette legte. Jn der Nacht vernahm ſein Herr ein Geräuſch in der Kajüte, als wenn Jemand mit Flaſchen klappere, und ſah beim Schimmer der auf dem Tiſche brennenden Nachtlampe wirklich eine Geſtalt an dem Weinlager beſchäftigt. Zu ſeinem Erſtaunen entdeckte er in dieſer ſeinen Orang- Utang. Bobi hatte eine bereits faſt ganz geleerte Rumflaſche vor dem Munde. Vor ihm lagen ſämmtliche leere Flaſchen behutſam in Stroh gewickelt, die endlich gefundene volle hatte er auf ge- ſchickte Weiſe entkorkt und ſeinem Verlangen nach geiſtigen Getränken völlig Genüge leiſten können. Etwa zehn Minuten nach dieſem Vorgange wurde Bobi plötzlich lebendig. Er ſprang auf Stühle und Tiſche, machte die lächerlichſten Bewegungen und geberdete ſich mit ſteigender Lebhaftigkeit, wie ein betrunkener und zuletzt wie ein wahnſinniger Menſch. Es war unmöglich, ihn zu bändigen. Sein Zuſtand hielt ungefähr eine Viertelſtunde an, dann fiel er zu Boden; es trat ihm Schaum vor den Mund, und er lag ſteif und regungslos. Nach einigen Stunden kam er wieder zu ſich, fiel aber in ein heftiges Nervenfieber, welches ſeinem jungen Leben ein Ziel ſetzen ſollte. Während ſeiner Krankheit nahm er nur Wein mit Waſſer und die ihm gereichten Arzeneien zu ſich, Nichts weiter. Nachdem ihm einmal an den Puls gefühlt worden war, ſtreckte er ſeinem Herrn jedesmal, wenn dieſer an ſein Lager trat, die Hand entgegen. Dabei hatte ſein Blick etwas ſo Rührendes und Menſchliches, daß ſeinem Pfleger öfters die Thränen in die Augen traten. Mehr und mehr nahmen ſeine Kräfte ab, und am vierzehnten Tage verſchied er nach einem heftigen Fieberanfalle.
Bei keiner Sippe der Affen zeigt ſich die Entwickelung der Vorderglieder in gleichem Grade, wie bei den Gibbons oder Langarmaffen (Hylobates). Sie tragen ihren Namen mit vollſtem Rechte; denn die über alles gewohnte Maß verlängerten Arme erreichen, wenn ſich ihr Träger aufrecht ſtellt, die Knöchel ſeiner Füße. Dieſes eine Merkmal würde genügen, um die Langarme von allen übrigen Mitgliedern ihrer Ordnung zu unterſcheiden.
Die Gibbons bilden eine kleine Gruppe der Affen; man kennt gegenwärtig erſt ſieben Arten, welche ihr zugezählt werden müſſen. Sie ſind ſämmtlich Aſiaten und gehören ausſchließlich Oſtindien und ſeinen Jnſeln an. Die Arten erreichen eine ziemlich bedeutende Größe, wenn auch keine einzige über drei Fuß hoch wird. Jhr Körper erſcheint trotz der ſtarken und gewölbten Bruſt ſehr ſchlank, weil die Weichengegend, wie bei dem Windhunde, verſchmächtigt iſt; die Hinterglieder ſind bedeutend
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0086"n="34"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Affen.</hi> Gibbons. —<hirendition="#g">Siamang, Ungko</hi> und <hirendition="#g">Oa.</hi></fw><lb/><p>Dieſer <hirendition="#g">Orang-Utang</hi> ging niemals aufrecht, ſondern ſetzte immer die beiden Hände auf den<lb/>
Boden und ſchob dann ſeine Beine hindurch, gerade wie ein an den Füßen gelähmter Menſch ſich auf<lb/>
Krücken fortbewegt. Nur ein einziges Mal ſah ſein Beſitzer, daß er ſich an der Schiffwand aufrichtete<lb/>
und einige Schritte weit ging. Dabei hielt er ſich jedoch wie ein Kind, welches gehen lernt, immer<lb/>
mit beiden Händen feſt. Während der Reiſe kletterte er ſelten umher und dann immer langſam und<lb/>
bedächtig; gewöhnlich that er es nur dann, wenn ein anderer, kleiner Affe, ſein Liebling, wegen einer<lb/>
Unart beſtraft werden ſollte. Dieſer flüchtete ſich regelmäßig an die Bruſt ſeines großen Freundes und<lb/>
klammerte ſich dort feſt, und <hirendition="#g">Bobi,</hi>ſo hieß der <hirendition="#g">Orang-Utang,</hi>ſpazierte mit ſeinem kleinen Schütz-<lb/>
linge in das Takelwerk hinauf, bis die Gefahr verſchwunden ſchien.</p><lb/><p>Man vernahm nur zwei Stimmlaute von ihm: einen ſchwachen, pfeifenden Kehllaut, welcher<lb/>
Gemüthsaufregung kennzeichnete, und ein ſchreckliches Gebrüll, welches dem einer geängſteten Kuh<lb/>
etwa ähnelte und Furcht ausdrückte. Dieſe wurde einmal durch eine Herde von <hirendition="#g">Pottfiſchen</hi> hervor-<lb/>
gerufen, welche nahe am Schiff vorüberſchwamm, und ein zweites Mal durch den Anblick verſchiedener<lb/><hirendition="#g">Waſſerſchlangen,</hi> welche ſein Gebieter mit aus Java gebracht hatte. Der Ausdruck ſeiner Geſichts-<lb/>
züge blieb ſich ewig gleich.</p><lb/><p>Leider machte ein unangenehmer Zufall dem Leben des ſchönen Thieres ein Ende, noch ehe es<lb/>
Deutſchland erreichte. <hirendition="#g">Bobi</hi> hatte von ſeiner Lagerſtätte aus den Kellner des Schiffes beobachtet,<lb/>
während dieſer Rumflaſchen umpackte, und hatte dabei bemerkt, daß der Mann einige Flaſchen bis<lb/>
auf weiteres liegen ließ. Es war zu der Zeit, als ſich der Affe ſchon um zwei Uhr Nachmittags zu<lb/>
Bette legte. Jn der Nacht vernahm ſein Herr ein Geräuſch in der Kajüte, als wenn Jemand mit<lb/>
Flaſchen klappere, und ſah beim Schimmer der auf dem Tiſche brennenden Nachtlampe wirklich eine<lb/>
Geſtalt an dem Weinlager beſchäftigt. Zu ſeinem Erſtaunen entdeckte er in dieſer ſeinen <hirendition="#g">Orang-<lb/>
Utang. Bobi</hi> hatte eine bereits faſt ganz geleerte Rumflaſche vor dem Munde. Vor ihm lagen<lb/>ſämmtliche leere Flaſchen behutſam in Stroh gewickelt, die endlich gefundene volle hatte er auf ge-<lb/>ſchickte Weiſe entkorkt und ſeinem Verlangen nach geiſtigen Getränken völlig Genüge leiſten können.<lb/>
Etwa zehn Minuten nach dieſem Vorgange wurde <hirendition="#g">Bobi</hi> plötzlich lebendig. Er ſprang auf Stühle<lb/>
und Tiſche, machte die lächerlichſten Bewegungen und geberdete ſich mit ſteigender Lebhaftigkeit,<lb/>
wie ein betrunkener und zuletzt wie ein wahnſinniger Menſch. Es war unmöglich, ihn zu bändigen.<lb/>
Sein Zuſtand hielt ungefähr eine Viertelſtunde an, dann fiel er zu Boden; es trat ihm Schaum vor<lb/>
den Mund, und er lag ſteif und regungslos. Nach einigen Stunden kam er wieder zu ſich, fiel aber<lb/>
in ein heftiges Nervenfieber, welches ſeinem jungen Leben ein Ziel ſetzen ſollte. Während ſeiner<lb/>
Krankheit nahm er nur Wein mit Waſſer und die ihm gereichten Arzeneien zu ſich, Nichts weiter.<lb/>
Nachdem ihm einmal an den Puls gefühlt worden war, ſtreckte er ſeinem Herrn jedesmal, wenn dieſer<lb/>
an ſein Lager trat, die Hand entgegen. Dabei hatte ſein Blick etwas ſo Rührendes und Menſchliches,<lb/>
daß ſeinem Pfleger öfters die Thränen in die Augen traten. Mehr und mehr nahmen ſeine Kräfte<lb/>
ab, und am vierzehnten Tage verſchied er nach einem heftigen Fieberanfalle.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Bei keiner Sippe der Affen zeigt ſich die Entwickelung der Vorderglieder in gleichem Grade, wie<lb/>
bei den <hirendition="#g">Gibbons</hi> oder <hirendition="#g">Langarmaffen</hi> (<hirendition="#aq">Hylobates</hi>). Sie tragen ihren Namen mit vollſtem Rechte;<lb/>
denn die über alles gewohnte Maß verlängerten Arme erreichen, wenn ſich ihr Träger aufrecht ſtellt,<lb/>
die Knöchel ſeiner Füße. Dieſes eine Merkmal würde genügen, um die Langarme von allen übrigen<lb/>
Mitgliedern ihrer Ordnung zu unterſcheiden.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Gibbons</hi> bilden eine kleine Gruppe der Affen; man kennt gegenwärtig erſt ſieben Arten,<lb/>
welche ihr zugezählt werden müſſen. Sie ſind ſämmtlich Aſiaten und gehören ausſchließlich Oſtindien<lb/>
und ſeinen Jnſeln an. Die Arten erreichen eine ziemlich bedeutende Größe, wenn auch keine einzige<lb/>
über drei Fuß hoch wird. Jhr Körper erſcheint trotz der ſtarken und gewölbten Bruſt ſehr ſchlank,<lb/>
weil die Weichengegend, wie bei dem <hirendition="#g">Windhunde,</hi> verſchmächtigt iſt; die Hinterglieder ſind bedeutend<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[34/0086]
Die Affen. Gibbons. — Siamang, Ungko und Oa.
Dieſer Orang-Utang ging niemals aufrecht, ſondern ſetzte immer die beiden Hände auf den
Boden und ſchob dann ſeine Beine hindurch, gerade wie ein an den Füßen gelähmter Menſch ſich auf
Krücken fortbewegt. Nur ein einziges Mal ſah ſein Beſitzer, daß er ſich an der Schiffwand aufrichtete
und einige Schritte weit ging. Dabei hielt er ſich jedoch wie ein Kind, welches gehen lernt, immer
mit beiden Händen feſt. Während der Reiſe kletterte er ſelten umher und dann immer langſam und
bedächtig; gewöhnlich that er es nur dann, wenn ein anderer, kleiner Affe, ſein Liebling, wegen einer
Unart beſtraft werden ſollte. Dieſer flüchtete ſich regelmäßig an die Bruſt ſeines großen Freundes und
klammerte ſich dort feſt, und Bobi, ſo hieß der Orang-Utang, ſpazierte mit ſeinem kleinen Schütz-
linge in das Takelwerk hinauf, bis die Gefahr verſchwunden ſchien.
Man vernahm nur zwei Stimmlaute von ihm: einen ſchwachen, pfeifenden Kehllaut, welcher
Gemüthsaufregung kennzeichnete, und ein ſchreckliches Gebrüll, welches dem einer geängſteten Kuh
etwa ähnelte und Furcht ausdrückte. Dieſe wurde einmal durch eine Herde von Pottfiſchen hervor-
gerufen, welche nahe am Schiff vorüberſchwamm, und ein zweites Mal durch den Anblick verſchiedener
Waſſerſchlangen, welche ſein Gebieter mit aus Java gebracht hatte. Der Ausdruck ſeiner Geſichts-
züge blieb ſich ewig gleich.
Leider machte ein unangenehmer Zufall dem Leben des ſchönen Thieres ein Ende, noch ehe es
Deutſchland erreichte. Bobi hatte von ſeiner Lagerſtätte aus den Kellner des Schiffes beobachtet,
während dieſer Rumflaſchen umpackte, und hatte dabei bemerkt, daß der Mann einige Flaſchen bis
auf weiteres liegen ließ. Es war zu der Zeit, als ſich der Affe ſchon um zwei Uhr Nachmittags zu
Bette legte. Jn der Nacht vernahm ſein Herr ein Geräuſch in der Kajüte, als wenn Jemand mit
Flaſchen klappere, und ſah beim Schimmer der auf dem Tiſche brennenden Nachtlampe wirklich eine
Geſtalt an dem Weinlager beſchäftigt. Zu ſeinem Erſtaunen entdeckte er in dieſer ſeinen Orang-
Utang. Bobi hatte eine bereits faſt ganz geleerte Rumflaſche vor dem Munde. Vor ihm lagen
ſämmtliche leere Flaſchen behutſam in Stroh gewickelt, die endlich gefundene volle hatte er auf ge-
ſchickte Weiſe entkorkt und ſeinem Verlangen nach geiſtigen Getränken völlig Genüge leiſten können.
Etwa zehn Minuten nach dieſem Vorgange wurde Bobi plötzlich lebendig. Er ſprang auf Stühle
und Tiſche, machte die lächerlichſten Bewegungen und geberdete ſich mit ſteigender Lebhaftigkeit,
wie ein betrunkener und zuletzt wie ein wahnſinniger Menſch. Es war unmöglich, ihn zu bändigen.
Sein Zuſtand hielt ungefähr eine Viertelſtunde an, dann fiel er zu Boden; es trat ihm Schaum vor
den Mund, und er lag ſteif und regungslos. Nach einigen Stunden kam er wieder zu ſich, fiel aber
in ein heftiges Nervenfieber, welches ſeinem jungen Leben ein Ziel ſetzen ſollte. Während ſeiner
Krankheit nahm er nur Wein mit Waſſer und die ihm gereichten Arzeneien zu ſich, Nichts weiter.
Nachdem ihm einmal an den Puls gefühlt worden war, ſtreckte er ſeinem Herrn jedesmal, wenn dieſer
an ſein Lager trat, die Hand entgegen. Dabei hatte ſein Blick etwas ſo Rührendes und Menſchliches,
daß ſeinem Pfleger öfters die Thränen in die Augen traten. Mehr und mehr nahmen ſeine Kräfte
ab, und am vierzehnten Tage verſchied er nach einem heftigen Fieberanfalle.
Bei keiner Sippe der Affen zeigt ſich die Entwickelung der Vorderglieder in gleichem Grade, wie
bei den Gibbons oder Langarmaffen (Hylobates). Sie tragen ihren Namen mit vollſtem Rechte;
denn die über alles gewohnte Maß verlängerten Arme erreichen, wenn ſich ihr Träger aufrecht ſtellt,
die Knöchel ſeiner Füße. Dieſes eine Merkmal würde genügen, um die Langarme von allen übrigen
Mitgliedern ihrer Ordnung zu unterſcheiden.
Die Gibbons bilden eine kleine Gruppe der Affen; man kennt gegenwärtig erſt ſieben Arten,
welche ihr zugezählt werden müſſen. Sie ſind ſämmtlich Aſiaten und gehören ausſchließlich Oſtindien
und ſeinen Jnſeln an. Die Arten erreichen eine ziemlich bedeutende Größe, wenn auch keine einzige
über drei Fuß hoch wird. Jhr Körper erſcheint trotz der ſtarken und gewölbten Bruſt ſehr ſchlank,
weil die Weichengegend, wie bei dem Windhunde, verſchmächtigt iſt; die Hinterglieder ſind bedeutend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/86>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.