Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite
Kennzeichnung Beider.

Als Uebergangsglied von den Mullen zu den Spitzmäuseu können wir die Wassermulle
(Scalops) ansehen. Sie unterscheiden sich hauptsächlich von ihren übrigen Verwandten durch die
zugespitzte Schnauze, welche an den Rüssel der eigentlichen Spitzmäuse erinnert. Jm Gebiß ähneln
sie den Sternmullen, in ihrer Lebensweise allen übrigen Maulwürfen, doch ziehen sie mehr die Fluß-
ufer oder überhaupt die wasserreichen Orte vor und haben davon ihren Namen erhalten. Man
kennt mit Sicherheit blos eine einzige Art, obwohl auch bei diesem Thiere die Naturforscher mehrere
Arten aufgestellt haben.

Diese Art ist der gemeine Wassermull (Scalops aquaticus), ein Thier von 71/2 Zoll Leibes-
und 11/2 Zoll Körperlänge, dessen Pelz bräunlichschwarz, im Grunde gänzlich schwarz ist und im
Gesicht einen kastanienfarbenen Anflug hat, am Schwanze und den Pfoten endlich weiß ist. Jedoch
giebt es auch hellbraune, röthliche und silberglänzende Abänderungen. Die Augen des Wassermulls
sind ebenfalls sehr klein und ganz versteckt. Jhr Spalt ist so fein, daß man kaum ein Menschenhaar

[Abbildung] Der gemeine Wassermull (Scalops aquaticus).
durchschieben kann. Die nackte, verdünnte Schnauze ist oben und unten ihrer ganzen Länge nach von
einer Furche durchzogen.

Ueber die Lebensweise des Thieres hat zuerst Richardson Genaueres mitgetheilt. Der Wasser-
mull lebt im Ganzen nach Art unsers Maulwurfs, soll aber, trotz seiner Vorliebe für wasserreiche
Gegenden, Ueberschwemmungen fliehen, während doch, wie wir gesehen haben, unser Maulwurf ein
ganz geschickter Schwimmer ist. Die Amerikaner erzählen, daß der Wassermull sich zähmen läßt und
dann gern mit seinem Gebieter spielt, dem, welcher ihn füttert, nachfolgt und die Nahrung mit dem
eigenthümlich zusammengebogenen Rüssel in den Mund steckt. Audubon, welcher eine sehr ausführ-
liche Beschreibung giebt, weiß davon Nichts, obgleich er das Thier wiederholt gefangen hielt. Jm
übrigen kann ich des Letzteren ausgezeichnete Schilderung über Lebensweise und Betragen dieses
Thieres ohne Schaden übergehen; denn im Wesentlichen giebt sie nur das Leben unsers Maul-
wurfs wieder.



Kennzeichnung Beider.

Als Uebergangsglied von den Mullen zu den Spitzmäuſeu können wir die Waſſermulle
(Scalops) anſehen. Sie unterſcheiden ſich hauptſächlich von ihren übrigen Verwandten durch die
zugeſpitzte Schnauze, welche an den Rüſſel der eigentlichen Spitzmäuſe erinnert. Jm Gebiß ähneln
ſie den Sternmullen, in ihrer Lebensweiſe allen übrigen Maulwürfen, doch ziehen ſie mehr die Fluß-
ufer oder überhaupt die waſſerreichen Orte vor und haben davon ihren Namen erhalten. Man
kennt mit Sicherheit blos eine einzige Art, obwohl auch bei dieſem Thiere die Naturforſcher mehrere
Arten aufgeſtellt haben.

Dieſe Art iſt der gemeine Waſſermull (Scalops aquaticus), ein Thier von 7½ Zoll Leibes-
und 1½ Zoll Körperlänge, deſſen Pelz bräunlichſchwarz, im Grunde gänzlich ſchwarz iſt und im
Geſicht einen kaſtanienfarbenen Anflug hat, am Schwanze und den Pfoten endlich weiß iſt. Jedoch
giebt es auch hellbraune, röthliche und ſilberglänzende Abänderungen. Die Augen des Waſſermulls
ſind ebenfalls ſehr klein und ganz verſteckt. Jhr Spalt iſt ſo fein, daß man kaum ein Menſchenhaar

[Abbildung] Der gemeine Waſſermull (Scalops aquaticus).
durchſchieben kann. Die nackte, verdünnte Schnauze iſt oben und unten ihrer ganzen Länge nach von
einer Furche durchzogen.

Ueber die Lebensweiſe des Thieres hat zuerſt Richardſon Genaueres mitgetheilt. Der Waſſer-
mull lebt im Ganzen nach Art unſers Maulwurfs, ſoll aber, trotz ſeiner Vorliebe für waſſerreiche
Gegenden, Ueberſchwemmungen fliehen, während doch, wie wir geſehen haben, unſer Maulwurf ein
ganz geſchickter Schwimmer iſt. Die Amerikaner erzählen, daß der Waſſermull ſich zähmen läßt und
dann gern mit ſeinem Gebieter ſpielt, dem, welcher ihn füttert, nachfolgt und die Nahrung mit dem
eigenthümlich zuſammengebogenen Rüſſel in den Mund ſteckt. Audubon, welcher eine ſehr ausführ-
liche Beſchreibung giebt, weiß davon Nichts, obgleich er das Thier wiederholt gefangen hielt. Jm
übrigen kann ich des Letzteren ausgezeichnete Schilderung über Lebensweiſe und Betragen dieſes
Thieres ohne Schaden übergehen; denn im Weſentlichen giebt ſie nur das Leben unſers Maul-
wurfs wieder.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0773" n="695"/>
          <fw place="top" type="header">Kennzeichnung Beider.</fw><lb/>
          <p>Als Uebergangsglied von den Mullen zu den <hi rendition="#g">Spitzmäu&#x017F;eu</hi> können wir die <hi rendition="#g">Wa&#x017F;&#x017F;ermulle</hi><lb/>
(<hi rendition="#aq">Scalops</hi>) an&#x017F;ehen. Sie unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich haupt&#x017F;ächlich von ihren übrigen Verwandten durch die<lb/>
zuge&#x017F;pitzte Schnauze, welche an den Rü&#x017F;&#x017F;el der eigentlichen Spitzmäu&#x017F;e erinnert. Jm Gebiß ähneln<lb/>
&#x017F;ie den Sternmullen, in ihrer Lebenswei&#x017F;e allen übrigen Maulwürfen, doch ziehen &#x017F;ie mehr die Fluß-<lb/>
ufer oder überhaupt die wa&#x017F;&#x017F;erreichen Orte vor und haben davon ihren Namen erhalten. Man<lb/>
kennt mit Sicherheit blos eine einzige Art, obwohl auch bei die&#x017F;em Thiere die Naturfor&#x017F;cher mehrere<lb/>
Arten aufge&#x017F;tellt haben.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Art i&#x017F;t der <hi rendition="#g">gemeine Wa&#x017F;&#x017F;ermull</hi> (<hi rendition="#aq">Scalops aquaticus</hi>), ein Thier von 7½ Zoll Leibes-<lb/>
und 1½ Zoll Körperlänge, de&#x017F;&#x017F;en Pelz bräunlich&#x017F;chwarz, im Grunde gänzlich &#x017F;chwarz i&#x017F;t und im<lb/>
Ge&#x017F;icht einen ka&#x017F;tanienfarbenen Anflug hat, am Schwanze und den Pfoten endlich weiß i&#x017F;t. Jedoch<lb/>
giebt es auch hellbraune, röthliche und &#x017F;ilberglänzende Abänderungen. Die Augen des Wa&#x017F;&#x017F;ermulls<lb/>
&#x017F;ind ebenfalls &#x017F;ehr klein und ganz ver&#x017F;teckt. Jhr Spalt i&#x017F;t &#x017F;o fein, daß man kaum ein Men&#x017F;chenhaar<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der gemeine Wa&#x017F;&#x017F;ermull</hi> (<hi rendition="#aq">Scalops aquaticus</hi>).</hi></head></figure><lb/>
durch&#x017F;chieben kann. Die nackte, verdünnte Schnauze i&#x017F;t oben und unten ihrer ganzen Länge nach von<lb/>
einer Furche durchzogen.</p><lb/>
          <p>Ueber die Lebenswei&#x017F;e des Thieres hat zuer&#x017F;t <hi rendition="#g">Richard&#x017F;on</hi> Genaueres mitgetheilt. Der Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
mull lebt im Ganzen nach Art un&#x017F;ers Maulwurfs, &#x017F;oll aber, trotz &#x017F;einer Vorliebe für wa&#x017F;&#x017F;erreiche<lb/>
Gegenden, Ueber&#x017F;chwemmungen fliehen, während doch, wie wir ge&#x017F;ehen haben, un&#x017F;er Maulwurf ein<lb/>
ganz ge&#x017F;chickter Schwimmer i&#x017F;t. Die Amerikaner erzählen, daß der Wa&#x017F;&#x017F;ermull &#x017F;ich zähmen läßt und<lb/>
dann gern mit &#x017F;einem Gebieter &#x017F;pielt, dem, welcher ihn füttert, nachfolgt und die Nahrung mit dem<lb/>
eigenthümlich zu&#x017F;ammengebogenen Rü&#x017F;&#x017F;el in den Mund &#x017F;teckt. <hi rendition="#g">Audubon,</hi> welcher eine &#x017F;ehr ausführ-<lb/>
liche Be&#x017F;chreibung giebt, weiß davon Nichts, obgleich er das Thier wiederholt gefangen hielt. Jm<lb/>
übrigen kann ich des Letzteren ausgezeichnete Schilderung über Lebenswei&#x017F;e und Betragen die&#x017F;es<lb/>
Thieres ohne Schaden übergehen; denn im We&#x017F;entlichen giebt &#x017F;ie nur das Leben un&#x017F;ers Maul-<lb/>
wurfs wieder.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[695/0773] Kennzeichnung Beider. Als Uebergangsglied von den Mullen zu den Spitzmäuſeu können wir die Waſſermulle (Scalops) anſehen. Sie unterſcheiden ſich hauptſächlich von ihren übrigen Verwandten durch die zugeſpitzte Schnauze, welche an den Rüſſel der eigentlichen Spitzmäuſe erinnert. Jm Gebiß ähneln ſie den Sternmullen, in ihrer Lebensweiſe allen übrigen Maulwürfen, doch ziehen ſie mehr die Fluß- ufer oder überhaupt die waſſerreichen Orte vor und haben davon ihren Namen erhalten. Man kennt mit Sicherheit blos eine einzige Art, obwohl auch bei dieſem Thiere die Naturforſcher mehrere Arten aufgeſtellt haben. Dieſe Art iſt der gemeine Waſſermull (Scalops aquaticus), ein Thier von 7½ Zoll Leibes- und 1½ Zoll Körperlänge, deſſen Pelz bräunlichſchwarz, im Grunde gänzlich ſchwarz iſt und im Geſicht einen kaſtanienfarbenen Anflug hat, am Schwanze und den Pfoten endlich weiß iſt. Jedoch giebt es auch hellbraune, röthliche und ſilberglänzende Abänderungen. Die Augen des Waſſermulls ſind ebenfalls ſehr klein und ganz verſteckt. Jhr Spalt iſt ſo fein, daß man kaum ein Menſchenhaar [Abbildung Der gemeine Waſſermull (Scalops aquaticus).] durchſchieben kann. Die nackte, verdünnte Schnauze iſt oben und unten ihrer ganzen Länge nach von einer Furche durchzogen. Ueber die Lebensweiſe des Thieres hat zuerſt Richardſon Genaueres mitgetheilt. Der Waſſer- mull lebt im Ganzen nach Art unſers Maulwurfs, ſoll aber, trotz ſeiner Vorliebe für waſſerreiche Gegenden, Ueberſchwemmungen fliehen, während doch, wie wir geſehen haben, unſer Maulwurf ein ganz geſchickter Schwimmer iſt. Die Amerikaner erzählen, daß der Waſſermull ſich zähmen läßt und dann gern mit ſeinem Gebieter ſpielt, dem, welcher ihn füttert, nachfolgt und die Nahrung mit dem eigenthümlich zuſammengebogenen Rüſſel in den Mund ſteckt. Audubon, welcher eine ſehr ausführ- liche Beſchreibung giebt, weiß davon Nichts, obgleich er das Thier wiederholt gefangen hielt. Jm übrigen kann ich des Letzteren ausgezeichnete Schilderung über Lebensweiſe und Betragen dieſes Thieres ohne Schaden übergehen; denn im Weſentlichen giebt ſie nur das Leben unſers Maul- wurfs wieder.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/773
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 695. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/773>, abgerufen am 24.11.2024.