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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Spitzmäuse. -- Wasserspitzmaus. Bisamspitzmaus.
suchte, es kam eine um die andere nach ihr. Dies bewog den Besitzer einen vergifteten Karpfenkopf
in den Kasten zu legen, mit welchem er auch mehrere Wasserspitzmäuse umbrachte."

Etwa drei Wochen nach der Paarung wirft das Weibchen sechs bis acht blinde Junge in ein
Nest, welches in selbst gegrabenen Löchern in den Uferrändern der Teiche oder Bäche steht und mit
dürrem Mose, Grashalmen oder Baumblättern ausgefüttert ist. Jm Verlauf von fünf bis sechs
Wochen sind die Jungen soweit ausgewachsen, daß sie schon mit auf die Kerbthierjagd ausziehen
können. Dann paart sich die Mutter wahrscheinlich zum zweiten Male und zieht eine neue Brut heran.

Die Feinde der Wasserspitzmaus sind fast dieselben, welche wir bei der gemeinen Spitzmaus
kennen lernten. Bei Tage geschieht jenen gewöhnlich Nichts zu Leide; wenn sie aber des Nachts am
Ufer herumlaufen, werden sie oft eine Beute der Eulen und Katzen. Nur die Ersteren verzehren sie,
die Letzteren tödten sie blos und werfen sie, ihres Moschusgeruches wegen, dann weg. Der Forscher,
welcher Wasserspitzmäuse sammeln will, braucht deshalb blos jeden Morgen die Ufer der Teiche abzu-
suchen; er findet dann in kurzer Zeit soviel Leichname dieser Art, als er braucht.

Jn der Gefangenschaft können die Wasserspitzmäuse nicht lange am Leben erhalten werden. Mein
Vater hatte mehrmals Wasserspitzmäuse lebendig, doch starben alle schon nach wenigen Tagen. Die-
jenige, welche am längsten lebte, wurde beobachtet. "Da sie sehr hungrig schien," sagt mein Vater,
"legte ich ihr eine todte Ackermaus in ihr Behältniß. Sie begann sogleich, an ihr zu nagen, und
hatte in kurzer Zeit ein so tiefes Loch gefressen, daß sie zu dem Herzen gelangen konnte, welches sie auch
fraß. Dann verspeiste sie noch einen Theil der Brust und der Eingeweide und ließ das Uebrige
liegen. Sie hielt, wie ich Dies bei anderen Spitzmäusen beobachtet habe, beständig den Rüssel in die
Höhe und schnüffelte unaufhörlich, um etwas für sie Genießbares zu erspähen. Hörte sie ein Ge-
räusch, so verbarg sie sich sehr schnell in dem Schlupfwinkel, welchen ich für sie angebracht hatte. Sie
that so hohe Sprünge, daß sie aus einer großen, blechernen Gießkanne, in welcher ich sie erst hatte,
fast entkam. Am ersten Tage kam sie stets trocken aus dem Wasser hervor, am zweiten Tage war
Dies schon weniger und kurz vor ihrem Tode fast gar nicht mehr der Fall. Sie war sehr bissig und
blieb, bis sie ganz ermattete, scheu und wild."



Jn der letzten Sippe begegnen wir wieder höchst merkwürdig gestalteten Thieren, welche nur
noch in der Familie der Maulwürfe durch ähnliche Formen vertreten sind. Die Bisamspitzmäuse
(Myogale), wie man sie genannt hat, sind eigentlich noch mehr Wasserbewohner, als die Wasser-
spitzmäuse, wenn man auch nicht sagen kann, daß sie in ihrem Elemente heimischer wären, als diese.
Aber schon der erste Blick auf ihre Gestalt und namentlich auf die Füße kündet sie als Wasserbewohner
im vollsten Sinne. Jhr Körperbau ist gedrungener, als bei den übrigen Spitzmäusen; der Hals ist
außerordentlich kurz, ebenso dick, als der Leib, und von diesem nicht zu unterscheiden. Dabei ruht
dieser auf niedrigen Beinen, deren fünf Zehen durch eine lange Schwimmhaut mit einander verbunden
sind; die Hinterbeine sind länger, als die vorderen; der Schwanz ist länglich gerundet, gegen das
Ende ruderartig zusammengedrückt, geringelt und geschuppt und nur spärlich mit Haaren besetzt; die
äußeren Ohren fehlen und die Augen sind sehr klein. Das Merkwürdigste am ganzen Thiere ist die
Nase, welche noch eher ein Rüssel genannt werden kann, wie bei den Rohrrüßlern. Sie besteht aus
zwei langen, dünnen, verschmolzenen, knorpligen Röhren, welche aber durch Hilfe zwei größerer und
drei kleinerer Muskeln auf jeder Seite nach allen Richtungen sich bewegen und zu den verschieden-
artigsten Zwecken gebraucht werden können, namentlich zu dem Betasten aller Gegenstände. Jn
diesem Rüssel scheinen alle übrigen Sinne vertreten zu sein, und somit ist die Bisamspitzmaus als
echtes Nasenthier zu betrachten. Die Lippen sind fleischig und schlaff. Unter der Schwanzwurzel
liegt eine zwei Linien große Moschusdrüse, welche aus zwanzig bis vierzig Säckchen besteht, deren
jedes einen oben bauchigen und einen unten schmälern Theil hat und in der Wandung viele Drüsen-

Die Raubthiere. Spitzmäuſe. — Waſſerſpitzmaus. Biſamſpitzmaus.
ſuchte, es kam eine um die andere nach ihr. Dies bewog den Beſitzer einen vergifteten Karpfenkopf
in den Kaſten zu legen, mit welchem er auch mehrere Waſſerſpitzmäuſe umbrachte.‟

Etwa drei Wochen nach der Paarung wirft das Weibchen ſechs bis acht blinde Junge in ein
Neſt, welches in ſelbſt gegrabenen Löchern in den Uferrändern der Teiche oder Bäche ſteht und mit
dürrem Moſe, Grashalmen oder Baumblättern ausgefüttert iſt. Jm Verlauf von fünf bis ſechs
Wochen ſind die Jungen ſoweit ausgewachſen, daß ſie ſchon mit auf die Kerbthierjagd ausziehen
können. Dann paart ſich die Mutter wahrſcheinlich zum zweiten Male und zieht eine neue Brut heran.

Die Feinde der Waſſerſpitzmaus ſind faſt dieſelben, welche wir bei der gemeinen Spitzmaus
kennen lernten. Bei Tage geſchieht jenen gewöhnlich Nichts zu Leide; wenn ſie aber des Nachts am
Ufer herumlaufen, werden ſie oft eine Beute der Eulen und Katzen. Nur die Erſteren verzehren ſie,
die Letzteren tödten ſie blos und werfen ſie, ihres Moſchusgeruches wegen, dann weg. Der Forſcher,
welcher Waſſerſpitzmäuſe ſammeln will, braucht deshalb blos jeden Morgen die Ufer der Teiche abzu-
ſuchen; er findet dann in kurzer Zeit ſoviel Leichname dieſer Art, als er braucht.

Jn der Gefangenſchaft können die Waſſerſpitzmäuſe nicht lange am Leben erhalten werden. Mein
Vater hatte mehrmals Waſſerſpitzmäuſe lebendig, doch ſtarben alle ſchon nach wenigen Tagen. Die-
jenige, welche am längſten lebte, wurde beobachtet. „Da ſie ſehr hungrig ſchien,‟ ſagt mein Vater,
„legte ich ihr eine todte Ackermaus in ihr Behältniß. Sie begann ſogleich, an ihr zu nagen, und
hatte in kurzer Zeit ein ſo tiefes Loch gefreſſen, daß ſie zu dem Herzen gelangen konnte, welches ſie auch
fraß. Dann verſpeiſte ſie noch einen Theil der Bruſt und der Eingeweide und ließ das Uebrige
liegen. Sie hielt, wie ich Dies bei anderen Spitzmäuſen beobachtet habe, beſtändig den Rüſſel in die
Höhe und ſchnüffelte unaufhörlich, um etwas für ſie Genießbares zu erſpähen. Hörte ſie ein Ge-
räuſch, ſo verbarg ſie ſich ſehr ſchnell in dem Schlupfwinkel, welchen ich für ſie angebracht hatte. Sie
that ſo hohe Sprünge, daß ſie aus einer großen, blechernen Gießkanne, in welcher ich ſie erſt hatte,
faſt entkam. Am erſten Tage kam ſie ſtets trocken aus dem Waſſer hervor, am zweiten Tage war
Dies ſchon weniger und kurz vor ihrem Tode faſt gar nicht mehr der Fall. Sie war ſehr biſſig und
blieb, bis ſie ganz ermattete, ſcheu und wild.‟



Jn der letzten Sippe begegnen wir wieder höchſt merkwürdig geſtalteten Thieren, welche nur
noch in der Familie der Maulwürfe durch ähnliche Formen vertreten ſind. Die Biſamſpitzmäuſe
(Myogale), wie man ſie genannt hat, ſind eigentlich noch mehr Waſſerbewohner, als die Waſſer-
ſpitzmäuſe, wenn man auch nicht ſagen kann, daß ſie in ihrem Elemente heimiſcher wären, als dieſe.
Aber ſchon der erſte Blick auf ihre Geſtalt und namentlich auf die Füße kündet ſie als Waſſerbewohner
im vollſten Sinne. Jhr Körperbau iſt gedrungener, als bei den übrigen Spitzmäuſen; der Hals iſt
außerordentlich kurz, ebenſo dick, als der Leib, und von dieſem nicht zu unterſcheiden. Dabei ruht
dieſer auf niedrigen Beinen, deren fünf Zehen durch eine lange Schwimmhaut mit einander verbunden
ſind; die Hinterbeine ſind länger, als die vorderen; der Schwanz iſt länglich gerundet, gegen das
Ende ruderartig zuſammengedrückt, geringelt und geſchuppt und nur ſpärlich mit Haaren beſetzt; die
äußeren Ohren fehlen und die Augen ſind ſehr klein. Das Merkwürdigſte am ganzen Thiere iſt die
Naſe, welche noch eher ein Rüſſel genannt werden kann, wie bei den Rohrrüßlern. Sie beſteht aus
zwei langen, dünnen, verſchmolzenen, knorpligen Röhren, welche aber durch Hilfe zwei größerer und
drei kleinerer Muskeln auf jeder Seite nach allen Richtungen ſich bewegen und zu den verſchieden-
artigſten Zwecken gebraucht werden können, namentlich zu dem Betaſten aller Gegenſtände. Jn
dieſem Rüſſel ſcheinen alle übrigen Sinne vertreten zu ſein, und ſomit iſt die Biſamſpitzmaus als
echtes Naſenthier zu betrachten. Die Lippen ſind fleiſchig und ſchlaff. Unter der Schwanzwurzel
liegt eine zwei Linien große Moſchusdrüſe, welche aus zwanzig bis vierzig Säckchen beſteht, deren
jedes einen oben bauchigen und einen unten ſchmälern Theil hat und in der Wandung viele Drüſen-

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[678/0756] Die Raubthiere. Spitzmäuſe. — Waſſerſpitzmaus. Biſamſpitzmaus. ſuchte, es kam eine um die andere nach ihr. Dies bewog den Beſitzer einen vergifteten Karpfenkopf in den Kaſten zu legen, mit welchem er auch mehrere Waſſerſpitzmäuſe umbrachte.‟ Etwa drei Wochen nach der Paarung wirft das Weibchen ſechs bis acht blinde Junge in ein Neſt, welches in ſelbſt gegrabenen Löchern in den Uferrändern der Teiche oder Bäche ſteht und mit dürrem Moſe, Grashalmen oder Baumblättern ausgefüttert iſt. Jm Verlauf von fünf bis ſechs Wochen ſind die Jungen ſoweit ausgewachſen, daß ſie ſchon mit auf die Kerbthierjagd ausziehen können. Dann paart ſich die Mutter wahrſcheinlich zum zweiten Male und zieht eine neue Brut heran. Die Feinde der Waſſerſpitzmaus ſind faſt dieſelben, welche wir bei der gemeinen Spitzmaus kennen lernten. Bei Tage geſchieht jenen gewöhnlich Nichts zu Leide; wenn ſie aber des Nachts am Ufer herumlaufen, werden ſie oft eine Beute der Eulen und Katzen. Nur die Erſteren verzehren ſie, die Letzteren tödten ſie blos und werfen ſie, ihres Moſchusgeruches wegen, dann weg. Der Forſcher, welcher Waſſerſpitzmäuſe ſammeln will, braucht deshalb blos jeden Morgen die Ufer der Teiche abzu- ſuchen; er findet dann in kurzer Zeit ſoviel Leichname dieſer Art, als er braucht. Jn der Gefangenſchaft können die Waſſerſpitzmäuſe nicht lange am Leben erhalten werden. Mein Vater hatte mehrmals Waſſerſpitzmäuſe lebendig, doch ſtarben alle ſchon nach wenigen Tagen. Die- jenige, welche am längſten lebte, wurde beobachtet. „Da ſie ſehr hungrig ſchien,‟ ſagt mein Vater, „legte ich ihr eine todte Ackermaus in ihr Behältniß. Sie begann ſogleich, an ihr zu nagen, und hatte in kurzer Zeit ein ſo tiefes Loch gefreſſen, daß ſie zu dem Herzen gelangen konnte, welches ſie auch fraß. Dann verſpeiſte ſie noch einen Theil der Bruſt und der Eingeweide und ließ das Uebrige liegen. Sie hielt, wie ich Dies bei anderen Spitzmäuſen beobachtet habe, beſtändig den Rüſſel in die Höhe und ſchnüffelte unaufhörlich, um etwas für ſie Genießbares zu erſpähen. Hörte ſie ein Ge- räuſch, ſo verbarg ſie ſich ſehr ſchnell in dem Schlupfwinkel, welchen ich für ſie angebracht hatte. Sie that ſo hohe Sprünge, daß ſie aus einer großen, blechernen Gießkanne, in welcher ich ſie erſt hatte, faſt entkam. Am erſten Tage kam ſie ſtets trocken aus dem Waſſer hervor, am zweiten Tage war Dies ſchon weniger und kurz vor ihrem Tode faſt gar nicht mehr der Fall. Sie war ſehr biſſig und blieb, bis ſie ganz ermattete, ſcheu und wild.‟ Jn der letzten Sippe begegnen wir wieder höchſt merkwürdig geſtalteten Thieren, welche nur noch in der Familie der Maulwürfe durch ähnliche Formen vertreten ſind. Die Biſamſpitzmäuſe (Myogale), wie man ſie genannt hat, ſind eigentlich noch mehr Waſſerbewohner, als die Waſſer- ſpitzmäuſe, wenn man auch nicht ſagen kann, daß ſie in ihrem Elemente heimiſcher wären, als dieſe. Aber ſchon der erſte Blick auf ihre Geſtalt und namentlich auf die Füße kündet ſie als Waſſerbewohner im vollſten Sinne. Jhr Körperbau iſt gedrungener, als bei den übrigen Spitzmäuſen; der Hals iſt außerordentlich kurz, ebenſo dick, als der Leib, und von dieſem nicht zu unterſcheiden. Dabei ruht dieſer auf niedrigen Beinen, deren fünf Zehen durch eine lange Schwimmhaut mit einander verbunden ſind; die Hinterbeine ſind länger, als die vorderen; der Schwanz iſt länglich gerundet, gegen das Ende ruderartig zuſammengedrückt, geringelt und geſchuppt und nur ſpärlich mit Haaren beſetzt; die äußeren Ohren fehlen und die Augen ſind ſehr klein. Das Merkwürdigſte am ganzen Thiere iſt die Naſe, welche noch eher ein Rüſſel genannt werden kann, wie bei den Rohrrüßlern. Sie beſteht aus zwei langen, dünnen, verſchmolzenen, knorpligen Röhren, welche aber durch Hilfe zwei größerer und drei kleinerer Muskeln auf jeder Seite nach allen Richtungen ſich bewegen und zu den verſchieden- artigſten Zwecken gebraucht werden können, namentlich zu dem Betaſten aller Gegenſtände. Jn dieſem Rüſſel ſcheinen alle übrigen Sinne vertreten zu ſein, und ſomit iſt die Biſamſpitzmaus als echtes Naſenthier zu betrachten. Die Lippen ſind fleiſchig und ſchlaff. Unter der Schwanzwurzel liegt eine zwei Linien große Moſchusdrüſe, welche aus zwanzig bis vierzig Säckchen beſteht, deren jedes einen oben bauchigen und einen unten ſchmälern Theil hat und in der Wandung viele Drüſen-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/756>, abgerufen am 24.11.2024.