geopferten Thieres in dem abscheulichen Gefäugniß währen konnte, so kräftig war doch die Wirkung; denn von diesem Augenblick an erhielt die Esche ihre übernatürlichen Kräfte.
Wie verbreitet und allgemein geglaubt dieser Unsinn in der Vorzeit war, geht aus der "Ge- schichte der vierfüßigen Thiere und der Schlangen von Topsel" hervor, welche im Jahre 1658 zu London erschien. Dieser spaßhafte alte Thierkundige sagt über die Spitzmaus in jenem Buche un- gefähr Folgendes:
"Sie ist ein raubgieriges Vieh, heuchelt aber Liebenswürdigkeit und Zahmheit; doch beißt sie tief und vergiftet tödlich, so wie sie berührt wird. Grausamen Wesens, sucht sie jedem Dinge zu schaden, und es giebt kein Geschöpf, welches von ihr geliebt wird, noch eins, welches sie lieben sollte; denn alle Thiere fürchten sie. Die Katzen jagen und tödten sie, aber sie fressen sie nicht; denn wenn sie Dieses thun wollten, würden sie vergehen und sterben. Wenn die Spitzmäuse in ein Fahrgeleise fallen, müssen sie ihr Leben lassen; denn sie können nicht wieder weggehen, Dies bezeugen Marcellus,
[Abbildung]
Die toskanische Wimverspitzmaus (Pachyura etrusea. -- Siehe Seite 674.)
Ricander und Plinius, und die Ursache davon wird von Philes gegeben, welcher sagt, daß sie sich in einem Geleise so erschöpft und bedroht fühlen, als wären sie in Banden geschlagen. Eben deshalb haben die Alten auch die Erde aus Fahrgeleisen als Gegenmittel für den Mäusebiß verschrieben. Man hat aber noch mehrere Mittel, wie bei andern Krankheiten, um die Wirkung ihres Giftes zu heilen, und diese Mittel dienen zugleich auch noch, um allerlei Uebel zu heben. Eine Spitzmans, welche aus irgend einer Ursache in ein Geleis gefallen und dort gestorben ist, wird verbrannt, zerstampft und dann mit Staub und Gänsesett vermischt: -- solche Salbe heilt alle Entzündungen unfehlbar. Eine Spitzmaus, welche getödtet und so aufgehängt worden ist, daß sie weder jetzt noch später den Grund berührt, hilft Denen, deren Leib mit Geschwüren und Beulen bedeckt ist, wenn sie die wunde Stelle drei Male mit dem Leichnam des Thieres berühren. Auch eine Spitzmaus, welche todt gefunden und in Leinen-, Wollen- oder anderes Zeug eingewickelt worden ist, heilt Schwären und andere Ent- zündungen. Der Schwanz der Spitzmaus, welcher zu Pulver gebrannt und zur Salbe verwandt
Brehm, Thierleben. 43
Unverträglichkeit. Fortpflanzung. Aberglaube.
geopferten Thieres in dem abſcheulichen Gefäugniß währen konnte, ſo kräftig war doch die Wirkung; denn von dieſem Augenblick an erhielt die Eſche ihre übernatürlichen Kräfte.
Wie verbreitet und allgemein geglaubt dieſer Unſinn in der Vorzeit war, geht aus der „Ge- ſchichte der vierfüßigen Thiere und der Schlangen von Topſel‟ hervor, welche im Jahre 1658 zu London erſchien. Dieſer ſpaßhafte alte Thierkundige ſagt über die Spitzmaus in jenem Buche un- gefähr Folgendes:
„Sie iſt ein raubgieriges Vieh, heuchelt aber Liebenswürdigkeit und Zahmheit; doch beißt ſie tief und vergiftet tödlich, ſo wie ſie berührt wird. Grauſamen Weſens, ſucht ſie jedem Dinge zu ſchaden, und es giebt kein Geſchöpf, welches von ihr geliebt wird, noch eins, welches ſie lieben ſollte; denn alle Thiere fürchten ſie. Die Katzen jagen und tödten ſie, aber ſie freſſen ſie nicht; denn wenn ſie Dieſes thun wollten, würden ſie vergehen und ſterben. Wenn die Spitzmäuſe in ein Fahrgeleiſe fallen, müſſen ſie ihr Leben laſſen; denn ſie können nicht wieder weggehen, Dies bezeugen Marcellus,
[Abbildung]
Die toskaniſche Wimverſpitzmaus (Pachyura etrusea. — Siehe Seite 674.)
Ricander und Plinius, und die Urſache davon wird von Philes gegeben, welcher ſagt, daß ſie ſich in einem Geleiſe ſo erſchöpft und bedroht fühlen, als wären ſie in Banden geſchlagen. Eben deshalb haben die Alten auch die Erde aus Fahrgeleiſen als Gegenmittel für den Mäuſebiß verſchrieben. Man hat aber noch mehrere Mittel, wie bei andern Krankheiten, um die Wirkung ihres Giftes zu heilen, und dieſe Mittel dienen zugleich auch noch, um allerlei Uebel zu heben. Eine Spitzmans, welche aus irgend einer Urſache in ein Geleis gefallen und dort geſtorben iſt, wird verbrannt, zerſtampft und dann mit Staub und Gänſeſett vermiſcht: — ſolche Salbe heilt alle Entzündungen unfehlbar. Eine Spitzmaus, welche getödtet und ſo aufgehängt worden iſt, daß ſie weder jetzt noch ſpäter den Grund berührt, hilft Denen, deren Leib mit Geſchwüren und Beulen bedeckt iſt, wenn ſie die wunde Stelle drei Male mit dem Leichnam des Thieres berühren. Auch eine Spitzmaus, welche todt gefunden und in Leinen-, Wollen- oder anderes Zeug eingewickelt worden iſt, heilt Schwären und andere Ent- zündungen. Der Schwanz der Spitzmaus, welcher zu Pulver gebrannt und zur Salbe verwandt
Brehm, Thierleben. 43
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0751"n="673"/><fwplace="top"type="header">Unverträglichkeit. Fortpflanzung. Aberglaube.</fw><lb/>
geopferten Thieres in dem abſcheulichen Gefäugniß währen konnte, ſo kräftig war doch die Wirkung;<lb/>
denn von dieſem Augenblick an erhielt die Eſche ihre übernatürlichen Kräfte.</p><lb/><p>Wie verbreitet und allgemein geglaubt dieſer Unſinn in der Vorzeit war, geht aus der „Ge-<lb/>ſchichte der vierfüßigen Thiere und der Schlangen von <hirendition="#g">Topſel</hi>‟ hervor, welche im Jahre 1658 zu<lb/>
London erſchien. Dieſer ſpaßhafte alte Thierkundige ſagt über die Spitzmaus in jenem Buche un-<lb/>
gefähr Folgendes:</p><lb/><p>„Sie iſt ein raubgieriges Vieh, heuchelt aber Liebenswürdigkeit und Zahmheit; doch beißt ſie tief<lb/>
und vergiftet tödlich, ſo wie ſie berührt wird. Grauſamen Weſens, ſucht ſie jedem Dinge zu ſchaden,<lb/>
und es giebt kein Geſchöpf, welches von ihr geliebt wird, noch eins, welches ſie lieben ſollte; denn<lb/>
alle Thiere fürchten ſie. Die Katzen jagen und tödten ſie, aber ſie freſſen ſie nicht; denn wenn ſie<lb/>
Dieſes thun wollten, würden ſie vergehen und ſterben. Wenn die Spitzmäuſe in ein Fahrgeleiſe fallen,<lb/>
müſſen ſie ihr Leben laſſen; denn ſie können nicht wieder weggehen, Dies bezeugen <hirendition="#g">Marcellus,</hi><lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Die toskaniſche Wimverſpitzmaus</hi> (<hirendition="#aq">Pachyura etrusea.</hi>— Siehe Seite 674.)</hi></head></figure><lb/><hirendition="#g">Ricander</hi> und <hirendition="#g">Plinius,</hi> und die Urſache davon wird von <hirendition="#g">Philes</hi> gegeben, welcher ſagt, daß ſie ſich<lb/>
in einem Geleiſe ſo erſchöpft und bedroht fühlen, als wären ſie in Banden geſchlagen. Eben deshalb<lb/>
haben die Alten auch die Erde aus Fahrgeleiſen als Gegenmittel für den Mäuſebiß verſchrieben.<lb/>
Man hat aber noch mehrere Mittel, wie bei andern Krankheiten, um die Wirkung ihres Giftes zu<lb/>
heilen, und dieſe Mittel dienen zugleich auch noch, um allerlei Uebel zu heben. Eine Spitzmans, welche<lb/>
aus irgend einer Urſache in ein Geleis gefallen und dort geſtorben iſt, wird verbrannt, zerſtampft und<lb/>
dann mit Staub und Gänſeſett vermiſcht: —ſolche Salbe heilt alle Entzündungen unfehlbar. Eine<lb/>
Spitzmaus, welche getödtet und ſo aufgehängt worden iſt, daß ſie weder jetzt noch ſpäter den Grund<lb/>
berührt, hilft Denen, deren Leib mit Geſchwüren und Beulen bedeckt iſt, wenn ſie die wunde Stelle<lb/>
drei Male mit dem Leichnam des Thieres berühren. Auch eine Spitzmaus, welche todt gefunden und<lb/>
in Leinen-, Wollen- oder anderes Zeug eingewickelt worden iſt, heilt Schwären und andere Ent-<lb/>
zündungen. Der Schwanz der Spitzmaus, welcher zu Pulver gebrannt und zur Salbe verwandt<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. 43</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[673/0751]
Unverträglichkeit. Fortpflanzung. Aberglaube.
geopferten Thieres in dem abſcheulichen Gefäugniß währen konnte, ſo kräftig war doch die Wirkung;
denn von dieſem Augenblick an erhielt die Eſche ihre übernatürlichen Kräfte.
Wie verbreitet und allgemein geglaubt dieſer Unſinn in der Vorzeit war, geht aus der „Ge-
ſchichte der vierfüßigen Thiere und der Schlangen von Topſel‟ hervor, welche im Jahre 1658 zu
London erſchien. Dieſer ſpaßhafte alte Thierkundige ſagt über die Spitzmaus in jenem Buche un-
gefähr Folgendes:
„Sie iſt ein raubgieriges Vieh, heuchelt aber Liebenswürdigkeit und Zahmheit; doch beißt ſie tief
und vergiftet tödlich, ſo wie ſie berührt wird. Grauſamen Weſens, ſucht ſie jedem Dinge zu ſchaden,
und es giebt kein Geſchöpf, welches von ihr geliebt wird, noch eins, welches ſie lieben ſollte; denn
alle Thiere fürchten ſie. Die Katzen jagen und tödten ſie, aber ſie freſſen ſie nicht; denn wenn ſie
Dieſes thun wollten, würden ſie vergehen und ſterben. Wenn die Spitzmäuſe in ein Fahrgeleiſe fallen,
müſſen ſie ihr Leben laſſen; denn ſie können nicht wieder weggehen, Dies bezeugen Marcellus,
[Abbildung Die toskaniſche Wimverſpitzmaus (Pachyura etrusea. — Siehe Seite 674.)]
Ricander und Plinius, und die Urſache davon wird von Philes gegeben, welcher ſagt, daß ſie ſich
in einem Geleiſe ſo erſchöpft und bedroht fühlen, als wären ſie in Banden geſchlagen. Eben deshalb
haben die Alten auch die Erde aus Fahrgeleiſen als Gegenmittel für den Mäuſebiß verſchrieben.
Man hat aber noch mehrere Mittel, wie bei andern Krankheiten, um die Wirkung ihres Giftes zu
heilen, und dieſe Mittel dienen zugleich auch noch, um allerlei Uebel zu heben. Eine Spitzmans, welche
aus irgend einer Urſache in ein Geleis gefallen und dort geſtorben iſt, wird verbrannt, zerſtampft und
dann mit Staub und Gänſeſett vermiſcht: — ſolche Salbe heilt alle Entzündungen unfehlbar. Eine
Spitzmaus, welche getödtet und ſo aufgehängt worden iſt, daß ſie weder jetzt noch ſpäter den Grund
berührt, hilft Denen, deren Leib mit Geſchwüren und Beulen bedeckt iſt, wenn ſie die wunde Stelle
drei Male mit dem Leichnam des Thieres berühren. Auch eine Spitzmaus, welche todt gefunden und
in Leinen-, Wollen- oder anderes Zeug eingewickelt worden iſt, heilt Schwären und andere Ent-
zündungen. Der Schwanz der Spitzmaus, welcher zu Pulver gebrannt und zur Salbe verwandt
Brehm, Thierleben. 43
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/751>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.