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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Kurze Beschreibungen.

Der Federschwanz (Ptilocerus Lowii) ist ein Spitzhörnchen mit langem Rattenschwanz, dessen
letztes Dritttheil zweizeilig mit starren Haaren besetzt ist. Den Spitzhörnchen ähnelt das merkwürdige
Thierchen, welches gegenwärtig als Vertreter einer eignen Sippe gilt, so außerordentlich, daß man
es aufangs unter ihnen einreihte, bis man in dem eigenthümlichen Schwanze, dessen straffe Haare an
den Federbesatz eines Pfeiles erinnern, sowie in dem einigermaßen verschiedenen Gebiß Unterschiede
auffand, welche eine Trennung von den Spitzhörnchen rechtfertigen. Man kennt blos eine einzige
Art, welche von dem Naturforscher Low in dem Hause des berühmten Rajah von Sarawak, Sir
James Brooke gefangen wurde und seinen Namen zu Ehren des Entdeckers erhielt. Bisher hat
man das Thier blos auf Vorneo und zwar sehr selten gefunden und über seine Lebensweise noch
nichts Gewisses erfahren.

Jn der Größe kommt der Federschwanz einer kleinen Ratte ungefähr gleich; die Leibeslänge
beträgt 51/2, die des Schwanzes etwa 7 Zoll; das Fell ist außerordentlich fein und weich. Seine
Färbung ist oben schwärzlichbraun, fein gelblich gesprenkelt, an der Unterseite lichter, fast hellgelb;
der Schwanz ist schwarz, mit weißlicher Endfahne. Dieses Anhängsel ist offenbar das Merkwürdigste
am ganzen Thiere, es erinnert lebhaft an die Schwänze der Wüstenmäuse, welche, wenn man so

[Abbildung] Der Federschwanz (Ptilocerus Lowii).
sagen darf, genau nach demselben Grundsatz gebaut sind. Zwei Dritttheile des so langen Gliedes
sind vollkommen haarlos, während das letzte Drittel sehr lange, borstenähnliche Haare zeigt. Daß
dieser Schwanz dem Thiere beim Klettern vortreffliche Dienste leistet und zur Vermittlung des Gleich-
gewichts benutzt werden kann, leuchtet ein, und daraus geht wohl auch hervor, daß der Federschwanz
ein vortrefflicher Kletterer ist. Das Gebiß weist auf Kerbthiernahrung hin: -- mit diesen Schlüssen
müssen wir uns begnügen.



Viel genauer, obgleich noch keineswegs hinläuglich bekannt sind die Rohrrüßler (Macroselides),
welche eine der eigenthümlichsten Sippen der ganzen Familie bilden. Während die vorhergehenden
Thierchen den Schwanz der Springmäuse haben, besitzen die Rohrrüßler deren lange, dünne und
fast haarlose Hinterbeine und dazu die längste Nase unter allen Spitzmäusen, eine Nase, welche zu
einem förmlichen Rüssel geworden ist und ihnen auch den deutschen Namen verschafft hat, während der
Sippenname soviel wie Langschenkel bedeutet. Die Engländer neunen sie "Elefantenspitz-
mäufe.
" Der Rüssel zeigt in der Mitte nur einen dünnen Haaranflug und an der Wurzel einen

Kurze Beſchreibungen.

Der Federſchwanz (Ptilocerus Lowii) iſt ein Spitzhörnchen mit langem Rattenſchwanz, deſſen
letztes Dritttheil zweizeilig mit ſtarren Haaren beſetzt iſt. Den Spitzhörnchen ähnelt das merkwürdige
Thierchen, welches gegenwärtig als Vertreter einer eignen Sippe gilt, ſo außerordentlich, daß man
es aufangs unter ihnen einreihte, bis man in dem eigenthümlichen Schwanze, deſſen ſtraffe Haare an
den Federbeſatz eines Pfeiles erinnern, ſowie in dem einigermaßen verſchiedenen Gebiß Unterſchiede
auffand, welche eine Trennung von den Spitzhörnchen rechtfertigen. Man kennt blos eine einzige
Art, welche von dem Naturforſcher Low in dem Hauſe des berühmten Rajah von Sarawak, Sir
James Brooke gefangen wurde und ſeinen Namen zu Ehren des Entdeckers erhielt. Bisher hat
man das Thier blos auf Vorneo und zwar ſehr ſelten gefunden und über ſeine Lebensweiſe noch
nichts Gewiſſes erfahren.

Jn der Größe kommt der Federſchwanz einer kleinen Ratte ungefähr gleich; die Leibeslänge
beträgt 5½, die des Schwanzes etwa 7 Zoll; das Fell iſt außerordentlich fein und weich. Seine
Färbung iſt oben ſchwärzlichbraun, fein gelblich geſprenkelt, an der Unterſeite lichter, faſt hellgelb;
der Schwanz iſt ſchwarz, mit weißlicher Endfahne. Dieſes Anhängſel iſt offenbar das Merkwürdigſte
am ganzen Thiere, es erinnert lebhaft an die Schwänze der Wüſtenmäuſe, welche, wenn man ſo

[Abbildung] Der Federſchwanz (Ptilocerus Lowii).
ſagen darf, genau nach demſelben Grundſatz gebaut ſind. Zwei Dritttheile des ſo langen Gliedes
ſind vollkommen haarlos, während das letzte Drittel ſehr lange, borſtenähnliche Haare zeigt. Daß
dieſer Schwanz dem Thiere beim Klettern vortreffliche Dienſte leiſtet und zur Vermittlung des Gleich-
gewichts benutzt werden kann, leuchtet ein, und daraus geht wohl auch hervor, daß der Federſchwanz
ein vortrefflicher Kletterer iſt. Das Gebiß weiſt auf Kerbthiernahrung hin: — mit dieſen Schlüſſen
müſſen wir uns begnügen.



Viel genauer, obgleich noch keineswegs hinläuglich bekannt ſind die Rohrrüßler (Macroselides),
welche eine der eigenthümlichſten Sippen der ganzen Familie bilden. Während die vorhergehenden
Thierchen den Schwanz der Springmäuſe haben, beſitzen die Rohrrüßler deren lange, dünne und
faſt haarloſe Hinterbeine und dazu die längſte Naſe unter allen Spitzmäuſen, eine Naſe, welche zu
einem förmlichen Rüſſel geworden iſt und ihnen auch den deutſchen Namen verſchafft hat, während der
Sippenname ſoviel wie Langſchenkel bedeutet. Die Engländer neunen ſie „Elefantenſpitz-
mäufe.
‟ Der Rüſſel zeigt in der Mitte nur einen dünnen Haaranflug und an der Wurzel einen

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[665/0743] Kurze Beſchreibungen. Der Federſchwanz (Ptilocerus Lowii) iſt ein Spitzhörnchen mit langem Rattenſchwanz, deſſen letztes Dritttheil zweizeilig mit ſtarren Haaren beſetzt iſt. Den Spitzhörnchen ähnelt das merkwürdige Thierchen, welches gegenwärtig als Vertreter einer eignen Sippe gilt, ſo außerordentlich, daß man es aufangs unter ihnen einreihte, bis man in dem eigenthümlichen Schwanze, deſſen ſtraffe Haare an den Federbeſatz eines Pfeiles erinnern, ſowie in dem einigermaßen verſchiedenen Gebiß Unterſchiede auffand, welche eine Trennung von den Spitzhörnchen rechtfertigen. Man kennt blos eine einzige Art, welche von dem Naturforſcher Low in dem Hauſe des berühmten Rajah von Sarawak, Sir James Brooke gefangen wurde und ſeinen Namen zu Ehren des Entdeckers erhielt. Bisher hat man das Thier blos auf Vorneo und zwar ſehr ſelten gefunden und über ſeine Lebensweiſe noch nichts Gewiſſes erfahren. Jn der Größe kommt der Federſchwanz einer kleinen Ratte ungefähr gleich; die Leibeslänge beträgt 5½, die des Schwanzes etwa 7 Zoll; das Fell iſt außerordentlich fein und weich. Seine Färbung iſt oben ſchwärzlichbraun, fein gelblich geſprenkelt, an der Unterſeite lichter, faſt hellgelb; der Schwanz iſt ſchwarz, mit weißlicher Endfahne. Dieſes Anhängſel iſt offenbar das Merkwürdigſte am ganzen Thiere, es erinnert lebhaft an die Schwänze der Wüſtenmäuſe, welche, wenn man ſo [Abbildung Der Federſchwanz (Ptilocerus Lowii).] ſagen darf, genau nach demſelben Grundſatz gebaut ſind. Zwei Dritttheile des ſo langen Gliedes ſind vollkommen haarlos, während das letzte Drittel ſehr lange, borſtenähnliche Haare zeigt. Daß dieſer Schwanz dem Thiere beim Klettern vortreffliche Dienſte leiſtet und zur Vermittlung des Gleich- gewichts benutzt werden kann, leuchtet ein, und daraus geht wohl auch hervor, daß der Federſchwanz ein vortrefflicher Kletterer iſt. Das Gebiß weiſt auf Kerbthiernahrung hin: — mit dieſen Schlüſſen müſſen wir uns begnügen. Viel genauer, obgleich noch keineswegs hinläuglich bekannt ſind die Rohrrüßler (Macroselides), welche eine der eigenthümlichſten Sippen der ganzen Familie bilden. Während die vorhergehenden Thierchen den Schwanz der Springmäuſe haben, beſitzen die Rohrrüßler deren lange, dünne und faſt haarloſe Hinterbeine und dazu die längſte Naſe unter allen Spitzmäuſen, eine Naſe, welche zu einem förmlichen Rüſſel geworden iſt und ihnen auch den deutſchen Namen verſchafft hat, während der Sippenname ſoviel wie Langſchenkel bedeutet. Die Engländer neunen ſie „Elefantenſpitz- mäufe.‟ Der Rüſſel zeigt in der Mitte nur einen dünnen Haaranflug und an der Wurzel einen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/743>, abgerufen am 24.11.2024.