Der Jgel ist sehr leicht zu zähmen. Man braucht ihn blos wegzunehmen und an einen ihm passenden Ort zu bringen. Hier gewohnt er bald ein und verliert in kürzester Zeit alle Scheu vor dem Menschen. Nahrung nimmt er ohne weiteres zu sich und sucht auch selbst in Haus und Hof oder noch mehr in Scheunen und Schuppen nach solcher umher. Tschudi bezweifelt zwar, daß er zum Mäusefang gebraucht werden kann, weil er einen Jgel besaß, welcher mit einer Maus zugleich aus einer Schüssel fraß. Dies beweist jedoch Nichts, da zahlreiche Beobachtungen dargethan haben, daß der Jgel ein ganz tüchtiger Mäusejäger ist. Jn manchen Gegenden wird er zu diesem Geschäft gerade sehr gesucht und namentlich in Niederlagen verwendet, in denen man keine Katze halten mag, weil diese oft die üble Gewohnheit hat, mit ihrem stinkenden Harn kostbare Zeuge zu verderben. Jch habe auch Jgel im Käfig gehalten, welche Tage lang mit Mäufen zusammenlebten und mit ihnen Semmelmilch fraßen; schließlich fiel es ihnen aber doch ein, ihre Kameraden abzuwürgen und zu verspeisen. Zur Vertilgung lästiger Kerbthiere, zumal zum Aufzehren der häßlichen Küchenschaben ist der Jgel ganz vortrefflich geeignet, und er liegt seinem Geschäft mit größtem Eifer ob. Wenn er nur einigermaßen freundlich und verständig behandelt wird und für ein recht verborgenes Schlupf- winkelchen gesorgt worden ist, befindet er sich sehr wohl in seinem Gefängnisse.
"Ein Jgel," erzählt Wood, "welcher einige Jahre in unserm Hause lebte, mußte ein wirkliches Nomadenleben führen, weil er beständig von unseren Freunden zur Vertilgung von Küchenschaben entliehen wurde und so ohne Unterlaß von einem Hause zum andern wanderte. Das Thier war be- wundernswürdig zahm, und kam selbst bei hellem lichten Tage, um seine Milchsemmeln zu ver- zehren. Nicht selten unternahm er kleine Lustwanderungen im Garten, steckte hier seine scharfe Nase in jedes Loch, in jeden Winkel oder drehte jedes abgefallene Blatt auf seinem Wege um, nach Nahrung spürend. Sobald er einen fremden Fußtritt hörte, kugelte er sich sofort zusammen und verharrte dann mehrere Minuten in dieser Lage, bis die Gefahr vorüber schien. Vor uns fürchtete er sich bald nicht im geringsten mehr und lief auch in unserer Gegenwart ruhig auf und nieder. Wahrscheinlich würde das hübsche Thier noch länger gelebt haben, hätte nicht ein unvorhergesehener, alberner Zufall ihm sein Leben genommen. Jn dem Gartenschuppen wurden nämlich stets eine große Menge von Bohnen- stangen aufbewahrt und gewöhnlich sehr liederlich über einander geworfen. Der hierdurch entstehende Reisighaufen übte auf unsern Jgel eine besondere Anziehungskraft. Wir durften, wenn er einige Tage verschwunden war, sicher darauf rechnen, ihn dort zu finden. Als wir ihn eines Morgens ebenfalls suchten, fanden wir den armen Burschen an der Gabel einer Stange erhängt. Er hatte wahrscheinlich auf den Haufen klettern wollen, war aber heruntergefallen, zwischen die Gabel ein- gepreßt worden, und hatte sich nicht befreien können. Der Kummer über diesen Verlust war groß, und niemals haben wir wieder einen so gemüthlichen Hausgenossen gehabt, als ihn."
Unangenehm werden die im Haus gehaltenen Jgel durch ihr langweiliges Gepolter bei Nacht. Jhr täppisches Wesen zeigt sich bei allen ihren Streifereien, ja bei jeder Bewegung. Von dem geister- haften Gang der Katzen findet sich bei ihm keine Spur. Auch ist er ein unreinlicher Bursche, und der widrige, bisamähnliche Geruch, den er verbreitet, ist keineswegs angenehm. Dagegen erfreut er wieder durch seine Drolligkeit und einen hohen Grad von Zähmung, welchen er erlangen kann. Der gefangene Jgel gewöhnt sich sehr leicht an die allerverschiedenartigste Nahrung und ebenso auch an ganz verschiedenartige Getränke. Milch liebt er ganz besonders, aber er verschmäht auch geistige Getränke nicht und thut nicht selten hierin des Guten zu viel. Dr.Ball erzählt von seinen Be- obachtungen, welche er an den Jgeln machte, mancherlei lustige Dinge, und unter anderen auch, daß er dieselben mehr als einmal in Rausch versetzte. Er gab einem starken Wein, ja selbst Branntwein zu trinken, und der Jgel nahm davon solche Mengen zu sich, daß er sehr bald vollkommen betrunken wurde. Ein frisch gefangener Jgel soll nach dem ersten Rausch, den er gehabt, augenblicklich zahm geworden sein, und der genannte Beobachter hat deshalb späterhin alle seine Jgel zunächst mit süßem Branntwein, Rum oder Wein bewirthet. "Mein Bürschchen," sagt er, "benahm sich ganz wie ein trunkner Mensch. Er war vollkommen von Sinnen, und sein sonst so dunkles, aber harmloses Auge
Die Raubthiere. Jgel. — Gemeiner Jgel.
Der Jgel iſt ſehr leicht zu zähmen. Man braucht ihn blos wegzunehmen und an einen ihm paſſenden Ort zu bringen. Hier gewohnt er bald ein und verliert in kürzeſter Zeit alle Scheu vor dem Menſchen. Nahrung nimmt er ohne weiteres zu ſich und ſucht auch ſelbſt in Haus und Hof oder noch mehr in Scheunen und Schuppen nach ſolcher umher. Tſchudi bezweifelt zwar, daß er zum Mäuſefang gebraucht werden kann, weil er einen Jgel beſaß, welcher mit einer Maus zugleich aus einer Schüſſel fraß. Dies beweiſt jedoch Nichts, da zahlreiche Beobachtungen dargethan haben, daß der Jgel ein ganz tüchtiger Mäuſejäger iſt. Jn manchen Gegenden wird er zu dieſem Geſchäft gerade ſehr geſucht und namentlich in Niederlagen verwendet, in denen man keine Katze halten mag, weil dieſe oft die üble Gewohnheit hat, mit ihrem ſtinkenden Harn koſtbare Zeuge zu verderben. Jch habe auch Jgel im Käfig gehalten, welche Tage lang mit Mäufen zuſammenlebten und mit ihnen Semmelmilch fraßen; ſchließlich fiel es ihnen aber doch ein, ihre Kameraden abzuwürgen und zu verſpeiſen. Zur Vertilgung läſtiger Kerbthiere, zumal zum Aufzehren der häßlichen Küchenſchaben iſt der Jgel ganz vortrefflich geeignet, und er liegt ſeinem Geſchäft mit größtem Eifer ob. Wenn er nur einigermaßen freundlich und verſtändig behandelt wird und für ein recht verborgenes Schlupf- winkelchen geſorgt worden iſt, befindet er ſich ſehr wohl in ſeinem Gefängniſſe.
„Ein Jgel,‟ erzählt Wood, „welcher einige Jahre in unſerm Hauſe lebte, mußte ein wirkliches Nomadenleben führen, weil er beſtändig von unſeren Freunden zur Vertilgung von Küchenſchaben entliehen wurde und ſo ohne Unterlaß von einem Hauſe zum andern wanderte. Das Thier war be- wundernswürdig zahm, und kam ſelbſt bei hellem lichten Tage, um ſeine Milchſemmeln zu ver- zehren. Nicht ſelten unternahm er kleine Luſtwanderungen im Garten, ſteckte hier ſeine ſcharfe Naſe in jedes Loch, in jeden Winkel oder drehte jedes abgefallene Blatt auf ſeinem Wege um, nach Nahrung ſpürend. Sobald er einen fremden Fußtritt hörte, kugelte er ſich ſofort zuſammen und verharrte dann mehrere Minuten in dieſer Lage, bis die Gefahr vorüber ſchien. Vor uns fürchtete er ſich bald nicht im geringſten mehr und lief auch in unſerer Gegenwart ruhig auf und nieder. Wahrſcheinlich würde das hübſche Thier noch länger gelebt haben, hätte nicht ein unvorhergeſehener, alberner Zufall ihm ſein Leben genommen. Jn dem Gartenſchuppen wurden nämlich ſtets eine große Menge von Bohnen- ſtangen aufbewahrt und gewöhnlich ſehr liederlich über einander geworfen. Der hierdurch entſtehende Reiſighaufen übte auf unſern Jgel eine beſondere Anziehungskraft. Wir durften, wenn er einige Tage verſchwunden war, ſicher darauf rechnen, ihn dort zu finden. Als wir ihn eines Morgens ebenfalls ſuchten, fanden wir den armen Burſchen an der Gabel einer Stange erhängt. Er hatte wahrſcheinlich auf den Haufen klettern wollen, war aber heruntergefallen, zwiſchen die Gabel ein- gepreßt worden, und hatte ſich nicht befreien können. Der Kummer über dieſen Verluſt war groß, und niemals haben wir wieder einen ſo gemüthlichen Hausgenoſſen gehabt, als ihn.‟
Unangenehm werden die im Haus gehaltenen Jgel durch ihr langweiliges Gepolter bei Nacht. Jhr täppiſches Weſen zeigt ſich bei allen ihren Streifereien, ja bei jeder Bewegung. Von dem geiſter- haften Gang der Katzen findet ſich bei ihm keine Spur. Auch iſt er ein unreinlicher Burſche, und der widrige, biſamähnliche Geruch, den er verbreitet, iſt keineswegs angenehm. Dagegen erfreut er wieder durch ſeine Drolligkeit und einen hohen Grad von Zähmung, welchen er erlangen kann. Der gefangene Jgel gewöhnt ſich ſehr leicht an die allerverſchiedenartigſte Nahrung und ebenſo auch an ganz verſchiedenartige Getränke. Milch liebt er ganz beſonders, aber er verſchmäht auch geiſtige Getränke nicht und thut nicht ſelten hierin des Guten zu viel. Dr.Ball erzählt von ſeinen Be- obachtungen, welche er an den Jgeln machte, mancherlei luſtige Dinge, und unter anderen auch, daß er dieſelben mehr als einmal in Rauſch verſetzte. Er gab einem ſtarken Wein, ja ſelbſt Branntwein zu trinken, und der Jgel nahm davon ſolche Mengen zu ſich, daß er ſehr bald vollkommen betrunken wurde. Ein friſch gefangener Jgel ſoll nach dem erſten Rauſch, den er gehabt, augenblicklich zahm geworden ſein, und der genannte Beobachter hat deshalb ſpäterhin alle ſeine Jgel zunächſt mit ſüßem Branntwein, Rum oder Wein bewirthet. „Mein Bürſchchen,‟ ſagt er, „benahm ſich ganz wie ein trunkner Menſch. Er war vollkommen von Sinnen, und ſein ſonſt ſo dunkles, aber harmloſes Auge
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[656/0734]
Die Raubthiere. Jgel. — Gemeiner Jgel.
Der Jgel iſt ſehr leicht zu zähmen. Man braucht ihn blos wegzunehmen und an einen ihm
paſſenden Ort zu bringen. Hier gewohnt er bald ein und verliert in kürzeſter Zeit alle Scheu vor
dem Menſchen. Nahrung nimmt er ohne weiteres zu ſich und ſucht auch ſelbſt in Haus und Hof oder
noch mehr in Scheunen und Schuppen nach ſolcher umher. Tſchudi bezweifelt zwar, daß er zum
Mäuſefang gebraucht werden kann, weil er einen Jgel beſaß, welcher mit einer Maus zugleich aus
einer Schüſſel fraß. Dies beweiſt jedoch Nichts, da zahlreiche Beobachtungen dargethan haben,
daß der Jgel ein ganz tüchtiger Mäuſejäger iſt. Jn manchen Gegenden wird er zu dieſem Geſchäft
gerade ſehr geſucht und namentlich in Niederlagen verwendet, in denen man keine Katze halten mag,
weil dieſe oft die üble Gewohnheit hat, mit ihrem ſtinkenden Harn koſtbare Zeuge zu verderben. Jch
habe auch Jgel im Käfig gehalten, welche Tage lang mit Mäufen zuſammenlebten und mit ihnen
Semmelmilch fraßen; ſchließlich fiel es ihnen aber doch ein, ihre Kameraden abzuwürgen und zu
verſpeiſen. Zur Vertilgung läſtiger Kerbthiere, zumal zum Aufzehren der häßlichen Küchenſchaben
iſt der Jgel ganz vortrefflich geeignet, und er liegt ſeinem Geſchäft mit größtem Eifer ob. Wenn er
nur einigermaßen freundlich und verſtändig behandelt wird und für ein recht verborgenes Schlupf-
winkelchen geſorgt worden iſt, befindet er ſich ſehr wohl in ſeinem Gefängniſſe.
„Ein Jgel,‟ erzählt Wood, „welcher einige Jahre in unſerm Hauſe lebte, mußte ein wirkliches
Nomadenleben führen, weil er beſtändig von unſeren Freunden zur Vertilgung von Küchenſchaben
entliehen wurde und ſo ohne Unterlaß von einem Hauſe zum andern wanderte. Das Thier war be-
wundernswürdig zahm, und kam ſelbſt bei hellem lichten Tage, um ſeine Milchſemmeln zu ver-
zehren. Nicht ſelten unternahm er kleine Luſtwanderungen im Garten, ſteckte hier ſeine ſcharfe Naſe
in jedes Loch, in jeden Winkel oder drehte jedes abgefallene Blatt auf ſeinem Wege um, nach Nahrung
ſpürend. Sobald er einen fremden Fußtritt hörte, kugelte er ſich ſofort zuſammen und verharrte dann
mehrere Minuten in dieſer Lage, bis die Gefahr vorüber ſchien. Vor uns fürchtete er ſich bald nicht
im geringſten mehr und lief auch in unſerer Gegenwart ruhig auf und nieder. Wahrſcheinlich würde
das hübſche Thier noch länger gelebt haben, hätte nicht ein unvorhergeſehener, alberner Zufall ihm
ſein Leben genommen. Jn dem Gartenſchuppen wurden nämlich ſtets eine große Menge von Bohnen-
ſtangen aufbewahrt und gewöhnlich ſehr liederlich über einander geworfen. Der hierdurch entſtehende
Reiſighaufen übte auf unſern Jgel eine beſondere Anziehungskraft. Wir durften, wenn er einige
Tage verſchwunden war, ſicher darauf rechnen, ihn dort zu finden. Als wir ihn eines Morgens
ebenfalls ſuchten, fanden wir den armen Burſchen an der Gabel einer Stange erhängt. Er hatte
wahrſcheinlich auf den Haufen klettern wollen, war aber heruntergefallen, zwiſchen die Gabel ein-
gepreßt worden, und hatte ſich nicht befreien können. Der Kummer über dieſen Verluſt war groß,
und niemals haben wir wieder einen ſo gemüthlichen Hausgenoſſen gehabt, als ihn.‟
Unangenehm werden die im Haus gehaltenen Jgel durch ihr langweiliges Gepolter bei Nacht.
Jhr täppiſches Weſen zeigt ſich bei allen ihren Streifereien, ja bei jeder Bewegung. Von dem geiſter-
haften Gang der Katzen findet ſich bei ihm keine Spur. Auch iſt er ein unreinlicher Burſche, und der
widrige, biſamähnliche Geruch, den er verbreitet, iſt keineswegs angenehm. Dagegen erfreut er
wieder durch ſeine Drolligkeit und einen hohen Grad von Zähmung, welchen er erlangen kann. Der
gefangene Jgel gewöhnt ſich ſehr leicht an die allerverſchiedenartigſte Nahrung und ebenſo auch an
ganz verſchiedenartige Getränke. Milch liebt er ganz beſonders, aber er verſchmäht auch geiſtige
Getränke nicht und thut nicht ſelten hierin des Guten zu viel. Dr. Ball erzählt von ſeinen Be-
obachtungen, welche er an den Jgeln machte, mancherlei luſtige Dinge, und unter anderen auch, daß
er dieſelben mehr als einmal in Rauſch verſetzte. Er gab einem ſtarken Wein, ja ſelbſt Branntwein zu
trinken, und der Jgel nahm davon ſolche Mengen zu ſich, daß er ſehr bald vollkommen betrunken
wurde. Ein friſch gefangener Jgel ſoll nach dem erſten Rauſch, den er gehabt, augenblicklich zahm
geworden ſein, und der genannte Beobachter hat deshalb ſpäterhin alle ſeine Jgel zunächſt mit ſüßem
Branntwein, Rum oder Wein bewirthet. „Mein Bürſchchen,‟ ſagt er, „benahm ſich ganz wie ein
trunkner Menſch. Er war vollkommen von Sinnen, und ſein ſonſt ſo dunkles, aber harmloſes Auge
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/734>, abgerufen am 24.11.2024.
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