Jndianesche Verehrung. Beobachtung Gefangener. Ungenaue Kenntniß der Kragenbären.
Schnelligkeit und Sicherheit bis zu dem Wipfel hinauf. Einmal sprang die alte Bärin über den Wärter, welcher sie in die Zelle einzutreiben versuchte, hinweg und auf den Baum. Die ganze Familie sieht man oft in den verschiedenartigsten, scheinbar höchst unbequemen Stellungen auf den Aesten gelagert, und auch jetzt noch halten namentlich die Jungen in zwei Astgabeln regelmäßig ihren Mittagsschlaf.
Die Stimme hat mit der unsers braunen Bären Aehnlichkeit, ist aber viel schwächer und kläglicher. Ein eigentliches Gebrüll oder Gebrumme habe ich nie vernommen. Aufregungen aller Art drückt der Baribal, wie der braune Bär, durch Schnaufen und Zusammenklappen der Kinnladen aus. Jm Zorn beugt er den Kopf zur Erde, schiebt die Lippen weit vor, schnauft und schielt ganz sonderbar um sich. Sehr ergötzlich ist die Haltung der Thiere, wenn sie aufrechtstehen. Die kurzen Sohlen erschweren ihnen diese Stellung entschieden, und sie müssen, um das Gleichgewicht herzu- stellen, den Rücken stark einwärts krümmen. Dabei tragen sie die Vorderarme gewöhnlich so hoch, daß der Kopf nicht auf, sondern zwischen den Schultern zu sitzen scheint, und so nimmt sich die Gestalt höchst sonderbar aus.
Durch Freigebigkeit der Besucher unsers Gartens sind alle sechs Baribals sehr verwöhnt worden. Sie wissen, daß sie gefüttert werden, und erinnern Denjenigen, welcher vergessen sollte, ihnen Etwas zu reichen, durch klägliches Bitten an die Güte Anderer. So haben sie sich eine Bettelei angewöhnt, welcher Niemand widerstehen kann; denn ihre Stellungen mit den ausgebreiteten Armen sind so drollig und ihr Gewinsel so beweglich, daß es Jedermanns Herz rühren muß. Auch sie würden sehr bald es lernen, wie die Baribals, welche Graf Görtz besaß, die Taschen der Leute nach allerhand Leckereien zu untersuchen, und wahrscheinlich den Unglücklichen, welcher Nichts für sie mit- gebracht, ebenso belästigen, wie jene es thaten.
Als asiatischen Vertreter des Baribal darf man den tibetauischen Kragenbär oder Kuma der Japanesen (Ursus tibetanus) betrachten. Er kommt zwar jenem in der Größe nicht ganz gleich, ähnelt ihm aber sehr in der Färbung. Seine Gestalt ist verhältnißmäßig schlank, der Kopf spitz- schnäuzig, auf Stirn und Nasenrücken fast geradlinig, die Beine sind mittellang, die Füße kurz, die Zehen mit ziemlich kurzen, aber kräftigen Nägeln bewehrt; die Ohren sind rund und verhältnißmäßig groß. Behaarung und Färbung scheinen ziemlich bedeutenden Abänderungen unterworfen zu sein, falls sich die Angaben wirklich auf ein und dasselbe Thier und nicht auf zwei verschiedene Arten beziehen. Cuvier, welcher den von Duvaucel in Silhet entdeckten Bär zuerst beschrieb, giebt an, daß der Pelz, mit Ausnahme einer zottigen Mähne am Halse, glatt und bis auf die weißliche Unter- lippe und die weiße Brustzeichnung, sowie die röthlichen Schnauzenseiten, gleichmäßig schwarz sei. Die Brustzeichnung wird mit einem Y verglichen; sie bildet ein Querband in der Schlüsselbeingegend, von welchem sich in der Mitte nach der Brust zu ein Stiel oder Streifen abzweigt. Wagner sah einen anderen Kuma lebend in einer Thierschaubude, welcher von der eben gegebenen Beschreibung insofern abwich, als bei ihm fast die ganze Schnauze bräunlich gefärbt erschien und ein gleichgefärbter Flecken über jedem Auge sich zeigte. Auch fehlte der Brustbinde jener nach dem Bauche zu verlaufende Stiel. Unsere vortreffliche Abbildung stellt ein Paar dieser Bären dar, welche aus Japan stammen, gegenwärtig im Thiergarten zu Rotterdam leben und im Ganzen mit der Wagner'schen Beschreibung übereinstimmen.
Es ist immerhin möglich, daß sich die "Mondfleckbären" der Japanesen von jenen des Festlandes unterscheiden; bis jetzt fehlen jedoch genügende Beobachtungen, daß wir ein richtiges Urtheil hierüber ällen könnten. Wenn wir alle Kragenbären als zu einer Art gehörig betrachten, ergiebt sich, daß diese Art weit verbreitet ist. Bald nach Duvaucels Entdeckung fand Wallich unseren Bären in Nepal auf, und Siebold sagt in seinem Werke über die Thierwelt Japans, daß der Kuma nicht
Jndianeſche Verehrung. Beobachtung Gefangener. Ungenaue Kenntniß der Kragenbären.
Schnelligkeit und Sicherheit bis zu dem Wipfel hinauf. Einmal ſprang die alte Bärin über den Wärter, welcher ſie in die Zelle einzutreiben verſuchte, hinweg und auf den Baum. Die ganze Familie ſieht man oft in den verſchiedenartigſten, ſcheinbar höchſt unbequemen Stellungen auf den Aeſten gelagert, und auch jetzt noch halten namentlich die Jungen in zwei Aſtgabeln regelmäßig ihren Mittagsſchlaf.
Die Stimme hat mit der unſers braunen Bären Aehnlichkeit, iſt aber viel ſchwächer und kläglicher. Ein eigentliches Gebrüll oder Gebrumme habe ich nie vernommen. Aufregungen aller Art drückt der Baribal, wie der braune Bär, durch Schnaufen und Zuſammenklappen der Kinnladen aus. Jm Zorn beugt er den Kopf zur Erde, ſchiebt die Lippen weit vor, ſchnauft und ſchielt ganz ſonderbar um ſich. Sehr ergötzlich iſt die Haltung der Thiere, wenn ſie aufrechtſtehen. Die kurzen Sohlen erſchweren ihnen dieſe Stellung entſchieden, und ſie müſſen, um das Gleichgewicht herzu- ſtellen, den Rücken ſtark einwärts krümmen. Dabei tragen ſie die Vorderarme gewöhnlich ſo hoch, daß der Kopf nicht auf, ſondern zwiſchen den Schultern zu ſitzen ſcheint, und ſo nimmt ſich die Geſtalt höchſt ſonderbar aus.
Durch Freigebigkeit der Beſucher unſers Gartens ſind alle ſechs Baribals ſehr verwöhnt worden. Sie wiſſen, daß ſie gefüttert werden, und erinnern Denjenigen, welcher vergeſſen ſollte, ihnen Etwas zu reichen, durch klägliches Bitten an die Güte Anderer. So haben ſie ſich eine Bettelei angewöhnt, welcher Niemand widerſtehen kann; denn ihre Stellungen mit den ausgebreiteten Armen ſind ſo drollig und ihr Gewinſel ſo beweglich, daß es Jedermanns Herz rühren muß. Auch ſie würden ſehr bald es lernen, wie die Baribals, welche Graf Görtz beſaß, die Taſchen der Leute nach allerhand Leckereien zu unterſuchen, und wahrſcheinlich den Unglücklichen, welcher Nichts für ſie mit- gebracht, ebenſo beläſtigen, wie jene es thaten.
Als aſiatiſchen Vertreter des Baribal darf man den tibetauiſchen Kragenbär oder Kuma der Japaneſen (Ursus tibetanus) betrachten. Er kommt zwar jenem in der Größe nicht ganz gleich, ähnelt ihm aber ſehr in der Färbung. Seine Geſtalt iſt verhältnißmäßig ſchlank, der Kopf ſpitz- ſchnäuzig, auf Stirn und Naſenrücken faſt geradlinig, die Beine ſind mittellang, die Füße kurz, die Zehen mit ziemlich kurzen, aber kräftigen Nägeln bewehrt; die Ohren ſind rund und verhältnißmäßig groß. Behaarung und Färbung ſcheinen ziemlich bedeutenden Abänderungen unterworfen zu ſein, falls ſich die Angaben wirklich auf ein und daſſelbe Thier und nicht auf zwei verſchiedene Arten beziehen. Cuvier, welcher den von Duvaucel in Silhet entdeckten Bär zuerſt beſchrieb, giebt an, daß der Pelz, mit Ausnahme einer zottigen Mähne am Halſe, glatt und bis auf die weißliche Unter- lippe und die weiße Bruſtzeichnung, ſowie die röthlichen Schnauzenſeiten, gleichmäßig ſchwarz ſei. Die Bruſtzeichnung wird mit einem Y verglichen; ſie bildet ein Querband in der Schlüſſelbeingegend, von welchem ſich in der Mitte nach der Bruſt zu ein Stiel oder Streifen abzweigt. Wagner ſah einen anderen Kuma lebend in einer Thierſchaubude, welcher von der eben gegebenen Beſchreibung inſofern abwich, als bei ihm faſt die ganze Schnauze bräunlich gefärbt erſchien und ein gleichgefärbter Flecken über jedem Auge ſich zeigte. Auch fehlte der Bruſtbinde jener nach dem Bauche zu verlaufende Stiel. Unſere vortreffliche Abbildung ſtellt ein Paar dieſer Bären dar, welche aus Japan ſtammen, gegenwärtig im Thiergarten zu Rotterdam leben und im Ganzen mit der Wagner’ſchen Beſchreibung übereinſtimmen.
Es iſt immerhin möglich, daß ſich die „Mondfleckbären‟ der Japaneſen von jenen des Feſtlandes unterſcheiden; bis jetzt fehlen jedoch genügende Beobachtungen, daß wir ein richtiges Urtheil hierüber ällen könnten. Wenn wir alle Kragenbären als zu einer Art gehörig betrachten, ergiebt ſich, daß dieſe Art weit verbreitet iſt. Bald nach Duvaucels Entdeckung fand Wallich unſeren Bären in Nepal auf, und Siebold ſagt in ſeinem Werke über die Thierwelt Japans, daß der Kuma nicht
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[607/0683]
Jndianeſche Verehrung. Beobachtung Gefangener. Ungenaue Kenntniß der Kragenbären.
Schnelligkeit und Sicherheit bis zu dem Wipfel hinauf. Einmal ſprang die alte Bärin über den
Wärter, welcher ſie in die Zelle einzutreiben verſuchte, hinweg und auf den Baum. Die ganze Familie
ſieht man oft in den verſchiedenartigſten, ſcheinbar höchſt unbequemen Stellungen auf den Aeſten
gelagert, und auch jetzt noch halten namentlich die Jungen in zwei Aſtgabeln regelmäßig ihren
Mittagsſchlaf.
Die Stimme hat mit der unſers braunen Bären Aehnlichkeit, iſt aber viel ſchwächer und
kläglicher. Ein eigentliches Gebrüll oder Gebrumme habe ich nie vernommen. Aufregungen aller
Art drückt der Baribal, wie der braune Bär, durch Schnaufen und Zuſammenklappen der Kinnladen
aus. Jm Zorn beugt er den Kopf zur Erde, ſchiebt die Lippen weit vor, ſchnauft und ſchielt ganz
ſonderbar um ſich. Sehr ergötzlich iſt die Haltung der Thiere, wenn ſie aufrechtſtehen. Die kurzen
Sohlen erſchweren ihnen dieſe Stellung entſchieden, und ſie müſſen, um das Gleichgewicht herzu-
ſtellen, den Rücken ſtark einwärts krümmen. Dabei tragen ſie die Vorderarme gewöhnlich ſo hoch,
daß der Kopf nicht auf, ſondern zwiſchen den Schultern zu ſitzen ſcheint, und ſo nimmt ſich die Geſtalt
höchſt ſonderbar aus.
Durch Freigebigkeit der Beſucher unſers Gartens ſind alle ſechs Baribals ſehr verwöhnt
worden. Sie wiſſen, daß ſie gefüttert werden, und erinnern Denjenigen, welcher vergeſſen ſollte,
ihnen Etwas zu reichen, durch klägliches Bitten an die Güte Anderer. So haben ſie ſich eine Bettelei
angewöhnt, welcher Niemand widerſtehen kann; denn ihre Stellungen mit den ausgebreiteten Armen
ſind ſo drollig und ihr Gewinſel ſo beweglich, daß es Jedermanns Herz rühren muß. Auch ſie
würden ſehr bald es lernen, wie die Baribals, welche Graf Görtz beſaß, die Taſchen der Leute nach
allerhand Leckereien zu unterſuchen, und wahrſcheinlich den Unglücklichen, welcher Nichts für ſie mit-
gebracht, ebenſo beläſtigen, wie jene es thaten.
Als aſiatiſchen Vertreter des Baribal darf man den tibetauiſchen Kragenbär oder Kuma
der Japaneſen (Ursus tibetanus) betrachten. Er kommt zwar jenem in der Größe nicht ganz gleich,
ähnelt ihm aber ſehr in der Färbung. Seine Geſtalt iſt verhältnißmäßig ſchlank, der Kopf ſpitz-
ſchnäuzig, auf Stirn und Naſenrücken faſt geradlinig, die Beine ſind mittellang, die Füße kurz, die
Zehen mit ziemlich kurzen, aber kräftigen Nägeln bewehrt; die Ohren ſind rund und verhältnißmäßig
groß. Behaarung und Färbung ſcheinen ziemlich bedeutenden Abänderungen unterworfen zu ſein,
falls ſich die Angaben wirklich auf ein und daſſelbe Thier und nicht auf zwei verſchiedene Arten
beziehen. Cuvier, welcher den von Duvaucel in Silhet entdeckten Bär zuerſt beſchrieb, giebt an,
daß der Pelz, mit Ausnahme einer zottigen Mähne am Halſe, glatt und bis auf die weißliche Unter-
lippe und die weiße Bruſtzeichnung, ſowie die röthlichen Schnauzenſeiten, gleichmäßig ſchwarz ſei. Die
Bruſtzeichnung wird mit einem Y verglichen; ſie bildet ein Querband in der Schlüſſelbeingegend, von
welchem ſich in der Mitte nach der Bruſt zu ein Stiel oder Streifen abzweigt. Wagner ſah einen
anderen Kuma lebend in einer Thierſchaubude, welcher von der eben gegebenen Beſchreibung inſofern
abwich, als bei ihm faſt die ganze Schnauze bräunlich gefärbt erſchien und ein gleichgefärbter Flecken
über jedem Auge ſich zeigte. Auch fehlte der Bruſtbinde jener nach dem Bauche zu verlaufende
Stiel. Unſere vortreffliche Abbildung ſtellt ein Paar dieſer Bären dar, welche aus Japan ſtammen,
gegenwärtig im Thiergarten zu Rotterdam leben und im Ganzen mit der Wagner’ſchen Beſchreibung
übereinſtimmen.
Es iſt immerhin möglich, daß ſich die „Mondfleckbären‟ der Japaneſen von jenen des Feſtlandes
unterſcheiden; bis jetzt fehlen jedoch genügende Beobachtungen, daß wir ein richtiges Urtheil hierüber
ällen könnten. Wenn wir alle Kragenbären als zu einer Art gehörig betrachten, ergiebt ſich, daß
dieſe Art weit verbreitet iſt. Bald nach Duvaucels Entdeckung fand Wallich unſeren Bären in
Nepal auf, und Siebold ſagt in ſeinem Werke über die Thierwelt Japans, daß der Kuma nicht
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/683>, abgerufen am 25.11.2024.
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