blos in China und Japan, sondern auch in den meisten Gebirgen des Festlandes und der Jnseln Südasiens häusig vorkomme.
Ueber Lebensweise und Betragen fehlen uns Berichte. Nach Duvaucel soll der Kragenbär wilder, also wohl bösartiger sein, als andere indische Bären; die bis jetzt lebend nach Europa gelangten Kumas bestätigten jedoch diese Ansicht durchaus nicht. Sie zeigten sich sehr gutartig, waren spiel- lustig und gleichmüthig, wie andere Bären und begnügten sich gern mit Brod und Früchten. Das Rotterdamer Paar, welches ich freilich nur flüchtig beobachten konnte, hat auf mich ebenfalls den Ein- druck der Gutartigkeit gemacht. Doch will, wie wir von dem Betragen anderer Bären schließen dürfen, das Benehmen solcher Gefangenen, welche gut gehalten und genährt werden, für die Erkenntniß ihres Wesens nicht eben viel bedeuten.
Jn Südasien leben einige kleine, schlank gebaute, kurzhaarige Bären, welche man Sonnen- bären (Helarctos) genannt hat, weil sie, ganz gegen Gewohnheit ihrer Verwandten, sich gern in den brennendheißen Strahlen der Mittagssonne ihrer Heimat umhertreiben und sömmern.
Die bekannteste Art ist der Bruan (Helarctos malayanus), ein Bewohner Nepals, Hinter- indiens und der Sundainseln. Seine Länge beträgt etwa vier Fuß, die Höhe fast zwei Fuß. Er ist plump gebaut, schlauk vom Leibe zwar, aber dickköpfig, breitschnäuzig, mit verhältnißmäßig unge- heuren Tatzen, deren Krallen stark und lang sind, mit kleinen Ohren und sehr kleinen, ziemlich blöden Augen. Der Pelz ist kurz, dicht und mit Ausnahme der fahlgelben Schnauzenseiten und eines hufeisen- förmigen Brustfleckens von gelber oder lichter Grundfärbung, glänzend schwarz. Die Lippen dieses Bären sind sehr dehnbar, die Zunge kann weit hervorgestreckt werden.
Der Bruan ist vorzugsweise Pflanzenfresser; vor Allem liebt er süße Früchte. Jn den Kakao- pflanzungen richtet er oft bedeutenden Schaden an; zuweilen macht er sie unmöglich. Er lebt ebenso- viel auf den Bäumen, als auf dem Boden. Unter allen eigentlichen Bären klettert er am geschicktesten. Ueber Fortpflanzung und Jugendleben fehlen Berichte.
Man sagt, daß er in Jndien oft gefangen gehalten werde, weil man ihn, als einen gutmüthigen, harmlosen Gesellen, selbst Kindern zum Spielgenossen geben und nach Belieben in Haus, Hof und Garten umherstreifen lassen dürfe. Raffles, welcher einen dieser Bären besaß, durfte ihm den Aufenthalt in der Kinderstube gestatten und war niemals benöthigt, ihn durch Anlegen an die Kette oder durch Schläge zu bestrafen. Mehr als einmal kam er ganz artig an den Tisch und bat sich von den Speisenden Etwas zu fressen aus. Dabei zeigte er sich als ein echter Gutschmecker, da er von den Früchten blos Mango verzehren und nur Schaumwein trinken wollte. Der Wein hatte für ihn einen unendlichen Reiz, und wenn er eine Zeitlang sein Lieblingsgetränk vermissen mußte, schien er seine gute Laune zu verlieren. Aber dieses vortreffliche Thier verdiente auch ein Glas Wein. Es wurde im ganzen Hause geliebt und geehrt und betrug sich in jeder Hinsicht musterhaft; denn es that nicht einmal dem kleinsten Thiere etwas zu Leide. Mehr als einmal nahm es sein Futter mit dem Hunde, der Katze und dem kleinen Papagei aus ein und demselben Gefäß.
Ein anderer Bruan war mit ebensoviel Erfolg gezähmt, aber auch gewöhnt worden, ebensogut thierische, als Pflanzennahrung zu sich zu nehmen. Letztere behagte ihm jedoch immer am besten, und Brod und Milch bildeten entschieden seine Lieblingsspeise. Davon konnte er in einem Tage mehr als zehn Pfund verbrauchen. Die Speisen nahm er auf sehr eigenthümliche Weise zu sich, indem er sich auf die Hinterfüße setzte, die lange Zunge unglaublich weit heraussteckte, den Bissen damit faßte und durch plötzliches Einziehen in den Mund brachte. Während Dies geschah, machte er die sonderbarsten und auffallendsten Bewegungen mit den Vordergliedern und wiegte seinen Körper dabei mit un- erschöpflicher Ausdauer von der einen Seite zur andern. Seine Bewegungen waren auffallend rasch
Die Raubthiere. Bären. — Bruan. Lippenbär.
blos in China und Japan, ſondern auch in den meiſten Gebirgen des Feſtlandes und der Jnſeln Südaſiens häuſig vorkomme.
Ueber Lebensweiſe und Betragen fehlen uns Berichte. Nach Duvaucel ſoll der Kragenbär wilder, alſo wohl bösartiger ſein, als andere indiſche Bären; die bis jetzt lebend nach Europa gelangten Kumas beſtätigten jedoch dieſe Anſicht durchaus nicht. Sie zeigten ſich ſehr gutartig, waren ſpiel- luſtig und gleichmüthig, wie andere Bären und begnügten ſich gern mit Brod und Früchten. Das Rotterdamer Paar, welches ich freilich nur flüchtig beobachten konnte, hat auf mich ebenfalls den Ein- druck der Gutartigkeit gemacht. Doch will, wie wir von dem Betragen anderer Bären ſchließen dürfen, das Benehmen ſolcher Gefangenen, welche gut gehalten und genährt werden, für die Erkenntniß ihres Weſens nicht eben viel bedeuten.
Jn Südaſien leben einige kleine, ſchlank gebaute, kurzhaarige Bären, welche man Sonnen- bären (Helarctos) genannt hat, weil ſie, ganz gegen Gewohnheit ihrer Verwandten, ſich gern in den brennendheißen Strahlen der Mittagsſonne ihrer Heimat umhertreiben und ſömmern.
Die bekannteſte Art iſt der Bruan (Helarctos malayanus), ein Bewohner Nepals, Hinter- indiens und der Sundainſeln. Seine Länge beträgt etwa vier Fuß, die Höhe faſt zwei Fuß. Er iſt plump gebaut, ſchlauk vom Leibe zwar, aber dickköpfig, breitſchnäuzig, mit verhältnißmäßig unge- heuren Tatzen, deren Krallen ſtark und lang ſind, mit kleinen Ohren und ſehr kleinen, ziemlich blöden Augen. Der Pelz iſt kurz, dicht und mit Ausnahme der fahlgelben Schnauzenſeiten und eines hufeiſen- förmigen Bruſtfleckens von gelber oder lichter Grundfärbung, glänzend ſchwarz. Die Lippen dieſes Bären ſind ſehr dehnbar, die Zunge kann weit hervorgeſtreckt werden.
Der Bruan iſt vorzugsweiſe Pflanzenfreſſer; vor Allem liebt er ſüße Früchte. Jn den Kakao- pflanzungen richtet er oft bedeutenden Schaden an; zuweilen macht er ſie unmöglich. Er lebt ebenſo- viel auf den Bäumen, als auf dem Boden. Unter allen eigentlichen Bären klettert er am geſchickteſten. Ueber Fortpflanzung und Jugendleben fehlen Berichte.
Man ſagt, daß er in Jndien oft gefangen gehalten werde, weil man ihn, als einen gutmüthigen, harmloſen Geſellen, ſelbſt Kindern zum Spielgenoſſen geben und nach Belieben in Haus, Hof und Garten umherſtreifen laſſen dürfe. Raffles, welcher einen dieſer Bären beſaß, durfte ihm den Aufenthalt in der Kinderſtube geſtatten und war niemals benöthigt, ihn durch Anlegen an die Kette oder durch Schläge zu beſtrafen. Mehr als einmal kam er ganz artig an den Tiſch und bat ſich von den Speiſenden Etwas zu freſſen aus. Dabei zeigte er ſich als ein echter Gutſchmecker, da er von den Früchten blos Mango verzehren und nur Schaumwein trinken wollte. Der Wein hatte für ihn einen unendlichen Reiz, und wenn er eine Zeitlang ſein Lieblingsgetränk vermiſſen mußte, ſchien er ſeine gute Laune zu verlieren. Aber dieſes vortreffliche Thier verdiente auch ein Glas Wein. Es wurde im ganzen Hauſe geliebt und geehrt und betrug ſich in jeder Hinſicht muſterhaft; denn es that nicht einmal dem kleinſten Thiere etwas zu Leide. Mehr als einmal nahm es ſein Futter mit dem Hunde, der Katze und dem kleinen Papagei aus ein und demſelben Gefäß.
Ein anderer Bruan war mit ebenſoviel Erfolg gezähmt, aber auch gewöhnt worden, ebenſogut thieriſche, als Pflanzennahrung zu ſich zu nehmen. Letztere behagte ihm jedoch immer am beſten, und Brod und Milch bildeten entſchieden ſeine Lieblingsſpeiſe. Davon konnte er in einem Tage mehr als zehn Pfund verbrauchen. Die Speiſen nahm er auf ſehr eigenthümliche Weiſe zu ſich, indem er ſich auf die Hinterfüße ſetzte, die lange Zunge unglaublich weit herausſteckte, den Biſſen damit faßte und durch plötzliches Einziehen in den Mund brachte. Während Dies geſchah, machte er die ſonderbarſten und auffallendſten Bewegungen mit den Vordergliedern und wiegte ſeinen Körper dabei mit un- erſchöpflicher Ausdauer von der einen Seite zur andern. Seine Bewegungen waren auffallend raſch
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Die Raubthiere. Bären. — Bruan. Lippenbär.
blos in China und Japan, ſondern auch in den meiſten Gebirgen des Feſtlandes und der Jnſeln
Südaſiens häuſig vorkomme.
Ueber Lebensweiſe und Betragen fehlen uns Berichte. Nach Duvaucel ſoll der Kragenbär
wilder, alſo wohl bösartiger ſein, als andere indiſche Bären; die bis jetzt lebend nach Europa gelangten
Kumas beſtätigten jedoch dieſe Anſicht durchaus nicht. Sie zeigten ſich ſehr gutartig, waren ſpiel-
luſtig und gleichmüthig, wie andere Bären und begnügten ſich gern mit Brod und Früchten. Das
Rotterdamer Paar, welches ich freilich nur flüchtig beobachten konnte, hat auf mich ebenfalls den Ein-
druck der Gutartigkeit gemacht. Doch will, wie wir von dem Betragen anderer Bären ſchließen dürfen,
das Benehmen ſolcher Gefangenen, welche gut gehalten und genährt werden, für die Erkenntniß ihres
Weſens nicht eben viel bedeuten.
Jn Südaſien leben einige kleine, ſchlank gebaute, kurzhaarige Bären, welche man Sonnen-
bären (Helarctos) genannt hat, weil ſie, ganz gegen Gewohnheit ihrer Verwandten, ſich gern in den
brennendheißen Strahlen der Mittagsſonne ihrer Heimat umhertreiben und ſömmern.
Die bekannteſte Art iſt der Bruan (Helarctos malayanus), ein Bewohner Nepals, Hinter-
indiens und der Sundainſeln. Seine Länge beträgt etwa vier Fuß, die Höhe faſt zwei Fuß. Er iſt
plump gebaut, ſchlauk vom Leibe zwar, aber dickköpfig, breitſchnäuzig, mit verhältnißmäßig unge-
heuren Tatzen, deren Krallen ſtark und lang ſind, mit kleinen Ohren und ſehr kleinen, ziemlich blöden
Augen. Der Pelz iſt kurz, dicht und mit Ausnahme der fahlgelben Schnauzenſeiten und eines hufeiſen-
förmigen Bruſtfleckens von gelber oder lichter Grundfärbung, glänzend ſchwarz. Die Lippen dieſes
Bären ſind ſehr dehnbar, die Zunge kann weit hervorgeſtreckt werden.
Der Bruan iſt vorzugsweiſe Pflanzenfreſſer; vor Allem liebt er ſüße Früchte. Jn den Kakao-
pflanzungen richtet er oft bedeutenden Schaden an; zuweilen macht er ſie unmöglich. Er lebt ebenſo-
viel auf den Bäumen, als auf dem Boden. Unter allen eigentlichen Bären klettert er am geſchickteſten.
Ueber Fortpflanzung und Jugendleben fehlen Berichte.
Man ſagt, daß er in Jndien oft gefangen gehalten werde, weil man ihn, als einen gutmüthigen,
harmloſen Geſellen, ſelbſt Kindern zum Spielgenoſſen geben und nach Belieben in Haus, Hof und
Garten umherſtreifen laſſen dürfe. Raffles, welcher einen dieſer Bären beſaß, durfte ihm den
Aufenthalt in der Kinderſtube geſtatten und war niemals benöthigt, ihn durch Anlegen an die Kette
oder durch Schläge zu beſtrafen. Mehr als einmal kam er ganz artig an den Tiſch und bat ſich von
den Speiſenden Etwas zu freſſen aus. Dabei zeigte er ſich als ein echter Gutſchmecker, da er von den
Früchten blos Mango verzehren und nur Schaumwein trinken wollte. Der Wein hatte für ihn einen
unendlichen Reiz, und wenn er eine Zeitlang ſein Lieblingsgetränk vermiſſen mußte, ſchien er ſeine
gute Laune zu verlieren. Aber dieſes vortreffliche Thier verdiente auch ein Glas Wein. Es wurde
im ganzen Hauſe geliebt und geehrt und betrug ſich in jeder Hinſicht muſterhaft; denn es that nicht
einmal dem kleinſten Thiere etwas zu Leide. Mehr als einmal nahm es ſein Futter mit dem Hunde,
der Katze und dem kleinen Papagei aus ein und demſelben Gefäß.
Ein anderer Bruan war mit ebenſoviel Erfolg gezähmt, aber auch gewöhnt worden, ebenſogut
thieriſche, als Pflanzennahrung zu ſich zu nehmen. Letztere behagte ihm jedoch immer am beſten, und
Brod und Milch bildeten entſchieden ſeine Lieblingsſpeiſe. Davon konnte er in einem Tage mehr als
zehn Pfund verbrauchen. Die Speiſen nahm er auf ſehr eigenthümliche Weiſe zu ſich, indem er ſich
auf die Hinterfüße ſetzte, die lange Zunge unglaublich weit herausſteckte, den Biſſen damit faßte und
durch plötzliches Einziehen in den Mund brachte. Während Dies geſchah, machte er die ſonderbarſten
und auffallendſten Bewegungen mit den Vordergliedern und wiegte ſeinen Körper dabei mit un-
erſchöpflicher Ausdauer von der einen Seite zur andern. Seine Bewegungen waren auffallend raſch
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/684>, abgerufen am 22.11.2024.
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