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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Waldmenschen. -- Gorilla.

"Der Gorilla lebt in den einsamsten und dunkelsten Stellen des dichten afrikanischen Nieder-
waldes, tiefe bewaldete Thäler und ebenso schroffe Höhen allen übrigen Aufenthaltsorten vorziehend.
Gerade die Hochebenen, welche mit ungeheuren Halden bedeckt sind, scheinen seinen Lieblingswohnsitz
zu bilden. Jn jenen Gegenden Afrikas findet sich überall Wasser, und ich habe beobachtet, daß der
Gorilla just an solchen Stellen sich findet, wo es am feuchtesten ist. Er ist ein rastlos umher-
schweifendes Vieh, welches von Ort zu Ort wandert und schwerlich an einer und derselben Stelle
zwei Tage lang bleibt. Dieses Umherschweifen ist zum Theil von der Schwierigkeit bedingt, sein
Lieblingsfutter zu finden. Obgleich der Gorilla vermöge seiner ungeheueren Reißzähne ohne Mühe
jedes andere Thier des Waldes, welches er gefangen, auch zu zerstückeln vermöchte, ist er doch ein
echter Pflanzenfresser. Jch habe die Magen von allen untersucht, welche zu tödten ich so glücklich war,
und niemals etwas Anderes gefunden, als Veeren, Ananasblätter und andere Pflanzenstoffe. Der
Gorilla ist ein arger Fresser, und es unterliegt gar keinem Zweifel, daß er an einem Ort Alles auf-
frißt und dann, im beständigen Streit mit dem Hunger, zum Wandern gezwungen ist. Sein großer
Bauch, der sich, wenn er aufrecht dasteht, deutlich genug zeigt, beweist, daß er ein tüchtiger Esser ist;
und wahrlich, sein gewaltiger Leib und die ungeheure Muskelentwickelung könnten bei weniger Nahrung
nicht unterhalten werden."

"Es ist nicht wahr, daß der Gorilla viel oder immer auf den Bäumen lebt; ich habe ihn fast
stets auf der Erde gefunden. Allerdings steigt er oft genug an den Bäumen in die Höhe, um dort
Beeren oder Nüsse zu pflücken; wenn er aber dort gegessen hat, kehrt er wieder nach unten zurück.
Nach allen meinen Erfahrungen über die Nahrung kann man behaupten, daß er es gar nicht noth-
wendig hat, die Bäume zu erklettern. Ganz besonders behagen ihm Zuckerrohr, die weißen Rippen
der Ananasblätter, mehrere Beeren, welche nahe der Erde wachsen, das Mark einiger Bäume und
eine Nuß mit sehr harter Schale. Diese letztere ist so fest, daß man sie nur mit einem starken Schlag
vermittelst eines Hammers öffnen kann. Wahrscheinlich ihrethalben besitzt der Gorilla das ungeheure
Gebiß, welches stark genug ist, einen Gewehrlauf zusammenzubiegen."

"Nur die jungen Gorillas schlafen auf Bäumen, um sich gegen Raubthiere zu schützen. Jch
habe mehrere Mal die frische Spur eines Gorillabetts gefunden und konnte es deutlich sehen, daß das
Männchen mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt in ihm gesessen hatte; doch glaube ich, daß
Weibchen und Junge, während die Männchen immer am Fuße der Bäume oder unter Umständen
auf der Erde schlafen, zuweilen die Krone des Baumes ersteigen mögen, weil ich hiervon die Spuren
gesehen habe."

"Alle Affen, welche viel auf Bäumen leben, wie der Schimpanse, haben an ihren vier Händen
längere Finger, viel längere als der Gorilla, dessen Handbau sich mehr dem menschlicher Gliedmaßen
nähert. Jn Folge dieses verschiedenen Baues ist er weniger geeignet, Bäume zu erklettern. Zugleich
muß ich bemerken, daß ich niemals einen Schirm oder ein Zelt gefunden habe, und deswegen zu dem
Schluß gekommen bin, daß er kein derartiges Gebäude aufführt.

"Der Gorilla ist nicht gesellig. Von den Alten fand ich gewöhnlich ein Männchen und ein
Weibchen zusammen, oft genug auch ein altes Männchen allein. Jn solchem Falle ist es immer ein
alter, mürrischer, böswilliger Gesell, mit welchem nicht zu spaßen ist. Junge Gorillas traf ich in
Gesellschaft bis zu fünf Stücken an. Sie liefen immer auf allen Vieren davon, schreiend vor Furcht.
Es ist nicht leicht, sich ihnen zu nähern; ihr Gehör ist außerordentlich scharf, und sie verlieren keine
Zeit, um zu entkommen, während die Beschaffenheit des Bodens es dem Jäger sehr schwer macht,
ihnen zu folgen. Das alte Thier ist auch scheu, und ich habe zuweilen den ganzen Tag gejagt, ohne
auf mein Wild zu kommen, wobei ich bemerken mußte, daß es mir forgfältig auswich. Wenn jedoch
zuletzt das Glück den Jäger begünstigt und er zufällig oder durch ein gutes Jagdkunststück auf seine
Beute kommt, geht diese ihm nicht aus dem Wege. Bei allen meinen Jagden und Zusammentreffen
mit dem Gorilla habe ich nicht einen einzigen gefunden, welcher mir den Rücken gekehrt hätte. Ueber-
raschte ich ein Paar Gorillas, so fand ich gewöhnlich das Männchen an den Felsen oder Baum gelehnt

Die Affen. Waldmenſchen. — Gorilla.

„Der Gorilla lebt in den einſamſten und dunkelſten Stellen des dichten afrikaniſchen Nieder-
waldes, tiefe bewaldete Thäler und ebenſo ſchroffe Höhen allen übrigen Aufenthaltsorten vorziehend.
Gerade die Hochebenen, welche mit ungeheuren Halden bedeckt ſind, ſcheinen ſeinen Lieblingswohnſitz
zu bilden. Jn jenen Gegenden Afrikas findet ſich überall Waſſer, und ich habe beobachtet, daß der
Gorilla juſt an ſolchen Stellen ſich findet, wo es am feuchteſten iſt. Er iſt ein raſtlos umher-
ſchweifendes Vieh, welches von Ort zu Ort wandert und ſchwerlich an einer und derſelben Stelle
zwei Tage lang bleibt. Dieſes Umherſchweifen iſt zum Theil von der Schwierigkeit bedingt, ſein
Lieblingsfutter zu finden. Obgleich der Gorilla vermöge ſeiner ungeheueren Reißzähne ohne Mühe
jedes andere Thier des Waldes, welches er gefangen, auch zu zerſtückeln vermöchte, iſt er doch ein
echter Pflanzenfreſſer. Jch habe die Magen von allen unterſucht, welche zu tödten ich ſo glücklich war,
und niemals etwas Anderes gefunden, als Veeren, Ananasblätter und andere Pflanzenſtoffe. Der
Gorilla iſt ein arger Freſſer, und es unterliegt gar keinem Zweifel, daß er an einem Ort Alles auf-
frißt und dann, im beſtändigen Streit mit dem Hunger, zum Wandern gezwungen iſt. Sein großer
Bauch, der ſich, wenn er aufrecht daſteht, deutlich genug zeigt, beweiſt, daß er ein tüchtiger Eſſer iſt;
und wahrlich, ſein gewaltiger Leib und die ungeheure Muskelentwickelung könnten bei weniger Nahrung
nicht unterhalten werden.‟

„Es iſt nicht wahr, daß der Gorilla viel oder immer auf den Bäumen lebt; ich habe ihn faſt
ſtets auf der Erde gefunden. Allerdings ſteigt er oft genug an den Bäumen in die Höhe, um dort
Beeren oder Nüſſe zu pflücken; wenn er aber dort gegeſſen hat, kehrt er wieder nach unten zurück.
Nach allen meinen Erfahrungen über die Nahrung kann man behaupten, daß er es gar nicht noth-
wendig hat, die Bäume zu erklettern. Ganz beſonders behagen ihm Zuckerrohr, die weißen Rippen
der Ananasblätter, mehrere Beeren, welche nahe der Erde wachſen, das Mark einiger Bäume und
eine Nuß mit ſehr harter Schale. Dieſe letztere iſt ſo feſt, daß man ſie nur mit einem ſtarken Schlag
vermittelſt eines Hammers öffnen kann. Wahrſcheinlich ihrethalben beſitzt der Gorilla das ungeheure
Gebiß, welches ſtark genug iſt, einen Gewehrlauf zuſammenzubiegen.‟

„Nur die jungen Gorillas ſchlafen auf Bäumen, um ſich gegen Raubthiere zu ſchützen. Jch
habe mehrere Mal die friſche Spur eines Gorillabetts gefunden und konnte es deutlich ſehen, daß das
Männchen mit dem Rücken an einen Baumſtamm gelehnt in ihm geſeſſen hatte; doch glaube ich, daß
Weibchen und Junge, während die Männchen immer am Fuße der Bäume oder unter Umſtänden
auf der Erde ſchlafen, zuweilen die Krone des Baumes erſteigen mögen, weil ich hiervon die Spuren
geſehen habe.‟

„Alle Affen, welche viel auf Bäumen leben, wie der Schimpanſe, haben an ihren vier Händen
längere Finger, viel längere als der Gorilla, deſſen Handbau ſich mehr dem menſchlicher Gliedmaßen
nähert. Jn Folge dieſes verſchiedenen Baues iſt er weniger geeignet, Bäume zu erklettern. Zugleich
muß ich bemerken, daß ich niemals einen Schirm oder ein Zelt gefunden habe, und deswegen zu dem
Schluß gekommen bin, daß er kein derartiges Gebäude aufführt.

„Der Gorilla iſt nicht geſellig. Von den Alten fand ich gewöhnlich ein Männchen und ein
Weibchen zuſammen, oft genug auch ein altes Männchen allein. Jn ſolchem Falle iſt es immer ein
alter, mürriſcher, böswilliger Geſell, mit welchem nicht zu ſpaßen iſt. Junge Gorillas traf ich in
Geſellſchaft bis zu fünf Stücken an. Sie liefen immer auf allen Vieren davon, ſchreiend vor Furcht.
Es iſt nicht leicht, ſich ihnen zu nähern; ihr Gehör iſt außerordentlich ſcharf, und ſie verlieren keine
Zeit, um zu entkommen, während die Beſchaffenheit des Bodens es dem Jäger ſehr ſchwer macht,
ihnen zu folgen. Das alte Thier iſt auch ſcheu, und ich habe zuweilen den ganzen Tag gejagt, ohne
auf mein Wild zu kommen, wobei ich bemerken mußte, daß es mir forgfältig auswich. Wenn jedoch
zuletzt das Glück den Jäger begünſtigt und er zufällig oder durch ein gutes Jagdkunſtſtück auf ſeine
Beute kommt, geht dieſe ihm nicht aus dem Wege. Bei allen meinen Jagden und Zuſammentreffen
mit dem Gorilla habe ich nicht einen einzigen gefunden, welcher mir den Rücken gekehrt hätte. Ueber-
raſchte ich ein Paar Gorillas, ſo fand ich gewöhnlich das Männchen an den Felſen oder Baum gelehnt

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[18/0068] Die Affen. Waldmenſchen. — Gorilla. „Der Gorilla lebt in den einſamſten und dunkelſten Stellen des dichten afrikaniſchen Nieder- waldes, tiefe bewaldete Thäler und ebenſo ſchroffe Höhen allen übrigen Aufenthaltsorten vorziehend. Gerade die Hochebenen, welche mit ungeheuren Halden bedeckt ſind, ſcheinen ſeinen Lieblingswohnſitz zu bilden. Jn jenen Gegenden Afrikas findet ſich überall Waſſer, und ich habe beobachtet, daß der Gorilla juſt an ſolchen Stellen ſich findet, wo es am feuchteſten iſt. Er iſt ein raſtlos umher- ſchweifendes Vieh, welches von Ort zu Ort wandert und ſchwerlich an einer und derſelben Stelle zwei Tage lang bleibt. Dieſes Umherſchweifen iſt zum Theil von der Schwierigkeit bedingt, ſein Lieblingsfutter zu finden. Obgleich der Gorilla vermöge ſeiner ungeheueren Reißzähne ohne Mühe jedes andere Thier des Waldes, welches er gefangen, auch zu zerſtückeln vermöchte, iſt er doch ein echter Pflanzenfreſſer. Jch habe die Magen von allen unterſucht, welche zu tödten ich ſo glücklich war, und niemals etwas Anderes gefunden, als Veeren, Ananasblätter und andere Pflanzenſtoffe. Der Gorilla iſt ein arger Freſſer, und es unterliegt gar keinem Zweifel, daß er an einem Ort Alles auf- frißt und dann, im beſtändigen Streit mit dem Hunger, zum Wandern gezwungen iſt. Sein großer Bauch, der ſich, wenn er aufrecht daſteht, deutlich genug zeigt, beweiſt, daß er ein tüchtiger Eſſer iſt; und wahrlich, ſein gewaltiger Leib und die ungeheure Muskelentwickelung könnten bei weniger Nahrung nicht unterhalten werden.‟ „Es iſt nicht wahr, daß der Gorilla viel oder immer auf den Bäumen lebt; ich habe ihn faſt ſtets auf der Erde gefunden. Allerdings ſteigt er oft genug an den Bäumen in die Höhe, um dort Beeren oder Nüſſe zu pflücken; wenn er aber dort gegeſſen hat, kehrt er wieder nach unten zurück. Nach allen meinen Erfahrungen über die Nahrung kann man behaupten, daß er es gar nicht noth- wendig hat, die Bäume zu erklettern. Ganz beſonders behagen ihm Zuckerrohr, die weißen Rippen der Ananasblätter, mehrere Beeren, welche nahe der Erde wachſen, das Mark einiger Bäume und eine Nuß mit ſehr harter Schale. Dieſe letztere iſt ſo feſt, daß man ſie nur mit einem ſtarken Schlag vermittelſt eines Hammers öffnen kann. Wahrſcheinlich ihrethalben beſitzt der Gorilla das ungeheure Gebiß, welches ſtark genug iſt, einen Gewehrlauf zuſammenzubiegen.‟ „Nur die jungen Gorillas ſchlafen auf Bäumen, um ſich gegen Raubthiere zu ſchützen. Jch habe mehrere Mal die friſche Spur eines Gorillabetts gefunden und konnte es deutlich ſehen, daß das Männchen mit dem Rücken an einen Baumſtamm gelehnt in ihm geſeſſen hatte; doch glaube ich, daß Weibchen und Junge, während die Männchen immer am Fuße der Bäume oder unter Umſtänden auf der Erde ſchlafen, zuweilen die Krone des Baumes erſteigen mögen, weil ich hiervon die Spuren geſehen habe.‟ „Alle Affen, welche viel auf Bäumen leben, wie der Schimpanſe, haben an ihren vier Händen längere Finger, viel längere als der Gorilla, deſſen Handbau ſich mehr dem menſchlicher Gliedmaßen nähert. Jn Folge dieſes verſchiedenen Baues iſt er weniger geeignet, Bäume zu erklettern. Zugleich muß ich bemerken, daß ich niemals einen Schirm oder ein Zelt gefunden habe, und deswegen zu dem Schluß gekommen bin, daß er kein derartiges Gebäude aufführt. „Der Gorilla iſt nicht geſellig. Von den Alten fand ich gewöhnlich ein Männchen und ein Weibchen zuſammen, oft genug auch ein altes Männchen allein. Jn ſolchem Falle iſt es immer ein alter, mürriſcher, böswilliger Geſell, mit welchem nicht zu ſpaßen iſt. Junge Gorillas traf ich in Geſellſchaft bis zu fünf Stücken an. Sie liefen immer auf allen Vieren davon, ſchreiend vor Furcht. Es iſt nicht leicht, ſich ihnen zu nähern; ihr Gehör iſt außerordentlich ſcharf, und ſie verlieren keine Zeit, um zu entkommen, während die Beſchaffenheit des Bodens es dem Jäger ſehr ſchwer macht, ihnen zu folgen. Das alte Thier iſt auch ſcheu, und ich habe zuweilen den ganzen Tag gejagt, ohne auf mein Wild zu kommen, wobei ich bemerken mußte, daß es mir forgfältig auswich. Wenn jedoch zuletzt das Glück den Jäger begünſtigt und er zufällig oder durch ein gutes Jagdkunſtſtück auf ſeine Beute kommt, geht dieſe ihm nicht aus dem Wege. Bei allen meinen Jagden und Zuſammentreffen mit dem Gorilla habe ich nicht einen einzigen gefunden, welcher mir den Rücken gekehrt hätte. Ueber- raſchte ich ein Paar Gorillas, ſo fand ich gewöhnlich das Männchen an den Felſen oder Baum gelehnt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/68>, abgerufen am 02.05.2024.