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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Lebensweise. Du Chaillu's Schilderung.
in dem dunkelsten Dickicht des Waldes sitzen, wo die strahlende Sonne nur ein düsteres Zwielicht
hervorrufen kann; das Weibchen weidete in der Regel nebenbei, und dieses war es auch, welches
zuerst unter lautem und heftigem Schreien und Kreischen davon rannte. Dann erhob sich das
Männchen, welches noch einen Augenblick mit wüthendem Blick dagesessen hatte, langsam auf seine
Füße, schaute mit glühenden, wüthenden Augen auf die Eindringlinge, schlug auf seine Brust, erhob
sein gewaltiges Haupt und stieß das furchtbare Gebrüll aus. Jch habe Grund zu glauben, daß ich
dieses Gebrüll auf die Entfernung von drei Meilen hörte (!)".

"Das Entsetzliche in der Erscheinung des Thieres läßt jede Beschreibung weit hinter sich. Bei
solchem Anblick konnte ich meinen braven, eingebornen Jägern es verzeihen, daß sie zuweilen eine
übernatürliche Furcht überkam, konnte ich mir die Wundergeschichten erklären, welche die Neger über
den Gorilla erzählen."

"Es ist ein Grundsatz eines gutgeschulten Gorillajägers, sein Feuer bis zu dem letzten Augen-
blick zu bewahren. Die Erfahrung hat gelehrt, daß, wenn der Jäger feuert und fehlt, der Gorilla
augenblicklich auf ihn stürzt. Und seinem Anprall kann kein Mann widerstehen! Ein einziger Schlag
der gewaltigen, mit mächtigen Nägeln bewehrten Hand, und das Eingeweide des armen Jägers liegt
bloß, seine Brust ist zertrümmert, sein Schädel zerschmettert; es ist zu spät, neu zu laden, und Flucht
ist vergebens! Einzelne Neger, tollkühn aus Furcht, haben sich unter solchen Umständen in ein Ringen
mit dem Gorilla eingelassen und mit ihrem ungeladenen Gewehre sich vertheidigen wollen; aber sie
haben nur Zeit zu einem einzigen, erfolglosen Streich gehabt: -- im nächsten Augenblick erschien der
lange Arm mit verhängnißvoller Kraft und zerbrach Gewehr und Negerschädel mit einem Schlage.
Jch kann mir kein Geschöpf denken, welches so unabwendliche Angriffe auf den Menschen zu machen
versteht, und zwar aus dem Grunde, weil sich der Gorilla Gesicht gegen Gesicht dem Manne gegen-
über stellt und seine Arme als Waffen zum Angriff gebraucht; gerade wie der Mann oder ein Preis-
fechter thun würden, nur daß jener längere Arme und weitaus größere Kraft hat, als sich der
gewaltigste Faustkämpfer der Erde träumen läßt."

"Die dunkeln und undurchdringlichen Dickichte, in denen man sich der vielen Ranken und
Dornen halber kaum bewegen kann, bilden den Aufenthalt des Gorilla; deshalb bleibt der Jäger
kluger Weise stehen und erwartet die Ankunft des wüthenden Thieres. Der Gorilla nähert sich mit
kurzen Schritten, hält häufig an und stößt sein höllisches Gebrüll aus, ab und zu mit den Armen
seine Brust schlagend. Zuweilen hält er länger an und setzt sich auch wohl; dabei blickt er wüthend
auf seinen Gegner. Sein Gang ist wacklig; die sehr kurzen Hinterbeine genügen entschieden nicht,
um den Körper aufrecht zu tragen; daher behilft sich das Thier durch Schwingungen mit den
Armen, um sich im Gleichgewicht zu halten; aber der dicke Bauch, das runde stierartige Haupt,
welches rückwärts fast auf dem Nacken aufliegt, die großen muskelkrästigen Arme und die weite
Brust: -- alles Dies verleiht seinem Schwanken ein unsäglich Entsetzliches, welches das Furchtbare
seiner Erscheinung nur noch vermehrt. Zugleich blitzen die tiefliegenden, grauen Augen in unheim-
lichem Glanze; die Wuth verzerrt das Gesicht auf das abscheulichste; die dünnen, scharf geschnittenen
Lippen, welche zurückgezogen werden, lassen die gewaltigen Reißzähne und die furchtbaren Kinnladen
erscheinen, in welchen ein Menschenglied zermalmt werden würde, wie Zwieback."

"Der Jäger steht mit ängstlicher Sorge, seinen Feind bewachend, auf einer und derselben Stelle,
das Gewehr in der Hand, oft fünf lange, bange Minuten, mit aufregendem Grauen den Augen-
blick erwartend, in welchem er feuern muß. Die gewöhnliche Entfernung, in welcher geschossen wird,
beträgt 14 bis 18 Fuß. Jch meinestheils habe nie weiter auf ein Gorillamännchen geschossen, als
auf acht Ellen. Zuletzt kommt die Gelegenheit: so schnell als möglich wird das Gewehr erhoben, --
ein ängstlicher Augenblick, welcher die Brust zusammenschnürt, und dann -- Finger an den Drücker!
Wenn der Neger einem Flußpferde während der Jagd eine Kugel zusandte, geht er im Augenblicke
auf seine Beute los: -- wenn er nach einem Gorilla schoß, steht er still; denn falls er gefehlt hat,
muß er kämpfen für sein Leben, Gesicht gegen Gesicht, hoffend, daß irgend ein unerwartetes Glück

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Lebensweiſe. Du Chaillu’s Schilderung.
in dem dunkelſten Dickicht des Waldes ſitzen, wo die ſtrahlende Sonne nur ein düſteres Zwielicht
hervorrufen kann; das Weibchen weidete in der Regel nebenbei, und dieſes war es auch, welches
zuerſt unter lautem und heftigem Schreien und Kreiſchen davon rannte. Dann erhob ſich das
Männchen, welches noch einen Augenblick mit wüthendem Blick dageſeſſen hatte, langſam auf ſeine
Füße, ſchaute mit glühenden, wüthenden Augen auf die Eindringlinge, ſchlug auf ſeine Bruſt, erhob
ſein gewaltiges Haupt und ſtieß das furchtbare Gebrüll aus. Jch habe Grund zu glauben, daß ich
dieſes Gebrüll auf die Entfernung von drei Meilen hörte (!)‟.

„Das Entſetzliche in der Erſcheinung des Thieres läßt jede Beſchreibung weit hinter ſich. Bei
ſolchem Anblick konnte ich meinen braven, eingebornen Jägern es verzeihen, daß ſie zuweilen eine
übernatürliche Furcht überkam, konnte ich mir die Wundergeſchichten erklären, welche die Neger über
den Gorilla erzählen.‟

„Es iſt ein Grundſatz eines gutgeſchulten Gorillajägers, ſein Feuer bis zu dem letzten Augen-
blick zu bewahren. Die Erfahrung hat gelehrt, daß, wenn der Jäger feuert und fehlt, der Gorilla
augenblicklich auf ihn ſtürzt. Und ſeinem Anprall kann kein Mann widerſtehen! Ein einziger Schlag
der gewaltigen, mit mächtigen Nägeln bewehrten Hand, und das Eingeweide des armen Jägers liegt
bloß, ſeine Bruſt iſt zertrümmert, ſein Schädel zerſchmettert; es iſt zu ſpät, neu zu laden, und Flucht
iſt vergebens! Einzelne Neger, tollkühn aus Furcht, haben ſich unter ſolchen Umſtänden in ein Ringen
mit dem Gorilla eingelaſſen und mit ihrem ungeladenen Gewehre ſich vertheidigen wollen; aber ſie
haben nur Zeit zu einem einzigen, erfolgloſen Streich gehabt: — im nächſten Augenblick erſchien der
lange Arm mit verhängnißvoller Kraft und zerbrach Gewehr und Negerſchädel mit einem Schlage.
Jch kann mir kein Geſchöpf denken, welches ſo unabwendliche Angriffe auf den Menſchen zu machen
verſteht, und zwar aus dem Grunde, weil ſich der Gorilla Geſicht gegen Geſicht dem Manne gegen-
über ſtellt und ſeine Arme als Waffen zum Angriff gebraucht; gerade wie der Mann oder ein Preis-
fechter thun würden, nur daß jener längere Arme und weitaus größere Kraft hat, als ſich der
gewaltigſte Fauſtkämpfer der Erde träumen läßt.‟

„Die dunkeln und undurchdringlichen Dickichte, in denen man ſich der vielen Ranken und
Dornen halber kaum bewegen kann, bilden den Aufenthalt des Gorilla; deshalb bleibt der Jäger
kluger Weiſe ſtehen und erwartet die Ankunft des wüthenden Thieres. Der Gorilla nähert ſich mit
kurzen Schritten, hält häufig an und ſtößt ſein hölliſches Gebrüll aus, ab und zu mit den Armen
ſeine Bruſt ſchlagend. Zuweilen hält er länger an und ſetzt ſich auch wohl; dabei blickt er wüthend
auf ſeinen Gegner. Sein Gang iſt wacklig; die ſehr kurzen Hinterbeine genügen entſchieden nicht,
um den Körper aufrecht zu tragen; daher behilft ſich das Thier durch Schwingungen mit den
Armen, um ſich im Gleichgewicht zu halten; aber der dicke Bauch, das runde ſtierartige Haupt,
welches rückwärts faſt auf dem Nacken aufliegt, die großen muskelkräſtigen Arme und die weite
Bruſt: — alles Dies verleiht ſeinem Schwanken ein unſäglich Entſetzliches, welches das Furchtbare
ſeiner Erſcheinung nur noch vermehrt. Zugleich blitzen die tiefliegenden, grauen Augen in unheim-
lichem Glanze; die Wuth verzerrt das Geſicht auf das abſcheulichſte; die dünnen, ſcharf geſchnittenen
Lippen, welche zurückgezogen werden, laſſen die gewaltigen Reißzähne und die furchtbaren Kinnladen
erſcheinen, in welchen ein Menſchenglied zermalmt werden würde, wie Zwieback.‟

„Der Jäger ſteht mit ängſtlicher Sorge, ſeinen Feind bewachend, auf einer und derſelben Stelle,
das Gewehr in der Hand, oft fünf lange, bange Minuten, mit aufregendem Grauen den Augen-
blick erwartend, in welchem er feuern muß. Die gewöhnliche Entfernung, in welcher geſchoſſen wird,
beträgt 14 bis 18 Fuß. Jch meinestheils habe nie weiter auf ein Gorillamännchen geſchoſſen, als
auf acht Ellen. Zuletzt kommt die Gelegenheit: ſo ſchnell als möglich wird das Gewehr erhoben, —
ein ängſtlicher Augenblick, welcher die Bruſt zuſammenſchnürt, und dann — Finger an den Drücker!
Wenn der Neger einem Flußpferde während der Jagd eine Kugel zuſandte, geht er im Augenblicke
auf ſeine Beute los: — wenn er nach einem Gorilla ſchoß, ſteht er ſtill; denn falls er gefehlt hat,
muß er kämpfen für ſein Leben, Geſicht gegen Geſicht, hoffend, daß irgend ein unerwartetes Glück

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[19/0069] Lebensweiſe. Du Chaillu’s Schilderung. in dem dunkelſten Dickicht des Waldes ſitzen, wo die ſtrahlende Sonne nur ein düſteres Zwielicht hervorrufen kann; das Weibchen weidete in der Regel nebenbei, und dieſes war es auch, welches zuerſt unter lautem und heftigem Schreien und Kreiſchen davon rannte. Dann erhob ſich das Männchen, welches noch einen Augenblick mit wüthendem Blick dageſeſſen hatte, langſam auf ſeine Füße, ſchaute mit glühenden, wüthenden Augen auf die Eindringlinge, ſchlug auf ſeine Bruſt, erhob ſein gewaltiges Haupt und ſtieß das furchtbare Gebrüll aus. Jch habe Grund zu glauben, daß ich dieſes Gebrüll auf die Entfernung von drei Meilen hörte (!)‟. „Das Entſetzliche in der Erſcheinung des Thieres läßt jede Beſchreibung weit hinter ſich. Bei ſolchem Anblick konnte ich meinen braven, eingebornen Jägern es verzeihen, daß ſie zuweilen eine übernatürliche Furcht überkam, konnte ich mir die Wundergeſchichten erklären, welche die Neger über den Gorilla erzählen.‟ „Es iſt ein Grundſatz eines gutgeſchulten Gorillajägers, ſein Feuer bis zu dem letzten Augen- blick zu bewahren. Die Erfahrung hat gelehrt, daß, wenn der Jäger feuert und fehlt, der Gorilla augenblicklich auf ihn ſtürzt. Und ſeinem Anprall kann kein Mann widerſtehen! Ein einziger Schlag der gewaltigen, mit mächtigen Nägeln bewehrten Hand, und das Eingeweide des armen Jägers liegt bloß, ſeine Bruſt iſt zertrümmert, ſein Schädel zerſchmettert; es iſt zu ſpät, neu zu laden, und Flucht iſt vergebens! Einzelne Neger, tollkühn aus Furcht, haben ſich unter ſolchen Umſtänden in ein Ringen mit dem Gorilla eingelaſſen und mit ihrem ungeladenen Gewehre ſich vertheidigen wollen; aber ſie haben nur Zeit zu einem einzigen, erfolgloſen Streich gehabt: — im nächſten Augenblick erſchien der lange Arm mit verhängnißvoller Kraft und zerbrach Gewehr und Negerſchädel mit einem Schlage. Jch kann mir kein Geſchöpf denken, welches ſo unabwendliche Angriffe auf den Menſchen zu machen verſteht, und zwar aus dem Grunde, weil ſich der Gorilla Geſicht gegen Geſicht dem Manne gegen- über ſtellt und ſeine Arme als Waffen zum Angriff gebraucht; gerade wie der Mann oder ein Preis- fechter thun würden, nur daß jener längere Arme und weitaus größere Kraft hat, als ſich der gewaltigſte Fauſtkämpfer der Erde träumen läßt.‟ „Die dunkeln und undurchdringlichen Dickichte, in denen man ſich der vielen Ranken und Dornen halber kaum bewegen kann, bilden den Aufenthalt des Gorilla; deshalb bleibt der Jäger kluger Weiſe ſtehen und erwartet die Ankunft des wüthenden Thieres. Der Gorilla nähert ſich mit kurzen Schritten, hält häufig an und ſtößt ſein hölliſches Gebrüll aus, ab und zu mit den Armen ſeine Bruſt ſchlagend. Zuweilen hält er länger an und ſetzt ſich auch wohl; dabei blickt er wüthend auf ſeinen Gegner. Sein Gang iſt wacklig; die ſehr kurzen Hinterbeine genügen entſchieden nicht, um den Körper aufrecht zu tragen; daher behilft ſich das Thier durch Schwingungen mit den Armen, um ſich im Gleichgewicht zu halten; aber der dicke Bauch, das runde ſtierartige Haupt, welches rückwärts faſt auf dem Nacken aufliegt, die großen muskelkräſtigen Arme und die weite Bruſt: — alles Dies verleiht ſeinem Schwanken ein unſäglich Entſetzliches, welches das Furchtbare ſeiner Erſcheinung nur noch vermehrt. Zugleich blitzen die tiefliegenden, grauen Augen in unheim- lichem Glanze; die Wuth verzerrt das Geſicht auf das abſcheulichſte; die dünnen, ſcharf geſchnittenen Lippen, welche zurückgezogen werden, laſſen die gewaltigen Reißzähne und die furchtbaren Kinnladen erſcheinen, in welchen ein Menſchenglied zermalmt werden würde, wie Zwieback.‟ „Der Jäger ſteht mit ängſtlicher Sorge, ſeinen Feind bewachend, auf einer und derſelben Stelle, das Gewehr in der Hand, oft fünf lange, bange Minuten, mit aufregendem Grauen den Augen- blick erwartend, in welchem er feuern muß. Die gewöhnliche Entfernung, in welcher geſchoſſen wird, beträgt 14 bis 18 Fuß. Jch meinestheils habe nie weiter auf ein Gorillamännchen geſchoſſen, als auf acht Ellen. Zuletzt kommt die Gelegenheit: ſo ſchnell als möglich wird das Gewehr erhoben, — ein ängſtlicher Augenblick, welcher die Bruſt zuſammenſchnürt, und dann — Finger an den Drücker! Wenn der Neger einem Flußpferde während der Jagd eine Kugel zuſandte, geht er im Augenblicke auf ſeine Beute los: — wenn er nach einem Gorilla ſchoß, ſteht er ſtill; denn falls er gefehlt hat, muß er kämpfen für ſein Leben, Geſicht gegen Geſicht, hoffend, daß irgend ein unerwartetes Glück 2*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/69>, abgerufen am 02.05.2024.