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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Leben. Seine Jagd auf Fische und Vögel.

Die Fischjagd versteht der Fischotter natürlich meisterhaft; er ist im Wasser dasselbe, was der
Fuchs und der Luchs im Verein auf dem Lande sind. Jn den seichten Gewässern treibt er die Fische
in den Buchten zusammen, um sie dort leichter zu erhaschen, oder scheucht sie, indem er mehrmals mit
dem Schwanze plätschernd auf die Wasseroberfläche schlägt, in Uferlöcher oder unter Steine, wo sie
ihm dann sicher zur Beute werden. Jn tieferen Gewässern verfolgt er den Fisch vom Grund aus
und packt ihn rasch am Bauche. Nicht selten lauert er auch seiner Beute auf Stöcken und Steinen auf
und taucht plötzlich in das Wasser, sobald er einen Fisch von fern erblickt, folgt ihm in eiligster Hetz-
jagd eine Strecke weit und faßt ihn, sobald er erschreckt sich zu verbergen sucht. Wenn ihrer zwei
einen Lachs verfolgen, schwimmt der eine über, der andere unter ihm, und so jagen sie ihn so lange,
bis er vor Müdigkeit nicht weiter kann und sich ohne Widerstand ergeben muß. Der Otter, welcher
seine Jagd ohne Mithilfe Anderer seiner Art verfolgen muß, nähert sich den größeren Fischen, welche
nicht gut unter sich sehen können, vom Grund aus und packt sie dann von unten plötzlich am Bauche.
Die kleineren Fische verzehrt er während seines Schwimmens im Wasser, indem er den Kopf etwas
über die Oberfläche emporhebt, größere Fische aber trägt er im Maule nach dem Ufer und verspeist
sie auf dem Lande. Dabei hält er die schlüpfrige Beute zwischen seinen Vorderfüßen und beginnt in
der Gegend der Schulter zu fressen, schält das Fleisch vom Nacken nach dem Schwanze zu ab und läßt
den Kopf, Schwanz und die übrigen Theile liegen. Jn fischreichen Flüssen wird er noch leckerer
und labt sich dann blos an den besten Rückenstücken. So kommt es, daß er in einem Tage oft
mehrere große Fische fängt und von jedem blos ein kleines Rückenstückchen verzehrt. Die in der
Umgegend solcher Gewässer wohnenden Bauern stören einen so leckern Fischotter durchaus nicht,
zumal wenn der Strom oder das Fischrecht in ihm einem größern Gutsbesitzer gehört, wie es in
England z. B. häufig der Fall ist. Sie betrachten dann den Fischotter als einen ihnen höchst willkommenen
Beschicker ihrer kärglich besetzten Tafel und gehen des Morgens regelmäßig an die Ufer, um die
angefressenen Fische aufzuheben und für sich zu verwerthen. Bei Ueberfluß an Nahrung verleugnet
der Otter die Sitten seiner Familie nicht. Auch er mordet, wie ich an Gefangenen beobachtete, solange
etwas Lebendes in seiner Nähe unter Wasser sich zeigt, und wird durch einen an ihm vorüber-
schwimmenden Fisch selbst von der leckersten Mahlzeit abgezogen und zu neuer Jagd angeregt. Wenn
er zufällig unter einen Schwarm kleiner Fische geräth, fängt er, so rasch als möglich, nach einander
einen um den andern, schleppt ihn eiligst aus Land, beißt ihn todt, läßt ihn einstweilen liegen und
stürzt sich von neuem ins Wasser, um weiter zu jagen.

Auch von Krebsen, Fröschen, Wasserratten, kleinen und sogar größeren Vögeln nährt sich der
Fischotter, wenn auch natürlich die Fische, zumal Forellen, eine Lieblingsfpeise bleiben. Selbst durch
seine außergewöhnlichen Jagden wird der Otter schädlich.

"Jn den schönen Gartenanlagen zu Stuttgart," erzählt Tessin, "sind die Teiche stark mit
zahmen und wildem Wassergeflügel, sowie mit Fischen bevölkert. Unter ersteren trieb im Sommer 1824
ein Fischotter seine nächtlichen Räubereien sechs bis sieben Wochen lang, ohne daß irgend eine Spur
seiner Anwesenheit bemerkt wurde. Während dieser Zeit wurden alle Entennester, sowohl auf dem
Lande, als auf den Jnseln zerstört und die Eier ausgesaugt; die jungen Enten und Gäufe wurden
schnell vermindert, ohne daß Ueberreste hiervon angetroffen worden wären, ebensowenig, als man
solche von den gefressenen Fischen auffand. Dagegen fand man täglich zwei bis sieben alte Enten,
von welchen nichts als Kopf und Hals verzehrt waren, desgleichen stark verletzte Gäufe und Schwäne,
die infolge ihrer Wunden bald eingingen. Jn einer mondhellen Nacht entschloß sich endlich der in
den Anlagen wohnende königliche Oberhofgärtner Bosch, sich selbst auf den Platz zu begeben. Von
neun Uhr an bis gegen zwölf Uhr wurde das Wassergeflügel beständig beunruhigt und nach allen
Richtungen hin umhergetrieben. Unaufhörlich tönte der Angstschrei, besonders der jungen Enten,
und es fing erst an, ruhig zu werden, nachdem sich alle auf das Land geflüchtet hatten. Noch war
es nicht möglich, zu entdecken, wodurch das Geflügel so in Angst gesetzt worden war, und vergebens
versuchte Herr Bosch, dasselbe wieder in den Teich zu treiben. Nach ein Uhr fiel eine wilde Ente

Leben. Seine Jagd auf Fiſche und Vögel.

Die Fiſchjagd verſteht der Fiſchotter natürlich meiſterhaft; er iſt im Waſſer daſſelbe, was der
Fuchs und der Luchs im Verein auf dem Lande ſind. Jn den ſeichten Gewäſſern treibt er die Fiſche
in den Buchten zuſammen, um ſie dort leichter zu erhaſchen, oder ſcheucht ſie, indem er mehrmals mit
dem Schwanze plätſchernd auf die Waſſeroberfläche ſchlägt, in Uferlöcher oder unter Steine, wo ſie
ihm dann ſicher zur Beute werden. Jn tieferen Gewäſſern verfolgt er den Fiſch vom Grund aus
und packt ihn raſch am Bauche. Nicht ſelten lauert er auch ſeiner Beute auf Stöcken und Steinen auf
und taucht plötzlich in das Waſſer, ſobald er einen Fiſch von fern erblickt, folgt ihm in eiligſter Hetz-
jagd eine Strecke weit und faßt ihn, ſobald er erſchreckt ſich zu verbergen ſucht. Wenn ihrer zwei
einen Lachs verfolgen, ſchwimmt der eine über, der andere unter ihm, und ſo jagen ſie ihn ſo lange,
bis er vor Müdigkeit nicht weiter kann und ſich ohne Widerſtand ergeben muß. Der Otter, welcher
ſeine Jagd ohne Mithilfe Anderer ſeiner Art verfolgen muß, nähert ſich den größeren Fiſchen, welche
nicht gut unter ſich ſehen können, vom Grund aus und packt ſie dann von unten plötzlich am Bauche.
Die kleineren Fiſche verzehrt er während ſeines Schwimmens im Waſſer, indem er den Kopf etwas
über die Oberfläche emporhebt, größere Fiſche aber trägt er im Maule nach dem Ufer und verſpeiſt
ſie auf dem Lande. Dabei hält er die ſchlüpfrige Beute zwiſchen ſeinen Vorderfüßen und beginnt in
der Gegend der Schulter zu freſſen, ſchält das Fleiſch vom Nacken nach dem Schwanze zu ab und läßt
den Kopf, Schwanz und die übrigen Theile liegen. Jn fiſchreichen Flüſſen wird er noch leckerer
und labt ſich dann blos an den beſten Rückenſtücken. So kommt es, daß er in einem Tage oft
mehrere große Fiſche fängt und von jedem blos ein kleines Rückenſtückchen verzehrt. Die in der
Umgegend ſolcher Gewäſſer wohnenden Bauern ſtören einen ſo leckern Fiſchotter durchaus nicht,
zumal wenn der Strom oder das Fiſchrecht in ihm einem größern Gutsbeſitzer gehört, wie es in
England z. B. häufig der Fall iſt. Sie betrachten dann den Fiſchotter als einen ihnen höchſt willkommenen
Beſchicker ihrer kärglich beſetzten Tafel und gehen des Morgens regelmäßig an die Ufer, um die
angefreſſenen Fiſche aufzuheben und für ſich zu verwerthen. Bei Ueberfluß an Nahrung verleugnet
der Otter die Sitten ſeiner Familie nicht. Auch er mordet, wie ich an Gefangenen beobachtete, ſolange
etwas Lebendes in ſeiner Nähe unter Waſſer ſich zeigt, und wird durch einen an ihm vorüber-
ſchwimmenden Fiſch ſelbſt von der leckerſten Mahlzeit abgezogen und zu neuer Jagd angeregt. Wenn
er zufällig unter einen Schwarm kleiner Fiſche geräth, fängt er, ſo raſch als möglich, nach einander
einen um den andern, ſchleppt ihn eiligſt aus Land, beißt ihn todt, läßt ihn einſtweilen liegen und
ſtürzt ſich von neuem ins Waſſer, um weiter zu jagen.

Auch von Krebſen, Fröſchen, Waſſerratten, kleinen und ſogar größeren Vögeln nährt ſich der
Fiſchotter, wenn auch natürlich die Fiſche, zumal Forellen, eine Lieblingsfpeiſe bleiben. Selbſt durch
ſeine außergewöhnlichen Jagden wird der Otter ſchädlich.

„Jn den ſchönen Gartenanlagen zu Stuttgart,‟ erzählt Teſſin, „ſind die Teiche ſtark mit
zahmen und wildem Waſſergeflügel, ſowie mit Fiſchen bevölkert. Unter erſteren trieb im Sommer 1824
ein Fiſchotter ſeine nächtlichen Räubereien ſechs bis ſieben Wochen lang, ohne daß irgend eine Spur
ſeiner Anweſenheit bemerkt wurde. Während dieſer Zeit wurden alle Entenneſter, ſowohl auf dem
Lande, als auf den Jnſeln zerſtört und die Eier ausgeſaugt; die jungen Enten und Gäufe wurden
ſchnell vermindert, ohne daß Ueberreſte hiervon angetroffen worden wären, ebenſowenig, als man
ſolche von den gefreſſenen Fiſchen auffand. Dagegen fand man täglich zwei bis ſieben alte Enten,
von welchen nichts als Kopf und Hals verzehrt waren, desgleichen ſtark verletzte Gäufe und Schwäne,
die infolge ihrer Wunden bald eingingen. Jn einer mondhellen Nacht entſchloß ſich endlich der in
den Anlagen wohnende königliche Oberhofgärtner Boſch, ſich ſelbſt auf den Platz zu begeben. Von
neun Uhr an bis gegen zwölf Uhr wurde das Waſſergeflügel beſtändig beunruhigt und nach allen
Richtungen hin umhergetrieben. Unaufhörlich tönte der Angſtſchrei, beſonders der jungen Enten,
und es fing erſt an, ruhig zu werden, nachdem ſich alle auf das Land geflüchtet hatten. Noch war
es nicht möglich, zu entdecken, wodurch das Geflügel ſo in Angſt geſetzt worden war, und vergebens
verſuchte Herr Boſch, daſſelbe wieder in den Teich zu treiben. Nach ein Uhr fiel eine wilde Ente

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[565/0641] Leben. Seine Jagd auf Fiſche und Vögel. Die Fiſchjagd verſteht der Fiſchotter natürlich meiſterhaft; er iſt im Waſſer daſſelbe, was der Fuchs und der Luchs im Verein auf dem Lande ſind. Jn den ſeichten Gewäſſern treibt er die Fiſche in den Buchten zuſammen, um ſie dort leichter zu erhaſchen, oder ſcheucht ſie, indem er mehrmals mit dem Schwanze plätſchernd auf die Waſſeroberfläche ſchlägt, in Uferlöcher oder unter Steine, wo ſie ihm dann ſicher zur Beute werden. Jn tieferen Gewäſſern verfolgt er den Fiſch vom Grund aus und packt ihn raſch am Bauche. Nicht ſelten lauert er auch ſeiner Beute auf Stöcken und Steinen auf und taucht plötzlich in das Waſſer, ſobald er einen Fiſch von fern erblickt, folgt ihm in eiligſter Hetz- jagd eine Strecke weit und faßt ihn, ſobald er erſchreckt ſich zu verbergen ſucht. Wenn ihrer zwei einen Lachs verfolgen, ſchwimmt der eine über, der andere unter ihm, und ſo jagen ſie ihn ſo lange, bis er vor Müdigkeit nicht weiter kann und ſich ohne Widerſtand ergeben muß. Der Otter, welcher ſeine Jagd ohne Mithilfe Anderer ſeiner Art verfolgen muß, nähert ſich den größeren Fiſchen, welche nicht gut unter ſich ſehen können, vom Grund aus und packt ſie dann von unten plötzlich am Bauche. Die kleineren Fiſche verzehrt er während ſeines Schwimmens im Waſſer, indem er den Kopf etwas über die Oberfläche emporhebt, größere Fiſche aber trägt er im Maule nach dem Ufer und verſpeiſt ſie auf dem Lande. Dabei hält er die ſchlüpfrige Beute zwiſchen ſeinen Vorderfüßen und beginnt in der Gegend der Schulter zu freſſen, ſchält das Fleiſch vom Nacken nach dem Schwanze zu ab und läßt den Kopf, Schwanz und die übrigen Theile liegen. Jn fiſchreichen Flüſſen wird er noch leckerer und labt ſich dann blos an den beſten Rückenſtücken. So kommt es, daß er in einem Tage oft mehrere große Fiſche fängt und von jedem blos ein kleines Rückenſtückchen verzehrt. Die in der Umgegend ſolcher Gewäſſer wohnenden Bauern ſtören einen ſo leckern Fiſchotter durchaus nicht, zumal wenn der Strom oder das Fiſchrecht in ihm einem größern Gutsbeſitzer gehört, wie es in England z. B. häufig der Fall iſt. Sie betrachten dann den Fiſchotter als einen ihnen höchſt willkommenen Beſchicker ihrer kärglich beſetzten Tafel und gehen des Morgens regelmäßig an die Ufer, um die angefreſſenen Fiſche aufzuheben und für ſich zu verwerthen. Bei Ueberfluß an Nahrung verleugnet der Otter die Sitten ſeiner Familie nicht. Auch er mordet, wie ich an Gefangenen beobachtete, ſolange etwas Lebendes in ſeiner Nähe unter Waſſer ſich zeigt, und wird durch einen an ihm vorüber- ſchwimmenden Fiſch ſelbſt von der leckerſten Mahlzeit abgezogen und zu neuer Jagd angeregt. Wenn er zufällig unter einen Schwarm kleiner Fiſche geräth, fängt er, ſo raſch als möglich, nach einander einen um den andern, ſchleppt ihn eiligſt aus Land, beißt ihn todt, läßt ihn einſtweilen liegen und ſtürzt ſich von neuem ins Waſſer, um weiter zu jagen. Auch von Krebſen, Fröſchen, Waſſerratten, kleinen und ſogar größeren Vögeln nährt ſich der Fiſchotter, wenn auch natürlich die Fiſche, zumal Forellen, eine Lieblingsfpeiſe bleiben. Selbſt durch ſeine außergewöhnlichen Jagden wird der Otter ſchädlich. „Jn den ſchönen Gartenanlagen zu Stuttgart,‟ erzählt Teſſin, „ſind die Teiche ſtark mit zahmen und wildem Waſſergeflügel, ſowie mit Fiſchen bevölkert. Unter erſteren trieb im Sommer 1824 ein Fiſchotter ſeine nächtlichen Räubereien ſechs bis ſieben Wochen lang, ohne daß irgend eine Spur ſeiner Anweſenheit bemerkt wurde. Während dieſer Zeit wurden alle Entenneſter, ſowohl auf dem Lande, als auf den Jnſeln zerſtört und die Eier ausgeſaugt; die jungen Enten und Gäufe wurden ſchnell vermindert, ohne daß Ueberreſte hiervon angetroffen worden wären, ebenſowenig, als man ſolche von den gefreſſenen Fiſchen auffand. Dagegen fand man täglich zwei bis ſieben alte Enten, von welchen nichts als Kopf und Hals verzehrt waren, desgleichen ſtark verletzte Gäufe und Schwäne, die infolge ihrer Wunden bald eingingen. Jn einer mondhellen Nacht entſchloß ſich endlich der in den Anlagen wohnende königliche Oberhofgärtner Boſch, ſich ſelbſt auf den Platz zu begeben. Von neun Uhr an bis gegen zwölf Uhr wurde das Waſſergeflügel beſtändig beunruhigt und nach allen Richtungen hin umhergetrieben. Unaufhörlich tönte der Angſtſchrei, beſonders der jungen Enten, und es fing erſt an, ruhig zu werden, nachdem ſich alle auf das Land geflüchtet hatten. Noch war es nicht möglich, zu entdecken, wodurch das Geflügel ſo in Angſt geſetzt worden war, und vergebens verſuchte Herr Boſch, daſſelbe wieder in den Teich zu treiben. Nach ein Uhr fiel eine wilde Ente

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/641>, abgerufen am 24.11.2024.