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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Fischottern. -- Gemeiner Fischotter.
oft dreht er sich, scheinbar zu seinem Vergnügen, so herum, daß er auf den Rücken zu liegen kommt,
zieht dann die Beine an die Brust und treibt sich noch ein gutes Stück mit dem Schwanze fort. Dabei
ist der breite Kopf in ununterbrochener Bewegung, und die Schlangenähnlichkeit des Thieres wird auf-
fallend groß. Auch bei langem Aufenthalt im Wasser bleibt das Fell glatt und trocken, und zur Nacht-
zeit will man bemerkt haben, daß es bei raschen Bewegungen einen elektrischen Schein von sich gäbe.
Die Gegend, in welcher ein Fischotter schwimmt, ist leicht zu kennen, weil von ihm beständig Luftblasen
aufsteigen, und auch um das ganze Fell herum gewissermaßen eine Schicht von feinen Luftbläschen sich
befindet. Zur Zeit des Winters sucht er, wenn die Gewässer zugefroren sind, die Löcher im Eise auf,
steigt durch dieselben unter das Wasser und kehrt auch zu ihnen zurück, um Luft zu schöpfen. Solche
Eislöcher weiß das Thier mit unfehlbarer Sicherheit wieder aufzufinden; und ebenso geschickt ist es,
andere, die es auf seinem Zuge trifft, zu entdecken. Ein Eisloch braucht blos so groß zu sein, daß der
Fischotter seine Nase durchstecken kann, um zu athmen, dann ist das zugefrorene Gewässer vollkommen
geeignet, von ihm bejagt zu werden.

Die Sinne des Fischotters sind sehr scharf; er äugt, vernimmt und wittert ausgezeichnet. Schon
aus einer Entfernung von mehreren hundert Schritten gewahrt er die Annäherung eines Menschen
oder Hundes, und eine solche Erscheinung ist für ihn dann stets die Aufforderung zur schleunigsten
Flucht nach dem Wasser. Die unablässigen Verfolgungen, denen er ausgesetzt ist, haben ihn sehr scheu
und flüchtig, aber auch sehr listig gemacht, und so kommt es, daß man Tage lang auf ihn lauern kann,
ohne ihn zu gewahren.

Jm Freien vernimmt man die Stimme des Fischotters viel seltener, als in der Gefangenschaft,
wo man ihn weit leichter aufregen kann. Wenn er sich recht behaglich fühlt, läßt er ein leises Kichern
vernehmen; verspürt er aber Hunger, oder reizt man seine Freßgier, so stößt er ein lautes Geschrei
aus, welches wie die oft und rasch nach einander wiederholten Silben "girrk" klingt und so gellend ist,
daß es die Ohren beleidigt. Jm Zorn kreischt er laut auf, in der Verliebtheit pfeift er hell und
wohlklingend.

Bei uns zu Lande führt der Fischotter eine mehr nächtliche, als tägliche Lebensweise. Ueber Tag
liegt er in seinen Verstecken verborgen, nach Sonnenuntergang macht er sich auf seine Jagd aus, am
liebsten in mondhellen Nächten. An Orten, welche selten von Menschen besucht werden, betreibt er
seinen Fischfang auch am Tage. So erzählt Prinz von Wied, daß der brasilianische Fischotter
in den wenig beunruhigten Flüssen leicht erlegt werden könne, weil er ohne Scheu ganz nahe um die
Bote herumgaukele und beständig hier und da den Kopf über das Wasser erhebe, ein Fehlschuß also
kaum möglich sei. Da aber, wo der allesbeunruhigende Europäer seine Herrschaft schon aus-
gebreitet hat, würde es ebenso schwer werden, wie bei uns, dasselbe Thier zu überlisten. Jn Paraguay
und Cayenne leben die gleichen Fischottern familienweise, ebenfalls in traulicher Harmlosigkeit und
Sicherheit in den größeren Flüssen und bekümmern sich gar nicht um die dicht zwischen ihnen hindurch-
rudernden Bote. Bei uns ist Dies freilich anders. Das Thier hat im Verlaufe der Zeit gelernt,
wer sein ärgster Feind ist, und sucht diesen mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln auszuweichen,
und eben deshalb wählt es zu allen Streifereien die Nachtzeit.

Alte Fischottern leben gewöhnlich einzeln; alte Weibchen aber streifen lange Zeit mit ihren
Jungen umher oder vereinigen sich wohl auch mit anderen Weibchen und um die Paarungszeit mit
solchen und Männchen; dann fischen sie in kleinen Gesellschaften zusammen. Sie schwimmen stets
stromaufwärts und suchen einen Fluß nicht selten auf Meilen von ihren Wohnungen gründlich ab,
besuchen dabei auch in dem Umfang einer Meile alle Flüsse, Bäche und Teiche, welche in den Hauptfluß
münden oder mit ihm in Verbindung stehen. Nöthigenfalls bleiben sie, wenn sie der Morgen über-
rascht, auch an irgend einem schilfreichen Teiche während des Tages verborgen und setzen bei Nacht
ihre Wanderung fort. Jn den größeren Bächen z. B., welche in die Saale münden, erscheinen sie
nicht selten drei, ja vier Meilen von deren Mündungen entfernt und vernichten, ohne daß der Besitzer
nur eine Ahnung hat, in aller Stille oft die sämmtlichen Fische eines Teichs.

Die Raubthiere. Fiſchottern. — Gemeiner Fiſchotter.
oft dreht er ſich, ſcheinbar zu ſeinem Vergnügen, ſo herum, daß er auf den Rücken zu liegen kommt,
zieht dann die Beine an die Bruſt und treibt ſich noch ein gutes Stück mit dem Schwanze fort. Dabei
iſt der breite Kopf in ununterbrochener Bewegung, und die Schlangenähnlichkeit des Thieres wird auf-
fallend groß. Auch bei langem Aufenthalt im Waſſer bleibt das Fell glatt und trocken, und zur Nacht-
zeit will man bemerkt haben, daß es bei raſchen Bewegungen einen elektriſchen Schein von ſich gäbe.
Die Gegend, in welcher ein Fiſchotter ſchwimmt, iſt leicht zu kennen, weil von ihm beſtändig Luftblaſen
aufſteigen, und auch um das ganze Fell herum gewiſſermaßen eine Schicht von feinen Luftbläschen ſich
befindet. Zur Zeit des Winters ſucht er, wenn die Gewäſſer zugefroren ſind, die Löcher im Eiſe auf,
ſteigt durch dieſelben unter das Waſſer und kehrt auch zu ihnen zurück, um Luft zu ſchöpfen. Solche
Eislöcher weiß das Thier mit unfehlbarer Sicherheit wieder aufzufinden; und ebenſo geſchickt iſt es,
andere, die es auf ſeinem Zuge trifft, zu entdecken. Ein Eisloch braucht blos ſo groß zu ſein, daß der
Fiſchotter ſeine Naſe durchſtecken kann, um zu athmen, dann iſt das zugefrorene Gewäſſer vollkommen
geeignet, von ihm bejagt zu werden.

Die Sinne des Fiſchotters ſind ſehr ſcharf; er äugt, vernimmt und wittert ausgezeichnet. Schon
aus einer Entfernung von mehreren hundert Schritten gewahrt er die Annäherung eines Menſchen
oder Hundes, und eine ſolche Erſcheinung iſt für ihn dann ſtets die Aufforderung zur ſchleunigſten
Flucht nach dem Waſſer. Die unabläſſigen Verfolgungen, denen er ausgeſetzt iſt, haben ihn ſehr ſcheu
und flüchtig, aber auch ſehr liſtig gemacht, und ſo kommt es, daß man Tage lang auf ihn lauern kann,
ohne ihn zu gewahren.

Jm Freien vernimmt man die Stimme des Fiſchotters viel ſeltener, als in der Gefangenſchaft,
wo man ihn weit leichter aufregen kann. Wenn er ſich recht behaglich fühlt, läßt er ein leiſes Kichern
vernehmen; verſpürt er aber Hunger, oder reizt man ſeine Freßgier, ſo ſtößt er ein lautes Geſchrei
aus, welches wie die oft und raſch nach einander wiederholten Silben „girrk‟ klingt und ſo gellend iſt,
daß es die Ohren beleidigt. Jm Zorn kreiſcht er laut auf, in der Verliebtheit pfeift er hell und
wohlklingend.

Bei uns zu Lande führt der Fiſchotter eine mehr nächtliche, als tägliche Lebensweiſe. Ueber Tag
liegt er in ſeinen Verſtecken verborgen, nach Sonnenuntergang macht er ſich auf ſeine Jagd aus, am
liebſten in mondhellen Nächten. An Orten, welche ſelten von Menſchen beſucht werden, betreibt er
ſeinen Fiſchfang auch am Tage. So erzählt Prinz von Wied, daß der braſilianiſche Fiſchotter
in den wenig beunruhigten Flüſſen leicht erlegt werden könne, weil er ohne Scheu ganz nahe um die
Bote herumgaukele und beſtändig hier und da den Kopf über das Waſſer erhebe, ein Fehlſchuß alſo
kaum möglich ſei. Da aber, wo der allesbeunruhigende Europäer ſeine Herrſchaft ſchon aus-
gebreitet hat, würde es ebenſo ſchwer werden, wie bei uns, daſſelbe Thier zu überliſten. Jn Paraguay
und Cayenne leben die gleichen Fiſchottern familienweiſe, ebenfalls in traulicher Harmloſigkeit und
Sicherheit in den größeren Flüſſen und bekümmern ſich gar nicht um die dicht zwiſchen ihnen hindurch-
rudernden Bote. Bei uns iſt Dies freilich anders. Das Thier hat im Verlaufe der Zeit gelernt,
wer ſein ärgſter Feind iſt, und ſucht dieſen mit allen ihm zu Gebote ſtehenden Mitteln auszuweichen,
und eben deshalb wählt es zu allen Streifereien die Nachtzeit.

Alte Fiſchottern leben gewöhnlich einzeln; alte Weibchen aber ſtreifen lange Zeit mit ihren
Jungen umher oder vereinigen ſich wohl auch mit anderen Weibchen und um die Paarungszeit mit
ſolchen und Männchen; dann fiſchen ſie in kleinen Geſellſchaften zuſammen. Sie ſchwimmen ſtets
ſtromaufwärts und ſuchen einen Fluß nicht ſelten auf Meilen von ihren Wohnungen gründlich ab,
beſuchen dabei auch in dem Umfang einer Meile alle Flüſſe, Bäche und Teiche, welche in den Hauptfluß
münden oder mit ihm in Verbindung ſtehen. Nöthigenfalls bleiben ſie, wenn ſie der Morgen über-
raſcht, auch an irgend einem ſchilfreichen Teiche während des Tages verborgen und ſetzen bei Nacht
ihre Wanderung fort. Jn den größeren Bächen z. B., welche in die Saale münden, erſcheinen ſie
nicht ſelten drei, ja vier Meilen von deren Mündungen entfernt und vernichten, ohne daß der Beſitzer
nur eine Ahnung hat, in aller Stille oft die ſämmtlichen Fiſche eines Teichs.

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[564/0640] Die Raubthiere. Fiſchottern. — Gemeiner Fiſchotter. oft dreht er ſich, ſcheinbar zu ſeinem Vergnügen, ſo herum, daß er auf den Rücken zu liegen kommt, zieht dann die Beine an die Bruſt und treibt ſich noch ein gutes Stück mit dem Schwanze fort. Dabei iſt der breite Kopf in ununterbrochener Bewegung, und die Schlangenähnlichkeit des Thieres wird auf- fallend groß. Auch bei langem Aufenthalt im Waſſer bleibt das Fell glatt und trocken, und zur Nacht- zeit will man bemerkt haben, daß es bei raſchen Bewegungen einen elektriſchen Schein von ſich gäbe. Die Gegend, in welcher ein Fiſchotter ſchwimmt, iſt leicht zu kennen, weil von ihm beſtändig Luftblaſen aufſteigen, und auch um das ganze Fell herum gewiſſermaßen eine Schicht von feinen Luftbläschen ſich befindet. Zur Zeit des Winters ſucht er, wenn die Gewäſſer zugefroren ſind, die Löcher im Eiſe auf, ſteigt durch dieſelben unter das Waſſer und kehrt auch zu ihnen zurück, um Luft zu ſchöpfen. Solche Eislöcher weiß das Thier mit unfehlbarer Sicherheit wieder aufzufinden; und ebenſo geſchickt iſt es, andere, die es auf ſeinem Zuge trifft, zu entdecken. Ein Eisloch braucht blos ſo groß zu ſein, daß der Fiſchotter ſeine Naſe durchſtecken kann, um zu athmen, dann iſt das zugefrorene Gewäſſer vollkommen geeignet, von ihm bejagt zu werden. Die Sinne des Fiſchotters ſind ſehr ſcharf; er äugt, vernimmt und wittert ausgezeichnet. Schon aus einer Entfernung von mehreren hundert Schritten gewahrt er die Annäherung eines Menſchen oder Hundes, und eine ſolche Erſcheinung iſt für ihn dann ſtets die Aufforderung zur ſchleunigſten Flucht nach dem Waſſer. Die unabläſſigen Verfolgungen, denen er ausgeſetzt iſt, haben ihn ſehr ſcheu und flüchtig, aber auch ſehr liſtig gemacht, und ſo kommt es, daß man Tage lang auf ihn lauern kann, ohne ihn zu gewahren. Jm Freien vernimmt man die Stimme des Fiſchotters viel ſeltener, als in der Gefangenſchaft, wo man ihn weit leichter aufregen kann. Wenn er ſich recht behaglich fühlt, läßt er ein leiſes Kichern vernehmen; verſpürt er aber Hunger, oder reizt man ſeine Freßgier, ſo ſtößt er ein lautes Geſchrei aus, welches wie die oft und raſch nach einander wiederholten Silben „girrk‟ klingt und ſo gellend iſt, daß es die Ohren beleidigt. Jm Zorn kreiſcht er laut auf, in der Verliebtheit pfeift er hell und wohlklingend. Bei uns zu Lande führt der Fiſchotter eine mehr nächtliche, als tägliche Lebensweiſe. Ueber Tag liegt er in ſeinen Verſtecken verborgen, nach Sonnenuntergang macht er ſich auf ſeine Jagd aus, am liebſten in mondhellen Nächten. An Orten, welche ſelten von Menſchen beſucht werden, betreibt er ſeinen Fiſchfang auch am Tage. So erzählt Prinz von Wied, daß der braſilianiſche Fiſchotter in den wenig beunruhigten Flüſſen leicht erlegt werden könne, weil er ohne Scheu ganz nahe um die Bote herumgaukele und beſtändig hier und da den Kopf über das Waſſer erhebe, ein Fehlſchuß alſo kaum möglich ſei. Da aber, wo der allesbeunruhigende Europäer ſeine Herrſchaft ſchon aus- gebreitet hat, würde es ebenſo ſchwer werden, wie bei uns, daſſelbe Thier zu überliſten. Jn Paraguay und Cayenne leben die gleichen Fiſchottern familienweiſe, ebenfalls in traulicher Harmloſigkeit und Sicherheit in den größeren Flüſſen und bekümmern ſich gar nicht um die dicht zwiſchen ihnen hindurch- rudernden Bote. Bei uns iſt Dies freilich anders. Das Thier hat im Verlaufe der Zeit gelernt, wer ſein ärgſter Feind iſt, und ſucht dieſen mit allen ihm zu Gebote ſtehenden Mitteln auszuweichen, und eben deshalb wählt es zu allen Streifereien die Nachtzeit. Alte Fiſchottern leben gewöhnlich einzeln; alte Weibchen aber ſtreifen lange Zeit mit ihren Jungen umher oder vereinigen ſich wohl auch mit anderen Weibchen und um die Paarungszeit mit ſolchen und Männchen; dann fiſchen ſie in kleinen Geſellſchaften zuſammen. Sie ſchwimmen ſtets ſtromaufwärts und ſuchen einen Fluß nicht ſelten auf Meilen von ihren Wohnungen gründlich ab, beſuchen dabei auch in dem Umfang einer Meile alle Flüſſe, Bäche und Teiche, welche in den Hauptfluß münden oder mit ihm in Verbindung ſtehen. Nöthigenfalls bleiben ſie, wenn ſie der Morgen über- raſcht, auch an irgend einem ſchilfreichen Teiche während des Tages verborgen und ſetzen bei Nacht ihre Wanderung fort. Jn den größeren Bächen z. B., welche in die Saale münden, erſcheinen ſie nicht ſelten drei, ja vier Meilen von deren Mündungen entfernt und vernichten, ohne daß der Beſitzer nur eine Ahnung hat, in aller Stille oft die ſämmtlichen Fiſche eines Teichs.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/640>, abgerufen am 17.05.2024.