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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Kennzeichnung.

Bis in die neueste Zeit hinein war über die Lebensweise der beiden Sumpfottern nur höchst
wenig bekannt, und auch jetzt noch lassen die veröffentlichten Beobachtungen viel an Vollkommenheit
zu wünschen übrig, wenigstens für die europäische Art. Jch danke der Freundlichkeit eines Waidmanns
aus der Lübecker Gegend wichtige Bereicherungen unsrer bisherigen Kenntniß, soweit diese den eigent-
lichen Nörz angeht; über dessen Vertreter in Amerika, den Mink, hat Audubon und neuerdings
Prinz von Wied berichtet.

Viele Naturforscher halten den amerikanischen Sumpfotter oder Mink nur für eine klimatische
Ausartung des unsrigen, und in der That sind beide Thiere sich sehr nahe verwandt. Doch unter-
scheidet sich der Mink vom Nörz durch die Verschiedenheit der Leibesverhältnisse hinlänglich, um die
entgegengesetzte Ansicht anderer Forscher zu rechtfertigen, d. h. Mink und Nörz als verschiedene Thiere
anzusehen. Als Hauptkennzeichen des Erstern mag gelten, daß er kurzköpfiger, aber langschwänziger
ist, als unser Nörz. Dem entspricht die verschiedene Zahl der Schwanzwirbel beider Thiere; denn
während Hals-, Rücken- und Lendentheil bei Mink und Nörz aus der gleichen Zahl Wirbel besteht,
zählt man bei Ersterm 21, bei Letzterm dagegen nur 19 Schwanzwirbel. Diese Unterscheidungsmerk-
male sind übrigens die einzigen, welche man aufgefunden hat.

[Abbildung] Der Nörz (Vison Lutreola).

Unser Nörz, welcher auch kleiner Fisch- oder Krebsotter, Steinhund, Wasserwiesel
und bei Lübeck Menk oder Wassermenk genannt wird (Vison Lutreola), erreicht eine Länge von
19 Zoll, wovon etwas über 5 Zoll auf den Schwanz kommt. Der Leib ist gestreckt, schlank und kurz-
beinig, im Ganzen fischotterähnlich, doch ist der Kopf noch schlanker, als bei diesem Verwandten. Die
Füße ähneln denen des Jltis, aber alle Zehen sind, wie bemerkt, durch Bindehäute verbunden. Der
glänzende Pelz besteht aus dichten und glattanliegenden, kurzen, ziemlich harten Grannenhaaren von
brauner Färbung, zwischen und unter denen ein grauliches, sehr dichtes Wollhaar ansitzt. Jn der
Mitte des Rückens dunkelt diese Farbe, am Nacken und Hinterleib am meisten, und auch die Schwanz-
haare pflegen dunkler zu sein, als jene der Leibesseite. Auf dem Unterleib geht die Färbung in Grau-
braun über. Ein kleiner, lichtgelber oder weißlicher Fleck steht an der Kehle. Die Oberlippe ist vorn,
die Unterlippe der ganzen Länge nach weiß.

Eine ganz ähnliche Färbung zeigt auch der Mink (Vison americanus), dessen Pelz weit höher
geachtet wird, weil er vollhaarig und weicher ist. Hinsichtlich der Lebensweise werden beide Thiere
wahrscheinlich in allem Wesentlichen übereinkommen, und deshalb scheint es mir angemessen, einer

Kennzeichnung.

Bis in die neueſte Zeit hinein war über die Lebensweiſe der beiden Sumpfottern nur höchſt
wenig bekannt, und auch jetzt noch laſſen die veröffentlichten Beobachtungen viel an Vollkommenheit
zu wünſchen übrig, wenigſtens für die europäiſche Art. Jch danke der Freundlichkeit eines Waidmanns
aus der Lübecker Gegend wichtige Bereicherungen unſrer bisherigen Kenntniß, ſoweit dieſe den eigent-
lichen Nörz angeht; über deſſen Vertreter in Amerika, den Mink, hat Audubon und neuerdings
Prinz von Wied berichtet.

Viele Naturforſcher halten den amerikaniſchen Sumpfotter oder Mink nur für eine klimatiſche
Ausartung des unſrigen, und in der That ſind beide Thiere ſich ſehr nahe verwandt. Doch unter-
ſcheidet ſich der Mink vom Nörz durch die Verſchiedenheit der Leibesverhältniſſe hinlänglich, um die
entgegengeſetzte Anſicht anderer Forſcher zu rechtfertigen, d. h. Mink und Nörz als verſchiedene Thiere
anzuſehen. Als Hauptkennzeichen des Erſtern mag gelten, daß er kurzköpfiger, aber langſchwänziger
iſt, als unſer Nörz. Dem entſpricht die verſchiedene Zahl der Schwanzwirbel beider Thiere; denn
während Hals-, Rücken- und Lendentheil bei Mink und Nörz aus der gleichen Zahl Wirbel beſteht,
zählt man bei Erſterm 21, bei Letzterm dagegen nur 19 Schwanzwirbel. Dieſe Unterſcheidungsmerk-
male ſind übrigens die einzigen, welche man aufgefunden hat.

[Abbildung] Der Nörz (Vison Lutreola).

Unſer Nörz, welcher auch kleiner Fiſch- oder Krebsotter, Steinhund, Waſſerwieſel
und bei Lübeck Menk oder Waſſermenk genannt wird (Vison Lutreola), erreicht eine Länge von
19 Zoll, wovon etwas über 5 Zoll auf den Schwanz kommt. Der Leib iſt geſtreckt, ſchlank und kurz-
beinig, im Ganzen fiſchotterähnlich, doch iſt der Kopf noch ſchlanker, als bei dieſem Verwandten. Die
Füße ähneln denen des Jltis, aber alle Zehen ſind, wie bemerkt, durch Bindehäute verbunden. Der
glänzende Pelz beſteht aus dichten und glattanliegenden, kurzen, ziemlich harten Grannenhaaren von
brauner Färbung, zwiſchen und unter denen ein grauliches, ſehr dichtes Wollhaar anſitzt. Jn der
Mitte des Rückens dunkelt dieſe Farbe, am Nacken und Hinterleib am meiſten, und auch die Schwanz-
haare pflegen dunkler zu ſein, als jene der Leibesſeite. Auf dem Unterleib geht die Färbung in Grau-
braun über. Ein kleiner, lichtgelber oder weißlicher Fleck ſteht an der Kehle. Die Oberlippe iſt vorn,
die Unterlippe der ganzen Länge nach weiß.

Eine ganz ähnliche Färbung zeigt auch der Mink (Vison americanus), deſſen Pelz weit höher
geachtet wird, weil er vollhaarig und weicher iſt. Hinſichtlich der Lebensweiſe werden beide Thiere
wahrſcheinlich in allem Weſentlichen übereinkommen, und deshalb ſcheint es mir angemeſſen, einer

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[557/0631] Kennzeichnung. Bis in die neueſte Zeit hinein war über die Lebensweiſe der beiden Sumpfottern nur höchſt wenig bekannt, und auch jetzt noch laſſen die veröffentlichten Beobachtungen viel an Vollkommenheit zu wünſchen übrig, wenigſtens für die europäiſche Art. Jch danke der Freundlichkeit eines Waidmanns aus der Lübecker Gegend wichtige Bereicherungen unſrer bisherigen Kenntniß, ſoweit dieſe den eigent- lichen Nörz angeht; über deſſen Vertreter in Amerika, den Mink, hat Audubon und neuerdings Prinz von Wied berichtet. Viele Naturforſcher halten den amerikaniſchen Sumpfotter oder Mink nur für eine klimatiſche Ausartung des unſrigen, und in der That ſind beide Thiere ſich ſehr nahe verwandt. Doch unter- ſcheidet ſich der Mink vom Nörz durch die Verſchiedenheit der Leibesverhältniſſe hinlänglich, um die entgegengeſetzte Anſicht anderer Forſcher zu rechtfertigen, d. h. Mink und Nörz als verſchiedene Thiere anzuſehen. Als Hauptkennzeichen des Erſtern mag gelten, daß er kurzköpfiger, aber langſchwänziger iſt, als unſer Nörz. Dem entſpricht die verſchiedene Zahl der Schwanzwirbel beider Thiere; denn während Hals-, Rücken- und Lendentheil bei Mink und Nörz aus der gleichen Zahl Wirbel beſteht, zählt man bei Erſterm 21, bei Letzterm dagegen nur 19 Schwanzwirbel. Dieſe Unterſcheidungsmerk- male ſind übrigens die einzigen, welche man aufgefunden hat. [Abbildung Der Nörz (Vison Lutreola).] Unſer Nörz, welcher auch kleiner Fiſch- oder Krebsotter, Steinhund, Waſſerwieſel und bei Lübeck Menk oder Waſſermenk genannt wird (Vison Lutreola), erreicht eine Länge von 19 Zoll, wovon etwas über 5 Zoll auf den Schwanz kommt. Der Leib iſt geſtreckt, ſchlank und kurz- beinig, im Ganzen fiſchotterähnlich, doch iſt der Kopf noch ſchlanker, als bei dieſem Verwandten. Die Füße ähneln denen des Jltis, aber alle Zehen ſind, wie bemerkt, durch Bindehäute verbunden. Der glänzende Pelz beſteht aus dichten und glattanliegenden, kurzen, ziemlich harten Grannenhaaren von brauner Färbung, zwiſchen und unter denen ein grauliches, ſehr dichtes Wollhaar anſitzt. Jn der Mitte des Rückens dunkelt dieſe Farbe, am Nacken und Hinterleib am meiſten, und auch die Schwanz- haare pflegen dunkler zu ſein, als jene der Leibesſeite. Auf dem Unterleib geht die Färbung in Grau- braun über. Ein kleiner, lichtgelber oder weißlicher Fleck ſteht an der Kehle. Die Oberlippe iſt vorn, die Unterlippe der ganzen Länge nach weiß. Eine ganz ähnliche Färbung zeigt auch der Mink (Vison americanus), deſſen Pelz weit höher geachtet wird, weil er vollhaarig und weicher iſt. Hinſichtlich der Lebensweiſe werden beide Thiere wahrſcheinlich in allem Weſentlichen übereinkommen, und deshalb ſcheint es mir angemeſſen, einer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/631>, abgerufen am 24.11.2024.